Dtsch Med Wochenschr 2010; 135(48): 2399
DOI: 10.1055/s-0030-1269406
Editorial
Hypertensiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hypertensiologie 2010

Hypertensiology 2010J. Hoyer1 , R. Kreutz2
  • 1 Klinik für Innere Medizin, Schwerpunkt Nephrologie am Standort Marburg, Universitätsklinikum Gießen und Marburg
  • 2Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin
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Publication Date:
24 November 2010 (online)

Im Jahr 2010 hat es in der Hypertensiologie eine ganze Reihe von hochklassigen Studien und richtungweisenden Diskussionen zu neuen Therapieempfehlungen gegeben. In diesem Schwerpunktheft der Deutschen Medizinischen Wochenschrift wollen wir einige der wesentlichen Highlights aus der Hypertensiologie des ablaufenden Jahres vorstellen.

Der Übersichtsartikel von U. Kintscher beschäftigt sich mit der wichtigen Frage von Zielblutdruckwerten bei Diabetikern, die insbesondere durch die ACCORD-Studie (ACCORD Study Group N Engl J Med 2010; 362: 1575 – 1585) neu diskutiert wird. Diese Diskussion, wie tief der Blutdruck in bestimmten Patientengruppen abgesenkt werden soll, hat durch die Studie, die durch ihr exzellentes Studiendesign und die lange Studiendauer sehr verlässliche Daten liefert, eine neue Basis erhalten. Die Studie zeigt, dass gerade für Hochrisikopatienten differenzierte Therapieempfehlungen wichtig sind. So zeigte ACCORD insgesamt im Hinblick auf den primären kombinierten Endpunkt (Auftreten eines Myokardinfarktes oder Schlaganfalls sowie kardiovaskuläre Mortalität) keinen Unterschied zwischen der Gruppe mit konventioneller Blutdruckeinstellung (systolischer Blutdruck unter 140 mmHg) und intensivierter Behandlung (systolischer Blutdruck unter 120 mm Hg). Im Gegensatz dazu war allerdings im sekundären Studienziel Schlaganfall die niedrigere Blutdruckabsenkung von signifikantem Vorteil. Zudem kann die Studie die problematische Diskussion um J-Kurveneffekte versachlichen, denn in dieser prospektiv auf eine niedrige Blutdruckabsenkung ausgerichteten Studie war kein Nachteil einer starken Blutdruckabsenkung und somit kein Anhalt für einen solchen Effekt feststellbar.

Die Altersmedizin gewinnt in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung und die verschiedenen Fachdisziplinen der Medizin beginnen sich auf die spezifischen Anforderungen bei der Behandlung älterer Patienten einzustellen. Wie der Artikel von M. Kölzsch et al. aufzeigt, sind gerade in der Pharmakotherapie älterer Patienten einige Besonderheiten zu beachten. Auf Grund der Vergesellschaftung der sehr hohen Hypertonieprävalenz und weiterer Komorbiditäten im Alter und der damit verbundenen Vielfachmedikation bei alten Patienten ist gerade hier die Entwicklung und Etablierung von fundierten Therapieempfehlungen von großer Bedeutung.

Eine anhaltende Diskussion in der interventionellen (nicht-medikamentösen) Therapie der Hypertonie betrifft die endovaskuläre Therapie von Nierenarterienstenosen. Für dieses Heft haben sich Middecke und Zeller zur pointierten Darstellung dieser klinischen Problematik in Form von Pro und Contra Beiträgen bereiterklärt – so kann sich der Leser eigenständig einen Überblick über den aktuellen Diskussionstand und klinische Entscheidungsparameter verschaffen und zu einer persönlichen Einschätzung in dieser wichtigen Fragestellung kommen. Anhand eines klinischen Mediquiz-Fallbeispiels wird durch Panagiota und Rump die Bedeutung individualisierter Entscheidungsprozesse bei Nierenarterienstenosen verdeutlicht.

Eine völlig neue interventionelle Behandlungsoption für Patienten mit therapieresistenter Hypertonie konnte mittels der renalen Sympathikusdenervation an beiden Nierenarterien innerhalb von wenigen Jahren nach Erstbeschreibung dieser Methodik in mehreren deutschen Fachzentren etabliert werden. F. Mahfoud und M. Böhm fassen die Rationale und den aktuellen Entwicklungsstand dieser innovativen Behandlungsmethode der Hypertonie in einer Übersichtsarbeit zusammen.

In der Blutdruckmessung wird kontinuierlich nach Verbesserungen gesucht, denn die traditionelle punktuelle Blutdruckmessung ermöglicht keine differenziertere Aussage über die Blutdruckregulation und Blutdruckvariabilität eines Patienten. Anhand von neuen Daten einer nicht-invasiven kontinuierlichen Blutdruckmessung bei kardiologischen Intensivpatienten stellen Bartsch et al. das Potential einer erweiterten Blutdruckmessmethodik mittels Puls-Transit-Zeit vor und ergänzen damit die unterschiedlichen Entwicklungsansätze zur Erweiterung der Blutdruckmessmöglichkeiten mit der Bestimmung der Pulswellengeschwindigkeit oder des zentralen Blutdrucks.

Dieses Schwerpunktheft soll die aktuelle Dynamik in der Hypertensiologie widerspiegeln und weist damit zugleich auf einige der inhaltlichen Höhepunkte des diesjährigen Hypertoniekongresses 2010 in Berlin hin.

Prof. Dr. Reinhold Kreutz

Instituts für Klinische Pharmakologie und Toxikologie
Charité Campus Mitte
Universitätsmedizin Berlin

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10117 Berlin

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