NOTARZT 2011; 27(1): 17-18
DOI: 10.1055/s-0030-1265947
Fortbildung
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„U-turn” – Dramatische Wende

C.  Storm1 , F.  Martens1
  • 1Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin (komm. Direktoren: Prof. Dr. A. Jörres und Prof. Dr. R. Schindler)
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Publication Date:
10 February 2011 (online)

Der Fall

Gegen 4 Uhr samstags morgens wird der RTW zum Verkehrsunfall alarmiert. An dem Einsatzort liegt ein ca. 30-jähriger Mann auf dem Gehweg und rührt sich nicht trotz taktiler Reize durch die Rettungsmannschaft. Bei erhaltenem, gut tastbarem Puls und sichtbarer, etwas verlangsamter Atmung (8 / min) sowie einer pulsoxymetrischen Sättigung von 93 % wird der Notarzt zur „Plötzlichen Bewusstlosigkeit” nachalarmiert. Bei dessen Eintreffen war bereits der Blutzucker bei dem Patienten gemessen worden. Er lag bei 106 mg / dl. Sicherheitshalber hatten die Rettungskräfte eine Halskrause angelegt und die Trage mit der Vakuummatratze vorbereitet. Auch der Notarzt konnte trotz kräftiger Schmerzreize keine Vigilanzverbesserung bewirken. Während des Transports des Patienten vom nächtlichen Gehweg in den besser beleuchteten RTW berichteten Umstehende, sie hätten die Feuerwehr alarmiert, nachdem eine große, dunkle Limousine wenige Meter vor ihnen auf der Straße lautstark gebremst hatte, sich die hintere Seitentür geöffnet hatte und 2 dunkel gekleidete Gestalten den Patienten auf den Gehweg geschleift hatten. Dann seien diese Personen wieder in das Auto gesprungen und das Fahrzeug hätte mit quietschenden Reifen auf der Fahrbahn gewendet und sei mit hoher Geschwindigkeit davongerast. Fahrzeugtyp oder Autonummer hatte sich niemand der Passanten gemerkt.

Im RTW wurde die Untersuchung des Patienten fortgesetzt. Der orientierende Bodycheck ergab keine schwereren Verletzungen, nach Entkleiden konnten auch keine Schürfwunden oder Blutungen gefunden werden. Die Ausatemluft des Patienten roch streng nach Alkohol, seine Pupillen waren stecknadelkopfgroß und eine Lichtreaktion war nicht wahrnehmbar. Unter dem Verdacht auf eine kombinierte Ethanol- und Opiatintoxikation mit möglichem Trauma legte der Notarzt eine großlumige Verweilkanüle und injizierte fraktioniert insgesamt 0,4 mg Naloxon. Kurz danach wurden die Pupillen beiderseits fast maximal weit und auf der anschließenden Fahrt in ein Krankenhaus erwachte der Patient. Er befolgte Aufforderungen und bewegte alle Extremitäten, gab auf Befragen keine Schmerzen an. Im Krankenhaus bestätigte er lediglich, Alkohol konsumiert, jedoch keine weiteren Drogen eingenommen zu haben. Das Drogenscreening im Urin war für Opiate positiv. Im Blut konnten 1,8 g / l Ethanol nachgewiesen werden. In den folgenden Stunden wurde eine zunehmende psychomotorische Unruhe auffällig mit nestelnden Bewegungen und mehrfachen Versuchen das Bett zu verlassen. Da eine geordnete Kommunikation mit dem Patienten noch nicht möglich war, wurde bei drohender Selbstgefährdung vorübergehend eine 5-Punkt-Fixierung angeordnet, die erst in den späteren Vormittagsstunden nach jetzt wiedergekehrter, geistiger Klarheit und einem psychiatrischen Gespräch beendet werden konnten. In diesem Gespräch berichtete der Patient neben nächtlichem Alkoholgenuss auch erstmals ein weißes Pulver geschnupft zu haben.

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens

Charité, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

Email: frank.martens@charite.de