Zentralbl Chir 2011; 137(1): 91
DOI: 10.1055/s-0030-1262774
Kommentar

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Kommentar zu: Schneider R et al. „Kontinuierliches intraoperatives Neuromonitoring des N. laryngeus recurrens in der Schilddrüsenchirurgie (CIONM) – Wo stehen wir?“

Comment to: Schneider R et al. “Continuous Intraoperative Neuromonitoring of the Recurrent Laryngeal Nerve (CIONM) – Where We Are Today?”O. Thomusch1 , D. Tittelbach-Helmrich1
  • 1Chirurgische Universitätsklinik Freiburg, Allgemein- und Viszeralchirurgie, Freiburg, Deutschland
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Publication Date:
01 March 2011 (online)

In dem Beitrag der Arbeitsgruppe Schneider R et al. zum Thema „Kontinuierliches intraoperatives Neuromonitoring des N. laryngeus recurrens in der Schilddrüsenchirurgie (CIONM) – Wo stehen wir?“ wird über 3 unterschiedliche technische Varianten von Vaguselektroden berichtet, die über eine kontinuierliche intraoperative elektromyographische Ableitung des M. vocalis eine akustische und graphische EMG-Ableitung in Echtzeitanalyse ermöglichen. Die Autorengruppe behauptet, das durch das kontinuierliche Neuromonitoring die aktuelle Nervenleitfähigkeit des RLN (recurrent laryngeal nerve) an den Operateur visuell und akustisch zurückgemeldet wird. Hierdurch würde der Operateur erstmals intraoperativ in die Lage versetzt werden, durch Veränderungen des kontinuierlich abgeleiteten EMG-Signals auf eine drohende Funktionsbeeinträchtigung des RLN zu reagieren. 

Diese hoffnungsvolle Perspektive deckt sich jedoch leider nicht mit den bisher zur Verfügung stehenden klinischen und experimentellen Daten zum RLN-Neuromonitoring. Bisher haben alle publizierten Studien gezeigt, dass das IONM im Falle eines ungestörten und unveränderten Signals nur in der Lage ist, eine postoperative Stimmbandparese auszuschließen (negativer prädiktiver Wert > 99 %) [1] [2] [3] . Im umgekehrten Fall eines gestörten oder fehlenden IONM-Signals korreliert dieser Befund jedoch nur in 36–62 % bzw. 11–25 % mit dem Auftreten einer passageren bzw. permanenten Stimmbandparese (pos. prädiktiver Wert) [1] [2] [3] . Hieraus folgt die Empfehlung, dass das IONM geeignet ist, die RLN-Identifikation intraoperativ zu erleichtern und damit vor allem in operativ erschwerten Situationen eine Schädigung des RLN durch eine verbesserte Identifikation zu vermeiden [3] [4] . Aufgrund des exzellenten neg. prädiktiven Wertes von > 99 % ist das IONM geeignet, intraoperativ die Entscheidung zu beeinflussen, ob bilateral reseziert werden kann. Bei fehlendem Signal kann der Operateur wegen einer möglichen ipsilateralen postoperativen Stimmbandparese (pos. prädiktiver Wert zw. 11–39 %) einen zweizeitigen Eingriff bevorzugen, um sicher eine postoperative bilaterale Stimmbandparese zu vermeiden [4]. Qualitative Analysen des IONM-Signals in Bezug auf Veränderungen der Latenzzeit oder der Amplitudenhöhe in direkter Korrelation zur Funktionsfähigkeit des Stimmbandes existieren zur Zeit nicht [5]. Dies wäre jedoch eine unabdingbare Voraussetzung für die von den oben genannten Autoren in Aussicht gestellte Verbesserung der Operationsergebnisse durch das kontinuierliche Neuromonitoring. Zweifelsfrei scheint die neue Technik des kontinuierlichen IONM das Potenzial zu haben, über eine Echtzeitsignalanalyse eine weitere Verbesserung der Behandlungsergebnisse zu ermöglichen. Dies muss jedoch zunächst in klinischen Studien nachgewiesen werden. Zusätzlich ist noch viel Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Neurophysiologie zu leisten, um intraoperativ qualitative Veränderungen des EMG-Signals des M. vocalis mit der RLN-Nervenleitfähigkeit und der postoperativen Funktion des Stimmbandes zuverlässig intraoperativ in Echtzeit zu korrelieren. 

Literatur

  • 1 Thomusch O, Sekulla C, Machens A et al. Validity of intraoperative neuromonitoring signals in thyroid surgery.  Langenbecks Arch Surg. 2004;  389 499-503
  • 2 Hermann M, Hellebart C, Freissmuth M. Neuromonitoring in thyroid surgery: prospective evaluation of intraoperative electrophysiological responses for the prediction of recurrent laryngeal nerve injury.  Ann Surg. 2004;  240 9-17
  • 3 Barczynski M, Konturek A, Cichon S. Randomized clinical trial of visualization versus neuromonitoring of recurrrent laryngeal nerves during thyroidectomy.  Br J Surg. 2009;  96 240-246
  • 4 Goretzki P E, Schwarz K, Brinkmann J et al. The impact of intraoperative neuromonitoring (IONM) on surgical strategy in bilateral thyroid diseases: Is it worth the effort?.  World J Surg. 2010;  34 1274-1284
  • 5 Lorenz K, Sekulla C, Schelle J et al. What are normal quantitative parameters of intraoperative neuromonitoring (IONM) in thyroid surgery?.  Langenbecks Arch Surg. 2010;  395 901-909

Prof. O. Thomusch

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