Pneumologie 2011; 65: S106-S107
DOI: 10.1055/s-0030-1256792
Extended Abstract

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Was definiert eine frühe pulmonal-arterielle Hypertonie?

What Defines an Early Pulmonary Arterial Hypertension? H.  Olschewski1 , G.  Kovacs1
  • 1Medizinische Universität/Ludwig Boltzmann Institut für Lungengefäßforschung, Graz, Österreich
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Publication Date:
18 November 2011 (online)

Der früher zur Diagnose einer pulmonal-arteriellen Hypertonie (PAH) verwendete mittlere pulmonal-arterielle Druck unter Belastung variiert in Abhängigkeit vom Alter und der Belastungsstufe ([Abb. 1]) und wurde in der PAH-Weltkonferenz von Dana Point 2008 aus der Definition der pulmonalen Hypertonie gestrichen. Der normale mittlere pulmonal-arterielle Druck (mPAP) in Ruhe beträgt 14,0 ± 3,3 mmHg.

Abb. 1 Der mittlere pulmonal-arterielle Druck (mPAP) unter Belastung variiert im Unterschied zum mPAP in Ruhe in Abhängigkeit vom Alter [1].

Das gilt fast unabhängig von Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht, Trainingszustand und Rasse ([Abb. 2]).

Abb. 2 Der mittlere pulmonal-arterielle Druck (mPAP) in gesunden Individuen zeigt in Abhängigkeit von unterschiedlichen Strata keinen statistisch signifikanten Unterschied [1].

Entsprechend könnte man definieren, dass der Normalbereich dort endet, wo das Doppelte der Standardabweichung (2SD) überschritten wird und somit eine „frühe PAH“ vorliegt. Das wäre bei 20,6 mmHg der Fall. Allerdings liegen bei einer Gaußschen Normalverteilung 2,2 % der Population oberhalb des 2SD-Bereichs und 0,1 % oberhalb des + 3SD-Bereichs (23,9 mmHg).

Für die Bundesrepublik Deutschland mit ihren 80 Mio. Einwohnern gilt entsprechend, dass 1 760 000 Personen oberhalb des 2SD-Bereiches und 80 000 Personen oberhalb der + 3SD-Grenze liegen. Jenseits eines mPAP von 25 mmHg wären es noch immer ca. 50 000 Personen. Dagegen rechnen wir nach den gegenwärtigen Registerdaten mit höchstens 2500 „echten“ PAH-Fällen in Deutschland. Das heißt, dass, wenn wir die PAH ab 20,6 bzw. 23,9 bzw. 25 mmHg definierten, formal 1 757 500 Personen (99,85 %) bzw. 77 500 Personen (96,5 %) bzw. 47 500 Personen (95 %) falsch positiv als PAH-Patienten eingestuft würden.

Bedeutet das nun, dass die Dunkelziffer der PAH dermaßen hoch ist, oder dass 47 500 Deutsche durch eine systematische Rechtsherzkatheteruntersuchung der gesamten Nation falsch positiv als PAH-Patienten klassifiziert würden? Wahrscheinlich ist beides falsch!

Unter diesen 47 500 Personen wären vermutlich viele ältere Personen mit systemischer Hypertonie, einer grenzwertigen oder eingeschränkten linksventrikulären Funktion oder Lungenfunktion sowie mit latenten thromboembolischen Erkrankungen, wahrscheinlich außerdem einige Patienten mit Hyperthyreose, Anämie, Hämoglobinopathien, Niereninsuffizienz, Sepsis, etc.

Wir wissen allerdings nicht, ob diese Mischpopulation von einer gezielten PAH-Therapie profitieren würde – wahrscheinlich nicht!

Umgekehrt müssen wir annehmen, dass Sklerodermie-Patienten mit einem mPAP > 20 mmHg ein hohes Risiko haben, in wenigen Jahren eine manifeste PAH zu entwickeln und dass sie wahrscheinlich von einer gezielten PAH-Therapie profitieren würden. Entsprechend wäre für diese Patienten eine PAH-Definition mit einer Grenze von 25 mmHg zu hoch.

Eine Definition der frühen PAH könnte somit lauten:

Ein mPAP ≥ 21 mmHg mit einem pulmonalen Verschlussdruck (PAWP) von ≤ 12 mmHg und einem pulmonalvaskulären Widerstand (PVR) ≥ 150 dyn × s × cm-5 bei einer völlig normalen Linksherzfunktion und Lungenfunktion in Ruhe und unter Belastung sowie Ausschluss von thromboembolischen Residuen und Erkrankungen der Gruppe 5 (PH mit unklarem oder multifaktoriellem Mechanismus) definiert eine frühe PAH. Sobald das Herzzeitvolumen eingeschränkt und/oder der rechtsatriale Druck erhöht ist, liegt bereits eine fortgeschrittene PAH vor. Das Problem einer solchen Definition wäre lediglich die praktische Anwendung.

Literatur

  • 1 Kovacs G, Berghold A, Scheidl S et al. Pulmonary arterial pressure during rest and exercise in healthy subjects: a systematic review.  Eur Respir J. 2009;  34 888-894

Prof. Dr. med. Horst Olschewski

Medizinische Universität Graz
Klinische Abteilung für Pulmologie

Auenbruggerplatz 20
8036 Graz
Österreich

Email: horst.olschewski@medunigraz.at

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