Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2010; 17(3): 112
DOI: 10.1055/s-0030-1255403
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Medizinische Hilfe in Haiti – Eine Notoperation gleich am ersten Tag

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Publication Date:
15 June 2010 (online)

 
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"Nur in Ruanda war es schwieriger", erklärte Prof. Joachim Gardemann, Münster. Sowohl medizinisch als auch technisch, aber auch emotional. Die Bilder, die er von seinem 4-wöchigen Einsatz in Haiti mitbrachte, sind auch in seinem Kopf. "Es gehört zu meiner Aufgabe, damit fertig zu werden und auf mich selbst aufzupassen, sonst kann ich nicht helfen." Dass ihm das gelingt, hat der Hochschullehrer und Leiter des Zentrums Humanitäre Hilfe an der Fachhochschule Münster in nunmehr 8 Auslandseinsätzen seit 1994 unter Beweis gestellt. Der 55-jährige Mediziner leitete in Carrefour (Haiti) das mobile Hospital des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).

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Abb. 1 Bis zu 350 Menschen täglich versorgte das medizinische Team unter der Leitung von Prof. Joachim Gardemann, Münster, in der Ambulanz des DRK-Feldhospitals in Carrefour (Haiti).

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Täglich bis zu 350 Menschen versorgt

Der Einsatz gleich nach der Ankunft im Katastrophengebiet begann dramatisch: Noch ehe alle Kartons ausgepackt waren, brachte ein Krankenwagen die Opfer einer Schießerei. Da standen gerade einmal 2 Zelte vom Feldlazarett, das in den nächsten Tagen im Fußballstadion aufgebaut werden sollte. "Wir haben schnell die OP-Utensilien aus den Kisten gezerrt und operiert - in kurzen Hosen und barfuß."

"Es gibt keine Hitliste des Leids", beschreibt Gardemann den ethischen Grundsatz, nicht zu unterscheiden zwischen Opfer und Täter, nicht zu fragen nach der Schuld und der Größe des Leids. Bis zu 350 Menschen versorgte das medizinische Team täglich ambulant. Viele davon waren Erdbebenopfer, etliche aber auch Verletzte aus Verkehrsunfällen, Patienten mit Blinddarmentzündungen und Kranke, die eine routinemäßige Operation benötigten. 61 Geburten hat der Kinderarzt gezählt. "Wir waren rund um die Uhr im Einsatz, es gab keine Ruhe, aber jede zweite Nacht war immerhin dienstfrei."

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Bisher größte Herausforderung für DRK

Dass es technisch und medizinisch die größte Herausforderung war, die das DRK jemals zu bewältigen hatte, machte der Präsident des DRK-Landesverbandes Dr. Jörg Twenhöven, Münster, deutlich. Das Erdbeben habe eben eines der ärmsten Länder der Welt heimgesucht. "Unterernährung und eine fehlende Gesundheitsfürsorge erschwerte die Versorgung der Erdbebenopfer zusätzlich", so Twenhöven. Die Wenigen, deren Behausung noch steht, haben Angst, dort zu übernachten. "Von unseren Patienten lebten 2 % in Häusern, 20 % in Zelten, 78 % im Freien", ergänzt Gardemann. "Und davon hat sich bis zum Tag unseres Abflugs nichts geändert." Umso nötiger sei es, den Menschen in Haiti über die momentane medizinische Hilfe hinaus Hoffnung zu geben, Solidarität zu zeigen und nachhaltig Hilfe zu leisten.

Quelle: Fachhochschule Münster

 
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Abb. 1 Bis zu 350 Menschen täglich versorgte das medizinische Team unter der Leitung von Prof. Joachim Gardemann, Münster, in der Ambulanz des DRK-Feldhospitals in Carrefour (Haiti).