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DOI: 10.1055/s-0030-1255081
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Das Verschreibeverhalten von Allgemeinmedizinern am Beispiel der Arzneimittelverordnungen in Österreich
Physician Prescription Behaviour using the Example of General Practitioners and their Prescriptions of Pharmaceuticals in AustriaPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
23. September 2010 (online)


Zusammenfassung
Hintergrund: Die Allgemeinmediziner fungieren in unserem Gesundheitssystem als erste Anlaufstelle für Patienten und regulieren die Nachfrage nach medizinischen Leistungen und Medikamenten. Daher ist es von Interesse, die Gewohnheiten dieser Fachgruppe bei der Leistungserstellung zu analysieren.
Ziel: Unterschiede im Verschreibeverhalten der Mediziner werden anhand von arztspezifischen Merkmalen bestimmt. Es soll untersucht werden, ob und durch welche arztspezifischen Merkmale sich Mediziner identifizieren lassen, die sich in ihrem Verschreibeverhalten deutlich von der Grundgesamtheit abheben (sog. statisÂtische Ausreißer).
Methodik: Das Verschreibeverhalten von 4 231 Hausärzten wurde durch 2 Variablen, die Menge und den Preis der verordneten Medikamente, operationalisiert. Die Identifikation von statistischen Ausreißern erfolgte mithilfe der Ungleichung von Tschebyscheff. Es wurde geprüft, ob und welche arztspezifischen Merkmale bzw. Merkmalskombinationen diejenigen Allgemeinärzte kennzeichnen, die außerordentlich viele bzw. außerordentlich teure Medikamente verschreiben.
Ergebnisse: Wir fanden statistisch hoch signifikante lineare Zusammenhänge sowohl zwischen arztspezifischen Merkmalen und dem Verschreibeverhalten (0,54≤r≤0,89), als auch zwischen den beiden Merkmalen des Verschreibeverhaltens selbst (r=0,86). Besonders hervorzuheben ist die fast perfekte Korrelation von 0,887 zwischen der Anzahl der Konsultationen und der Anzahl der verschriebenen Medikamente. Im Schnitt werden 1,8 Medikamente pro Konsultation verschrieben. Die Menge der verschriebenen Medikamente korreliert stark mit der Inanspruchnahme des Arztes. Nur wenige Allgemeinmediziner weichen von diesem Schema ab. Bei der Tendenz, besonders teure Medikamente zu verordnen (die durchschnittlichen Kosten belaufen sich auf € 18,4 pro Medikament), erwies sich der Umstand, eine eigene Hausapotheke zu betreiben, als statistisch hoch signifikantes Identifikationsmerkmal. Wesentliche zusätzliche Informationsquellen sind die beiden Merkmale „überdurchschnittlich viele Patienten” bzw. „überdurchschnittlich viele Konsultationen”. Bei Allgemeinmedizinern, die entweder keine eigene Hausapotheke betreiben oder durchschnittlich viele Konsultationen durchführen, kommen auf 100 Ärzte 1,3 Ausreißer, bei jenen wo beide Merkmale ausgeprägt sind kommen auf 100 Ärzte 9,7 Ausreißer, also etwa 7 mal soviel.
Schlussfolgerung: Der starke Zusammenhang zwischen der Menge der Arzneimittelverschreibungen und der Inanspruchnahme des Arztes ist systemimmanent und vom Anspruchsverhalten der Patienten geprägt, wodurch sich 79% der Varianz der verschriebenen Menge erklären lassen. Lediglich 21% der Varianz begründet sich somit durch andere Einflüsse, etwa durch die Krankheitslast der Klientel. Die Verschreibung teurer Präparate erfolgt vermehrt durch jene Ärzte, die durch den Betrieb einer Hausapotheke einen monetären Nutzen erzielen können. Steigt zusätzlich noch die Inanspruchnahme des Arztes, gemessen an der Anzahl der Patienten und Konsultationen, scheint sich der Anreiz zur Verschreibung teurer Präparate zu verstärken.
Abstract
Background: In extramural setting, general practitioners serve as gatekeepers and therefore control the demand for medical treatment and pharmaceuticals. As a result prescription habits are of major interest.
Aim: The aim of the present study is to identify sample characteristics in the prescription behavÂiour of the general practitioners that allow one to differentiate between the individual and the basic population.
Methods: The prescription behaviour of 4 231 general practitioners was operationalised by means of the two variables “quantity” and “price”. Outliers in those categories, that indicate a doctor prescribing too many or too expensive drugs, were identified using Chebyshev's inequality.
Results: We found a statistically significant linear relationship between the individual characteristics of the medical doctors and their prescription behaviour (0.54≤r≤0.89) as well as between the variables “quantity” and “price” (r=0.86). Particularly notable seems to be the correlation between the number of the consultations and the quantity of the prescribed drugs. The average prescription amounts to approximately 1.8 pharmaceuticals per consultation. The quantity of drugs prescribed correlates with the demand for the physician's service. Only a few general practitioners deviate from this coherence. The tendency to prescribe disproporÂtionately expensive drugs (average costs amount to € 18.4 per drug) especially applies to those general practitioners who, in addition to their occupation as a physician, are allowed to dispense the pharmaceuticals directly to the patient within their privately owned pharmacies (“Hausapotheke”). In addiÂtion to this attribute, the variables “number of patients” and “number of consultations” intensify the effect. The risk to be identified as an outlier is 7 times higher within the group of general practitioners who own a “Hausapotheke” and account for an above average number of consultations as within the group that does not incorporate those characteristics.
Conclusion: The strong coherence between the quantity and the demand is inherent to the health-care system and explains 79% of the variance of the prescribed quantities. Only 21% of the variance is determined by outside influences such as state of health of the patients. Physicians who have a monetary benefit from also distributing the drugs, however, enhance the prescription of high priced pharmaceuticals.
Schlüsselwörter
Allgemeinmediziner - Verschreibeverhalten - Arzneimittel - Österreich
Key words
general practitioner - prescription habits - pharmaceuticals - Austria