PPH 2010; 16(1): 9
DOI: 10.1055/s-0030-1253474
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Und sonst …?

Michael Löhr, Rainer Kleßmann
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Publication Date:
07 April 2010 (online)

Weichenstellung für die psychiatrische Pflege durch das neue Entgeltsystem 2013

Mit dem Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) vom 17.03.2009 ist die Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems (§ 17d KHRG) für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen beschlossen worden. Dies bedeutet, dass die bisherige Vorgehensweise – Budgetverhandlung auf Grundlage der Stichtagseinstufung der Psych-PV – abgelöst wird.

Der Gesetzgeber gibt im § 17d KHRG Absatz 3 und 4 der Selbstverwaltung den Auftrag, das neue Entgeltsystem zu entwickeln. Die Vertreter der Selbstverwaltungsorgane sind in die Verhandlungen einbezogen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung sowie die Deutsche Krankenhausgesellschaft werden sich einigen müssen. Bei medizinischen und pflegerischen Fragestellungen wird der Bundesärztekammer und den Vertretern der Beruforganisationen der Krankenpflege die Gelegenheit zur beratenden Teilnahme an den Sitzungen der Vertragsparteien gegeben. Die psychiatrische Pflege wird in Person durch Heinz Lepper, den 1. Vorsitzenden der Bundesfachvereinigung Leitender Pflegepersonen der Psychiatrie (BFLK) vertreten. Der Gesetzgeber gibt folgenden Zeitplan bis zur Umsetzung des neuen Entgeltsystems vor ([Abb. 1]).

Abb. 1

Wie können die Grundzüge eines pauschalierenden Entgeltsystems in der Psychiatrie aussehen? Denkbar ist eine strukturelle Anlehnung an die bereits existierenden somatischen Komplexbehandlungen im DRG-System. Diese sind geprägt von Mindestmerkmalen, die ein Patient erfüllen muss. Ggf. wird ein interdisziplinäres Assessment durchgeführt. Weiterhin werden die anerkannten Verfahren und Interventionen aller beteiligten Berufsgruppen (Medizin, Pflege, Psychologie, Ergotherapie, Physiotherapie, Sozialarbeit usw.) benannt und die Behandlungsleitung festgelegt. Ein großer Stellenwert wird auf eine aussagekräftige und zielbeschreibende Dokumentation sowie auf eine multidisziplinäre Behandlungs- und Pflegeplanung gelegt. Die geleisteten Therapieeinheiten müssen nachgewiesen werden. Ein prozentualer Teil der Leistungen kann in Gruppensettings durchgeführt werden. Diese geforderte Leistungsorientierung und damit auch eine dokumentierte Leistungstransparenz werden sich für die psychiatrische Pflege positiv auswirken, die schon heute einen Großteil der nötigen Therapien durchführt.

Welche Chancen bietet das geplante Entgeltsystem für die psychiatrische Pflege?

Leistungstransparenz: Die zu erbringenden pflegerischen Leistungen werden transparent abgebildet werden müssen, da sie eine hohe Abrechnungsrelevanz besitzen. Trennscharfes Qualifikationsniveau: Die zu erbringenden pflegerischen Leistungen haben maßgeblichen Einfluss auf die Ausbildungs- und Fortbildungsinhalte und somit auf den Qualifikationenmix, der von Kliniken vorgehalten werden muss. Hohe Therapierelevanz: Die zu erbringenden pflegerischen Leistungen werden aufgrund ihrer Abrechnungsrelevanz genau so wichtig werden wie ärztliche und therapeutische Leistungen.

Welche Risiken birgt das geplante Entgeltsystem für die psychiatrische Pflege?

Intransparente Abbildung von Leistungen: Die zu erbringenden pflegerischen Leistungen werden ähnlich wie im aktuellen DRG-System nur unzureichend bis überhaupt nicht berücksichtigt, ein Pflegefaktor fehlt. Mangelnder „Reifegrad”: In einem neuen Entgeltsystem muss die Pflege noch mehr Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Die Weichen in diese Richtung müssen jetzt gestellt werden. Das Absenken der Zugangsvoraussetzungen zur Krankenpflegeausbildung durch den Gesetzgeber ist kontraproduktiv. Fehlende Evidenz: Die zu erbringenden pflegerischen Leistungen müssen langfristig evidenzbasierte Grundlagen erfüllen. Die Wirksamkeit von Interventionen muss wissenschaftlich nachgewiesen sein.

Das geplante Entgeltsystem kann unterm Strich deutliche Vorteile für die psychiatrische Pflege bringen, wenn sie bereit ist, die geforderte Verantwortung zu übernehmen, die zunehmende Leistungsorientierung als Chance anzunehmen und die bislang vernachlässigte Pflegeinterventionsforschung voranzutreiben. Psychiatrische Pflege kann und macht sehr viel; die Herausforderung in den nächsten Monaten und Jahren wird sein, das pflegerische Profil noch deutlicher zu schärfen und klar zu benennen, welche Rolle sie in einem neuen Entgeltsystem spielen möchte.

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