Gesundheitswesen 2011; 73(1): e12-e20
DOI: 10.1055/s-0029-1246177
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in Deutschland: Der Einfluss von Interessenpositionen und Sektorzugehörigkeit auf die Entstehung des Implementationsnetzwerks

Introduction of the Electronic Health Card in Germany: Influence of Interest Positions and Sector Membership on the Establishment of an Implementation NetworkA. Lang1 , A. Mertes1
  • 1Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft Konstanz
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Publication Date:
18 February 2010 (online)

Zusammenfassung

In diesem Beitrag wird die Frage aufgeworfen, wie sich politische Steuerung in einem temporären Politikfeld wie dem der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) justiert und welche Steuerungsprobleme dabei entstehen können. Es soll gezeigt werden, dass durch die Zusammenführung der Politikfelder Innovations- und der Gesundheitspolitik, neue Steuerungsstrukturen entstehen, in denen sich der Informationstausch – also die politische Steuerung – nach Sektorzugehörigkeit und nach Interessengleichheit ausrichtet und weniger die antizipierte finanzielle Belastung oder der wahrgenommene Einfluss auf die Implementation im Vordergrund stehen. Die Untersuchung basiert auf einer standardisierten Befragung von 29 Organisationen, die direkt an der Umsetzung der eGK beteiligt sind. Die Auswertung der Daten erfolgt mit Methoden der quantitativen Netzwerkanalyse.

Abstract

This article raises the question as to which mode of governance has been established for the implementation of the electronic health card (eHC) in Germany and which coordination problems have emerged. It will be shown that the amalgamation of two different policy domains – namely health-care and innovation policy – leads to a novel governance configuration in which information exchange (hence governance) is affected by sector membership and interest similarity as opposed to anticipated financial burdens or influence reputation in the newly established policy domain. The study is based on a standardised survey of 29 organisations that are involved in the implementation of the eHC. The analysis is carried out using quantitative methods such as social network analysis.

Literatur

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1 Die Geodäte bezeichnet den kürzesten Pfad zwischen zwei Knoten in einem Graphen.

2 Die gematik ist die Betriebsorganisation zur Einführung, Pflege und Weiterentwicklung der eGK.

3 Insgesamt sind 43 Akteure bei der eGK beteiligt (Stand 2008). Die AEV und die VdAK haben einen gemeinsamen Vertreter in die Gremien geschickt und daher wurden insgesamt 42 Akteure angeschrieben. Der standardisierte Fragebogen wurde von sieben Kostenträgern, vier Leistungsträgern, einem staatlichen Akteur, fünf Akteuren aus der Industrie, drei Akteuren aus dem Bereich Patienten und Verbraucher, drei wissenschaftlichen Akteuren und sechs Testregionen ausgefüllt.

4 Zunächst wurde in einem Pretest neun Akteuren ein Fragbogen mit zwölf Fragen geschickt. Aufgrund des Feedbacks der Befragten wurden acht Fragen ausgewählt, die die endgültige Fassung des Fragebogens darstellten. Diese Fassung des Fragbogens wurde dann in der ersten Erhebungswelle im Dezember 2007 an alle Akteure per E-Mail versandt. Im Abstand von zwei Wochen wurden Erinnerungsnachrichten verschickt. Im Februar 2008 wurde an alle Befragten, die noch nicht geantwortet hatten, ein Erinnerungsbrief mit dem Fragebogen versandt.

5 Verordnung über Testmaßnahmen für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte vom 2. November 2005.

6 Eine Architektur beschreibt den prinzipiellen Aufbau eines Systems, seine Zerlegung in Bausteine, die Festlegung ihrer Aufgaben und die Beschreibung des Zusammenwirkens der Bausteine.

7 Dabei werden Bedenken für längere Behandlungszeiten aufgrund der Erstellung von eRezepten geäußert, da bei Tests in Arztpraxen ein Mehraufwand von einer Stunde täglich festgestellt wurde.

8 Ebenso bestehen Bedenken durch die PIN-Eingabe für den Zugriff auf die Daten der eGK. Hierbei wird auf ältere Patienten verwiesen, die ihre PIN vergessen oder mit der Eingabe der PIN in das Lesegerät Schwierigkeiten haben könnten.

9 Die See-Krankenkasse ist seit 2008 mit der Knappschaft fusioniert.

10 Allerdings muss angemerkt werden, dass in der Schätzung Kollinearitäten auftraten, sodass beide Effekte.

Anhang

Fragebogen

Frage 1: Wie würden Sie die Einflussstärke der folgenden Akteure bei Entscheidungen über die eGK bewerten? Organisationsliste, Antwortkategorien 1 (sehr wenig) bis 5 (sehr viel).

Frage 2: Mit welchen der folgenden Akteure tauschen Sie im Zusammenhang mit der eGK häufig Informationen aus? Organisationsliste, binäre Antwortkategorie.

Frage 4: Wie stark sehen Sie Ihre Organisation finanziell in der Umsetzung der eGK belastet? Antwortkategorien 1 (sehr schwach) bis 5 (sehr stark).

Frage 7: Inwiefern können Sie den folgenden Aussagen zustimmen? Mehrere Kreuze sind möglich.

Die eGK stellt kein Sicherheitsrisiko für die Patientendaten dar .....................................................□

Kosten der eGk werden gerecht verteilt ....................................□

Die eGK senkt den Arbeitsaufwand im Gesundheitssektor ........................................□

Die eGK senkt Kosten ...................................................□

Frage 8: Mit welchen der folgenden Akteure teilen Sie die meisten Vorstellungen über die eGK? Organisationsliste, Antwortkategorien 1 (sehr wenig) bis 5 (sehr viel).

Korrespondenzadresse

Dr. A. Lang

Universität Konstanz

FB Politik- und

Verwaltungswissenschaft

Postfach 5560 D 81

78457 Konstanz

Email: Achim.Lang@uni-konstanz.de

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