Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2010; 42(2): 74-76
DOI: 10.1055/s-0029-1242622
Falldarstellung
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Kombinierte Therapie eines 70-jährigen Patienten mit hepatisch metastasierendem Rektumkarzinom mittels chronomodulierter Chemotherapie, regionaler Tiefenhyperthermie und komplementären Zusatztherapien

Friedrich Migeod, Ion Krautgartner
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Publication Date:
30 June 2010 (online)

Einleitung

Jährlich werden in Deutschland ca. 70.000 Kolorektalkarzinome neu diagnostiziert. Das mediane Alter bei der Erstdiagnose liegt bei ca. 70 Jahren, so wie bei dem Patienten, dessen Kasuistik hier beschrieben wird. Obwohl es gute Methoden für die Früherkennung gibt, ist das kolorektale Karzinom mit ca. 30.000 Todesfällen pro Jahr die zweithäufigste Krebstodesursache (www.rki.de). Etwa 35 % aller Patienten mit kolorektalem Karzinom weisen bereits bei der Erstdiagnose Metastasen auf, die in den meisten Fällen als primär nicht resektabel eingestuft werden (Schmiegel 2008). Aufgrund der demografischen Entwicklung ist in den nächsten Jahren mit einer steigenden Zahl älterer Patienten mit kolorektalen Karzinomen zu rechnen. In einem schwedischen Rektumkarzinom-Register von 1995–2004 waren von 15.104 Patienten 42 % über 74 Jahre alt (Jung 2009). Während sich die Prognose für junge Patienten mit Rektumkarzinomen in den beiden letzten Jahrzehnten nach Einführung der präoperativen Strahlentherapie und totalen mesorektalen Exzision verbessert hat, wurden ähnliche Fortschritte bei über 70-jährigen Patienten nicht im gleichen Umfang erreicht (Shahir 2006, Rütten 2007). Ein wesentlicher Grund dafür sind die mit zunehmendem Alter einhergehenden Komorbiditäten. Anhand des vorliegenden Fallbeispiels wird die Behandlung des Rektumkarzinoms mit einer Kombination von regionalen Tiefenhyperthermien, nebenwirkungsarmer Zytostase mit 5-FU, Calciumfolinat/Mitomycin und komplementären Zusatztherapien diskutiert.

Die palliative Chemotherapie unterscheidet sich beim Kolon- und Rektumkarzinom nicht. Zwei grundsätzliche Empfehlungen aus den S3-Leitlinien lauten, dass bei der Indikation zu einer medikamentösen Tumortherapie diese unabhängig von Tumorsymptomen zum Zeitpunkt des Metastasennachweises begonnen werden soll und das Alter per se keine Kontraindikation für eine Systemtherapie darstellt. Die Chemotherapie wie auch die Antikörpertherapie sollten sich an der Tumorbiologie und dem Allgemeinzustand des Patienten orientieren, unter Berücksichtigung von Komorbiditäten und möglicher Toxizitäten. In einer retrospektiven Analyse wurde das klassische Regime FolFox4 hinsichtlich Toxizität und Effektivität bei Patienten ab 69 Jahren mit einem Kollektiv jüngerer Patienten verglichen. Außer einer höheren Hämatotoxizität zeigt es bei den älteren Patienten keine höhere Toxizität und eine vergleichbare Effektivität. Allerdings ist bei beiden Patientengruppen eine residuelle Neurotoxizität zu fürchten. Das FolFox-Regime hat den Vorteil, dass es bei einer eingeschränkten Leberfunktion ohne höhere Toxizität gegeben werden kann. Statt 5-FU kann Capecitabine oral verabreicht werden, wodurch die Anlage eines Portsystems unterbleiben kann (Späth-Schwalbe 2010).

Da Irinotecan eine höhere Lebertoxizität bei eingeschränkter Leberfunktion aufweist, ist es für diese Patienten weniger geeignet. In einer großen retrospektiven Analyse wurde bei über 70-jährigen Patienten mit metastasierenden kolorektalen Karzinomen eine vergleichbare Wirksamkeit und Toxizität wie bei jüngeren Patienten gefunden (Vollbrecht 2008).

In der Gruppe von Patienten mit der Indikation für eine weniger intensive Chemotherapie sollte nach den S3-Leitlinien im Falle einer 5-FU-Monotherapie eine orale der intravenösen 5-FU-Gabe vorgezogen werden. In dieser Indikation ist Capecitabine am besten untersucht und unter Studienbedingungen einem 5-FU-Bolusprotokoll hinsichtlich Wirksamkeit zumindest nicht unterlegen. Die wichtigsten Nebenwirkungen sind Hand-Fuß-Syndrom, Hämatotoxizität und Diarrhöen, auch muss die Dosis von Capecitabine bei eingeschränkter Nierenfunktion angepasst werden. Für Patienten, welche die orale Therapie ablehnen, kommt als Alternative die Infusion von 5-FU in Frage, welche sowohl von der Effektivität als auch von der Toxizität her gegenüber den 5-FU-Bolusgaben überlegen ist (Kühne 2008).

Die Wirksamkeit von Bevacizumab, Cetuximab und Panitunomab ist bei älteren Patienten bisher noch wenig untersucht. Bisher gibt es keine Hinweise auf eine verminderte Wirksamkeit in dieser Altersgruppe. Die Toxizität dieser Substanzen scheint bei älteren Patienten vergleichbar mit der bei jüngeren Patienten zu sein (Carbinavar 2009, Buchachter 2008). In einer großen Fallstudie von über 110.000 Patienten mit kolorektalen Karzinomen mit kurativer und palliativer Behandlung starben nach einer medianen Beobachtungsperiode von 56 Monaten 38,6 % an ihrer Krebserkrankung, aber mit 36,8 % fast ebenso viele an ihren Komorbiditäten – 24,6 % waren Langzeitüberlebende (Kendal 2008). Diese Daten belegen, dass bei der Betreuung von älteren Patienten mit kolorektalen Karzinomen die Komorbiditäten ebenso sorgfältig behandelt werden müssen wie die Krebserkrankung (Späth-Schwalbe 2010).

Korrespondenzadresse

Dr. med. Friedrich Migeod

BioMed-Klinik

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