Zeitschrift für Komplementärmedizin 2010; 2(1): 28-29
DOI: 10.1055/s-0029-1240794
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Refresher: Gespräche zur Sexualität führen

Stefan Zettl
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Publication Date:
27 January 2010 (online)

Die Medizin berücksichtigt immer noch viel zu selten die psychosozialen Folgen von Erkrankungen. Dies gilt gerade für den Bereich der Intimität und Sexualität, der durch eine Vielzahl von psychischen oder somatischen Krankheitsbildern und ihren therapeutischen Maßnahmen beeinträchtigt werden kann (Kasten). Mit welchen kommunikativen Schwierigkeiten Patienten zu kämpfen haben, berichtet eine Frau mit Brustkrebs:

Häufige somatische Ursachen sexueller Störungen:

  • internistische Krankheitsbilder, die sexuelle Funktionen unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigen. Dazu zählen z. B. Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Dialysepflichtigkeit usw.

  • schlechter Allgemeinzustand durch eine körperliche Erkrankung wie z. B. Fatigue im Kontext einer Krebserkrankung

  • Wundschmerzen nach operativen Eingriffen sowie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr durch operationsbedingte Lageveränderungen innerer Organe oder Verwachsungen

  • krankheits- oder behandlungsbedingt unmittelbare Schädigung von primären oder sekundären Geschlechtsorganen wie z. B. Mammaamputation oder radikale Prostatektomie

  • krankheits- oder behandlungsbedingte Veränderungen sexueller Funktionen wie die mangelnde Lubrikation nach Strahlentherapie des Bauchraums oder antihormoneller Therapie

  • krankheits- oder behandlungsbedingte Veränderungen von Körperfunktionen, die Sexualität indirekt beeinflussen können, wie z. B. Inkontinenz oder die Anlage eines künstlichen Darmausgangs

  • Nebenwirkungen medikamentöser Behandlung z. B. durch Antihypertensiva, Antidepressiva, etc.

„Ich wurde mit der abschließenden Bemerkung nach Hause entlassen, dass ich mit dem operativen Ergebnis sehr zufrieden sein könne, da der Tumor vollständig entfernt worden sei und man keine befallenen Lymphknoten gefunden habe. Darüber war ich auch sehr glücklich, aber durch die Entfernung meiner linken Brust hatte sich mein Aussehen verändert. Ich konnte mich nur mit Überwindung im Spiegel betrachten und vermied es, mich in Anwesenheit meines Mannes auszuziehen.

Und obwohl mein Mann sehr liebevoll mit mir umging, konnte ich seine Zärtlichkeiten nicht mehr ertragen und schreckte jedes Mal davor zurück, wenn er mich in den Arm nehmen wollte. Gleichzeitig hatte ich deswegen Schuldgefühle, konnte aber darüber mit ihm nicht reden. Ich habe mich auch davor gescheut, meinen Frauenarzt darauf anzusprechen, ob meine Reaktionen normal sind und was ich dagegen tun könnte – meine Hemmungen waren viel zu groß. Er fragte aber auch nie danach; vielleicht ist er davon ausgegangen, dass alles in Ordnung ist, wenn ich von mir aus nichts sage.“

Leider wird dieses Thema auch in naturheilkundlichen Praxen häufig eher mit Stillschweigen „behandelt“.

Die Mehrzahl der Betroffenen hat ein Informationsbedürfnis, würde dies jedoch von sich aus nicht offen äußern. Manche Patienten fühlen sich erst durch das Gespräch mit dem Behandler ermutigt, sexuelle Probleme auch mit ihrem Partner zu besprechen.

Literatur

  • 1 Balint M. Der Arzt, sein Patient und die Krankheit. Stuttgart; Klett-Cotta 1980: 306
  • 2 Buddeberg C. Sexualberatung. Eine Einführung für Ärzte, Psychotherapeuten und Familienberater. 4. Aufl. Stuttgart; Enke 2005: 37

Dipl.-Psych. Dipl.-Biol. Stefan Zettl

Medizinische Universitätsklinik Heidelberg/Nierenzentrum

Im Neuenheimer Feld 162

69120 Heidelberg

Email: stefan.zettl@med.uni-heidelberg.de