Rofo 2009; 181(9): 831-835
DOI: 10.1055/s-0029-1239604
Bildessay

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Bildgebung von Zerebritis und Hirnabszess

Cerebritis and Brain Abscess: Imaging FindingsM. Horger, T. Nägele, SD. Joanoviciu, S. Danz, U. Ernemann
  • Tübingen
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Publication Date:
09 September 2009 (online)

Zerebritis ist die erste Manifestation einer Hirninfektion, die in der Regel kurz nach Inokulation beginnt und 2-3 Tage andauert. Der Begriff Zerebritis sollte eine Differenzierung von der eher flächenhaft auftretenden, für gewöhnlich viral induzierten Enzephalitis ermöglichen. Die Klinik wird dabei maßgeblich von der Befundlokalisation bestimmt und besteht meistens aus Kopfschmerzen (90 %), Fieber (50 %), Krampfanfällen, fokalen neurologischen Defiziten und Bewusstseinseintrübung. Für gewöhnlich resultiert die Zerebritis aus einer direkten Erregerübertragung aus den intrakraniellen Gefäßen, aus einem benachbarten HNO-Infektfokus oder als Folge einer hämatogenen Streuung. Das Erregerspektrum ist groß und schließt sowohl Bakterien als auch Pilze und Parasiten ein. Bei immunkompromitierten Patienten kommen zusätzlich auch seltenere Erreger (Toxoplasma gondii, Cryptococcus neoformans, atypische Mykobakteriosen etc.) infrage. Pathologisch findet sich ein schlecht demarkiertes Parenchymareal, später von Gewebsaufweichung und disseminierter Koagulationsnekrose begleitet sowie ein zentraler Bereich mit dichter polymorphonukleärer Infiltration (Scott W. Philadelphia, Lippincot: Williams & Wilkins; 2008: 965-969). Ein peripherer Saum bestehend aus proteinreicher Exsudation mit Ödem, petechialen Blutungen und vaskulärer Kongestion gehört mit dazu. 4 histologische Stadien werden generell beschrieben: Frühzerebritis, Spätzerebritis, Frühkapselstadium und Spätkapselstadium. Das Zeitfenster bis zum Vollbild eines Hirnabszesses kann sich über Wochen und/oder Monate erstrecken.

Die Bildgebung variiert mit dem Stadium von einer lokalen Dichte- oder Signalalteration bis hin zur Einschmelzung mit Bildung eines dünnwandigen Abszesses (Spätkapselstadium). In der nativen Schädel-CT nimmt die Dichte des betroffenen Hirnparenchyms vom Frühstadium der Zerebritis bis hin zum Abszessspätstadium mit Kapselbildung stets ab (Abb. [1] u. [2]). Ein Ödem unterschiedlicher Ausprägung ist in der Regel periläsional zu erwarten. Nach i.v. KM-Gabe weist ein diskretes fleckiges Enhancement-Muster auf die Frühzerebritis hin, während eine zunehmende Demarkierung der zentralen Einschmelzung und ihrer peripheren ringförmigen KM-Aufnahme eher in den späteren Stadien das Gesamtbild prägen (Abb. [3]). Eine weitere KM-Aufnahme im benachbarten Ependym respektive entlang der Leptomeningen weist auf eine sekundäre Komplikation in Form einer Ependymitis (Ventrikulitis) oder Meningitis hin (Abb. [4]). In seltenen Fällen von Infektionen mit Anaerobiern können Gasansammlungen in den Abszesshöhlen nachgewiesen werden. Es wurden in der Fachliteratur außerdem Abszesse mit Einblutung beschrieben. Letzteres erschwert die Differenzierung von z.B. Tumoren oder subakuten Infarkten erheblich. Mehrschichtige Abszessmebranen wurden insbesondere bei zerebraler Nocardiose berichtet. In der MRT erscheint das Zentrum eines Abszesses (Nekrose) in der T1-gewichteten Sequenz leicht hyper- bis isodens zum Hirnparenchym, während das perifokale Ödem eher hypointens zum Liquor imponiert (Abb. [5a]). In der T2-gewichteten Sequenz stellt sich das Signal dagegen ganz unterschiedlich dar und hängt schließlich vom Proteingehalt und Viskositätsgrad des enthaltenen Sekrets ab (Abb. [5b] u. [6]). In den späteren Stadien bildet sich eine Abszesskapsel, die bereits auf den nativen Bildern erkennbar ist, und vom Signal her T1-hyperintens und T2-hypointens imponiert. Verantwortlich für das Kapselsignal sind das Kollagen, abgelaufene Hämorrhagien sowie paramagnetische freie Radikale mit heterogen verteilten phagozytierenden Makrophagen (Scott W. Philadelphia, Lippincot: Williams & Wilkins; 2008: 965-969). Der hypointense Randsaum bildet sich unter erfolgreicher medikamentöser Therapie zurück und wird deswegen als zuverlässiger Verlaufsparameter angesehen. Dennoch gibt es auch dazu einige Differenzialdiagnosen, wie z.B. Hämatome, seltene Metastasen oder zystisch transformierte High-grade-Gliome. Spezifisch für das Vorliegen eines Hirnabszesses bleibt jedoch die ringförmige periphere KM-Aufnahme, die in der Regel eine Differenzierung zu den ähnlich aussehenden Tumoren ermöglicht (Abb. [7a-b], Osborn A G. Amirsys 2005: I8-26). Demnach stellt sich der Abszessring glatt, dünn (< 5 mm) und entlang des medialen Rands etwas dünner dar. Letzteres hängt vermutlich mit der unterschiedlichen Perfusion der grauen und weißen Substanz zusammen. Töchterabszesse erscheinen als kleine benachbarte, ringförmig KM-aufnehmende Läsionen, die um den Hauptbefund versammelt sind. In seltenen Fälle kann auch der Hirnstamm befallen werden (Abb. [7c]). Das perifokale Ödem kann größer als der Abszess selbst sein und zu einer Verdrängung der benachbarten Strukturen führen (Abb. [7d]). Brechen die Abszesse in das Ventrikelsystem ein, entwickelt sich eine Ependymitis mit Enhancement der Ventrikelauskleidung. Dabei stellt die pyogene Ventrikulitis eine schwerwiegende infektiöse ZNS-Komplikation dar, die später falls überstanden häufig einen Hydrozephalus aresorbtivus oder okklusus zur Folge haben (Abb. [8a-b]).

Abb. 1 Native Schädel-CT (axiale Schicht). Nachweis einer rechts frontalen, periventrikulär gelegenen, zum benachbarten Hirnparenchym isodens imponierenden Hirninfektion (Spätzerebritis/Frühkapselstadium eines Hirnabszesses) (Pfeil) mit ausgedehntem perifokalem Ödem.

Abb. 2 Native Schädel-CT (axiale Schicht). Links okzipitaler Hirnabszess (Spätkapselstadium) mit hyperdenser Kapsel (Pfeil) und diskretem perifokalem Ödem bei sonst stark heterogener Befunddichte.

Abb. 3 Kontrastangehobene Schädel-CT (axiale Schicht). Typische randliche KM-Aufnahme in einem rechts frontalem koliquiertem Hirnabszess (Pfeil). Der Inhalt des Abszesses stellt sich vermutlich aufgrund eines erhöhten Proteingehalts etwas dichter dar.

Abb. 4 Kontrastangehobene Schädel-CT (axiale Schicht). Listerienzerebritis mit girlandenartiger KM-Aufnahme entlang des Ependyms (Pfeil) und kräftigem perifokalem Ödem.

Abb. 5 Axiale T1-gewichtete MRT-Aufnahme mit Darstellung einer rechts zerebellären schießscheibenkonfigurierten Abszedierung. Das Zentrum des Abszesses (Nekrose) erscheint leicht hyper- bis isodens zum Hirnparenchym während das perifokale Ödem eher hypointens zum Liquor imponiert. Die soliden randlichen Abszesspartien (Pfeil) stellen sich nahezu isointens zum benachbarten Kleinhirnparenchym dar (a). Die korrespondierende T2-gewichtete Aufnahme zeigt ein unterschiedlich hyperintenses Signal der Läsion und des periläsionalen Ödems (b).

Abb. 6 Koronare T2-gewichtete MRT-Aufnahme. Der links okzipitale Abszess weist eine typisch hypointense Kapsel (Pfeil) auf.

Abb. 7 Axiale T1-gewichtete kontrastangehobene MRT-Aufnahmen. Die Hirnabszesse weisen unterschiedliche Signalintensitäten und Stärken ihrer Kapseln auf (a, b). c zeigt eine weniger gewöhnliche Lokalisation einer Hirninfektion mit Schwerpunkt im Hirnstamm (Pfeil) und links periventrikulär (langer Pfeil). Die Abb. 7c (axiale FLAIR) zeigt einen links okzipitalen Hirnabszess mit ausgedehntem periläsionalem Ödem (Pfeil).

Abb. 8 Axiale FLAIR-Aufnahmen zeigen eine signalhyperintense Verdickung des Ependyms entlang des linken Hinterhorns (Pfeil, a). Wenige Schichten tiefer, ein Sedimentationseffekt in den Seitenventrikeln (Pfeil) signalisiert das Vorliegen einer sekundären Infektion des Ventrikelsystems (Ventrikulitis, b). Zugleich lässt sich in der FLAIR-Sequenz eine vermehrte leptomeningeale Signalintensität (Pfeilkopf) als Ausdruck der Meningitis erkennen. Die diffusionsgewichtete Sequenz (DWI) demonstriert Signalhyperintensität dieser Befunde (Pfeil, c) begleitet von einem Signalabfall auf den korrespondierenden ADC-Maps (Pfeil, d).

Die Ventrikelwand stellt sich dabei oft irregulär berandet und verdickt dar. Intraluminal findet sich Pus. In solchen Fällen erweist sich die FLAIR-Sequenz als besonders hilfreich, indem sie die Differenzierung zum signalunterdrückten Liquor hervorhebt. Die Wasserdiffusion ist dabei typischerweise aufgrund der hohen Viskosität von Pus und Zellablagerungen eingeschränkt (Scott W. Philadelphia, Lippincot: Williams & Wilkins; 2008: 965-969, Krejza J, Woo JH et al. Radiology 2007; 243: 539-550). Dementsprechend stellt sich das Signal in der DWI hoch und auf den ADC-Maps erniedrigt dar (Abb. [8c-d], [9a-c]).

Abb. 9 Die axiale EPI (DWI) zeigt eine hyperintense Läsion rechts frontal periventrikulär (Pfeil, a) mit passendem reduziertem Signal auf der ADC-Map (b). Wenige Schichten tiefer lassen sich in der FLAIR-Sequenz sedimentierte Pus-Anteile nachweisen (c).

Eingeschränkte Wasserdiffusion findet sich differenzialdiagnostisch auch bei anderen Erkrankungen, wie z.B. Metastasen, seltener bei Glioblastomen und manchmal bei in Rückbildung begriffenen Hämatomen (Glenn A. Tung1, Peter Evangelista et al. AJR Am J Roentgenol 2001; 177: 709-712). Alternativ kann man die MR-Spektroskopie (MRS) einsetzen. Die spektroskopischen Messungen zentral im Abszess ergeben in der Regel ein charakteristisches Befundmuster. So finden sich in nicht behandelten Abszesshöhlen erhöhte Resonanzen korrespondierend zum Azetat (1,92 ppm), Laktat (1,3 ppm), Alanin (1,5 ppm), Succinat(2,4 ppm) und Pyruvat sowie ein komplexerer Peak bei 0,9 ppm welcher auf das Vorliegen von Aminosäuren (Valin, Leuzin und Isoleuzin) hinweist (Abb. [10a-b], Scott W. Philadelphia, Lippincot: Williams & Wilkins; 2008: 965-969). Dabei repräsentieren Azetat, Laktat, Succinat und Pyruvat Endmetabolite von Mikroorganismen und findet sich somit nicht in nekrotischen Tumoren. Valin, Leuzin und Isoleuzin (0,9 ppm) finden sich außerdem praktisch in allen Abszessen nicht aber in Tumoren. Sie entstehen aus der proteolytischen Aktivität von Polymorphonuklearen. Die Identifizierung der Aminosäuren-Peaks wird vereinfacht durch Akquisition der Spektren mit einer TE von 136 ms, die zu einer Spektralinversion führt. Des Weiteren soll die MRS eine Differenzierung von Abszessen in Abhängigkeit von der Keimart (Aerobier vs. Anaerobier) möglich machen. Sterile Abszesse (nach Antibiose) verhalten sich dabei unspezifisch.

Abb. 10 MR-Spektroskopie einer links okzipitalen abszessverdächtigen Hirnläsion (a). Das MR-Spektrum (b) zeigt bei einer Echozeit von TE=135ms eine abszesstypische Überlagerung von teils phasengestörten Resonanzen von Aminosäuren (Valin, Leuzin und Isoleuzin) bei 0,9ppm, Laktat und Alanin bei 1,3 ppm bzw. 1,5 ppm sowie Azetat bei 1,9 ppm).

Die MR-Perfusion zeigt in der Regel niedrigere rCBV-Werte im Abszess verglichen mit den soliden Randpartien von zystischnekrotischen Hirntumoren (Holmes TM, Petrella JR, Provenzale JM. AJR Am J Roentgenol 2004; 183: 1247-1252). Perfusionsmessungen im Ödem und den Hirnabszessen weisen ebenfalls niedrigere Werte auf, verglichen mit denen im peritumoralem Ödem.

In der "Diffusor-tensor-imaging" (DTI) stellt sich der Wert der fraktionalen Anisotropie innerhalb der Abszesshöhle erhöht dar. Dies scheint mit einer vermehrten Moleküladhäsion durch Leukozytenaggregation zusammenzuhängen. Außerdem kann damit die Lagebeziehung eines resektionspflichtigen Hirnabszesses zu den wichtigsten neuronalen Bahnen zuverlässig visualisiert werden.

Die Standardtherapie von Hirnabszessen ist deren chirurgische Ausräumung, während die meisten Zerebritiden und manchmal auch kleinere Abszesse (< 2,5cm) auch mittels Antibiose allein erfolgreich therapiert werden können. Über CT- oder MRT-gesteuerte Abszessdrainagen gibt es in der Literatur auch einzelne Berichte.

Die Prognose von Patienten mit zerebralem Abszess hängt nicht zuletzt vom Immunstatus ab und ist erwartungsgemäß wesentlich ungünstiger bei Patienten unter Immunsuppression.

Horger M, Nägele T, Joanoviciu SD, Danz S, Ernemann U, Tübingen

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