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DOI: 10.1055/s-0029-1233302
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Funktionsaufteilung in der Endoskopie – wer macht was?
Publication History
Publication Date:
23 June 2009 (online)
Die Endoskopie wird wie die Medizin generell neben den Anforderungen einer bestmöglichen Prozess– und Ergebnisqualität immer mehr ökonomisch bestimmt und definiert.
Grundsätzlich sind endoskopische Prozesse auf der Erlösseite schlechter abgebildet als etwa radiologische oder kardiologische Untersuchungen, was nicht immer an der Untersuchung, sondern meist an den Verhandlungen mit Kostenträgern in der Vergangenheit lag und noch immer liegt. Als Beispiel sei die ERCP und Linksherzkatheteruntersuchung genannt, die bei vergleichbarem Aufwand völlig zuungunsten der endoskopischen Untersuchung abgebildet ist. Ökonomische Berechnungen dominieren aber nicht nur die endoskopischen Untersuchungen an sich, das Material– und Gerätemanagement, sondern insbesondere und wie überall auch das Personal und die dadurch bedingten Kosten. Da die Personalkosten immer den größten Anteil ausmachen, ist hier (oft vordergründig) am einfachsten eine Kostenreduktion möglich.
Wie das konkret aussehen kann, wissen diejenigen, die einmal eine Bewertung durch eine externe „unabhängige” Consulting–Firma erhalten haben. Hier gilt dann auch in der Endoskopie: wie generiere ich mit einer Einzelperson in einem Raum mit möglichst wendig Materialeinsatz die meisten Untersuchungen in bester Qualität. So gut wie immer werden Effektivitätsreserven gefunden und Personal reduziert. Das ist auch meist explizit der eigentliche Auftrag solcher Bewertungen!
Unabhängig von solchen Faktoren sind aber wie z. B. auf den Stationen auch in Funktionsbereichen immer mehr Ansätze anzutreffen, die die Verschiebung von ärztlicher Tätigkeit in den pflegerischen Bereich und von dort weiter in entsprechend geringer qualifizierte Personalbereiche zum Inhalt haben. Neben den üblichen Hemmnissen der einzelnen Berufsgruppen (Thema: das war schon immer unser Verantwortungsbereich!) sind dies fundamentale Veränderungen, die neben Neuorientierungen der Berufsgruppen auch völlig neue Berufsbilder entstehen lassen könnten. Man muss dabei zwischen Anpassungen bereits bestehender Funktionen (z. B. im Rahmen der S3–Leitlinie „Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie”) und der Übernahme völlig neuer Aufgaben (Endoskopische Untersuchungen oder Auswertung von gastroenterologischen Funktionstests) unterscheiden.
Eine wichtige Funktion der Pflege in der Endoskopie war und ist die Teilnahme und z. T. auch Durchführung der Analgosedierung der untersuchten Patienten. Hier bietet die neue S3–Leitlinie eine hervorragende Grundlage zur Orientierung und Abstimmung in den individuellen Endoskopieeinheiten. In den beiden ersten Ausgaben der ENDO–PRAXIS 2009 wird ausführlich auf diese Leitlinie Bezug genommen. Es kann nur dringend geraten werden, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen und auch durch Teilnahme an den entsprechenden Kursen diesen vitalen Bereich an die eigenen Bedürfnisse zu adaptieren und in Abstimmung zwischen den Berufsgruppen die Verantwortlichkeiten zu definieren. Dies gilt insbesondere für das Thema „Propofolsedierung”, deren Durchführung durch Endoskopiepersonal als sicher einstuft wird, wenn die personellen Voraussetzungen und Qualifikationen eingehalten werden (Ausbildung für Notfälle, Kurse zu Analgosedierung).
Wie steht es aber um die völlig neue Situation, in der Endoskopiepersonal in erweiterter Funktion selbstständig endoskopische Untersuchungen teilweise oder komplett durchführt? In den letzten Jahren wurden international und aktuell auch in Deutschland Studien zur Auswertung der Kapselendoskopie durch Endoskopiepflegekräfte durchgeführt. Die Auswertung dauert typischerweise bis zu 2 Stunden und ist somit, wenn ausschließlich ärztlich durchgeführt, überaus kostenintensiv. Eine Vorauswertung wäre somit sinnvoll. Die Daten zeigen, dass sehr erfahrene endoskopische Pflegekräfte unter ärztlicher Anleitung in der Lage sind, in über 90 % die pathologischen Befunde zu detektieren. Die dafür notwendige Zeit war signifikant länger als bei der Auswertung durch den Arzt. Diese Verschiebungen bei Untersuchungsauswertungen aus dem ärztlichen in den pflegerischen Bereich sind aber kosteneffektiv und sollten an Zentren, die solche Untersuchungen vermehrt durchführen, überdacht und gegebenenfalls integriert werden. Dies kann ebenso für weitere gastroenterologisch–hepatologische Funktionsuntersuchungen diskutiert werden.
Entscheidender als diese Anpassungen ist aber die grundsätzliche Frage nach der Übernahme kompletter endoskopischer Untersuchungen durch ausgebildetes Pflegepersonal. Diese vor allem in den USA virulente Problematik wird in aktuellen Statements (ASGE) kommentiert. Eine Grundlage hierfür war vor einigen Jahren die Einführung der Screeningkoloskopie und die fehlenden Endoskopiker. Vor allem die von Pflegekräften durchgeführte Sigmoidoskopie stand im Zentrum und in zahlreichen Studien wurde belegt, dass sich die Resultate bei entsprechendem Training zwischen Ärzten und Pflegekräften nicht unterscheiden. Das Thema hat sich in den USA aber durch die werbetechnisch sehr offensiv betriebene virtuelle Koloskopie mittlerweile relativiert. Zudem ist in Europa das Thema Dickdarmkrebsscreening durch eine Sigmoidoskopie nicht relevant und existent, da mehr als 30 % der Polypen und Karzinome unentdeckt bleiben und somit die hohe Koloskopie weiter den Goldstandard darstellt. Das Anforderungsprofil für komplette Spiegelungen des oberen und unteren Gastrointestinaltraktes und vor allem die Tatsache, dass reine diagnostische Massnahmen immer mehr in den Hintergrund treten, unterstützen nach den bisher vorliegenden Daten nicht die Übernahme endoskopischer Untersuchungen durch Pflegekräfte. Sie befürworten vielmehr auch in Zukunft die eng und verantwortlich zwischen den Berufsgruppen abgestimmte Anpassung der Kern und Umgebungsprozesse in der Endoskopie.