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DOI: 10.1055/s-0029-1231064
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Rehabilitation für die Zukunft – Deutsche Vereinigung für Rehabilitation feierte ihr 100. Gründungsjubiläum im April 2009 in Berlin
Rehabilitation for the Future – German Society for Rehabilitation Celebrates 100th Anniversary April 2009 in BerlinPublication History
Publication Date:
17 August 2009 (online)
Mit einem festlichen Empfang beging die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) ihren 100. Gründungstag am 22. April 2009 im Tagungshaus Hotel Aquino/Katholische Akademie in Berlin. Daran nahmen Repräsentanten der Rehabilitationsträger und -leistungserbringer, der Fachverbände, der Selbsthilfe und der Politik sowie Mitglieder der DVfR teil. Pastor Friedrich-Wilhelm Pape begrüßte als Leiter der Jubiläumskommission die Gäste und stimmte sie auf ein kurzweiliges Programm ein.
Den Festvortrag hielt der Schirmherr des DVfR-Jubiläums, Bundesminister für Arbeit und Soziales Olaf Scholz. Darin reflektierte er den erreichten Stand der Rehabilitation in Deutschland und verwies auf künftige Herausforderungen und Weiterentwicklungsbedarfe der Rehabilitation. „Wir wissen auch, in welchen Bereichen wir Deutschen in Zukunft in der Behindertenpolitik besonders aktiv werden wollen: Bei der Beschäftigung, im Bildungsbereich und bei der Barrierefreiheit. Die Erarbeitung einer Gesamtstrategie zur Umsetzung des Übereinkommens (über die Rechte von Menschen mit Behinderungen) insgesamt, zum Beispiel in Form eines Aktionsplans, ist eine der größten aktuellen behindertenpolitischen Herausforderungen. Der erforderliche Wandel kann allerdings nicht nur vom Staat herbeigeführt werden. Eine solche Entwicklung muss von vielen Akteuren getragen werden”. Er würdigte die DVfR als starke und engagierte Partnerin bei der Ausgestaltung der Rehabilitation. (Die Langfassung des Festvortrags ist im Anschluss an diesen Bericht abgedruckt).
Im weiteren Programmverlauf wurden Grußworte übermittelt: Kristin Schreiber, Kabinettschefin der Generaldirektion Beschäftigung, Soziale Angelegenheiten und Integration, überbrachte das Grußwort von EU-Kommissar Dr. Vladimir Špidla. Für den Weltverband Rehabilitation International sprach Dr. Joachim Breuer, RI-Vizepräsident für Europa, und für die Selbsthilfe- und Sozialverbände überbrachte Hannelore Loskill, Vorsitzende des Sprecherrats des Deutschen Behindertenrats, eine kurze Grußadresse.
Ein besonderes Highlight der Festveranstaltung war das fröhliche und temperamentvolle Musikprogramm, das Kinder und Jugendliche der Oberlinschule Potsdam und der Wilhelm-von-Türk-Schule Potsdam gestalteten.
Dr. Rolf Buschmann-Steinhage, Deutsche Rentenversicherung Bund und Vorstandsmitglied der DVfR, und Dr. Bärbel Reinsberg, stellvertretende Geschäftsführerin der DVfR, nahmen die Anwesenden mit auf eine Zeitreise, um die Entstehungsgeschichte der heutigen DVfR anhand von Bildern, Daten, Personen und Ereignissen erlebbar zu machen. Dabei wurde deutlich, dass die Geschichte der DVfR eng mit der Entwicklung der Rehabilitation in Deutschland verbunden ist und dass auch heute der Dialog über die weitere Ausgestaltung der Rehabilitation so notwendig ist wie vor 100 Jahren.
Nach einem musikalischen Zwischenspiel würdigte Dr. Wolfgang Blumenthal, Ehrenvorsitzender der DVfR, das Wirken von Prof. Dr. Kurt-Alphons Jochheim als Wegbereiter der modernen Rehabilitation in Deutschland. Der Geehrte war 25 Jahre Vorsitzender der DVfR und hat mit großem persönlichen Einsatz über viele Jahrzehnte hinweg für die Weiterentwicklung der Rehabilitation in Deutschland gewirkt. Prof. Jochheim konnte trotz seines hohen Alters bei dieser Festveranstaltung persönlich begrüßt werden und hatte Gelegenheit, viele Weggefährten wiederzusehen. Dr. Blumenthal gab den Beschluss des DVfR-Vorstands bekannt, dass die DVfR künftig eine Kurt-Alphons-Jochheim-Medaille herausgeben wird, um verdienstvolle Menschen für ihr herausragendes Engagement im Bereich der Rehabilitation zu ehren.
Im Vorfeld des Jubiläums hatte die DVfR einen Fotowettbewerb zum Thema „Teilhabe – eine Welt für alle” für Menschen mit Behinderung und ihre Freunde und Partner ausgeschrieben und etwa 1000 Fotos von rund 200 Bewerbern erhalten. Im Namen der Jury kürten Thomas Golka von der Fürst Donnersmarck-Stiftung Berlin und Christina Hanck vom Berufsbildungswerk Oberlinhaus Potsdam beim Festempfang die drei besten Fotos des Fotowettbewerbs. Die drei Preisträger Ingrid Orts (1. Platz), Franz-Josef Schrecklinger (2. Platz) und Biljana Andric (3. Platz) nahmen die von der Fürst Donnersmarck-Stiftung zur Verfügung gestellten Preise persönlich entgegen. Die Ausstellung der 30 besten Fotos im Foyer des Tagungshauses war ein besonderer Anziehungspunkt für die Gäste des Festempfangs und die Kongressteilnehmer. Geplant ist, diese Fotos auch in den Räumen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) auszustellen.
Zum Abschluss des offiziellen Programms gab der Vorsitzende der DVfR, Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, einen Ausblick auf die weitere Arbeit der Vereinigung in den kommenden Jahren. Darin skizzierte er künftige Aufgaben der Rehabilitation im Rahmen einer zukunfts- und gerechtigkeitsorientierten Gesellschaftspolitik, die auf Nachhaltigkeit und Inklusion zielt. „Der Paradigmenwechsel in der Behindertenhilfe macht nicht etwa Rehabilitation überflüssig – dieses Missverständnis ist leider weit verbreitet –, sondern fordert eine andere Einstellung und konzeptionelle Umorientierung”. Dr. Schmidt-Ohlemann warb dafür, „Rehabilitation als Bestandteil eines Konzeptes einer Ökonomie für den Menschen zu sehen, und daher wird es eine zentrale Aufgabe der DVfR in der Zukunft sein müssen, die Bedeutung der Rehabilitation im Rahmen einer recht verstandenen Ökonomie des Sozialen bestimmen zu helfen”. Er lud zur Mitwirkung in der DVfR ein, auch um miteinander langfristig und nachhaltig fachlichen und menschlichen Kontakt zu pflegen.
Der Festempfang klang mit einem geselligen Beisammensein im schönen Ambiente des Tagungshauses aus, bei dem die Gäste Gelegenheit zu persönlichen Gesprächen hatten.
Der zweitägige Kongress der DVfR zum Thema: „Rehabilitation zwischen Tradition und Innovation – Herausforderungen heute und morgen” am 23. und 24. April 2009 war ein Höhepunkt im 100. Gründungsjahr der DVfR. Rund 300 Fachleute aus der Rehabilitation, unter ihnen viele Vertreter der Selbsthilfe und der Sozialverbände, haben teilgenommen und sich über die aktuellen Themen der Rehabilitation informiert sowie zukünftige Aufgabenstellungen diskutiert. Schon jetzt ist einzuschätzen – auch aufgrund vieler Rückmeldungen von Teilnehmern –, dass der Kongress die wesentlichen Rehabilitationsthemen aufgegriffen und viele richtungweisende Anstöße für die weitere Arbeit gegeben hat.
Zum Auftakt des Kongresses wurden Grußworte überbracht von Erika Huxhold, Leiterin der Abteilung V des BMAS, Dr. Petra Leuschner im Namen des Senats von Berlin und von Hannelore Loskill für den Deutschen Behindertenrat. Prof. Klaus-Dieter Thomann von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gab mit seinem Vortrag „100 Jahre Deutsche Vereinigung – Schrittmacher und Begleiter der Rehabilitation” einen interessanten Rückblick auf die Entstehungsgeschichte der Behindertenfürsorge und Rehabilitation von den Anfängen im 18. Jahrhundert über die wechselvolle Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts bis heute. Oft waren es engagierte Persönlichkeiten, die Anstöße für Rehabilitationskonzepte zur Überwindung gesellschaftlicher Probleme und der damit einhergehenden Notsituationen der Menschen gaben. Sie warben für einen breiten gesellschaftlichen Konsens über die Ausgestaltung des Rehabilitationssystems und organisierten den Austausch darüber, seit 1909 unter dem Dach der Deutschen Vereinigung für Krüppelfürsorge (heute: Deutsche Vereinigung für Rehabilitation). Prof. Thomann schloss seine Ausführungen mit dem Hinweis, dass unsere Gesellschaft auch heute gut beraten ist, konsensorientierte Lösungen für die anstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen mithilfe der Rehabilitation zu suchen.
In dem sich anschließenden Dialogvortrag zum Thema „Zukunft der Rehabilitation” wurden die wesentlichen künftigen Herausforderungen umrissen. Dialogpartner waren Marion Rink, Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe, und Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, Arzt für Orthopädie, Rheumatologie sowie für physikalische und rehabilitative Medizin. In Bezug auf die Frage, welche Leistungen Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten brauchen, mahnten sie an, das Schubladendenken zu überwinden. Die wichtigste Aufgabe bestehe darin, die Gesundheitsversorgung und Rehabilitation wohnort- und lebensweltnah besser miteinander zu vernetzen und für alle Bedürftigen verfügbar zu machen, und zwar immer im Hinblick auf den Erhalt oder die Wiedererlangung von Teilhabe. In ihren Ausführungen wiesen beide Referenten auch auf unterversorgte Bereiche der medizinischen Rehabilitation hin und skizzierten Schwerpunktaufgaben für die Rehabilitation in den kommenden Jahren.
Im weiteren Kongressverlauf hatten die Teilnehmer Gelegenheit, sich in 20 Workshops zu unterschiedlichsten Themengebieten der Rehabilitation auszutauschen. Am zweiten Kongresstag moderierte Carla Kniestedt, Journalistin beim Rundfunk Berlin-Brandenburg, eine Diskussionsrunde zum Thema „Rehabilitation für eine zukunftsfähige Gesellschaft”. Daran nahmen Horst Frehe, Andreas Kammerbauer, Dr. Herbert Rische, Prof. Dr. Rolf Rosenbrock und Prof. Dr. Dr. Paul W. Schönle teil.
Die Abendveranstaltung am ersten Kongresstag bot den Kongressteilnehmern Gelegenheit für vielfältige Begegnungen und Gespräche. Das kulturelle Programm gestaltete der Musik-Kabarettist René van Roll mit Liedern über (eigene) Rehabilitationserfahrungen – zum Nachdenken und zum Schmunzeln – und mit begleitender Klaviermusik. Den festlichen Charakter des Abends im Saal des Tagungshauses unterstrichen die schönen Blumenarrangements, gestaltet von Auszubildenden des Berufsbildungswerks Südhessen.
Zum Abschluss des Kongresses dankte der Vorsitzende der DVfR, Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, allen Mitwirkenden und Teilnehmern für die intensive Beteiligung an den Diskussionen. Der Austausch über die fachliche und bedarfsgerechte Ausgestaltung der Rehabilitation unter den Stichworten „Teilhabe und Inklusion” müsse ständig weitergeführt werden, dies sei ein Erfordernis der Zukunftssicherung. Dr. Schmidt-Ohlemann lud die Kongressteilnehmer ein, daran auch weiterhin mitzuwirken – die DVfR stelle dafür eine Plattform zur Verfügung.
Ein Kongressbericht wird in der DVfR-Buchreihe „Interdisziplinäre Schriften zur Rehabilitation” voraussichtlich im 4. Quartal 2009 veröffentlicht. Auf der Jubiläumswebseite der DVfR unter: www.100-jahre-dvfr.de ist vieles bereits nachzulesen.
Unter dem Titel „Teilhabe als Ziel der Rehabilitation – 100 Jahre Zusammenwirken in der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation” ist eine Festschrift zum Jubiläum der DVfR erschienen, hrsg. von Wolfgang Blumenthal und Ferdinand Schliehe. Im Mittelpunkt des Buches stehen – neben einem geschichtlichen Abriss und Vorschlägen zur Zukunft der Rehabilitation in Deutschland – die Rolle der DVfR in der Entwicklung der Rehabilitation sowie zahlreiche Fachbeiträge namhafter Autoren zum Rehabilitationssystem aus unterschiedlichen Perspektiven. – Selbstverlag der DVfR 2009; 404 Seiten, div. Abb.; Hardcover, 20 Euro zzgl. 5,50 Euro Versandkostenpauschale; erhältlich bei der DVfR-Geschäftsstelle, Friedrich-Ebert-Anlage 9, 69117 Heidelberg, Tel.: 06221 187901-0, Fax: 06221 166009, E-Mail: info@dvfr.de.
Korrespondenzadresse
Dr. Bärbel Reinsberg
Deutsche Vereinigung für Rehabilitation e.V. (DVfR)
Friedrich-Ebert-Anlage 9
69117 Heidelberg
Email: b.reinsberg@dvfr.de