PiD - Psychotherapie im Dialog 2010; 11(1): 1-2
DOI: 10.1055/s-0029-1223486
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zehn Jahre „Psychotherapie im Dialog”

Michael  Broda, Jochen  Schweitzer, Wolfgang  Senf
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Publication Date:
08 March 2010 (online)

Als wir vor zehn Jahren das erste Heft von „Psychotherapie im Dialog” vorstellten, waren wir überrascht, welchen Zuspruch die Idee einer schulenübergreifenden Fachzeitschrift erhielt. Daran hat sich erfreulicherweise bis heute nichts geändert.

Wir wollen jedoch dieses Datum zum Anlass nehmen, den Stand der Integrationsbemühungen in der Psychotherapie zu dokumentieren und auch kritisch zu überprüfen, ob wir in diesen zehn Jahren eine entsprechende Entwicklung in der Psychotherapie unterstützen konnten. Deswegen haben wir einige aktuelle und ehemalige Herausgeber sowie Beiräte gebeten, zu Fragen des Standes der Integration Stellung zu nehmen und diese Fragen in Bezug auf Versorgung und Weiterbildung zu vertiefen. Demgegenüber baten wir Alf Gerlach und Jochen Sturm, sich einige kritische Gedanken zur Integration zu machen.

Klaus Grawe war unserer Zeitschrift immer eng verbunden, von daher war es uns ein Anliegen, seinen jahrzehntelangen Weggefährten, Franz Caspar, zu bitten, Gedanken zur Tauglichkeit des Grawe-Modells als allgemeine Psychotherapietheorie zu formulieren. Aber auch die in dem letzten Jahrzehnt bei uns populär gewordene Schematheorie stellt einen integrativen Ansatz dar – mit Eckhard Roediger konnten wir einen exponierten deutschsprachigen Vertreter gewinnen, einen Beitrag beizusteuern. Ebenso wird die Tauglichkeit der systemischen Therapie als Rahmenkonzept geprüft: Mit Jürgen Kriz stellt einer der prominenten Systemiker uns seine Überlegungen vor.

Was passiert anderswo? Mit dem Beitrag von William Pinsof und Mitarbeitern vom Familientherapie-Institut der Northwestern University in Illinois wird eine praktische empiriegeleitete Umsetzung vorgestellt. Die Frage, ob es nicht mehr die Person des / r TherapeutIn als die der „Schule” ist, die für Unterschiede in den Ergebnissen verantwortlich ist, untersucht Michael Lambert, der in Utah sowohl wissenschaftlich als auch in eigener Psychotherapiepraxis tätig ist. Heinz Rüddel war einer der ersten, die in Deutschland eine differenzielle Indikation zu Verhaltenstherapie und Tiefenpsychologie in der stationären Versorgung vornahmen – sein Beitrag schildert uns seine Erfahrungen.

Daran anschließend wollten wir von zwei Klinikleitern, Volker Köllner und Wolfgang Senf, den Stand integrativer Konzepte in der stationären Versorgung geschildert bekommen. Ergänzt wird dies durch einen Beitrag aus Großbritannien, in dem Eia Asen, Leiter eines ambulanten Versorgungszentrums in London, diese Frage am Beispiel ambulanter Dienste diskutiert. Die Versorgungskette in der Psychotherapie aus Sicht eines niedergelassenen Therapeuten schildert Alf Kappauf, als Präsident der Psychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz nimmt er auch berufspolitisch Stellung.

Drei Beiträge stellen uns weitere praktische Umsetzungsbeispiele vor: Iver Hand, vielen nicht nur durch seine wissenschaftlichen Beiträge, sondern auch in seiner Funktion als VT-Gutachter und Obergutachter ein Begriff, zeigt, dass systemisches Denken und Verhaltenstherapie in seiner Erfahrung immer schon eine Einheit bildeten. In Zeiten der evidence based scientific community geraten andere Wurzeln der Psychotherapie vielleicht in den Hintergrund: Meinrad Braun, niedergelassener ärztlicher Psychotherapeut und ebenfalls Obergutachter, zeigt am Beispiel des Umgangs mit Schuld die Integration philosophischer Überlegungen in die Psychotherapie. Monica Weyrauch, Knut Weis und Maren Langlotz-Weis, in der Ausbildung tätige Psychotherapeuten, zeigen, wie die neuropsychotherapeutischen Überlegungen Grawes die Konzeption und Durchführung von Selbsterfahrung befruchten können.

Was wir aus der Forschung lernen können, zeigen Markus Burgmer, Spezialist auf dem Gebiet der funktionellen Bildgebung, im Gespräch mit Wolfgang Senf zu Erkenntnissen aus der Hirnforschung sowie Wolfgang Lutz und André Bittermann als Psychotherapieforscher zu Veränderungsprozessen während einer Psychotherapie.

Fachpolitisch und versorgungsrelevant: Jochen Schweitzer spricht mit Ulrike Willutzki, Steffen Fliegel und Harald Freyberger, die an dem Forschungsgutachten zur Psychotherapieausbildung beteiligt waren, über die weiteren Perspektiven der Integration.

Uns ist bewusst, dass das Thema damit nicht umfassend abgehandelt ist. Uns ist aber ebenso klar, dass es nicht unser Ziel sein kann, eine Positionsbestimmung vorzunehmen. Wir wollen eine Momentaufnahme eines Prozesses vorstellen, dessen Ausgang für uns offen bleibt. Somit ist der Weg der Integrationsdiskussion das Ziel und nicht eine statische Integration selbst.

Viele Menschen haben uns bislang auf diesem Weg begleitet und unterstützt und viel Arbeit für diese Zeitschrift investiert. Zunächst sei allen Autorinnen und Autoren gedankt, die uns in den 40 zurückliegenden Ausgaben von „Psychotherapie im Dialog” auch ohne Impact-Faktoren an ihren Gedanken haben teilhaben lassen und die sich auf den für Themenhefte unerlässlichen strikten Terminplan eingelassen haben. Gedankt sei auch unseren ausgeschiedenen Gründungsherausgebern Steffen Fliegel, Arist von Schlippe und Ulrich Streeck, die sich nach Jahren der Mitarbeit in ihren Arbeitsschwerpunkten neu orientiert haben und Platz für neue HerausgeberInnen und damit neue Ideen gemacht haben. Nicht nur ihre Herausgebertätigkeit bleibt zu würdigen, von ihnen wurden auch selbst ganz wichtige Hefte verantwortet.

Es gibt aber auch Menschen, die im Hintergrund dafür sorgen, dass so eine Zeitschrift sich professionell und gut gemacht präsentiert. Im Redaktionsbüro sorgt Andrea Dinger-Broda seit Jahren sowohl für die inhaltlich-redaktionelle Qualität der Hefte als auch für die zeitliche Koordination. Sie wird unterstützt von Sabine Englert, die in die ganzen formalen Fragestellungen einbezogen ist.

Im Verlag hatten wir in den Anfängen in Thomas Scherb einen kreativen Förderer und bis zu ihrer Schwerpunktverlagerung im letzten Jahr in Frau Anne Repnow eine verlässliche Unterstützerin und anregende Diskutandin. Dafür unseren ausdrücklichen Dank. Frau Korinna Engeli ist die zweite Verlagssäule, auf die wir Herausgeber uns immer verlassen können und die in ihrer freundlich ruhigen Art den Überblick bewahrt, der uns Herausgebern im Tagesgeschäft oftmals abhanden zu kommen droht. Frau Hasenmaile und Frau Rettig sorgen seit Jahren freundlich und konstant für die gute Kooperation bei allen Fragen der Organisation und Umsetzung.

Last but not least danken wir Ihnen, den LeserInnen von PiD. Durch Ihre Unterstützung werden wir im Streben um eine fachgruppen- und berufsständisch unabhängige Diskussion zu Fragen des „Sich-aufeinander-Zubewegens” der Therapieorientierungen seit zehn Jahren ermutigt, den Weg weiterzugehen. Wir hoffen weiter auf Ihre kritische Solidarität, die uns helfen wird, die Themenhefte herauszubringen, die Ihnen in der Praxis hilfreich und relevant sind.

Michael Broda, Jochen Schweitzer, Wolfgang Senf
Gründungsherausgeber

Die Gründungsherausgeber der Zeitschrift (von links nach rechts): Michael Broda, Wolfgang Senf, Arist von Schlippe, Ulrich Streeck, Jochen Schweitzer, Steffen Fliegel.

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