Psychother Psychosom Med Psychol 2009; 59(12): 431
DOI: 10.1055/s-0029-1220467
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Der Doyen der psychodynamischenTherapieforschung: Lester Luborsky, 1920–2009

The Doyen of Psychodynamic Treatment Research: Lester Luborsky 1920–2009Horst  Kächele1
  • 1Klinikum der Universität Ulm, Abt. für Psychosomatische Medizin und Ps
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Publication Date:
17 November 2009 (online)

Lester Luborsky †

Lester Luborsky, der Dienstälteste der psychoanalytischen Therapieforschung, begann seine Karriere als Mitarbeiter von R. Cattell im Jahre 1946, nachdem er sein Studium der Psychologie mit einer Ph.D.-Arbeit zur visuellen Wahrnehmung an der Duke University abgeschlossen hatte. Dies führte zur Entwicklung der P-Faktorenanalyse, einer einzelfallanalytischen Methodologie (Cattell & Luborsky, 1950; Luborsky 1953). Die damaligen Untersuchungen mittels einer experimentellen Methode zur zeitlichen Antezendenzien der Symptomentstehung wurden nach 50 Jahren unermüdlicher Verfeinerung monografisch zusammengefasst (Luborsky, 1996). Als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Menninger-Klinik in Topeka war er einer der ersten Psychologen, die zur vollen psychoanalytischen Ausbildung in den USA zugelassen wurde. Er veröffentlichte mit Robert Holt eine der ersten Studien zu Persönlichkeitsaspekten von Psychiatern in Ausbildung, die ein erster Markstein zur Ausbildungsforschung in der Psychotherapie war (Holt u. Luborsky 1958a, b). Im Rahmen des Menninger Psychotherapy Project entwickelte er die Health-Sickness Rating Scale (Luborsky 1962, 1975), die kaum verändert als Achse V in die DSM-Manuale übernommen wurde. 1959 erhielt Luborsky eine Dauerstelle als „Professor of Psychology in Psychiatry” an der Penn Medical School in seiner Heimatstadt Philadelphie, wo er bis 2006 unermüdlich als Therapieforscher und Supervisor vieler Psychiatrie-Assistenten tätig war. 1968 begann er ein umfangreiches 5-jähriges Drittmittelprojekt – gefördert von dem National Institute on Mental Health –, um die Faktoren zu identifizieren, die für das Ergebnis von Psychotherapie relevant sein könnten. Diese Studie, als das „Penn Psychotherapy Project” bekannt, wurde dann zur Quelle der Daten und Transkripte, die Luborsky in einer Vielzahl von Veröffentlichungen nutzen konnte. Sein langjähriger Mitarbeiter Paul Crits-Christoph erinnert ein diesbezügliche Bemerkung zu Luborskys methodologischer Haltung: „There are two types of researchers. Those that say there is nothing in the data and those that say there is something in the data”.

Im Kontext der Penn-Studie entstand das erste psychodynamische Manual zur supportiv-expressiven Psychotherapie (Luborsky, 1984), das wir durch unsere langjährigen Beziehungen zu ihm auf deutsch 1988 veröffentlichen konnten. Dessen vielfältiger Einsatz in Studien zur psychodynamischen Therapie wurde von Leichsenring u. Leibing (2007) zusammengefasst. Luborskys wohl bekanntester Beitrag zur Therapieforschung wurde die Entwicklung von Messinstrumenten zur „helping alliance”, die als hilfreiche therapeutische Allianz inzwischen in allen Therapierichtungen als Basistherapeutikum geschätzt wird. Ein weiterer Meilenstein, den er selbst als seine wichtigste Erfindung einschätzte (s. Kächele 2008), wurde die Entwicklung eines verlässlichen Instrumentes für das Konzept der Übertragung, das in einer Vielzahl von Studien international eingesetzt wurde (Luborsky u. Crits-Cristoph, 1998). Ein unter seiner Leitung entstandenes Handbuch für forschende Praktiker (Miller et al., 1993) rundet den überwältigenden Beitrag ab, den Luborsky als Therapieforscher in einer monumentalen Forschungspraxis in einer Anzahl von hochrangigen Publikationen dokumentieren konnte.

Lester Luborsky gehört zu den akademischen Lehrern, deren Arbeit nicht nur in den USA hoch geschätzt wurde; er war fast auf allen Tagungen der Society for Psychotherapy Research, zu deren Gründungsvätern er zu rechnen ist, aktiv dabei. Neben Hans Strupp gehört er zu den Forschern, die auch die Therapieforschung in der BRD nachhaltig angeregt haben. Seit meinem ersten Brief an ihn, als Frischling in der Therapieforscherszene vom Oktober 1971, den er postwendend beantwortet hat, sind wir in ständigem Kontakt geblieben. Er war mehrere Male in Ulm; viele gemeinsame Aktivitäten, insbesondere die Etablierung eines deutschen Arbeitskreises zum Zentralen Beziehungs-Konflikt-Thema, haben uns verbunden (Albani et al. 2009). Nun hat er uns verlassen und viele, viele trauern um ihn.

Literatur beim Verfasser

Horst Kächele, Ulm

Prof. Dr. Dr. Horst Kächele

Sonnenweg 25

89081 Ulm

Email: horst.kaechele@uni-ulm.de