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DOI: 10.1055/s-0029-1215338
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Beispiele asbestfaserstaubbedingter Veränderungen im HRCT – Anhaltspunkte für die Kausalzuordnung bei Vorsorgeuntersuchungen und bei der gutachterlichen Beurteilung
Examples for Asbestos-Related Findings in HRCT – Criteria for the Assessment of Causal Relationships in Surveillance Programmes and Medical Expert Opinion
Univ. Prof. Dr. med. Thomas Kraus
Institut für Arbeitsmedizin und
Sozialmedizin
Universitätsklinikum, RWTH Aachen University
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen
eMail: tkraus@ukaachen.de
URL: http://www.arbeitsmedizin.ukaachen.de
Publikationsverlauf
eingereicht 16. 9. 2009
akzeptiert 12. 10. 2009
Publikationsdatum:
11. Dezember 2009 (online)
- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Parenchymale Veränderungen nach Asbestexposition
- Pleurale Veränderungen nach Asbestexposition
- Differenzialdiagnostische Überlegungen
- Fazit
- Interessenkonflikte
- Literatur
Zusammenfassung
In der Diagnostik asbestbedingter Erkrankungen wird immer häufiger die Computertomografie in Hochauflösungstechnik (HRCT) eingesetzt. Für eine exakte Diagnosestellung bedarf es genauer Kriterien, wann ein Kausalzusammenhang zwischen bildmorphologischem Befund und früherer Asbestexposition angenommen werden kann. Dies ist sowohl für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen als auch für die gutachterliche Kausalzusammenhangsbeurteilung von Bedeutung. Die vorliegende Arbeit gibt Beispiele für asbestbedingte parenchymale und pleurale Veränderungen und diskutiert die Spezifität dieser Befunde.
#Abstract
The increasing use of high-resolution computed tomography in formerly asbestos-exposed workers requires valid diagnostic criteria for the findings which have to be reported as suspicious for being asbestos-related in surveillance programmes and for the assessment of causal relationships between former asbestos exposure and findings in computed tomography. The present article gives examples for asbestos-related findings in HR-CT and discusses the specificity of parenchymal and pleural changes due to asbestos fibres.
#Einleitung
Der zunehmende Einsatz der hochauflösenden Computertomografie (HRCT) in der Begutachtung asbestfaserstaubbedingter Erkrankungen von Pneumokoniosen und in Vorsorgeuntersuchungen nach dem berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G1.2 erfordert eine subtile Interpretation und differenzialdiagnostische Abgrenzung röntgenmorphologischer Befunde. Durch die hohe Sensitivität der HRCT werden Veränderungen an Lunge und/oder Pleura dargestellt, die vor allem in ihren frühen Stadien nicht immer unmittelbar kausal zuzuordnen sind und im Vergleich zur Beurteilung konventioneller Röntgenaufnahmen profunde differenzialdiagnostische Überlegungen erforderlich machen. Die Arbeitsgruppe, die die internationale CT-Klassifikation erarbeitet hat, hat mittlerweile auch Referenzfilme analog zu den Standardfilmen der ILO-Klassifikation ausgewählt und validiert [1]. Dies erleichtert die Quantifizierung und ätiologische Zuordnung der Befunde. Problematisch bei der Interpretation von HRCT-Befunden bleibt aber, dass bisher nur begrenzt Daten zur Prävalenz asbestbedingter Veränderungen vorliegen, während die Datenlage für konventionelle Röntgenbilder zurzeit noch besser ist.
Ziel dieser Arbeit ist es daher, durch beispielhafte Bildmuster im HRCT eine Hilfestellung bei der Interpretation der kausalen Zuordnung parenchymaler und pleuraler Veränderungen sowohl bei Vorsorgeuntersuchungen als auch bei der Begutachtung zu liefern.
#Parenchymale Veränderungen nach Asbestexposition
Röntgenmorphologisch können sich Veränderungen nach Asbestfaserstaubexposition als irreguläre intralobuläre – und/oder als interlobuläre Schatten bzw. als sog. Parenchymbänder manifestieren. Diese Veränderungen sind jedoch ätiologisch zunächst vieldeutig. In Zusammenhang mit anamnestischen Angaben sowie Lokalisation und Verteilung der Veränderungen lassen sich jedoch in vielen Fällen Hinweise zur Ätiologie ableiten.
Asbestfaserstaubbedingte Veränderungen sind in der Regel dorsobasal betont. In frühen Stadien finden sich asbestfaserstaubbedingte Veränderungen bevorzugt subpleural bzw. im Bereich des Lungenmantels. [Abb. 1] zeigt charakteristische, stark ausgeprägte Veränderungen einer Asbestose.
In fortgeschrittenen Fällen einer Asbestose kann es zu einem sog. Honeycombing mit wabenartigem Parenchymmuster kommen ([Abb. 2]).
Besonders schwierig zu interpretieren sind gering ausgeprägte, ausschließlich parenchymale Veränderungen, weil sie mit der geringsten Spezifität einhergehen ([Abb. 3]).
Grundsätzlich gilt, dass das gleichzeitige Vorhandensein charakteristischer pleuraler Verdickungen (s. u.) die ätiologische Zuordnung parenchymaler Veränderungen zu einer Asbestgenese wesentlich erleichtert ([Abb. 4]) [3].
In den abhängigen Partien der Lunge – vor allem dorsal subpleural – können intralobuläre fibrotische Veränderungen durch Hypostaseeffekte vorgetäuscht werden. In diesen Fällen ist eine ergänzende Untersuchung in Bauchlage zur Abklärung erforderlich. Bei Persistenz der Verdichtungen in Bauchlage ist von einer Fibrose auszugehen ([Abb. 5]).
#Pleurale Veränderungen nach Asbestexposition
Grundsätzlich können folgende pleurale Verdickungen mit einer Asbestexposition in Zusammenhang gebracht werden. Dabei ist von einer abnehmenden Spezifität für eine asbestinduzierte Genese von A–H auszugehen:
-
Beidseitige verkalkte Pleuraplaques (parietal):
Tafelbergartig
Nicht tafelbergartig -
Einseitige verkalkte Pleuraplaques (parietal):
Tafelbergartig -
Beidseitige nicht verkalkte Pleuraplaques (parietal):
Tafelbergartig
Nicht tafelbergartig -
Einseitige verkalkte Pleuraplaques (parietal):
Nicht tafelbergartig -
Einseitig nicht verkalkte Pleuraplaques (parietal):
Tafelbergartig
Nicht tafelbergartig -
Pleuraverdickungen (viszeral):
Verdickungen mit davon ausgehenden parenchymalen Bändern/irregulären Schatten
„Hyalinosis complicata” (Z. n. Pleuraerguss) -
Rundatelektase
-
Pleuraerguss
Bezüglich der röntgenanatomischen Topografie asbestverursachter pleuraler Läsionen wird auf [5] verwiesen.
[Abb. 6] stellt mögliche Manifestationsformen bzw. Varianten einiger der genannten Veränderungen schematisch dar.
Nach der neuen Internationalen CT-Klassifikation wird bei den Manifestationsformen pleuraler Verdickungen primär zwischen parietalen ([Abb. 7 a]) und viszeralen ([Abb. 7 b]) Formen unterschieden [2]. Dabei sind viszerale Formen durch parenchymale Bänder oder feine irreguläre Schatten charakterisiert, die von der pleuralen Verdickung ausgehend in das Parenchym einstrahlen.
[Abb. 8] zeigt charakteristische parietale Plaques, z. T. mit Verkalkungen. Pleurale Verkalkungen sind erfahrungsgemäß bei einer asbestfaserstaubinduzierten Genese eher zentral innerhalb einer Plaque lokalisiert.
Schwierig zu interpretieren sind pleurale Verdickungen, die ohne charakteristische tafelbergartige Konfiguration imponieren, jedoch mit geringerer Spezifität ebenfalls asbestfaserstaubbedingt sein können. Dazu gehören zum Beispiel pleurale Verdickungen, die im Niveau der Pleura liegen und kurzstreckig oder längerstreckig verlaufen. Sie können unverkalkt oder verkalkt ([Abb. 9 b]) und mit ([Abb. 9 a]) extrapleuralem Fett oder ohne vorkommen.
Eine Kontrastmittelgabe kann das Vorliegen pleuraler Verdickungen vortäuschen. [Abb. 10] zeigt paravertebral beidseits Interkostalgefäße, die nach der Kontrastmittelgabe eine pleurale Verdickung vortäuschen. Um falsch positive Befunde im Bereich der Pleura zu vermeiden, ist daher bei einer CT-Untersuchung mit der Fragestellung „Pneumokoniose” auf die Verwendung von Kontrastmittel zu verzichten.
Pleurale Veränderungen auf dem Diaphragma sind in einer coronalen bzw. sagittalen Darstellung des Thorax deutlich besser zu erfassen ([Abb. 11]). Daher ist eine Rekonstruktion der CT-Untersuchung in allen drei Raumebenen unbedingt empfehlenswert.
#Differenzialdiagnostische Überlegungen
Grundsätzlich können alle radiologisch fassbaren Veränderungen, die in Verbindung mit einer Exposition gegenüber Asbestfaserstaub gebracht werden, auch durch anderweitige Einflüsse verursacht werden. Kein röntgenmorphologischer Befund weist eine Spezifität von 100 % für eine Asbestverursachung auf.
Liegen ausschließlich parenchymale Veränderungen vor und finden sich keine Pleuraplaques, gelingt die Differenzialdiagnose zwischen einer idiopathischen Lungenfibrose und einer Asbestose aufgrund röntgenmorphologischer Kriterien alleine nicht hinreichend sicher.
Eine gewisse Hilfestellung können die in [Tab. 1] aufgeführten röntgenmorphologischen Befunde bei der Differenzierung zwischen beiden Krankheitsentitäten liefern.
HRCT Befund | Asbestose (%) | IPF (%) | p-Wert |
Interlobuläre septale Verdickung | 88 | 86 | NS |
Intralobuläre Verschattungen | 69 | 98 | < 0.0001 |
Subpleurale „dots”/branching sign | 81 | 25 | < 0.0001 |
Honeycombing | 34 | 76 | < 0.0001 |
grobes honeycombing (> 5 mm) | 9 | 35 | < 0.0001 |
Traktionsbronchiektasen | 69 | 95 | < 0.0001 |
Sichtbare intralobuläre Bronchiolen | 20 | 78 | < 0.0001 |
Subpleurale lineare Verschattungen | 69 | 28 | < 0.0001 |
Parenchymale Bänder | 48 | 4 | < 0.0001 |
Pleural plaques/thickening | 83 | 4 | < 0.0001 |
Modifiziert nach [4] |
Umfassende Daten zur Prävalenz pleuraler Veränderungen bei beruflich nicht asbestexponierten Personengruppen liegen für konventionelle Röntgenaufnahmen vor ([Tab. 2]). Bei der Interpretation dieser Daten ist zu berücksichtigen, dass die einzelnen Studien über einen Zeitraum von 60 Jahren mit deutlichen Veränderungen in der Technik und Qualität durchgeführt wurden und auch die Klassifikationskriterien in den Studien nicht einheitlich sind. Darüber hinaus ist die Sensitivität und Spezifität der konventionellen Röntgentechnik im Vergleich zur HRCT bekanntermaßen deutlich niedriger [6]. In den Studien zeigt sich eine Prävalenz pleuraler Plaques oder Verkalkungen mit einer Spannbreite von 0,02 % (USA) bis 12,8 % (Finnland), wobei in Finnland natürliche Faservorkommen für die hohen Zahlen verantwortlich gemacht werden.
Studiengruppe | N | Prävalenz pleuraler Plaques oder Kalzifikationen (%) | Literaturquelle |
USA Allgemeine Bevölkerung |
115 000 |
0,022 |
[8] |
Westdeutschland Allgemeine Bevölkerung |
111 069 |
0,032 |
[9] |
Ostdeutschland Ländliche Region | 87 036 | 0,543 | [10] |
Schweden, männlich über 40 Jahre | 33 011 | 0,973 | [10] |
Finnland Allgemeine Bevölkerung Frauen der Gruppe älter als 30 J. (nur beidseitig)1 Frauen der Gruppe älter als 30 J. (beidseitig + einseitig)1 Männer der Gruppe älter als 30 J. (nur beidseitig)1 Männer der Gruppe älter als 30 J. (beidseitig + einseitig)1 |
35 000 3815 3815 3280 3280 |
0,222 1,93 3,43 7,03 12,83 |
[11] [12] [12] [12] [12] |
Tschechoslowakei Allgemeine Bevölkerung Allgemeine Bevölkerung Allgemeine Bevölkerung Allgemeine Bevölkerung |
8133 44 549 9871 9760 |
0,342 0,542 2,772 6,62 |
[13] [14] [15] [15] |
Italien Erwachsene |
4000 |
0,582 |
[16] |
1 Mini Finland Health Umfrage. 2 pleurale Kalizifikationen. 3 pleurale Plaques. |
Grundsätzlich müssen auch bei pleuralen Veränderungen neben einer Asbestfaserstaubgenese eine Vielzahl möglicher anderer Ursachen differenzialätiologisch in Betracht gezogen werden [17].
[Tab. 3] zeigt Ergebnisse aus epidemiologischen Studien, Übersichtsarbeiten und Fallberichten zu asbestfaserstaubunabhängigen Faktoren, die zu pleuralen Verdickungen führen können.
Möglicher Einflussfaktor | Literaturquelle |
Erionit | [18] [19] |
Wollastonit | [20] |
Künstliche Glasfasern | [21] [22] [23] [24] [25] |
Kaolin | [26] [27] |
Sepiolith | [28] |
Glimmer | [29] [30] |
Tuberkulose | [8] [31] |
Empyem | [8], [32] [33] [34] |
Pleuritis mit Erguss oder schwere Pleuritis* | [8] [34] [31] [35] |
Bilaterale Pneumonien in Krankengeschichte | [33] |
Aktinomykose | [8] |
Hämothorax | [32] [34] [31] |
Rheumatoide Arthritis | [33] [36] [37] |
Sclerodermie | [35] [38] [39] |
Beidseitige pulmonale Embolie mit Erguss in Krankengeschichte | [33] [35] |
Infektion (pyogen, tuberkulös oder pilzbedingt) | [35] [38] |
Trauma | [8] [35] |
Rippenfraktur | [33] [38] |
Kalzifizierender, fibröser Pseudotumor der Pleura | [40] |
Chronische Mineralöl-Aspiration | [34] [38] |
Ankylosierende Spondylitis | [41] |
Chronische Niereninsuffizienz | [33] |
Hämatogene Metastasen | [32] |
Hämorrhagie | [38] |
Vormalige Thoraxoperation | [33] |
Lokale neoplastische Invasion | [38] |
Pneumothorax | [32] |
Bestrahlung | [38] |
* eine Pleuritis (mit/ohne Erguss kann i. S. einer Asbestpleuritis auch asbestverursacht auftreten. |
Bei der Beurteilung computertomografischer Aufnahmen und insbesondere bei der sich an den Befund anschließenden Kausalzusammenhangsbeurteilung ist zu prüfen, inwiefern konkurrierende Faktoren für den parenchymalen oder pleuralen Befund ursächlich oder wesentlich teilursächlich sind (Theorie der wesentlichen Bedingung).
Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass z. B. postspezifische Veränderungen nicht a priori asbestfaserstaubbedingte Veränderungen ausschließen. Sollte die CT-Untersuchung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die vorliegenden Veränderungen durch eine andersartige Erkrankung verursacht sein könnten, muss diese Vermutung durch weiterführende Ermittlungen oder Befunde belegt werden. Der bloße Verdacht auf das Vorliegen asbestunabhängiger Befunde reicht zum Ausschluss einer BK nicht aus.
#Fazit
Der Wahrscheinlichkeitsbeweis asbestbedingter Veränderungen kann nur in Zusammenschau von Informationen zur Anamnese, Berufsanamnese sowie zu bildgebenden und/oder histologischen Befunden geführt werden. Die dargestellten Beispiele sollen als Hilfestellung bei der Kausalzusammenhangsbeurteilung dienen. Ergebnisse aktuell laufender wissenschaftlicher Studien können in den nächsten Jahren zu einer Präzisierung von Empfehlungen für eine BK-Anzeige bzw. für die Bejahung eines Kausalzusammenhangs zwischen einer beruflichen Asbestexposition und dem CT-morphologischen Bild führen. Insofern sind die hier dargestellten Erkenntnisse als vorläufig anzusehen und im Rahmen wissenschaftlicher Studien weiterzuentwickeln.
#Interessenkonflikte
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
#Literatur
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Literatur
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Univ. Prof. Dr. med. Thomas Kraus
Institut für Arbeitsmedizin und
Sozialmedizin
Universitätsklinikum, RWTH Aachen University
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen
eMail: tkraus@ukaachen.de
URL: http://www.arbeitsmedizin.ukaachen.de
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