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DOI: 10.1055/s-0029-1202204
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Aktuelle Resistenzlage und therapeutische Konsequenzen - Metronidazol begünstigt die Entwicklung von Resistenzen bei Helicobacter pylori
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
09. Februar 2009 (online)
Die Eradikation von Helicobacter pylori ist häufig indiziert, etwa bei Magen- und Duodenalulzera, bei Lymphomen des mukosaassoziierten lymphatischen Gewebes, sogenannten MALT-Lymphomen, oder auch in der Prävention eines Magenkarzinoms. Entscheidend für die Wahl des Therapieregimes ist die Resistenzsituation. Sie wird seit 2001 vom Nationalen Referenzzentrum für Helicobacter pylori unter Leitung von Prof. Manfred Kist, Freiburg, in der Sentinelstudie ResiNet erfasst. Im Gespräch mit der Notfall & Hausarztmedizin erläuterte der kommissarische ärztliche Direktor der Abteilung für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene in Freiburg die aktuelle Resistenzlage in Deutschland und die Konsequenzen für die Therapie.
? Herr Professor Kist, wie hat sich die Resistenzsituation von Helicobacter pylori seit 2001 entwickelt und wie ist die aktuelle Resistenzlage?
Prof. Manfred Kist: Bei den Trends zur Resistenzentwicklung muss man zwischen vorbehandelten und nichtvorbehandelten Patienten unterscheiden.
Bei den nichtvorbehandelten Patienten hat sich die Resistenzlage über die Zeit nicht signifikant verändert. Es besteht jedoch ein allgemeiner Trend zur Zunahme, insbesondere im Bereich der Chinolone. Zurzeit liegt die Häufigkeit einer Metronidazolresistenz in Deutschland bei 28 %; Clarithromycinresistenzen sind mit einer Häufigkeit von 6 % immer noch deutlich seltener. 3 % der Isolate nicht vorbehandelter Patienten sind bereits doppelresistent. Gegen Amoxicillin gibt es keine Resistenzen. Anders ist die Situation bei bereits vorbehandelten Patienten. Dort beobachten wir einen deutlichen Resistenzanstieg. Bei diesen Patienten liegt die Metronidazolresistenz bei 51 %, die für Clarithromycin bei 57 %.
? Welches Eradikationsschema empfiehlt das Nationale Referenzzentrum aufgrund der Datenlage für Deutschland?
Kist: Wir können uns im Wesentlichen den Empfehlungen von Maastricht 2005 anschließen, die als Erstlinientherapie die Kombination eines Protonenpumpenhemmers mit Clarithromycin plus Amoxicillin (französische Tripeltherapie) oder Metronidazol (italienische Tripeltherapie) empfiehlt. So wird es auch in der neuen Leitlinie stehen. Damit wird bei bis zu 85 % der Patienten eine Eradikation erreicht.
Ich persönlich bevorzuge die französische Tripeltherapie aus einem einfachen Grund: Metronidazol hat mutagene Eigenschaften und induziert daher auch die Entwicklung von Mutationen in Bakterien. Da alle Resistenzmechanismen bei Helicobacter pylori auf Mutationen beruhen, kann Metronidazol die Resistenzentwicklung begünstigen. Auch Resistenzen gegen Clarithromycin werden häufiger. Zudem steht - sollte die französische Tripeltherapie versagen - mit Metronidazol noch ein Ausweichschema zur Verfügung mit einer geringen Wahrscheinlichkeit für eine Metronidazolresistenz.
Generell gilt: Bei einer Ausgangsresistenzlage von 40 % für Metronidazol und 20 % für Clarithromycin sollten diese Antibiotika nicht mehr ohne vorherige Testung eingesetzt werden.
? Wie ist die Resistenzsituation in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern?
Kist: Gerade im Vergleich zu südlichen Ländern wie Italien und Spanien, aber auch Frankreich ist die Resistenzsituation in Deutschland deutlich günstiger. Dies zeigen Daten, die vor 5 Jahren erhoben wurden. Derzeit wird die aktuelle Situation genauer untersucht. In den südlichen Ländern, in denen traditionell eher die italienische Tripeltherapie eingesetzt wird, erwarten wir einen weiteren Anstieg der Metronidazolresistenz. Sollte sich das bestätigen, wird zu überlegen sein, ob dieses Schema dann noch sinnvoll ist.
? Ist bei Patienten mit Migrationshintergrund dementsprechend von einer anderen Resistenzsituation auszugehen?
Kist: Migranten und deren Kinder sind aufgrund sozioökonomischer Verhältnisse mit größeren Familien in kleineren Wohnungen häufiger infiziert. Kinder aus Deutschland haben mit 5 Jahren eine Häufigkeit von 5 %, bei Kindern türkischer Herkunft liegt sie zwischen 40 und 50 %. Signifikante Resistenzunterschiede zur deutschen Bevölkerung gibt es jedoch nicht. Die Eradikation kann also nach dem gleichen Schema durchgeführt werden.
? Was empfehlen Sie, wenn die Erstlinientherapie fehlschlägt?
Kist: Nach dem ersten Therapieversagen sollte wenn möglich eine Resistenztestung durchgeführt werden, wenn eine erneute Endoskopie erfolgt. Dies wird auch in der neuen deutschen Leitlinie so empfohlen werden. Die Ärzte können sich im Nationalen Referenzzentrum dann eine Empfehlung geben lassen, welches Regime geeignet ist. Grundsätzlich stehen 6 Regime einschließlich eines Protonenpumpenhemmers zur Verfügung: die Hochdosistherapie mit Amoxicillin, die Kombination von Amoxicillin und Levofloxacin, die Kombination von Amoxicillin mit Rifabutin oder Rifampicin, eine Kombination von Levofloxacin plus Rifabutin beziehungsweise Rifampicin oder eine Kombination von Amoxicillin und Metronidazol, und schließlich kann man die Quadrupeltherapie versuchen. Sie hat ihre Berechtigung vor allem bei Patienten, die eine Amoxicillinallergie haben. Die sogenannte Sequenztherapie scheint Erfolg versprechend; allerdings ist die Datenlage noch nicht ausreichend.
??! Herr Professor Kist, wir bedanken uns für dieses Gespräch!
Dieses Interview entstand mit freundlicher Unterstützung der Abbott GmbH & Co. KG, Ludwigshafen und der Nycomed Deutschland GmbH, Konstanz. Prof. Kist erklärt, dass er für dieses Interview keine finanzielle Vergütung von den Firmen Abbott oder Nycomed erhalten hat. Das Gespräch führte Dr. Beate Fessler, freie Journalistin aus München. |