Dtsch Med Wochenschr 2008; 133(51/52): 2679-2685
DOI: 10.1055/s-0028-1105875
Weihnachtsheft

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ein Leben in Dur und Moll – Fryderyk Chopin aus psychiatrischer Sicht

A life in major and minor keys: Fryderyk Chopin from a psychiatric perspectiveA. Karenberg1
  • 1Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Universität zu Köln
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Publication Date:
09 December 2008 (online)

Am 2. Weihnachtstag des Jahres 1830 schrieb ein junger Mann die folgenden Sätze in sein Tagebuch: „Alles hier ist für mich so traurig und düster … Es ist lange her, dass Tränen aus meinen Augen flossen … Alle Konzerte, Diners und Soireen langweilen mich … Jedermann fragt mich, was los ist. Ich habe zu nichts Lust.”

Zweifellos deuten diese Zeilen auf einen depressiven Verstimmungszustand hin. Doch wird der ärztliche Leser aufhorchen, wenn er Näheres über den Autor der melancholisch gefärbten Textpassage erfährt. Es ist nämlich niemand anderes als der damals noch unbekannte und heute weltberühmte polnische Komponist und Pianist Fryderyk Chopin (1810 – 1849). Gleichzeitig weist der kurze Auszug auf Umstände hin, die unabdingbare Voraussetzungen für jeden Historiker darstellen, der sich um die Aufklärung einer Krankengeschichte aus der Vergangenheit bemüht:

Die ausgeprägte Introspektionsfähigkeit des kranken Komponisten ermöglichte es ihm, die Selbstwahrnehmung in einer klaren Sprache festzuhalten. Sein Alltag ist durch die erhaltene Korrespondenz (immerhin etwa 1500 Seiten) sowie weitere Selbst- und Fremdzeugnisse relativ dicht dokumentiert.

Diese Quellenbasis eröffnet der Nachwelt die Chance, Biographie und Werk aus psychiatrischer Sicht zu kommentieren – auch wenn man sich der methodischen Grenzen dieser Betrachtungsweise von Anfang an bewusst sein sollte.

Literatur

  • 1 Altenmüller E. Apollo in uns: Wie das Gehirn Musik verarbeitet. In: Elsner N, Lüer G Das Gehirn und sein Geist. Göttingen; Wallstein 87-104
  • 2 Beikircher K. Scherzo furioso. Köln; Kiepenheuer & Witsch 2003
  • 3 Böhme G. Medizinische Porträts berühmter Komponisten. Stuttgart; Fischer 1979
  • 4 Bordes M. La maladie et l’œuvre de Chopin. Thèse méd. Lyon; 1932
  • 5 Bühler C. Der menschliche Lebenslauf als psychologisches Problem. 2. Aufl. Göttingen; Hogrefe 1959
  • 6 Franken F H. Die Krankheiten großer Komponisten, Bd. 1. Wilhelmshaven; Noetzel 1986
  • 7 Ganche E. Souffrances de Chopin. Essai de médecine et de psychologie. Paris; Editions Mercure de France 1935
  • 8 Gavoty B. Chopin. Paris; Grasset 1974
  • 9 Karenberg A. Frédéric Chopin als Mensch, Patient und Künstler. Bergisch Gladbach; Verlag Josef Eul 1986
  • 10 Leven K H. Krankheiten – historische Deutung versus retrospektive Diagnose. In: Paul N, Schlich T Medizingeschichte: Aufgaben, Probleme, Perspektiven. Frankfurt/New York; Campus 1998: 153-185
  • 11 Onufrowicz B. Frederick Chopin’s mental makeup.  Dementia praecox studies. 1920 – 21;  3 199-203
  • 12 Otte A, Wink K. Kerners Krankheiten großer Musiker. 6. Aufl. Stuttgart; Schattauer 2008
  • 13 Neumayr A. Musik und Medizin, Bd. 2. Wien; Ed. Wien 1991
  • 14 O’Shea J G. Was Frédéric Chopin’s illness actually cystic fibrosis?.  Medical Journal of Australia. 1987;  147 586-9
  • 15 Pujol G JBA. De l’influence de la psychonévrose tuberculeuse dans l’œuvre de Watteau et de Chopin. Thèse méd. Bordeaux; 1922
  • 16 Rocchietta S. Omaggio a Chopin.  Minerva Medica. 1960;  51 1284-7
  • 17 Sand G. Ein Winter auf Mallorca. München; Heimeran 1979
  • 18 Schweinsheimer W. Der kranke Chopin.  Ärztliche Praxis. 1960;  12 694
  • 19 Sieluzycki C. On the health of Chopin. Truth, suppositions, legends.  Chopin Studies. 1999;  6 99-156
  • 20 Sydow B E. Correspondance de Frédéric Chopin, 3 Bde. Paris; Richard-Masse 1953 – 60
  • 21 Szpilczynski S. War Chopin Allergiker?.  Ciba-Symposium. 1961;  9/6 283-9
  • 22 Zielinski T A. Chopin. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit. Bergisch Gladbach; Lübbe 1999

Prof. Dr. med. Axel Karenberg

Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Universität zu Köln

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