Dtsch Med Wochenschr 2008; 133(51/52): 2675-2678
DOI: 10.1055/s-0028-1105874
Weihnachtsheft

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Theologie und Wissenschaft sollten ihre eigenen Wege gehen

Charles Darwins Verhältnis zur ReligionTheology and science should go their own wayCharles Darwin’s relationship to religionJ. Voss1
  • 1Frankfurter Allgemeine Zeitung
Further Information

Publication History

Publication Date:
09 December 2008 (online)

Weihnachten auf Reisen

Im Dezember 1836 sah es noch einmal so aus, als könnte die Weihnachtszeit, in die im Leben Charles Darwins immer wieder bedeutende Ereignisse seiner Karriere fielen, noch einmal den gewohnten Gang gehen: In diesem Jahr kehrte der junge Forschungsreisende von seiner Weltumseglung zurück, die ihn von England nach Südamerika, die Galápagosinseln, Tahiti, Neuseeland, Australien, Mauritius und Cape Town geführt hatte (Abb. [1]).

Abb. 1 Charles Darwin im Jahr 1840.

Auf der vorhergehenden Reise bestimmte der jeweilige Aufenthaltsort, wie das traditionsreiche Fest begangen wurde. Am 25. Dezember 1831, dem Tag, an dem in England Weihnachten gefeiert wird, kämpfte Darwin gegen die ersten Anfälle von Seekrankheit. Heftige Stürme hatten das Expeditionsschiff H.M.S. Beagle kurz nach dem Auslaufen zur Rückkehr in den Hafen von Plymouth gezwungen, wo sich die Matrosen nun heftig betranken. Im Jahre darauf ankerte man bereits vor Feuerland, an Weihnachten bestieg Darwin zusammen mit dem Schiffslieutenant den Berg Kater’s Peak in der Wigwam-Bucht nahe Kap Hoorn. Im Jahr 1833 verspeiste er als Weihnachtsbraten in Patagonien ein Guanako, das wildlebende Lama Südamerikas; 1834 lag das Schiff im chilenischen Chonos-Archipel, an Weihnachten entdeckte Darwin die Überreste eines schiffbrüchigen Seemannes und 1835, im letzten Reisejahr, besuchte er den Gottesdienst in der Kapelle von Pahia auf Neuseeland. Im darauffolgenden Jahr (1836) befand sich Darwin wieder in England, er mietete sich in Cambridge ein kleines Haus in der Fitzwilliam Street, wo er auch Weihnachten blieb und die Grüße von Freunden und Familie per Post empfing. „I wish you a happy Christmas my good Philos”, schrieb ihm Kapitän Robert FitzRoy, der seinem jungen Begleiter wegen dessen Hang zum Philosophieren den Spitznamen gegeben hatte, den er im Brief als Anrede benutzte. Es war derselbe FitzRoy, der sich später von Darwin öffentlich abwenden und sogar bereuen sollte, dem Freund durch die Reise „die Möglichkeit gegeben zu haben, Belege für eine derart schockierende Theorie zu sammeln” ([1], Seite 123. Eigene Übersetzung J.V.). Zwischen den Weihnachtsgrüßen und dem Bruch lag ein Buch, das wieder kurz vor Weihnachten erschien, am 24. November 1859. Am Weihnachtsfeiertag des Jahres schrieb Darwin seinem Cousin, dass die zweite Auflage bereits im Druck sei, die erste mit einer Stückzahl von 1500 Exemplaren war noch am Erscheinungstag von On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life vergriffen (Abb. [2]). Fast 50 Rezensionen erschienen bis Jahresende und England wurde damit inmitten der Weihnachtszeit von einem Buch überrumpelt, das die Frage nach Glauben und Religion neu stellte. Überrumpelt wurde auch der Autor selbst: Mit einem Schlag stand er im Rampenlicht einer Debatte, die von den Beteiligten eine Entscheidung verlangte. Wie hielt es Darwin mit der Religion?

Abb. 2 Titelseite von Origin of Species aus dem Jahr 1859 (Privatarchiv).

Literatur

  • 1 Browne J. Charles Darwin. The Power of Place. Princeton; Princeton University Press 2002
  • 2 Darwin C. Mein Leben, 1809 – 1882. Frankurt/M; Insel 1993
  • 3 Darwin C. Sind Affen Rechtshänder? Notizhefte M und N und die „Biographische Skizze eines Kindes”.  Erstmals aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von Henning Ritter. Berlin; Friedenauer Presse 1998
  • 4 Ruse M. Darwin and Design. Does Evolution Have a Purpose?. Cambridge, Mass; Harvard University Press 2003
  • 5 Darwin C. Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl. In: Gesammelte Werke. Aus dem Englischen übersetzt von J. Victor Carus, 3. gänzlich umgearbeitete Aufl. Bd. VI. Stuttgart; Schweizerbart 1875
  • 6 Burkhardt F H, Smith S. et al (editors) .The Correspondence of Charles Darwin, Bde. 14 (1866). Cambridge; Cambridge University Press 2004
  • 7 Burkhardt F H, Smith S. et al (editors) .The Correspondence of Charles Darwin, Bde. 16 (1868). Cambridge; Cambridge University Press 2008

Dr. Julia Voss

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Hellerhofstraße 2–4

60267 Frankfurt am Main

Phone: 069/75911-265

Fax: 069/75911-405

Email: j.voss@faz.de

    >