Notfall & Hausarztmedizin 2008; 34(10): 515
DOI: 10.1055/s-0028-1104646
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Erfahrungen aus der allgemeinmedizinischen Schmerztherapie - Pregabalin bei neuropathischen Schmerzen in der Hausarztpraxis

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Publication Date:
01 December 2008 (online)

 
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    Neuropathische Schmerzen, insbesondere bei peripheren diabetischen Polyneuropathien werden im hausärztlichen Bereich aber auch in diabetischen Schwerpunktpraxen, häufig nicht oder erst sehr spät erkannt. Da die Patienten in Ihrer Lebensqualität erheblich eingeschränkt sind und häufig unter zusätzlichen psychischen Komorbiditäten wie Angst- oder Schlafstörungen leiden, ist es besonders wichtig die Diagnose frühzeitig zu stellen. Wir befragten Herrn Dr. Knut Kolitsch, Facharzt für Allgemeinmedizin und spezielle Schmerztherapie aus Katzhütte, zu diesem Problem.

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    Dr. Knut Kolitsch

    ? Sie behandeln in Ihrer Praxis viele Schmerzpatienten. Wie häufig sehen Sie Patienten mit neuropathischen Schmerzen insbesondere bei diabetischer Polyneuropathie?

    Kolitsch: Um einen Überblick zu bekommen, haben wir unser Patientengut in 2007 ausgewertet: wir haben bei 568 Patienten mit der Diagnose "periphere Polyneuropathie" eine Schmerztherapie durchgeführt, davon hatten 143 Patienten eine periphere diabetische Polyneuropathie (DPN). Die Patienten waren 35-85 Jahre alt, im Mittel 68 Jahre und die durchschnittliche Diabetesdauer lag bei 4 Jahren. Da Patienten, die mit DPN in unsere schmerztherapeutische Praxis kommen, häufig bereits erfolglos vom Hausarzt vorbehandelt sind, kann man sie in 2 Gruppen unterteilen: Therapieresistente Patienten, die mit Carbamazepin oder einem trizyklischen Antidepressivum (TCA) vorbehandelt waren oder Patienten mit entsprechenden Kontraindikationen, zum Beispiel NSAR-Therapie, Glaukom, Prostatahypertrophie, kardiovaskuläres Risiko, hirnorganische Störungen, chronische Lungenerkrankungen und AV-Block II. Grades.

    In der vorausgehenden Diagnostik wurde initial ein Screening mit dem painDETECT-Fragebogen sowie eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung durchgeführt. Zu Beginn und im Therapieverlauf wurden die Daten mit dem Schmerztagebuch der DGS (Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie) und DGSS (Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes) erfasst und die Dosis gemäß Auswertung angepasst. Die Patienten wurden in der Einstellphase wöchentlich, später 4 bis 6-wöchentlich kontrolliert. Alle Patienten verbesserten sich deutlich um mindestens 30 mm in der VAS bis zur Schmerzfreiheit, beziehungsweise bis zu einer für den Patienten akzeptablen Schmerzsituation. Ungefähr 1/3 dieser Patienten konnten wir erfolgreich mit Pregabalin behandeln, das seit 2005 in den entsprechenden Leitlinien der Deuteschen Diabetes Gesellschaft enthalten ist.

    ? Wie setzen Sie Pregabalin ein?

    Kolitsch: Seit Pregabalin in Deutschland zur Verfügung steht, setzen wir es regelmäßig und erfolgreich zur Behandlung neuropathischer Schmerzen ein. Die Patienten erhalten eine Dosissteigerung nach Schmerztagebuch bis zum Erreichen einer zufrieden stellenden Schmerzsituation.

    Die meisten unserer Patienten erreichen Pregabalin-Tagesdosen von 150-300 mg. Wir geben die Erstdosis in der Regel am Abend, da von den Patienten besonders der positive Effekt auf das Einschlafen beschrieben wird.

    ? Bestehen aus Ihrer Sicht Unterschiede zur Vorgängersubstanz Gabapentin?

    Kolitsch: Als wesentlichen Unterschied sehen wir die lineare Kinetik, das schnellere Erreichen der Zieldosis und dass bereits früh, in den ersten 1-2 Tagen nach Therapiebeginn, eine deutliche schmerzlindernden Wirkung zu beobachten ist. Im Vergleich zu Gabapentin ist ein einfacheres Therapieregime mit zweimal täglicher Gabe möglich. Diese Vorteile von Pregabalin gegenüber Gabapentin erhöhen zudem die Compliance der Patienten.

    ? Wie gehen Sie bei besonders therapieschwierigen Patienten vor?

    Kolitsch: Bei Nichterreichen einer angemessenen Schmerzreduktion können komplementäre Verfahren wie TENS-Therapie, Akupunktur, oder Lasertherapie im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzeptes zusätzlich zur Anwendung kommen. Außerdem können bei Nichtansprechen auf reflextherapeutische Maßnahmen je nach Indikation bestimmte Antidepressiva (z. B. SNRI, Amitriptylin) und Opioide der Stufe II und III eingesetzt werden.

    Entscheidend sind neben Anamnese, klinischer Untersuchung mit Laboruntersuchungen und Schmerzfragebögen die "bedside"-Tests (Pin-Prick, Stimmgabel etc.) sowie die apparative Diagnostik mit bildgebenden Verfahren.

    ? Welche Vorteile hat für Sie die Therapie neuropathischer Schmerzen mit Pregabalin?

    Kolitsch: Besonders günstig ist die Möglichkeit der raschen Aufdosierung von Pregabalin und die rasch einsetzende schmerzreduzierende Wirkung bei schmerzhaften Polyneuropathien, bei gleichzeitig guter Verträglichkeit. Die in der Praxis beobachteten therapielimitierenden Nebenwirkungen sind selten und betreffen vorwiegend gastrointestinale und zentralnervöse Symptome.

    Darüber hinaus besitzt Pregabalin eine positive Wirkung auf schmerzbegleitende Schlafstörungen und eine anxiolytische Wirkung bei Generalisierter Angststörung (GAD). Dadurch können diese häufig bei neuropathischen Schmerzen auftretenden Komorbiditäten erfolgreich mitbehandelt werden, ohne dass die Medikation zusätzlich erweitert werden muss.

    Herr Dr. Kolitsch, wir bedanken uns für dieses Gespräch!

     
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    Dr. Knut Kolitsch