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DOI: 10.1055/a-2347-6539
S3-Leitlinie: Nichtinvasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz
S3 Guideline: Treating Chronic Respiratory Failure with Non-invasive Ventilation- Zusammenfassung
- Abstract
- 1 Einleitung
- 2 Wissenschaftliche Grundlagen
- 3 Methodik
- 4 Kontrolluntersuchungen
- 5 COPD
- 6 Thorakal-restriktive Lungenerkrankungen
- 7 Obesitas-Hypoventilationssyndrom
- 8 Weaning
- 9 Neuromuskuläre Erkrankungen
- 10 Pädiatrie
- 11 Sekretmanagement
- 12 Besonderheiten bei Querschnittlähmung
- 13 Ethische Erwägungen
- Literatur
Zusammenfassung
Die S3-Leitlinie zur nichtinvasiven Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz wurde im Juli 2024 auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) veröffentlicht und bietet umfassende Empfehlungen zur Behandlung der chronisch respiratorischen Insuffizienz bei unterschiedlichen Grunderkrankungen wie z.B. COPD, thorako-restriktiven Erkrankungen, Obesitas-Hypoventilationssyndrom und neuromuskulären Erkrankungen. Eine wichtige Neuerung ist die Aufteilung der vorherigen S2k Leitlinie aus dem Jahr 2017, welche zuvor sowohl die Therapie mittels invasiver Beatmung als auch nicht-invasiver Beatmung beinhaltete. Durch eine vermehrte wissenschaftliche Evidenz und eine deutlich gestiegene Anzahl an Betroffenen, werden diese sehr unterschiedlichen Therapieformen nun in zwei getrennten Leitlinien behandelt. Ziel der Leitlinie ist, die Behandlung von Patienten mit chronischer respiratorischer Insuffizienz durch die nichtinvasive Beatmung zu verbessern und die Indikationsstellung und Therapieempfehlungen den an der Therapie beteiligten Akteuren zugänglich zu machen. Sie basiert auf der neuesten wissenschaftlichen Evidenz und ersetzt die frühere Leitlinie. Zu diesem Zweck werden detaillierte Empfehlungen zur Durchführung der nichtinvasiven Beatmung gegeben, der Einstellung der Beatmungsparameter und der anschließenden Überwachung der Therapie.
Als wichtige Neuerungen der S3 Leitlinie sind neben der aktualisierten Evidenz auch die neuen Empfehlungen zur Versorgungsform der Patienten sowie zahlreiche detaillierte Behandlungspfade zu nennen, welche die Anwenderfreundlichkeit der Leitlinie erhöhen. Zusätzlich widmet sich ein gänzlich überarbeitetes Kapitel ethischen Fragen und bietet Empfehlungen für eine Begleitung am Lebensende. Diese Leitlinie ist ein wichtiges Instrument für Ärzte und andere Gesundheitsfachkräfte, um die Versorgung von Patienten mit chronischer respiratorischer Insuffizienz zu optimieren. Diese Leitlinienfassung hat eine Gültigkeit von drei Jahren, bis Juli 2027.
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Abstract
The S3 guideline on non-invasive ventilation as a treatment for chronic respiratory failure was published on the website of the Association of the Scientific Medical Societies in Germany (AWMF) in July 2024. It offers comprehensive recommendations for the treatment of chronic respiratory failure in various underlying conditions, such as COPD, thoraco-restrictive diseases, obesity-hypoventilation syndrome, and neuromuscular diseases. An important innovation is the separation of the previous S2k guideline dating back to 2017, which included both invasive and non-invasive ventilation therapy. Due to increased scientific evidence and a significant rise in the number of affected patients, these distinct forms of therapy are now addressed separately in two different guidelines.
The aim of the guideline is to improve the treatment of patients with chronic respiratory insufficiency using non-invasive ventilation and to make the indications and therapy recommendations accessible to all involved in the treatment process. It is based on the latest scientific evidence and replaces the previous guideline. This revised guideline provides detailed recommendations on the application of non-invasive ventilation, ventilation settings, and the subsequent follow-up of treatment.
In addition to the updated evidence, important new features of this S3 guideline include new recommendations on patient care and numerous detailed treatment pathways that make the guideline more user-friendly. Furthermore, a completely revised section is dedicated to ethical issues and offers recommendations for end-of-life care. This guideline is an important tool for physicians and other healthcare professionals to optimize the care of patients with chronic respiratory failure. This version of the guideline is valid for three years, until July 2027.
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1 Einleitung
S. Stanzel, S. Walterspacher
Die nichtinvasive Beatmung zeigt in der letzten Dekade einen starken Anstieg [1]. Seit der letzten Revision der Leitlinie zur außerklinischen Beatmung aus dem Jahr 2017 herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) haben zahlreiche neue Entwicklungen zu einer bisweilen neuen Betrachtungsweise der außerklinischen Beatmung geführt [2]. Infolge der immer komplexer werdenden Thematik erfolgte mit der aktuellen Revision eine Aufteilung der Leitlinie in eine Fassung zur nicht-invasiven außerklinischen Beatmung (NIV) und einer separaten Leitlinie zur invasiven außerklinischen Beatmung (siehe auch Kapitel 3/Methodik). In der Leitlinie zur invasiven außerklinischen Beatmung wird der Schwerpunkt auf die besondere Versorgungssituation gelegt werden, wodurch diese Aspekte in dieser Leitlinie nicht behandelt wurden.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet und eine geschlechtsneutrale Form gewählt. In Fällen in denen dies nicht möglich war, wurde das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beide Geschlechter.
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1.1 Beteiligte Fachgesellschaften und Organisationen
Die Revision der Leitlinie mit neuen Evidenzanalysen erfolgt unter der federführenden Fachgesellschaft der DGP mit Beteiligung der folgenden Fachgesellschaften:
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Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. (DGP)
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Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e. V. (DGSM)
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Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegiologie e. V. (DMGP)
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Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung e. V. (DIGAB)
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Bundesverband der Pneumologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin (BdP)
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Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e. V. (DGM)
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Bundesverband Poliomyelitis e. V. (BV Polio)
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Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI)
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Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin e. V. (GNPI)
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Deutsche Gesellschaft für Neurologie e. V. (DGN)
Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin e. V. (DEGAM), AOK Nordost als Krankenkassenvertreter sowie des Industrieverbandes Spectaris wurden zur erneuten Teilnahme an der Leitlinienüberarbeitung eingeladen, haben dies jedoch für die aktuelle Revision abgelehnt. Die Auswahl der für die redaktionelle Arbeit verantwortlichen Experten erfolgte in Absprache mit den Vorstandsmitgliedern der DGP. Die Auswahl der Teilnehmer an den Konsensuskonferenzen erfolgte durch die jeweiligen Fachgesellschaften. In beratender Funktion war ebenfalls eine Vertreterin des medizinischen Dienstes bei den Konsensuskonferenzen anwesend.
1.1.1 Interessenkonflikte der Delegierten
Interessenkonflikte sind nicht vermeidbar und schließen eine Beteiligung an der Erstellung einer Leitlinie nicht grundsätzlich aus. Die stimmberechtigten Delegierten haben während des Leitlinienprozesses schriftliche Angaben zu möglichen Interessenkonflikten über das Interessenerklärungsportal der AWMF (Interessenerklärung online, https://interessenerklaerung-online.awmf.org/) gemacht. Die federführende Autorin dieser Leitlinie hat gemeinsam mit Vertretern der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) geprüft, ob Interessenkonflikte möglicherweise gegen eine Beteiligung am Leitlinienprozess sprechen. Die federführende Autorin wurde durch die Mitglieder der Redaktionsgruppe und durch den Vorstand der DGP hinsichtlich der Interessenkonflikte bewertet und für die Leitlinienerstellung als kompetent eingestuft. In einem so technisch geprägten Thema lassen sich zum Teil Interessenkonflikte, die im Rahmen von klinischer Erprobung neuer Technologien entstehen, nicht vollumfänglich vermeiden. Mit der Publikation dieser Leitlinie erfolgt auf der Homepage der AWMF auch eine Zusammenstellung der Interessenkonflikte der Autoren. Es wurde kein potenzieller Teilnehmer aufgrund seiner Interessenkonflikte vom Leitlinienprozess ausgeschlossen.
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1.1.2 Finanzierung der Leitlinie
Die Finanzierung der vorliegenden Leitlinie erfolgt durch die DGP. Die finanzierende Organisation hatte hierbei keinen direkten Einfluss auf die Leitlinienerstellung.
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1.2 Die Leitlinien-Redaktionsgruppe
Redaktionsgruppe (alphabetisch):
Prof. Dr. med. Boentert, Matthias (Münster)
PD Dr. med. Cornelissen, Christian (Aachen)
Prof. Dr. med. Dreher, Michael (Aachen)
Prof. Dr. med. Fuchs, Hans (Freiburg i. Br.)
PD Dr. med. Hirschfeld, Sven (Hamburg)
Prof. Dr. med. Kabitz, Hans-Joachim (Aarau, CH)
Prof. Dr. rer. nat. Mathes, Tim (Göttingen)
Dr. med. Michalsen, Andrej (Konstanz)
PD Dr. Dr. med. PhD Spiesshoefer, Jens (Aachen)
PD Dr. med. Stanzel, Sarah Bettina (Köln)
Prof. Dr. med. Trudzinski, Franziska (Heidelberg)
PD Dr. med. Walterspacher, Stephan (Konstanz)
Prof. Dr. med. Windisch, Wolfram (Köln)
Leitung
PD Dr. med. Sarah Bettina Stanzel (DGP)
Lungenklinik Köln-Merheim
Kliniken der Stadt Köln gGmbH
Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Pneumologie
Ostmerheimer Straße 200
51109 Köln
Senior Koordinator
PD Dr. med. Stephan Walterspacher (DGP)
Sektion Pneumologie – Medizinische Klinik
Klinikum Konstanz
Mainaustraße 35
78464 Konstanz
Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Pneumologie
Ostmerheimer Straße 200
51109 Köln
Methodische Koordination und Redaktion
Prof. Dr. rer. Tim Mathes
Institut für Medizinische Statistik
Universitätsmedizin Göttingen
Humboldtallee 32
37099 Göttingen
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1.3 Beteiligung von Kostenträgern, medizinischem Dienst und Industrie
Die zunehmende Zahl außerklinisch beatmeter Patienten und die damit verbundenen Kosten für das Gesundheitssystem erfordern eine enge Kommunikation und Zusammenarbeit mit Vertretern der Kostenträger. Aus diesem Grund wurde auch eine Vertreterin des medizinischen Dienstes zu den Konsensuskonferenzen eingeladen mit rein beratender Funktion ohne Stimmrecht.
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1.4 Anwenderzielgruppe
Die Leitlinie richtet sich an Ärzte aller Versorgungsbereiche, die Patienten mit chronisch hyperkapnischer respiratorischer Insuffizienz, Verdacht auf chronisch hyperkapnische respiratorische Insuffizienz sowie bereits bestehender nicht-invasiver Beatmung ambulant und/oder stationär behandeln. Hierzu gehören unter anderem Ärzte aus den Bereichen Innere Medizin und Pneumologie, Schlafmedizin, Neurologie, Pädiatrie, Palliativmedizin, Intensivmedizin und Anästhesie. Sie richtet sich ebenfalls an Atmungstherapeuten und in den oben genannten Bereichen tätige Pflegekräfte. Die Leitlinie dient zudem der Information von Allgemeinmedizinern und weiteren Fachärzten, welche Patienten mit einer nicht-invasiven Beatmung betreuen. Die Leitlinie gilt für Patienten mit chronisch hyperkapnischer respiratorischer Insuffizienz unabhängig von Alter und Geschlecht, Schweregrad der Erkrankung oder Komorbidität. Sie gilt ferner für Menschen mit erhöhtem Risiko, an einer chronisch hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz zu erkranken. Sie soll entsprechend der Definition von Leitlinien zur Unterstützung der gemeinsamen Entscheidungsfindung von Arzt und Patient bei diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen dienen. Sie entbindet Ärzte dabei nicht von ihrer Verpflichtung, individuell und unter Würdigung der Gesamtsituation des Patienten die adäquate Vorgehensweise zu prüfen.
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1.5 Publikation
Zusätzlich zu der vorliegenden Publikation wurde die Leitlinie im Juli 2024 in das Leitlinienregister der AWMF aufgenommen (www.awmf.org). Die Leitlinie soll zudem in einer Kurzversion sowie als englischsprachige Version erscheinen.
1.5.1 Urheberrechte
Das Urheberrecht für die Leitlinien liegt ausschließlich bei der Autorengruppe der beteiligten Fachgesellschaften und Organisationen. Darin eingeschlossen ist das Recht der Änderung, Erweiterung oder Löschung von Inhalten. Die am Leitlinienprojekt beteiligten Fachgesellschaften/Organisationen haben eine schriftliche Vereinbarung zu den Verwertungsrechten der Leitlinieninhalte getroffen vertreten durch die federführende Fachgesellschaft DGP. Die Fachgesellschaften räumen der AWMF das Nutzungsrecht für die elektronische Publikation im Informationssystem „AWMF online“ im World Wide Web (WWW) des Internets ein.
Die federführende Fachgesellschaft klärt dabei die Verwertungsrechte zur Weiterverwendung von Leitlinieninhalten durch Dritte frühzeitig für jedes Leitlinienvorhaben und dokumentiert dies schriftlich.
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1.6 Gültigkeit der Leitlinie und Aktualisierungsverfahren
Diese Leitlinie hat eine Gültigkeit von 3 Jahren, beginnend mit dem Datum der Veröffentlichung. Eine Überarbeitung und Aktualisierung dieser Leitlinie beginnt planmäßig 12 Monate vor Ablauf der Gültigkeit. Zusätzlich wird in Abhängigkeit von der zukünftigen Datenlage und der berufspolitischen Situation in Deutschland auch eine Teilaktualisierung oder Ergänzung vor Ablauf der Frist möglich sein.
Die verantwortliche Ansprechpartnerin für die Aktualisierung der Leitlinie ist Frau PD Dr. Sarah Stanzel. Anfragen zur Aktualisierung der Leitlinie werden über das Leitliniensekretariat der DGP koordiniert (leitlinien@pneumologie.de).
In der nächsten Aktualisierung wird der Anteil an evidenzbasierten Empfehlungen gemäß den dann geltenden Vorgaben der AWMF für S3-Leitlinien auf mindestens 50 % erhöht werden. Hierzu wird im Vorfeld ein durch die federführende Fachgesellschaft beauftragtes Expertengremium die PICO-Fragen auswählen und ggf. ergänzen, die einer systematischen Evidenzsynthese zugeführt werden.
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2 Wissenschaftliche Grundlagen
S. Walterspacher, S. Stanzel
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2.1 Die ventilatorische Insuffizienz
Das respiratorische System besteht aus 2 unabhängig voneinander limitierbaren Anteilen, dem gasaustauschenden System (Pulmo/Lunge) und dem ventilierenden System (Atemmuskulatur/Atempumpe) [3] [4]. Bei einer pulmonalen Insuffizienz ist aufgrund der im Vergleich zum O2 über 20-fach verbesserten Diffusionskapazität für CO2 nur die O2-Aufnahme, jedoch nicht die CO2-Abgabe klinisch relevant gestört, während eine ventilatorische Insuffizienz (Atempumpinsuffizienz) eine Störung sowohl der O2-Aufnahme als auch der CO2-Abgabe nach sich zieht. Die pulmonale Insuffizienz kann mit Sauerstoff ausgeglichen werden; die ventilatorische Insuffizienz kann mit einer augmentierten Ventilation durch mechanische Beatmung behandelt werden (vgl. [ Abb. 1 ]).
Das ventilatorische System mit dem Endeffektororgan der Atemmuskulatur ist ein komplexer Verbund von neurologischen, muskulären und skelettalen Komponenten, welches auf verschiedensten Ebenen limitiert sein kann (vgl. [ Abb. 2 ] und Appendix) [5].
Pathophysiologisch kommt es meist abhängig von der Grunderkrankung zu einer erhöhten Last und/oder zu einer verminderten Kapazität der Atemmuskulatur, was in einer atemmuskulären Überbeanspruchung münden kann. Eine Hypoventilation manifestiert sich häufig zunächst unter Belastung und/oder während des Schlafes, initial insbesondere während des REM-Schlafes. Entsprechend der Komplexität der Atempumpe sind ihre potenziellen Störanfälligkeiten vielfältig, wobei die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) sowie das Obesitas-Hypoventilationssyndrom (OHS) neben den neuromuskulären Erkrankungen (NME), zentralen Atemregulationsstörungen und Thoraxdeformitäten (TRE) die Hauptursachen einer ventilatorischen Insuffizienz sind [4] [6] [7].
Häufig ist die Ätiologie der ventilatorischen Insuffizienz multifaktoriell bedingt. Insbesondere bei der COPD sind unterschiedliche Mechanismen für die Erhöhung der atemmuskulären Last (Erhöhung der Atemwegswiderstände, intrinsic PEEP, Verkürzung der Inspirationszeit, Komorbiditäten wie z. B. Herzinsuffizienz, Anämie) sowie für die Reduzierung der atemmuskulären Kapazität (Überblähung, Störung der Atemmechanik, Myopathie, Komorbiditäten wie z. B. Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus) beschrieben [4] [8] [9].
Eine ventilatorische Insuffizienz kann akut auftreten und geht dann mit einer respiratorischen Azidose einher [10]. Bei einer chronischen ventilatorischen Insuffizienz wird die respiratorische Azidose dagegen metabolisch durch Bikarbonatretention kompensiert. Nicht selten entwickelt sich aber auch eine akute respiratorische Verschlechterung auf dem Boden einer chronischen ventilatorischen Insuffizienz (akut auf chronisch). Blutgasanalytisch findet sich hierbei ein Mischbild mit hohem Bikarbonatwert und erniedrigtem pH [11].
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2.2 Wie wird eine chronische hyperkapnische respiratorische Insuffizienz diagnostiziert?
Klinisch geben die Anamnese und Untersuchung des Patienten erste Hinweise auf das mögliche Vorliegen einer chronischen hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz (CHRI) (vgl. [ Tab. 1 ]). Allerdings sind die zugehörigen Symptome vielfältig und unspezifisch [12], zunächst stehen die Symptome der zugrunde liegenden Erkrankung im Vordergrund.
Goldstandard in der Diagnostik der CHRI ist jedoch die blutgasanalytische Bestimmung des arteriellen PCO2. Wenn eine ausreichend gute Kreislaufperfusion vorliegt, ist die Bestimmung des PCO2 auch kapillär aus dem hyperämisierten Ohrläppchen möglich [13] [14]. Eine CHRI macht sich als erstes im (REM-)Schlaf oder unter körperlicher Anstrengung bemerkbar. Neben der Durchführung einer BGA besteht auch die Möglichkeit der kontinuierlichen transkutanen PCO2-Registrierung (PtcCO2), welches gerade im nächtlichen Monitoring entscheidende Vorteile besitzt [15]. Die PtcCO2 erfasst dabei besser den kompletten zeitlichen Verlauf der Ventilation, wenn auch einzelne Messwerte zum Goldstandard der arteriellen BGA abweichen können [15] [16] [17] [18].
Die Lungenfunktion – insbesondere die Reduktion der Vitalkapazität im Verlauf beziehungsweise bei posturaler Änderung – kann ebenso Hinweise für eine ventilatorische Insuffizienz liefern und wird krankheitsspezifisch auch als Indikationskriterium z. B. bei NME und TRE eingesetzt (vgl. Kapitel 6 und Kapitel 9). Apparativ werden bei der atemmuskulären Funktionsdiagnostik mittels Messung des Mundverschlussdrucks die maximale Atemmuskelstärke und der Verschlussdruck oder der nasale Sniff-Druck gemessen. Für Details sei auf die Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga verwiesen [4].
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2.3 Maschinelle Beatmung
Eine CHRI kann abgesehen von der Therapie der Grunderkrankung nur mit augmentierter Ventilation mittels künstlicher Beatmung behandelt werden. Eine akute ventilatorische Insuffizienz erfordert die zügige Beatmung in der Regel unter intensivmedizinischen Bedingungen [10]. Patienten mit einer CHRI können elektiv auf eine außerklinische Maskenbeatmung eingestellt werden, die sie meist intermittierend durchführen, wobei in der Regel eine nächtliche Beatmung im Wechsel mit Spontanatmung am Tag besteht [19] [20] [21] [22]. Als Beatmungszugang werden in der Regel Nasenmasken, Nasen-Mund-Masken, Vollgesichtsmasken oder Mundstücke eingesetzt [23] [24].
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2.4 Welche Effekte hat eine maschinelle Beatmung?
Das Therapieziel einer maschinellen Beatmung ist die Normokapnie unter Berücksichtigung von Nebenwirkungen und Akzeptanz der Beatmung, welche dann in einem verbesserten Überleben und Lebensqualität resultiert [25] [26]. Die intermittierende Beatmung stellt aber nicht nur eine supportive Behandlungsform während ihrer Anwendung dar, sondern beeinflusst als therapeutische Maßnahme auch das nachgeschaltete Spontanatmungsintervall günstig mit Linderung der unter [ Tab. 1 ] genannten Symptome [12].
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2.5 Welche Nebenwirkungen treten durch maschinelle Beatmung auf?
Den positiven physiologischen und klinischen Effekten der Langzeitbeatmung stehen die Nebenwirkungen bedingt durch den Beatmungszugang oder durch die Beatmung selbst gegenüber (vgl. [ Tab. 2 ]) [27].
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3 Methodik
T. Mathes, S. Walterspacher, S. Stanzel
Die vorliegende umfassende Revision der im Jahr 2017 publizierten S2k-Leitline „Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“ [28] umfasst folgende Merkmale:
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Aufteilung der Leitlinie in 2 getrennte Leitlinien. Es handelt sich bei der vorliegenden Leitlinie um die Leitlinie zur nicht-invasiven Beatmung als Therapie der CHRI. Da die Teile der vorherigen Leitlinienversion, welche die invasive Beatmung betrafen, einen Schwerpunkt im versorgungswissenschaftlichen Bereich mit nur wenig wissenschaftlicher Evidenz hat und sich im Gegensatz hierzu die NIV durch eine verbesserte wissenschaftliche Datenlage kennzeichnet, wurde in der federführenden Fachgesellschaft DGP eine Trennung der Leitlinien mit unterschiedlicher Stufenklassifikation des AWMF-Regelwerks durchgeführt.
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Änderung der Entwicklungsstufe in S3 nach dem AWMF-Regelwerks.
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Neugestaltung der Kapitel: Durch die Trennung der Leitlinie wurde auch die Kapitelstruktur revidiert, sodass insbesondere Kapitel, welche nur die invasive Beatmung oder rein versorgungswissenschaftliche Schwerpunkte hatten, ausgegliedert wurden und im weiteren Verlauf in der Leitlinie zur invasiven Beatmung zu finden sein werden.
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Integration der aktuellen Literatur.
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Beteiligung zum Teil anderer Fachgesellschaften: Bezugnehmend auf die Neuausrichtung der Leitlinie und Trennung in einen Teil zur NIV und eine Leitlinie zur invasiven Beatmung wurden ebenfalls die beteiligten Fachgesellschaften in Abstimmung mit der deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin ja nach Schwerpunkt aufgeteilt (siehe auch Kapitel 2.1).
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3.1 Entwicklungsstufe
Die Leitlinie wird nach der Stufenklassifikation des AWMF-Regelwerks entwickelt. Diese klassifiziert 4 Entwicklungsstufen (S1, S2e, S2k, S3). Die in der vorliegenden Leitlinie angewendete Entwicklungsstufe entspricht der S3-Stufe des AWMF-Regelwerks. Dies stellt die höchste Entwicklungsstufe dar und basiert unter anderem auf einer systematischen Literatursuche und Literaturbewertung.
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3.2 Literaturrecherche
Im Rahmen der Leitlinienentwicklung wurden insgesamt Recherchen für 8 PICO-Fragestellungen entwickelt und in der Datenbank PubMed durchgeführt. PICO ist ein Akronym für strukturierte medizinische Fragestellungen und deren Analyse anhand von Patient, Intervention, Control, Outcome und Studientyp (nach [29]) und wurden mit der Unterstützung des Instituts für Medizinische Statistik der Universitätsmedizin Göttingen bearbeitet.
Die Rechercheaufträge zu den PICO-Fragen 1, 2 und 3 bauen auf den Ergebnissen der 2019 veröffentlichten „European Respiratory Society guidelines on long-term home non-invasive ventilation for management of COPD“ auf [30]. Die PICO-Kriterien für die einzelnen Fragestellungen sind den Tabellen des Leitlinienreports zu entnehmen. Die Suche für die PICO 1, 2, 3 und 4 wurde zusätzlich auf den Zeitraum 2018 bis heute begrenzt. Für jede Fragestellung wurde eine systematische Datenbankrecherche in PubMed durchgeführt. Die angewandten Suchstrategien und Selektionskriterien für die jeweiligen Fragestellungen sind dem Leitlinienreport zur Methodik zu entnehmen. Zur Identifikation weiterer relevanter Studien wurden die Referenzen der identifizierten Reviews zu verwandten Fragestellungen auf potenzielle Relevanz überprüft.
Zusätzlich zu dieser systematischen Literaturrecherche bezogen auf die Rechercheaufträge zu den PICO wurden von den verantwortlichen Autoren der einzelnen Kapitel zusätzliche Literaturrecherchen durchgeführt mit unbeschränktem Publikationszeitraum in englischer und deutscher Sprache. Diese Suche wurde anhand von Suchwortlisten in den Datenbanken Cochrane und PubMed/Medline vorgenommen.
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3.3 Manuskripterstellung und Leitlinienprozess
Jeder Themenschwerpunkt wurde von mindestens einem federführenden Autor ausgearbeitet und von mindestens einem weiteren Delegierten (Koautor) kritisch gegengelesen, bis Konsens innerhalb der Arbeitsgruppe bestand. Zudem wurden 2 den Arbeitsgruppen übergeordnete Autoren benannt, welche nach Fertigstellung des Manuskripts das Gesamtmanuskript kritisch bewerteten. Die Abstimmung innerhalb der Redaktionsgruppe zur Aufteilung der Themen und Manuskriptgestaltung erfolgte vom 27.–30.07.2022 in Mannheim. Im Anschluss wurden alle Teilkapitel zur kritischen Durchsicht mit anschließender Korrektur allen Autoren zur Verfügung gestellt. Aus 13 Einzelmanuskripten wurde durch die Delegierten der Redaktionsgruppe im Delphi-Verfahren ein Gesamtmanuskript kreiert, welches als Diskussionsgrundlage für die Konsensuskonferenz diente.
Die Konsensuskonferenz mit den Abstimmungen zu den jeweiligen Einzelthemen, Thesen und Empfehlungen fanden unter der Moderation der AWMF (Dipl.-Biol. Simone Witzel und Frauke Schwier) als Online-Konferenz am 24.01.2024 und 07.02.2024 statt. Vor der Konsensuskonferenz wurde der jeweils aktuelle Entwicklungsstand allen Konferenzteilnehmern bekannt gemacht. Zu diesem Zweck erhielt jeder Konferenzteilnehmer per E-Mail das Gesamtmanuskript. Die strukturierte Konsensfindung der Empfehlungen und Statements erfolgte im Rahmen von 2 Konsensuskonferenzen im NIH-Typ, welche online durchgeführt wurden, und mithilfe des Delphi-Verfahrens. Die Konsensuskonferenzen im NIH-Typ unter neutraler Moderation erfolgten durch Präsentation der abzustimmenden Empfehlungen im Plenum durch die Arbeitsgruppe. Nachfolgend erhielten alle Teilnehmer die Möglichkeit Rückfragen zu stellen und Gelegenheit begründete Änderungsanträge, Abstimmung der Empfehlungen und Änderungsanträge einzubringen. Bei Bedarf erfolgte eine ausführliche Diskussion der Anträge, es wurden Alternativvorschläge erarbeitet und es erfolgte die endgültige Abstimmung. Es konnte pro Empfehlung mit „Ja“ für Zustimmung, „Nein“ für Widerspruch, sowie „Enthaltung“, beziehungsweise Abstimmung mit Angabe eines Interessenkonflikts abgestimmt werden.
Die verbleibenden Ergebnisse wurden in insgesamt 3 Delphi-Verfahren online konsentiert. Es konnte hierbei ebenfalls in Analogie zu den Konsensuskonferenzen pro Empfehlung mit „Ja“ für Zustimmung, „Nein“ für Widerspruch, sowie „Enthaltung“, beziehungsweise Abstimmung mit Angabe eines Interessenkonflikts abgestimmt werden und zusätzlich bei fehlender Zustimmung konkrete Änderungsvorschläge eingebracht werden.
Die finalen Abstimmungsergebnisse für die Empfehlungen werden in dem Manuskript mit den Angaben Ja“ für Zustimmung, „Nein“ für Widerspruch, sowie „Enthaltung“, beziehungsweise Abstimmung mit Angabe eines Interessenkonflikts, wiedergegeben. Dissens wurde im Rahmen der Konsensuskonferenzen ausführlich diskutiert. Ein negatives Abstimmungsergebnis hat zum Verwerfen des entsprechenden Beitrags bzw. der Überarbeitung geführt, bis ausreichender Konsens erzielt werden konnte. Somit wurden nur positive Abstimmungsergebnisse in die Revision der Leitlinie aufgenommen. Empfehlungen und Statements, die in den Konsensuskonferenzen nicht konsentiert werden konnten, wurden in 3 Delphi-Verfahren online konsentiert. Die Konsensuskonferenzen wurden vollständig protokolliert. Die entsprechend ausgearbeitete Leitlinie wurde den teilnehmenden medizinischen Fachgesellschaften und den Berufsverbänden, nicht jedoch dem medizinischen Dienst (MD), zur definitiven Beurteilung zugesandt. Danach wurde das Manuskript anhand der Rückmeldungen durch die Redaktionsgruppe endgültig überarbeitet und der AWMF zur formalen Prüfung und Publikation eingereicht.
3.3.1 Festlegung der Konsensusstärke
Die Festlegung der Konsensstärke erfolgte anhand der Abstimmungsergebnisse der Konsensuskonferenzen bzw. des Delphi-Verfahrens. Die Graduierung der Konsensusstärke erfolgte anhand des AWMF-Regelwerks in folgenden Stufen:
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> 95 % starker Konsens
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> 75 % Konsens, > 95 % starker Konsens
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> 50 % mehrheitliche Zustimmung
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< 50 % keine mehrheitliche Zustimmung
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3.3.2 Graduierung von Empfehlungen
Die Vergabe von Empfehlungsgraden dient der Darlegung der Einschätzung der Leitliniengruppe und basiert auf einer Nutzen-Schaden-Abwägung, dem Vertrauen in die identifizierte Evidenz – insbesondere in die Effektstärken –, den Ansichten und Präferenzen der Patienten sowie der klinischen Expertise der Leitliniengruppe. Im Rahmen der formalen Konsensfindung zur Verabschiedung der Empfehlungen wurde Evidenz unter klinischen Gesichtspunkten durch die Leitliniengruppe gewertet und die Empfehlungen auf dieser Grundlage diskutiert.
Abschließend wurde die Stärke der Empfehlungen festgestellt und ein Empfehlungsgrad in Analogie zu dem in [ Tab. 3 ] angegebenen Schema abgegeben.
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3.4 Einbindung bestehender Leitlinien
Die vorliegende Leitlinie ist eingebettet in den Kontext anderer Leitlinien zur Beatmungstherapie unter der Federführung der DGP. Hier seien insbesondere auf die S2k-Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz“ [10], die S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen – Schlafbezogene Atmungsstörungen“ [31], S2k-Leitlinie „Langzeit-Sauerstofftherapie“ [32], die S2k-Leitlinie „Atmung, Atemunterstützung und Beatmung bei akuter und chronischer Querschnittlähmung“ [33] sowie auf die S2k-Leitlinie „Prolongiertes Weaning“ [34] verwiesen.
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4 Kontrolluntersuchungen
C. Cornelissen, S. Stanzel
Sollte die Initiierung und/oder Kontrolle einer Langzeit-NIV-Therapie unter stationären oder ambulanten Bedingungen durchgeführt werden? |
||
Empfehlung |
Es besteht keine klare Evidenz für die Präferenz von stationären oder ambulanten Kontrollen in deutschen Strukturen; ambulante Kontrollen können, wenn medizinisch vertretbar, durchgeführt werden. Weitere Daten zur ambulanten Kontrolle sind ausstehend und werden in naher Zukunft in einer separaten Empfehlung formuliert werden. |
neu |
Empfehlungsgrad |
0 ↔ |
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Qualität der Evidenz |
Lebensqualität/SF-36 (n = 2) ⊕○○○ Lebensqualität/SRI (n = 2) ⊕○○○ |
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Konsensstärke |
96 % starker Konsens ja: 22/25; nein: 1/25; Enthaltung: 2/25 |
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4.1 Einleitung
Ziel der Beatmung ist grundsätzlich die Verbesserung der Symptome und damit der Lebensqualität. Aus diesem Grund sollte zu Beginn einer Kontrolluntersuchung bei bestehender NIV-Therapie eine fokussierte symptomorientierte Anamnese erhoben werden. Diese bezieht sich insbesondere auf den erlebten Therapiebenefit, Evaluation der ggf. verbleibenden Symptomlast, der Komfort und die Handhabung der Beatmungstherapie und mögliche Nebenwirkungen der Beatmung (z. B. Mundtrockenheit, Aerophagie, Ulzerationen der Maskenkontaktstellen). Bei Handhabungsproblemen sollte in der Folge eine erneute Einweisung des Patienten und ggf. der Angehörigen erfolgen sowie ein Maskenwechsel bei Ulzerationen erwogen werden. Bei einem Wechsel der Maske kann ein Wechsel des Maskentyps überdacht werden z. B. von einer Nasenmaske auf eine Oronasalmaske und umgekehrt, da eine vergleichbare Effektivität besteht und somit die Kontaktstellen optimal entlastet werden können [35].
Eine Verlängerung der Lebenserwartung wird über die NIV-Therapie erreicht, wenn diese die alveoläre Hypoventilation (Atempumpinsuffizienz) adäquat augmentiert und damit eine Reduktion des konsekutiv erhöhten PaCO2 nach sich zieht [26] [30] [36]. Somit richten sich die diagnostisch notwendigen Untersuchungen bei einer Kontrolle einer NIV-Therapie nach diesem Therapieziel. Diagnostisch stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Eine normale Sauerstoffsättigung unter Raumluftbedingungen schließt eine Hypoventilation nicht aus. Der Parameter, der die Qualität der Ventilation am besten abbildet, ist der PCO2 [37] [38] [39]. Der Goldstandard zur Messung des PCO2 ist die BGA und somit der PaCO2. Eine venöse Blutgasanalyse zur Bestimmung des PCO2 kann den PaCO2 überschätzen und wird nicht als Parameter zur Indikationsstellung oder Verlaufskontrolle empfohlen [17]. Die Entnahme der Blutgasanalyse kann jedoch den Schlaf des Patienten stören und hierdurch möglicherweise den CO2-Wert absenken. Die PtcCO2-Messung bietet den Vorteil der nichtinvasiven kontinuierlichen CO2-Bestimmung, mit klinisch akzeptablen Übereinstimmungswerten mit der kapillären und arteriellen PCO2-Messung [40] [41] [42]. Zur Verifizierung der Werte kann eine zusätzliche Blutgasanalyse während des Messzeitraumes sinnvoll sein. Die endtidale CO2-Messung ist problematisch, da sie bei Leckagen (v. a. unter NIV) und bei Ventilations-Perfusions-Störungen den tatsächlichen PaCO2 unterschätzen kann [38] [40] [43] [44] [45]. Für spezielle Fragestellungen, die sich insbesondere auf ein mögliches komorbides obstruktives Schlafapnoesyndrom (OSAS) oder Asynchronien unter der Beatmung beziehen, kann ebenfalls eine poly(somno)grafische Überprüfung der Beatmungseffektivität sinnvoll sein. Die erweiterte Diagnostik mittels Polysomnografie scheint hierbei aber keinen Einfluss auf die Hyperkapnie am Tage nach 3 Monaten, die Lebensqualität oder die Schlafqualität zu haben [46].
Zusätzlich sollte bei einer Kontrolle einer nicht-invasiven Beatmung stets auch das Beatmungsgerät ausgelesen werden, um weiterführende Informationen bezüglich der Nutzungszeit und der Beatmungsparameter zu erhalten. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, bei vielen Geräten eine Auswertung über das Leckagevolumen und ggf. vorhandene Apnoephasen im Sinne eines Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) zu erhalten. Eine Studie bei Patienten mit OHS konnte zeigen, dass bei stabilen Patienten eine klinisch ausreichende Korrelation der Gerätedaten mit dem polysomnografisch gemessenen AHI besteht [47]. Somit kann der interne Gerätespeicher als Screening für eine möglicherweise indizierte erweiterte poly(somno)grafische Diagnostik dienlich sein. Es konnte gezeigt werden, dass durch die zusätzliche Auswertung des internen Gerätespeichers eine verbleibende nächtliche Hypoventilation bei einer Kontrolle der NIV-Therapie mit höherer Sicherheit erkannt werden konnte [48].
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4.2 Datenlage
Bezüglich der wissenschaftlichen Datenlage, welche Untersuchungen bei einer Kontrolle einer Langzeit-NIV essenziell sind, besteht nur unzureichende Evidenz. Es empfiehlt sich hier, wie im Einführungsteil erläutert, eine Orientierung anhand der Therapieziele. Somit ist bei jeder Beatmungskontrolle eine Überprüfung der Beatmungseffektivität anhand des pH und des PCO2, eine Erfassung des Patientenkomforts und der Symptomschwere, eine Evaluation der Nutzungszeit und die Gerätehandhabung sinnvoll. Bezüglich des adäquaten Settings einer Einleitung aber auch Kontrolle einer Langzeit-NIV besteht zunehmende Evidenz, dass auch die ambulante Betreuung der Patienten mit Langzeit-NIV möglich scheint und mit einer deutlichen Kostenreduktion einhergeht, siehe [ Tab. 4 ] [49] [50] [51] [52] [53] [54]. Hierbei ist es sinnvoll die Entscheidung, wann ein Patient in einer ambulanten Versorgungsstruktur verbleiben kann und wann eine stationäre Aufnahme erfolgen sollte, anhand definierter Behandlungsalgorithmen vorzunehmen [52].
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4.3 Behandlungsalgorithmus
Eine bereits eingeleitete NIV-Therapie muss in regelmäßigen Abständen auf ihre Effektivität bezüglich des angestrebten Therapieziels kontrolliert werden. Über die zeitlichen Abstände der Kontrollen nach bereits erfolgter Einleitung besteht nur unzureichende wissenschaftliche Evidenz. Aufgrund der initial häufig noch stattfindenden Adaptation empfiehlt sich eine erstmalige Kontrolle nach Einleitung der NIV-Therapie nach 4–8 Wochen [19] [58]. Die weiteren Kontrollintervalle richten sich im Folgenden nach der klinischen Stabilität und dem Grad der Gewöhnung des Patienten. So kann bei stabilen Patienten das Kontrollintervall im weiteren Verlauf der Therapie auf 6–12 Monate ausgeweitet werden (vgl. [ Abb. 3 ]). Bisher wurden die Kontrollen einer NIV ausschließlich stationär empfohlen, aufgrund der vermutetet notwendigen nächtlichen Diagnostik. Wissenschaftliche Daten bezüglich der notwendigen diagnostischen Maßnahmen, insbesondere zur Kontrolle der NIV, bestehen dabei nicht. Es existieren allerdings zunehmende wissenschaftliche Daten, dass die Einleitung als auch Kontrolle einer NIV bei unterschiedlichen Grunderkrankungen auch in einem ambulanten Setting möglich ist [49] [50] [52] [53] [55] [59] [60]. Hierbei sollte bedacht werden, dass bei klinischer Instabilität, nicht erreichten Therapiezielen oder nicht ambulant lösbaren Handhabungsproblemen eine stationäre Aufnahme zur erweiterten Diagnostik erfolgen soll. Aus diesem Grund sollte auch eine ambulante Therapie an ein spezialisiertes Beatmungszentrum angegliedert sein, um eine zeitnahe stationäre Versorgung in einem spezialisierten Zentrum zu ermöglichen. Dies entspricht auch dem in den vorgestellten Studien verwendeten Setting in denen die ambulanten Einleitungen und Kontrollen in einem Beatmungszentrum oder durch Personal des Beatmungszentrum durchgeführt wurde und somit eine hohe Expertise und die Möglichkeit einer zeitnahen stationären Aufnahme gegeben war. Somit konnte ein der stationären Behandlung ähnliches Konzept ambulant durchgeführt werden.
Die Ziele der Kontrolle der NIV-Therapie sind hierbei:
-
Bewertung der Wirksamkeit und des Komforts der NIV-Therapie
-
Beurteilung der Therapietreue
-
Beurteilung des allgemeinen Gesundheits- und Ernährungszustands
-
Beurteilung des Krankheitsverlaufs
-
Überprüfung des Zustands von Material und Ausrüstung
Der diagnostische Algorithmus bezüglich der Kontrolluntersuchungen ist in [ Abb. 3 ] dargestellt. Die wissenschaftlichen Grundlagen zu dem Behandlungsalgorithmus in Abhängigkeit von der Grunderkrankung sind dem jeweiligen Kapitel der Erkrankung zu entnehmen.
Insbesondere für Patienten mit COPD ist eine Reduktion des PCO2 < 48 mmHg oder zumindest eine Reduktion um 20 % gegenüber des Ausgangs-PCO2 vor Einleitung NIV als Stabilitätskriterium in Anlehnung an die Studie von Köhnlein et al. anzunehmen und wird ebenso für TRE und OHS vorgeschlagen [61]. Wenn Patienten trotz geringer Nutzungszeit ein PCO2 unterhalb des jeweiligen Indikationskriteriums entsprechend der Grunderkrankung aufweisen, sollte ein Auslassversuch erwogen werden [62]. Näherungsweise wird entsprechend der Studie von Köhnlein et al. für COPD, TRE und OHS ein Grenzwert von 48 mmHg Tages-PCO2 angenommen; für Patienten mit Querschnittlähmung und NME können diesbezüglich keine Empfehlungen gegeben werden und ein Auslassversuch sollte nur als Individualentscheidung erfolgen [61].
Die Kontrolle von nächtlichen Atemwegsobstruktionen sollte in Anlehnung an die S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf“ unter positiv airway pressure (PAP)-Therapie mit einem Therapieziel des AHI < 15/h angestrebt werden, sofern keine weiteren Symptome wie Tagesmüdigkeit persistieren; bei Persistenz von klinischen Symptomen sollte eine weitere Optimierung des AHI angestrebt werden [63].
Bezüglich der Beendigung einer NIV-Therapie gibt es keine klare Datenlage und nur wenige Studien bezüglich klarer Auslasskriterien. Es wird zur Beurteilung der klinischen Stabilität für einen Auslassversuch die sichere Unterschreitung der Eingangskriterien für die Etablierung einer NIV-Therapie vorgeschlagen bei reduzierter Nutzungszeit und Intensität der NIV-Therapie. Für COPD-Patienten konnte in einer Metaanalyse gezeigt werden, dass bei einer Nutzungszeit von mehr als 5 Stunden eine stärkere CO2-Reduktion und verbesserte Mortalität erzielt werden kann; jedoch können bereits bei geringerer Nutzung positive Effekte auf die Lebensqualität erreicht werden, sodass die individuellen Therapieeffekte der Patienten zu berücksichtigen sind [64].
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5 COPD
S. Stanzel, C. Cornelissen
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5.1 PICO-Fragen
Sollte bei stabilen Patienten mit COPD und chronisch hyperkapnischer respiratorischer Insuffizienz einer Langzeit-NIV-Therapie der Vorzug vor einer Nichtanwendung der NIV-Therapie gegeben werden? |
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Empfehlung |
Langzeit-NIV sollte Patienten mit COPD und stabiler chronischer hyperkapnischer Insuffizienz angeboten werden. |
neu |
Empfehlungsgrad |
B ⇧ |
|
Qualität der Evidenz |
Mortalität (n = 13) ⊕⊕○○ Hospitalisierung (n = 3) ⊕⊕○○ Lebensqualität (n = 7) ⊕○○○ Luftnotempfinden (n = 5) ⊕⊕⊕○ |
|
Konsensusstärke |
100 % starker Konsens ja: 23/25/nein: 0/25/Enthaltung: 1/25/ja mit Interessenkonflikt: 1/25 |
Sollte die Langzeit-NIV nach einem akuten hyperkapnischen Atemversagen bei Patienten mit COPD im Vergleich zur Nichtanwendung von NIV eingesetzt werden? |
||
Empfehlung |
Eine Langzeit-NIV bei Patienten nach einem akuten hyperkapnischen Atemversagen aufgrund einer COPD mit verbleibender hyperkapnischer Insuffizienz (PCO2 > 53 mmHg) ≥ 14 Tage nach Beendigung der Akutbeatmung sollte angewendet werden. |
neu |
Empfehlungsgrad |
B ⇧ |
|
Qualität der Evidenz |
Mortalität (n = 4) ⊕⊕○○ Exazerbationen (n = 3) ⊕⊕○○ Hospitalisierung (n = 3) ⊕○○○ Luftnotempfinden (n = 2) ⊕⊕○○ Lebensqualität (n = 2) ⊕⊕○○ |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Sollten bei der Verwendung von Langzeit-NIV bei COPD-Patienten die NIV-Einstellungen titriert werden, um den PaCO2-Wert zu normalisieren oder zumindest deutlich zu senken im Vergleich zu einer Titration, die sich nicht nach den PaCO2-Werten richtet? |
||
Empfehlung |
Bei einer Langzeit-NIV-Therapie bei COPD-Patienten sollte die NIV-Einstellung so titriert werden, dass der PaCO2-Wert < 48 mmHg oder 20 % im Vergleich zum Ausgangswert vor Therapieeinleitung gesenkt wird. |
neu |
Empfehlungsgrad |
B ⇧ |
|
Qualität der Evidenz |
Lebensqualität (n = 3) ⊕⊕○○ Luftnotempfinden (n = 1) ⊕⊕○○ |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
In welchen zeitlichen Abständen soll eine Kontrolle der Einstellungen des Beatmungsgeräts erfolgen? |
||
Empfehlung |
Bei einer Langzeit-NIV-Therapie bei COPD-Patienten sollte die Erstkontrolle nach Einleitung der Therapie in einem Zeitraum von 4–8 Wochen erfolgen. Weitere Kontrollen sollten bei klinischer Instabilität und Notwendigkeit einer Adaptation der Langzeit-NIV nach 3 Monaten erfolgen. Bei klinischer Stabilität und ohne Notwendigkeit der Anpassung der Langzeit-NIV sollte die Therapie alle 6–12 Monate kontrolliert werden. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Unter welchen Bedingungen kann die Beendigung einer NIV bei COPD-Patienten erwogen werden? |
||
Empfehlung |
Ein Auslassversuch einer Langzeit-NIV bei COPD-Patienten kann erwogen werden, wenn vor allem bei geringer Therapienutzung Normokapnie vorliegt oder bei regelmäßiger Nutzung und niedrigen Therapiedrücken eine Hypokapnie besteht und sich dies funktionell und klinisch widerspiegelt. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
84 % Konsens ja: 16/20, nein: 1/20, Enthaltung: 2/20, Enthaltung mit Interessenkonflikt: 1/20 |
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5.2 Einleitung
Bei der Kohorte der chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen ist die COPD die größte Population; zusätzlich verkörpern die COPD-Patienten aktuell die größte Kohorte der nicht-invasiv beatmeten Patienten in Deutschland [1] [65]. Durch die stark zunehmende Anzahl an außerklinisch nicht-invasiv beatmeten Patienten kommt diesem Erkrankungsbild aus diesem Grund sowohl klinisch als auch ökonomisch eine besondere Bedeutung zu [66]. Von zusätzlicher Relevanz hierbei ist, dass viele Patienten mit COPD auch an substanziellen insbesondere kardialen Komorbiditäten leiden [67].
Die COPD kann sowohl mit einer hypoxämischen als auch einer hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz einhergehen. Patienten mit einer CHRI werden häufiger hospitalisiert und nach der Hospitalisierung kommt es häufiger zu klinischen Verschlechterungen, was mit einer höheren Mortalität einhergeht [68] [69]. Aus diesem Grund ist die Therapie der Hyperkapnie ein zentrales Therapieziel in dieser Patientenpopulation [30]. Pathophysiologisch scheint die NIV-Therapie mit einer Entlastung der Atemarbeit einherzugehen und die Chemosensitivität für Kohlendioxid zu beeinflussen und so die positiven Effekte der Studien zu begründen, die eine Reduktion des PaCO2 als Therapieziel verfolgten [70] [71] [72]. Die positiven Effekte einer PaCO2 Reduktion zeigen sich auch in den negativen Ergebnissen früherer Studien, in denen keine PaCO2 Reduktion angestrebt wurde [73] [74] [75] [76] [77].
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5.3 Datenlage
Im Rahmen der systematischen Literaturrecherche wurden 16 randomisiert-kontrollierte Studien zur Behandlung der CHRI bei COPD identifiziert, auf deren Grundlage die Empfehlungen zum Thema COPD erstellt wurden. Nur Studien, deren Zielgröße bei der Einstellung der nichtinvasiven Beatmung an einer Senkung des PCO2 orientiert waren, zeigten eindeutige Verbesserungen des Outcomes bei Patienten mit stabiler COPD (vgl. [ Tab. 5 ]). Nach Exazerbationen mit akuter, beatmungspflichtiger hyperkapnischer respiratorischer Insuffizienz ist der Zeitpunkt der Evaluation für eine längerfristige Behandlung entscheidend; bei einer Hyperkapnie im Zeitraum von 2–4 Wochen nach Ende der Akutbehandlung zeigt die NIV positive Effekte auf das Outcome [78].
Studie |
Fallzahl [n]/Studiendesign |
Erkrankungsbild |
Kontrollintervention |
Outcome |
Bertella et al., 2017 [49] |
55 RCT |
ALS |
Einleitung ambulant (Intervention) vs. stationär (Kontrolle) |
keine Unterlegenheit bei der PCO2-Reduktion, Therapieadhärenz und der Lungenfunktion |
Duiverman et al., 2020 [50] |
67 RCT |
COPD |
Einleitung ambulant (Intervention) vs. stationär (Kontrolle) |
keine Unterlegenheit bei der PCO2-Reduktion, Lebensqualität und der Lungenfunktion signifikante Kostenreduktion (ambulant: Median €3768 vs. stationär: Median €8.537) |
Hazenberg et al., 2014 [51] |
77 RCT |
neuromuskuläre und thorakal-restriktive Erkrankungen |
Einleitung ambulant (Intervention) vs. stationär (Kontrolle) |
frühere Einleitung in der Interventionsgruppe, keine Unterlegenheit bezüglich der Beatmungseffektivität, höhere Kosteneffektivität in der Interventionsgruppe |
Murphy et al., 2023 [55] |
82 RCT |
OHS |
Einleitung ambulant (Intervention) vs. sationär (Kontrolle) |
kein Unterschied in der Kosteneffektivität, Beatmungseffektivität und Lebensqualität |
Pallero et al., 2014 [56] |
53 RCT |
neuromuskuläre und thorakal-restriktive Erkrankungen OHS |
Einleitung ambulant (Intervention) vs. stationär (Kontrolle) Follow-up in beiden Armen durch ambulante Kontrollen |
keine Unterlegenheit bei der PCO2-Reduktion, Lungenfunktion, Compliance oder Lebensqualität signifikante Kostenreduktion (€1190) |
van den Biggelaar et al., 2020 [54] |
96 RCT |
neuromuskuläre und 6 thorakal-restriktive Erkrankungen |
Einleitung ambulant (Intervention) vs. stationär (Kontrolle) |
keine Unterlegenheit bei der PCO2-Reduktion, Lebensqualität und der Lungenfunktion signifikante Kostenreduktion (€3200) |
Doménech-Clar et al., 2008 [57] |
42 2-armig prospektiv |
neuromuskuläre und thorakal-restriktive Erkrankungen OHS Zwerchfellparese |
Einleitung und Kontrolle stationär (Arm-1) vs. ambulant (Arm-2) |
keine Unterlegenheit bei der PCO2-Reduktion und Lebensqualität |
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5.4 Indikation
Wichtigstes Kriterium für den Beginn einer NIV in der Langzeitanwendung sind die symptomatische chronische ventilatorische Insuffizienz oder die persistierende Hyperkapnie bei Zustand nach akuter NIV-pflichtiger Exazerbation mit Hospitalisation. Eine Nikotinkarenz vor NIV-Einleitung ist dringend zu empfehlen [88]. Indikationskriterien zur Einleitung einer NIV bei COPD-Patienten sind (mindestens ein Kriterium muss erfüllt sein):
-
chronische Tageshyperkapnie mit PaCO2 > 52 mmHg [26],
-
nächtliche Hyperkapnie mit einem PCO2 > 55 mmHg oder milde Tageshyperkapnie > 45 mmHg und Anstieg des PCO2 um ≥ 10 mmHg während des Schlafs,
-
In der Folge einer akuten, beatmungspflichtigen respiratorischen Azidose, wenn mindestens 14 Tage nach Beendigung der Akutbeatmung noch eine persistierende Hyperkapnie (PaCO2 > 53 mmHg) besteht [78],
-
nach prolongiertem Weaning, wenn eine Dekanülierung nur mithilfe der NIV möglich ist und diese zur Kontrolle von Symptomen und zur Vermeidung einer Hyperkapnie langfristig, also auch nach stationärer Entlassung, notwendig ist (Weaningkategorie 3b I & II) (vgl. Kapitel 9/Weaning),
Der Behandlungsalgorithmus zur Indikationsstellung ist [ Abb. 4 ] zu entnehmen. Für weitere ergänzende Informationen hinsichtlich der wissenschaftlichen Datenlage siehe Appendix Indikationsstellung.
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5.5 Therapie
Ziel der Beatmung ist die Normalisierung des PaCO2 unter Beatmung und im beatmungsfreien Intervall bei bestmöglicher Akzeptanz [30] [89]. Die besten therapeutischen Effekte der Beatmung wurden unter experimentellen Bedingungen bei Anwendung von assistiert-kontrollierten Beatmungsmodi mit inspiratorischen Beatmungsdrücken von 20–40 mbar erzielt [36] [72] [90] [91] [92] [93] [94] [95]. Diese Technik der sogenannten „High-intensity-NIV“ ist definiert als NIV mit dem physiologischen Ziel der maximalen PCO2-Reduktion bei subjektiver Toleranz. Auf eine detaillierte Beschreibung der High-intensity-NIV sei an dieser Stelle auf folgende Literatur verwiesen [72] [90] [92] [93] [94] [95] [96] [97]. Erfahrungsgemäß werden die Beatmungsvorgaben nicht bei allen Patienten erreicht, sodass bei diesen Patienten die Beatmung mit dem Beatmungsdruck erfolgt, der möglichst nahe am therapeutisch notwendigen Druck liegt und vom Patienten noch toleriert wird. Die Adaptation der NIV-Therapie sollte hierbei schrittweise erfolgen bis zum individuellen Therapieziel. Ein detaillierter Behandlungsalgorithmus zur Einleitung einer Langzeit-NIV-Therapie bei CHRI auf dem Boden einer COPD ist [ Abb. 6 ] zu entnehmen.
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5.6 Einleitung einer NIV-Therapie bei COPD
Die Einleitung erfolgt verantwortlich durch einen Arzt; dies kann auch delegiert werden an Atmungstherapeuten, Fachpflegekräfte oder andere speziell geschulte medizinische Assistenzberufe. Eine räumliche Anwesenheit des Arztes ist bei geeigneten Kommunikationswegen (Telefon/Telemonitoring) nicht zwingend erforderlich. Die Indikation zur Beatmung und die Auswahl des Beatmungszubehörs (Gerät, Maske etc.) liegen im Verantwortungsbereich des Arztes bzw. des Zentrums für außerklinische Beatmung. Eine eigenverantwortliche Einstellung durch Mitarbeiter von Geräteprovidern ist abzulehnen. Die Gesamtverantwortung für diesen Prozess liegt beim Arzt. In Zukunft könnten Verfahren der Telemedizin zur ärztlichen Konsultation Anwendung finden, wie sie bereits unter Studienbedingungen und in der Intensivmedizin erprobt wurden [98] [99].
Der Grad der Überwachung bei der Ersteinleitung richtet sich insbesondere nach dem Schweregrad der Hyperkapnie und vorhandenen Komorbiditäten. Bei jedem Patienten soll eine Bestimmung des PCO2 unter Spontanatmung und unter Beatmung erfolgen. Insbesondere bei sehr hohem Ausgangs-PCO2 kann es während der Einleitungsphase zu einem schnellen Schlafeintritt mit REM-Rebound kommen, der dann bei technischen Beatmungsproblemen, wie z. B. einer Beatmungsschlauchdiskonnektion, zu bedrohlichen Hypoventilationen führen kann. Ergänzend sind eine Puls- und Blutdruckkontrolle, Oxymetrie und/oder PtcCO2-Bestimmung sowie eine Messung der Atemzugvolumina, optimal mit optischer Darstellung der Beatmungskurven, sinnvoll, um hieraus die Effektivität der atemmuskulären Entlastung abschätzen zu können.
Das oberste Therapieziel der Beatmung bei Patienten mit einer COPD ist grundsätzlich die Senkung der Symptomlast und damit eine Verbesserung der Lebensqualität. Dies wird durch eine ausreichende Augmentierung der alveolären Ventilation erreicht. Die Entlastung der Atemmuskulatur unter der NIV definiert sich über den Entlastungsgrad (Qualität der Beatmung) und über die Dauer der NIV-Anwendung (Quantität) innerhalb von 24 Stunden. Insgesamt sollte die Entlastung idealerweise auch zu einer Normalisierung oder zumindest zu einer Reduktion des PCO2 am Tage führen. Grundsätzlich ist auch die Beatmung am Tage effektiv [100] und kann bei nächtlicher Intoleranz der Beatmung erwogen werden; die nächtliche NIV ist jedoch vorzuziehen. Bei ausgeprägter respiratorischer Insuffizienz kann eine Kombination von nächtlicher Beatmung und Beatmung am Tage indiziert sein [101].
Bei der Ersteinleitung einer NIV-Therapie sollte die primäre Einstellung des Beatmungsgeräts zunächst eine Gewöhnung an das Therapieverfahren ermöglichen und erst im Weiteren gefolgt werden von einer Optimierung der inspiratorischen Triggerempfindlichkeit, des Inspirationsdrucks und der Anstiegszeit. Das Beatmungsgerät wird hierbei auf eine Anfangskonfiguration eingestellt, die für die meisten Patienten gut toleriert wird (z. B.: Modus: druckunterstützende Beatmung; IPAP: 16 mbar; EPAP 5 mbar; Backup-Frequenz 14/Minute). Wird diese Beatmungseinstellung von dem Patienten gut toleriert, wird der Inspirationsdruck schrittweise erhöht, um eine optimale Augmentation der alveolären Ventilation zu erreichen. Ebenfalls werden die weiteren Beatmungsparameter bei Bedarf individuell angepasst, ggf. unter poly(somno)grafischer Kontrolle. Dies geschieht unter regelmäßiger Kontrolle des PCO2 durch geeignete Messverfahren [102]. Der Behandlungspfad zur Einleitung der NIV-Therapie ist in [ Abb. 5 ] dargestellt. Eine respiratorische Azidose (pH < 7,35), eine Hypoxämie (SpO2 < 85 %) oder eine Intoleranz des Patienten können eine individuelle Titration notwendig machen und sollten unter einer erweiterten diagnostischen Überwachung erfolgen (z. B. häufigere Messungen der Blutgaswerte, kardiale Überwachung, polysomnografische Messverfahren).
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5.7 Follow-up
Eine bereits eingeleitete NIV-Therapie muss in regelmäßigen Abständen auf ihre Effektivität bezüglich des angestrebten Therapieziels kontrolliert werden. Über die zeitlichen Abstände der Kontrollen nach bereits erfolgter Einleitung besteht nur unzureichende wissenschaftliche Evidenz. Aufgrund der initial häufig noch stattfindenden Adaptation empfiehlt sich eine erstmalige Kontrolle nach Einleitung der NIV-Therapie bei COPD-Patienten nach 4–8 Wochen [58]. Die weiteren Kontrollintervalle richten sich im Folgenden nach der klinischen Stabilität und dem Grad der Gewöhnung des Patienten. So kann bei Patienten mit COPD das Kontrollintervall im weiteren Verlauf der Therapie auf 6–12 Monate ausgeweitet werden (vgl. [ Abb. 3 ]).
Die Ziele der Kontrolle der NIV-Therapie sind hierbei:
-
Bewertung der Wirksamkeit und des Komforts der NIV-Therapie
-
Beurteilung der Therapietreue
-
Beurteilung des allgemeinen Gesundheits- und Ernährungszustands
-
Beurteilung des Krankheitsverlaufs
-
Überprüfung des Zustands von Material und Ausrüstung
Die wissenschaftlichen Grundlagen zur Therapiekontrolle und der Beurteilung der klinischen Stabilität sind dem Appendix Follow-up zu entnehmen.
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5.8 Zukünftige Wissenschaftliche Schwerpunkte
-
Telemedizin mit der Notwendigkeit einer gemeinsamen Plattform
-
Ambulante Versorgungsstrukturen
-
algorithmenbasierte/automatisierte Therapieführung
-
Alternative PCO2-Elimination als Alternative zur NIV-Therapie
-
High-Flow-Therapie zur Therapie der chronisch hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz
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5.9 Mukoviszidose
Die systematische Literaturrecherche konnte eine randomisiert-kontrollierte klinische Studie identifizieren, im Rahmen derer die Behandlung einer CHRI bei Mukoviszidose mittels NIV untersucht wurde [103], welche eine Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität nach einem Zeitraum von 6 Wochen gegenüber LTOT oder Insufflation von Raumluft zeigte. Die Behandlung der chronisch-hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz mittels NIV entsprechend der Empfehlungen für die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung kann somit erwogen werden.
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5.10 Bronchiektasen
Die systematische Literaturrecherche konnte nur eine retrospektive Studie identifizieren, im Rahmen derer die Behandlung einer CHRI auf dem Boden von Bronchiektasen untersucht wurde [104], welche eine Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität nach einem Zeitraum von 12 Monaten zeigte. Die Behandlung der CHRI mittels NIV entsprechend der Empfehlungen für die chronisch obstruktive Lungenerkrankung kann somit erwogen werden.
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6 Thorakal-restriktive Lungenerkrankungen
J. Spiesshoefer, S. Walterspacher
Unter welchen Bedingungen kann eine CHRI bei thorako-restriktiver Erkrankung auch ohne das Vorliegen einer Tageshyperkapnie diagnostiziert werden? |
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Statement |
Eine CHRI bei thorako-restriktiver Erkrankung kann auch dann ohne das Vorliegen einer Tageshyperkapnie diagnostiziert werden, wenn ein Patient mit FVC < 60 % Soll und mindestens einem Symptom einer chronisch respiratorischen Insuffizienz eine Standardbikarbonaterhöhung in einer BGA am Tage > 27 mmol/l zeigt und in einer daraufhin durchgeführten Poly(somno)grafie und nächtlicher CO2-Bestimmung (mindestens) eines der folgenden Kriterien erfüllt: – nächtliches PCO2 ≥ 50 mmHg – PtcCO2 ≥ 55 mmHg > 10 min im Schlaf – ΔPtcCO2 ≥ 10 mmHg (mind. nächtl. PtcCO2 > 50 mmHg) |
neu |
Konsensusstärke |
100 % starker Konsens ja: 17/19, nein: 0/19, Enthaltung: 0/19, ja mit Interessenkonflikt: 2/19, nein mit Interessenkonflikt: 0/19, Enthaltung mit Interessenkonflikt: 0/19 |
Welcher primäre Therapieversuch sollte bei einer CHRI bei thorako-restriktiver Erkrankung unternommen werden und unter welchen diagnostischen Bedingungen sollte dies erfolgen? |
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Empfehlung |
Es soll bei Patienten mit thorako-restriktiven Erkrankungen und CHRI eine Therapieeinleitung mit NIV unter poly(somno)grafischer Kontrolle erfolgen. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
100 % starker Konsens ja: 17/20, nein: 0/20, Enthaltung: 0/20, ja mit Interessenkonflikt: 1/20, nein mit Interessenkonflikt: 0/20, Enthaltung mit Interessenkonflikt: 2/20 |
Sollte eine Langzeit-NIV bei stabilen Patienten mit CHRI auch aufgrund einer thorako-restriktiven Ventilationsstörung angewendet werden im Vergleich zu keiner NIV-Therapie? |
||
Empfehlung |
Die Langzeit-NIV Therapie soll bei stabilen Patienten mit CHRI bei thorako-restriktiven Erkrankungen angewendet werden im Vergleich zu keiner NIV-Therapie. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
83 % Konsens ja: 15/20, nein: 1/20, Enthaltung: 2/20, ja mit Interessenkonflikt: 1/20, nein mit Interessenkonflikt: 0/20, Enthaltung mit Interessenkonflikt: 1/20 |
#
6.1 Einleitung
Die ventilatorische Insuffizienz bei restriktiven pulmonalen und/oder thorakalen Erkrankungen (TRE) ist meist langsam fortschreitend (vgl. [ Tab. 6 ]). Als wesentliche pathogenetische Faktoren der CHRI bei diesen Erkrankungen sind neben der restriktiven Ventilationsstörung vor allem die ungünstige Atemmechanik mit reduzierter Lungen- oder Thoraxcompliance anzusehen [105].
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6.2 Datenlage
[ Tab. 7 ] fasst die relevanten Studien zu den Effekten einer NIV-Therapie auf Patienten mit TRE zusammen. Es finden sich keine randomisierten kontrollierten Studien; in den meisten Studien wurden innerhalb der Kohorte von Patienten mit restriktiven Erkrankungen vor allem Patienten mit Kyphoskoliose betrachtet. Hier konnten positive Effekte einer NIV-Therapie auf den nächtlichen sowie den Gasaustausch am Tage, die Lungen- und Atemmuskelfunktion, die Schlaf- und Lebensqualität sowie die Hospitalisierungsrate über einige Monate bis Jahre hinweg nachgewiesen werden.
#
6.3 Therapie
6.3.1 Indikation
Die Indikation zur Einleitung einer NIV ergibt sich aus klinischen Symptomen der CHRI und dem Nachweis einer thorako-restriktiven Einschränkung (FVC < 60 % Soll) (vgl. [ Abb. 6 ] und Appendix TRE) [114].
Eine Langzeitsauerstofftherapie (long-term oxygen therapy; LTOT) kann bei persistierender Hypoxämie trotz effektiver Beatmung zusätzlich notwendig sein [32]. Eine Monotherapie mit Sauerstoff soll bei CHRI bei restriktiver Erkrankung jedoch nicht durchgeführt werden, da hierunter die Hyperkapnie und die Symptome der CHRI sich nicht verbessern [109]. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ist bei Thorax- bzw. Wirbelsäulendeformitäten die Indikation für orthopädische Korrekturverfahren zu prüfen.
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6.3.2 Behandlungsalgorithmus
Die NIV kann sowohl im druckgesteuerten als auch volumengesteuerten Modus erfolgen [115] [116] [117] [118]. Bei Druckvorgabe sind maximale inspiratorische Beatmungsdrücke von oft über 20mbar notwendig [119]. Zur Verbesserung der Ventilation kann im Einzelfall auch eine Umstellung von Druck- auf Volumenvorgabe [116] [120] oder eine Umstellung von Volumen- auf Druckvorgabe erforderlich sein [121]. Bei Hypoxämie trotz adäquater Beatmungstherapie mit Erreichen der Normokapnie kann in Anlehnung an Studien bei OHS eine zusätzliche begleitende nächtliche Sauerstoffgabe indiziert sein [122] (vgl. [ Abb. 7 ]).
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6.4 Follow-up
Für das klinische Follow-up von Patienten unter NIV-Therapie wird auf Kapitel 4 verwiesen.
#
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7 Obesitas-Hypoventilationssyndrom
S. Walterspacher, J. Spiesshoefer
Sollte eine Langzeit-NIV bei stabilen chronisch-hyperkapnischen Patienten mit Obesitas-Hypoventilationssyndrom alternativ zu einer Standardtherapie mit Lebensstiländerung angewandt werden? |
||
Empfehlung |
Langzeit-NIV kann Patienten mit stabiler chronischer hyperkapnischer Insuffizienz bei Obesitas-Hypoventilationssyndrom angeboten werden. |
neu |
Empfehlungsgrad |
0 ↔ |
|
Qualität der Evidenz |
Lebensqualität (n = 2) ⊕○○○ Tagesmüdigkeit (n = 2) ⊕○○○ |
|
Konsensusstärke |
89 % Konsens ja: 17/20, nein: 0/20, Enthaltung: 1/20, ja mit Interessenkonflikt: 1/20, nein mit Interessenkonflikt: 0/20, Enthaltung mit Interessenkonflikt: 1/20 |
Sollte eine Langzeit-NIV bei stabilen chronisch-hyperkapnischen Patienten mit Obesitas-Hypoventilationssyndrom alternativ zu einer Standardtherapie mit CPAP angewandt werden? |
||
Empfehlung |
Langzeit-NIV kann Patienten mit stabiler chronischer hyperkapnischer Insuffizienz mit Obesitas-Hypoventilationssyndrom alternativ zu CPAP angeboten werden. |
neu |
Empfehlungsgrad |
0 ↔ |
|
Qualität der Evidenz |
Tagesmüdigkeit (n = 2) ⊕○○○ |
|
Konsensusstärke |
94 % Konsens ja: 17/21, nein: 0/21, Enthaltung: 1/21, ja mit Interessenkonflikt: 1/21, nein mit Interessenkonflikt: 0/21, Enthaltung mit Interessenkonflikt: 2/21 |
Wann soll eine kapilläre BGA in der Abklärung eines möglichen OHS durchgeführt werden? |
||
Empfehlung |
Eine kapilläre BGA soll bei jedem Patienten mit einem BMI > 30 kg/m2 und mindestens einem Symptom einer chronisch respiratorischen Insuffizienz in der Abklärung eines OHS durchgeführt werden. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Unter welchen Bedingungen kann eine obesitasassoziierte Schlafhypoventilation auch ohne das Vorliegen einer Tageshyperkapnie diagnostiziert werden? |
||
Statement |
Eine obesitasassoziierte Schlafhypoventilation ist mit einem BMI > 30 kg/m2 und mindestens einem Symptom einer chronisch respiratorischen Insuffizienz dann zu diagnostizieren, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: Standardbikarbonaterhöhung in einer BGA am Tage > 27 mmol/l und in einer daraufhin durchgeführten Poly(somno)grafie und nächtlicher CO2-Bestimmung mit (mindestens) eines der folgenden Kriterien:
und kann analog zu einem Patienten mit OHS behandelt werden. |
neu |
Konsensusstärke |
100 % starker Konsens ja: 16/18, nein: 0/18, Enthaltung: 0/18, ja mit Interessenkonflikt: 1/18, nein mit Interessenkonflikt: 0/18, Enthaltung mit Interessenkonflikt: 1/18 |
Wann ist ein Wechsel von CPAP auf NIV beim Obesitas-Hypoventilationssyndrom indiziert? |
||
Empfehlung |
Nach einer Therapiephase von ≥ 3 Monaten auf CPAP soll ein Wechsel auf NIV bei OHS bei Vorliegen von einem oder mehreren der folgenden Kriterien erfolgen:
persistierendes Tages-PaCO2 ≥ 48 mmHg |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
82 % Konsens ja: 14/17, nein: 1/17, Enthaltung: 1/17, ja mit Interessenkonflikt: 1/17, nein mit Interessenkonflikt: 0/17, Enthaltung mit Interessenkonflikt: 1/17 |
Soll eine alleinige Sauerstofftherapie beim OHS durchgeführt werden? |
||
Empfehlung |
Eine Monotherapie mit Sauerstoff soll beim OHS nicht durchgeführt werden da hierunter die Gefahr der Aggravierung einer Hyperkapnie besteht. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Soll eine Gewichtsreduktion beim OHS angestrebt werden? |
||
Empfehlung |
Eine begleitende Gewichtsreduktion beim OHS soll angestrebt werden |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Soll eine Therapieumstellung von NIV auf CPAP bei einer stabilen Situation beim OHS erfolgen? |
||
Empfehlung |
Eine Therapieumstellung von NIV auf CPAP bei OHS sollte bei einer stabilen Situation erfolgen, insbesondere nach einer relevanten Gewichtsreduktion; ggf. sollte dann auch ein Auslassversuch erfolgen (unter Beachtung komorbider schlafbezogener Atmungsstörungen). |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
100 % starker Konsens ja: 17/19, nein: 0/19, Enthaltung: 0/19, ja mit Interessenkonflikt: 0/19, nein mit Interessenkonflikt: 1/19, Enthaltung mit Interessenkonflikt: 1/19 |
#
7.1 Einleitung
Das Obesitas-Hypoventilationssyndrom (OHS) ist definiert als eine Kombination von Adipositas (Body-Mass-Index ≥ 30 kg/m2) und einer Tageshyperkapnie (PaCO2 ≥ 45 mmHg) nach Ausschluss anderer Ursachen, die zu einer Hyperkapnie führen können (COPD, thorakal-restriktive Erkrankungen, neuromuskuläre Erkrankungen) [123] und erfährt eine stets steigende Prävalenz (vgl. auch Appendix OHS). Die ERS definiert eine Risikoeinteilung für die Hypoventilation bei Vorliegen einer Adipositas in 4 Stufen (vgl. [ Tab. 8 ]) [124].
Risikoklasse |
Diagnose |
Schlafdiagnose |
CO2-Beurteilung |
0 |
Risikokonstellation |
OSA |
keine Hyperkapnie |
I |
Obesitasbedingte Hypoventilation im Schlaf |
OSA/Hypoventilation im Schlaf |
passagere nächtliche Hyperkapnie (PaCO2/PtcCO2) mit vollständiger Normalisierung im Schlaf/am Morgen |
II |
Obesitasbedingte Hypoventilation im Schlaf |
OSA/Hypoventilation im Schlaf |
passagere nächtliche Hyperkapnie (PaCO2/PtcCO2 morgens > abends) HCO3 ≥ 27 mmol/l |
III |
Obesitas-Hypoventilationssyndrom |
OSA/Hypoventilation im Schlaf |
Tages-PaCO2 ≥ 45 mmHg |
IV |
Obesitas-Hypoventilationssyndrom |
OSA/Hypoventilation im Schlaf |
Tages-PaCO2 ≥ 45 mmHg; kardiometabolische Komorbiditäten |
OSA = obstruktive Schlafapnoe; HCO3 = Serumbikarbonat
Die pathophysiologischen Grundlagen des ventilatorischen Versagens bei OHS sind komplex und stellen eine Kombination aus adipositasbedingten Veränderungen der Atemmechanik, Änderungen des zentralen Atemantriebs und schlafbezogenen Atemstörungen dar [123] (siehe auch Appendix).
Klinisch apparent wird das OHS meist im Rahmen eines akuten hyperkapnischen Versagens und wird in bis zu 75 % der Fälle initial als exazerbierte COPD, exazerbiertes Asthma bronchiale oder dekompensierte Herzinsuffizienz fehlinterpretiert [125]. Die Mortalität bei akut auf chronischem respiratorischem Versagen bei OHS ist deutlich erhöht (1-Jahres-Mortalität 18 %; 3-Jahres-Mortalität 31 %) und aggraviert durch das zunehmend gehäufte Auftreten von Komorbiditäten bei Fortschreiten der Erkrankung [123] [124].
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7.2 Datenlage
[ Tab. 9 ] zeigt die vorhandenen randomisierten-kontrollierten Studien (RCT) zum Einsatz der NIV sowie zum Einsatz von CPAP im Vergleich zu NIV ([ Tab. 10 ]). Details zur Suchstrategie sowie eine detaillierte Diskussion der RCT finden sich im Appendix OHS. Ein RCT zur alleinigen CPAP-Intervention in der Therapie des OHS gibt es nicht, jedoch erlaubt ein RCT mit 3 Armen (NIV, CPAP und Kontrolle) Analysen zum Vergleich der Effekte von NIV und CPAP bei OHS [126]. In Summe konnte sowohl für NIV als auch für CPAP bei OHS eine Verbesserung des Gasaustausches (hier vor allem des Tages-PCO2), der Tagesschläfrigkeit, der Schlafqualität und der Lebensqualität in ähnlichem Maße gezeigt werden [126]. Sowohl CPAP als auch NIV senken das PCO2; der dokumentierte Effekt für NIV ist jedoch am stärksten [126].
Randomisierte Studien ohne Kontrollgruppe die CPAP mit NIV direkt verglichen haben, kommen ebenfalls zu dem Resultat, dass es keinen signifikanten Unterschied von CPAP und NIV in den Aspekten Senkung des Tages-PaCO2, Verbesserung der Tagesschläfrigkeit, Verbesserung der Lebensqualität sowie Therapieadhärenz gibt (Tabelle Appendix OHS) [123] [127].
Die Anwendung von Hybridbeatmungsmodi bei OHS erfolgte nur in einzelnen kleinen Fallserien und kann nicht generell empfohlen werden [128] [129] [130].
Studie |
Fallzahl |
Dauer |
NIV-Parameter |
Adhärenz |
Kontrollintervention |
Outcome |
Murphy et al., 2012 [130] |
NIV = 18 Control = 17 |
1 Monat |
NIV: Bilevel PAP-ST (IPAP 18 ± 3, EPAP 11 ± 2 cmH2O, backup rate 13 ± 2) |
NIV: 6 ± 2 h/d |
Lifestyle-Modifikation |
NIV senkt Tages-PaCO2 (–3,5 mmHg) NIV verbessert die Schlafarchitektur signifikant (die Tagesschläfrigkeit konnte aber nicht komplett normalisiert werden). Obwohl Gasaustausch und Schlaf signifikant durch NIV verbessert wurden, kam es zu keiner Verbesserung metabolischer, inflammatorischer und kardiovaskulärer Marker. |
Borel et al., 2012 [131] |
NIV = 40 Control = 46 |
2 Monate |
NIV: volumenkontrollierte Druckunterstützung (IPAP 18 ± 3, EPAP 7 ± 2 cmH2O, backup rate 15 ± 3) |
NIV: 6 ± 3 h/d |
Lifestyle-Modifiktion |
NIV senkt Tages-PaCO2 (–6 mmHg) und Tagesbikarbonat. NIV verbessert Tagesschläfrigkeit, Lebensqualität und Polysomnografieparameter (Schlaf). |
Masa et al., 2016 [132] |
NIV = 48 Control = 48 |
Median 5 (IQR 3–7) Jahre |
NIV: volumenkontrollierte Druckunterstützung (IPAP 18 ± 4, EPAP 11 ± 3 cmH2O, backup rate 14 ± 3) |
NIV: Median 4 h (IQR 0–6)/d |
Lifestyle-Modifikation |
NIV bewirkt longitudinale signifikante Verbesserungen des Gasaustausches (PaCO2: 3–4 mmHg, ph, Bikarbonat) sowie der Lebensqualität und der Tagesschläfrigkeit. NIV verlängert signifikant die Zeit bis zur ersten Notaufnahmevorstellung, senkt aber nicht die Hospitalisierungstage pro Jahr oder die Mortalität im Vergleich zur Kontrollgruppe. |
Studie |
Fallzahl |
Dauer |
NIV-Parameter |
Adhärenz |
Kontrollintervention |
Outcome |
Masa et al., 2015 [126] |
NIV = 71 CPAP = 80 Control = 70 |
2 Monate |
NIV: volumenkontrollierte Druckunterstützung (IPAP 20 ± 3, EPAP 8 ± 2 cmH2O, backup rate 14 ± 3) CPAP: 11 ± 3 cmH2O |
NIV: 5 ± 2 h/d CPAP 5 ± 2 h/d |
Lifestyle-Modifikation |
NIV senkt PaCO2 (–5,5 mmHg) und Bikarbonat am stärksten (signifikant gegenüber control aber nicht gegenüber CPAP). Die PaCO2-Senkung bei CPAP (–3,7 mmHg) ist signifikant gegenüber der Kontrollgruppe nur nach Adjustierung um die CPAP-Compliance. Alle klinischen und Polysomnografieparameter verbessern sich ähnlich und je signifikant gegenüber der Kontrollgruppe sowohl mit CPAP als auch mit NIV. Einzige Ausnahmen sind hier Spirometrie (FVC) und 6 MWD (leichte Überlegenheit von NIV). Dropouts und Compliance waren ähnlich bei CPAP und bei NIV. |
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7.3 Indikation und Therapie
7.3.1 Indikation
Für das OHS stehen 2 risikostratifizierte Therapiemodalitäten von CPAP und NIV zur Verfügung. Eine klare Überlegenheit eines Therapieverfahrens konnte bislang nicht gezeigt werden [126]. Neben Adipositas, den klinischen Symptomen und dem sicheren Ausschluss einer anderen zur Hyperkapnie führenden Grunderkrankung (z. B. COPD, neuromuskuläre Erkrankungen o. Ä.), stellt die Blutgasanalyse die Basis der Diagnostik dar. Hier hat sich ein erhöhtes Standard-Bikarbonat (HCO3) von > 27 mmol/l als robuster Screeningparameter für das Vorliegen einer möglichen nächtlichen Hypoventilation etabliert [124] [134] [135]. Der Therapiealgorithmus (vgl. [ Abb. 8 ]) orientiert sich an den ERS-Risikoklassen [124] (Details siehe Appendix).
Allen Patienten sollten Maßnahmen zur Gewichtsreduktion inklusive Angebot eines bariatrischen Eingriffs angeboten werden, da hierunter eine relevante Gewichtsreduktion, Verbesserung des OHS, Reduktion des Schweregrads der Schlafapnoe sowie Verbesserung des Gasaustauschs, Tagesschläfrigkeit und Blutdruck nachgewiesen werden konnte [136].
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7.3.2 Behandlungsalgorithmus
Der Behandlungsalgorithmus bei OHS sieht die primäre Therapieeinleitung mit einer CPAP-Therapie vor, die sich beim Vorgehen mit dem Vorliegen einer Tageshyperkapnie von einer isoliert nächtlichen Hyperkapnie unterscheidet (vgl. [ Abb. 9 ]). Bei ausgeprägter Tageshyperkapnie (PaCO2 > 55 mmHg) kann eine direkte Einleitung auf eine NIV-Therapie erwogen werden.
Wenn unter CPAP keine ausreichende Kontrolle der Hyperkapnie, nächtlichen Desaturationen oder eines begleitenden Schlafapnoesyndroms (AHI > 15/h oder AHI < 15/h mit persistierender Tagesmüdigkeit) zu erzielen ist, so kann ein Wechsel auf eine NIV erfolgen (vgl. [ Abb. 7 ]) [63], beziehungsweise bei Normokapnie eine zusätzliche begleitende nächtliche Sauerstoffgabe indiziert sein [122].
#
#
7.4 Follow-up
Das Follow-up der Therapie bei OHS unterscheidet sich im Bezug auf die angewandte Therapie (CPAP oder NIV) (vgl. [ Abb. 10 ]). Weitere Details zu Kontrolluntersuchungen siehe Kapitel 4.
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8 Weaning
F. Trudzinski, H.-J. Kabitz
Sollte die NIV-Therapie über die Akutphase im Weaning hinaus fortgeführt werden? |
||
Empfehlung |
Patienten mit vorbestehender NIV-Therapie der Weaning-Gruppe 1, 2 mit CHRI und mit postakuter NIV (PoaNIV) im Weaning der Gruppe 3b sollten mit NIV aus dem Krankenhaus entlassen werden. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
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8.1 Einleitung und Begriffsbestimmungen
Nach internationalem Standard werden 3 verschiedene Weaning-Kategorien unterschieden [137]. Im deutschsprachigen Raum wird die Gruppe 3 aufgrund der Prognoserelevanz in 3 Subgruppen unterteilt: besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Entlassung mit NIV gelegt (Gruppe 3b) [138]; siehe [ Tab. 11 ]. In der aktualisierten S2k-Leitlinie „Prolongiertes Weaning“ wird die Gruppe 3b zusätzlich in Abhängigkeit von der Notwendigkeit weiterer pflegerischer Unterstützung in 2 Untergruppen (3bI und 3bII) unterteilt [34].
Studie |
Fallzahl |
Indikation |
Zielgröße NIV |
NIV-Parameter |
Kontrollintervention |
Main Outcome |
Bhatt et al., 2013 [79] |
30, RCT |
stabile COPD FEV1 < 50 % pCO2 > 52 mmHg |
feste Beatmungsparameter |
BIPAP IPAP 15 cmH2O EPAP 5 cmH2O |
Standard of Care |
HRQL: minimale Verbesserung Mortalität: nicht untersucht Krankenhausaufnahmen: nicht untersucht Exazerbationen: nicht untersucht |
Casanova et al., 2000 [73] |
52, RCT |
stabile COPD FEV1 < 45 % |
IPAP mind. 8 cmH2O > EPAP |
PSV IPAP 12 cmH2O EPAP 4 cmH2O |
Standard of Care (93 % LTOT) |
HRQL: keine Verbesserung Mortalität: keine Verbesserung Krankenhausaufnahmen: keine Verbesserung Exazerbationen: nicht untersucht |
Cheung et al., 2010 [80] |
47, RCT |
NIV direkt nach akutem hyperkapnischem Atemversagen mit NIV-Notwendigkeit |
Tidalvolumen 7–10 ml/kg |
BIPAP IPAP 15 cmH2O EPAP 5 cmH2O |
CPAP 5 cmH2O |
HRQL: nicht untersucht Mortalität: nicht untersucht Krankenhausaufnahmen: keine Verbesserung Exazerbationen: signifikante Reduktion (38,5 vs. 60,2 %) |
Clini et al., 2002 [74] |
90, RCT |
stabile COPD LTOT < 6 Monate pCO2 > 50 mmHg pCO2 < 60 mmHg |
pCO2-Reduktion 5 % |
PSV IPAP 14 cmH2O EPAP 2 cmH2O |
Standard of Care (100 % LTOT) |
HRQL: signifikante Verbesserung Mortalität: keine Verbesserung Krankenhausaufnahme: Trend zur Verbesserung Exazerbationen: nicht untersucht |
Cui et al., 2019 [81] |
88, RCT |
stabile COPD GOLD III & IV |
nicht definiert |
PSV IPAP 8–12 cmH2O EPAP 4 cmH2O |
Standard of Care (100 % LTOT) NIV + Rehabilitation (nicht relevant) |
HRQL: signifikante Verbesserung Mortalität: nicht untersucht Krankenhausaufnahme: nicht untersucht Exazerbationen: nicht untersucht |
Duiverman et al., 2011 [82] |
72, RCT |
stabile COPD GOLD III & IV pCO2 > 45 mmHg |
nächtliche BGA: pCO2 < 45 mmHg pO2 > 60 mmHg |
PSV IPAP 20 cmH2O EPAP 6 cmH2O |
Rehabilitation + NIV vs. Rehabilitation |
HRQL: signifikante Verbesserung Mortalität: keine Verbesserung Krankenhausaufnahme: keine Verbesserung Exazerbationen: nicht untersucht |
Eman Shebl und Abderaboh, 2015 [83] |
30, RCT |
stabile COPD chronisch-hyperkapnische respiratorische Insuffizienz |
nächtliche BGA: pCO2-Senkung > 5 % |
IPAP 20 cmH2O EPAP 7 cmH2O |
Standard of Care |
HRQL: signifikante Verbesserung Mortalität: nicht untersucht Krankenhausaufnahmen: nicht untersucht Exazerbationen: nicht untersucht |
Garrod et al., 2000 [84] |
45, RCT |
COPD GOLD III & IV |
maximal tolerierter IPAP |
IPAP 16 cmH2O EPAP 4 cmH2O |
Trainingsprogramm + NIV vs. Trainingsprogramm |
HRQL: signifikante Verbesserung Mortalität: nicht untersucht Krankenhausaufnahmen: nicht untersucht Exazerbationen: nicht untersucht |
Gay et al., 1996 [75] |
13, RCT |
FEV1 < 40 % pCO2 > 45 mmHg |
feste Beatmungsparameter |
PSV IPAP 10 cmH2O EPAP 2 cmH2O |
CPAP 2 cmH2O |
HRQL: nicht untersucht Mortalität: nicht untersucht Krankenhausaufnahmen: nicht untersucht Exazerbationen: nicht untersucht |
Köhnlein et al., 2014 [26] |
195, RCT |
COPD GOLD IV mind. 4 Wochen ohne Exazerbation pCO2 ≥ 52 mmHg |
pCO2-Reduktion > 20 % oder pCO2 < 48 mmHg |
PSV IPAP 22 cmH2O EPAP 5 cmH2O |
Standard of Care |
HRQL: signifikante Verbesserung Mortalität: signifikante Verbesserung Krankenhausaufnahmen: kein Unterschied Exazerbationen: nicht untersucht |
Márquez-Martín et al., 2014 [85] |
45, RCT |
stabile COPD GOLD III & IV pO2 < 60 mmHg pCO2 > 45 mmHg |
maximal tolerierter IPAP |
PSV IPAP 16 cmH2O EPAP 4 cmH2O |
Trainingsprogramm + NIV vs. Trainingsprogramm |
HRQL: signifikante Verbesserung Mortalität: nicht untersucht Krankenhausaufnahmen: nicht untersucht Exazerbationen: nicht untersucht |
McEvoy et al., 2009 [76] |
144, RCT |
Stabile COPD GOLD III & IV pCO2 > 46 mmHg LTOT |
IPAP mind. 10 cmH2O > EPAP |
PSV IPAP 13 cmH2O EPAP 5 cmH2O |
LTOT |
HRQL: signifikante Verschlechterung Mortalität: signifikante Verbesserung Krankenhausaufnahmen: nicht untersucht Exazerbationen: nicht untersucht |
Meecham Jones et al., 1995 [77] |
14, RCT crossover |
stabile COPD GOLD III & IV pO2 < 60 mmHg pCO2 > 45 mmHg |
maximal tolerierter IPAP |
PSV IPAP 18 cmH2O EPAP 2 cmH2O |
LTOT |
HRQL: signifikante Verbesserung Mortalität: nicht untersucht Krankenhausaufnahmen: nicht untersucht Exazerbationen: nicht untersucht |
Murphy et al., 2017 [78] |
116, RCT |
pCO2 > 53 mmHg & Hypoxämie 2–4 Wochen nach NIV aufgrund akuter hyperkapnischer Insuffizienz bei COPD |
sO2 > 88 % TcpCO2-Reduktion > 4 mmHg IPAP > 24 cmH2O |
PSV IPAP 24 cmH2O EPAP 4 cmH2O |
LTOT |
HRQL: signifikante Verbesserung Mortalität: kein Unterschied Krankenhausaufnahmen: signifikante Verbesserung Exazerbationen: signifikante Verbesserung |
Struik et al., 2014[86] |
201, RCT |
COPD GOLD III & IV pCO2 > 45 mmHg mind. 48 Stunden nach invasiver Beatmung oder NIV aufgrund akuter hyperkapnischer Insuffizienz |
Normokapnie maximal tolerierter IPAP |
PSV IPAP 19 cmH2O EPAP 5 cmH2O |
Standard of Care |
HRQL: kein Unterschied Mortalität kein Unterschied Krankenhausaufnahmen: kein Unterschied Exazerbationen: kein Unterschied |
Zhou et al., 2017[87] |
115, RCT, crossover |
COPD GOLD III & IV chronische hyperkapnische respiratorische Insuffizienz |
maximal tolerierter IPAP IPAP mind. 10 cmH2O > EPAP |
PSV IPAP 18 cmH2O EPAP 4 cmH2O |
Standard of Care (LTOT wenn indiziert) |
HRQL: kein Unterschied Mortalität: nicht untersucht Krankenhausaufnahmen: nicht untersucht Exazerbationen: nicht untersucht |
Abkürzungen: RCT = randomisierte kontrollierte Studie (randomized controlled trial); LTOT = Langzeitsauerstofftherapie (long-term oxygen therapy); BIPAP = biphasischer positiver Atemwegsdruck (biphasic positive airway pressure); HRQL = gesundheitsbezogene Lebensqualität (health related quality of life); IPAP = inspiratorischer positiver Atemwegsdruck (inspiratory positive airway pressure); EPAP = exspiratorischer positiver Atemwegsdruck (exspiratory positive airway pressure); CPAP = kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck (continuous positive airway pressure); NIV = nicht invasive Beatmung (non-invasive ventilation); PSV = druckunterstützte Beatmung (pressure support ventilation)
Schönhofer et al. 2019 |
Boles et al. 2007 |
Gruppe 1 einfaches Weaning |
Group 1 (einfaches Weaning) |
Gruppe 2 schwieriges Weaning |
Group 2 (schwieriges Weaning) |
Gruppe 3 prolongiertes Weaning
|
Group 3 (prolongiertes Weaning) |
Im Weaning kann die NIV an mehreren Stellen indiziert sein: die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten im Übergangsprozess von der klinischen in die außerklinische Versorgung sind in [ Abb. 11 ] dargestellt, eine Definition der verwendeten Begriffe findet sich in [ Tab. 12 ]. Die Fortführung der NIV über die Akutphase im Weaning hinaus, soll sorgfältig geprüft und re-evaluiert werden; dies gilt in Bezug auf
-
Indikation (Weaning-Gruppe 1, 2 und 3/Grunderkrankung)
-
Dauer (postakut vs. Langzeit vs. Beendigung)
-
Kontrollintervall (Beatmungskontrolle/ggf. Auslassversuch)
#
8.2 NIV in der intersektoralen Versorgung nach Weaning
Es wurde eine strukturiere Literaturrecherche durchgeführt; hierbei konnten keine relevanten Studienergebnisse eruiert werden. Grundsätzlich qualifiziert jede der 3 Weaning-Gruppen für den Einsatz der NIV. Hierbei ist zu beachten, dass auch Patienten der Weaning-Gruppen 1 und 2 eine NIV-Indikation im Weaning haben können. Eine vorbestehende Langzeit-NIV soll im Weaning fortgeführt werden. Bei Patienten mit CHRI wird die NIV als postakute NIV (PoaNIV) ab dem Zeitpunkt der Klinikentlassung zunächst für 3 Monate fortgeführt. Die PoaNIV soll im Verlauf anhand einer Beatmungskontrolle beurteilt werden. Hierbei wird über eine Fortführung der Therapie als LT-NIV oder eine mögliche Beendigung der NIV über einen Auslassversuch entschieden ([ Abb. 12 ]). Die in dem korrespondierenden Algorithmus vorgeschlagenen Grenzwerte erfolgen in Anlehnung an Murphy et al. [139].
#
#
9 Neuromuskuläre Erkrankungen
M. Boentert, H. Fuchs
Sollte bei stabilen chronisch hyperkapnischen Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen eine Langzeit-NIV angewandt werden? |
||
Empfehlung |
Langzeit-NIV sollte Patienten mit stabiler chronischer hyperkapnischer Insuffizienz angeboten werden. |
neu |
Empfehlungsgrad |
B ⇧ |
|
Qualität der Evidenz |
Mortalität (n = 3) ⊕○○○ Lebensqualität (n = 1) ⊕○○○ |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 95 % starker Konsens |
Wie häufig und auf welche Weise sollte bei Patienten mit NME eine Evaluation der Atemmuskelfunktion erfolgen? |
||
Empfehlung |
Je nach Grunderkrankung und Verlauf sollte alle 3–12 Monate eine Bestimmung der FVC und/oder des MIP sowie eine Blutgasanalyse erfolgen. Bei einer FVC < 70 % und/oder einem MIP < 60 cmH2O ist eine weiterführende schlafmedizinische Diagnostik indiziert. Zur frühzeitigen Erfassung einer schlafbezogenen Hypoventilation sollte die diagnostische Poly(somno)grafie mit einem CO2-Monitoring kombiniert werden, vorzugsweise einer nicht-invasiven transkutanen Kapnometrie und einer nächtlichen oder frühmorgendlichen BGA. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 95 % starker Konsens |
Stellt eine krankheitsbedingte Schluckstörung eine Kontraindikation für die NIV-Einleitung dar? |
||
Empfehlung |
Das Vorliegen einer leichten bis mittelschweren Dysphagie stellt keine generelle Kontraindikation gegen die NIV-Einleitung dar. Die NIV sollte bei bestehender Indikation auch Patienten mit bulbärer ALS als Behandlungsversuch angeboten werden. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Wann besteht bei Patienten mit NME und Atemmuskelbeteiligung die Indikation zur Tracheotomie? |
||
Empfehlung |
Bei entsprechendem Patientenwunsch kann eine Tracheotomie erfolgen, wenn die NIV nicht toleriert wird oder zielführend ist, Kontraindikationen gegen die NIV vorliegen, das nicht-invasive Sekretmanagement versagt oder die Umversorgung auf eine NIV nach vorübergehender invasiver Beatmung gescheitert ist. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 95 % starker Konsens |
Welches Nachsorgekonzept ist nach Einleitung der außerklinischen Beatmung angemessen? |
||
Empfehlung |
Je nach Schweregrad und Dynamik der Grunderkrankung sollte die außerklinische Beatmung alle 3–12 Monate mittels Poly(somno)grafie, CO2-Monitoring und Auslesen des Beatmungsgeräts kontrolliert werden. Die Beatmungsparameter sind so zu titrieren, dass unter Therapie CO2-Partialdruck, SpO2 und Apnoe-Hypopnoe-Index zuverlässig normalisiert sind. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 95 % starker Konsens |
Welchen Stellenwert hat bei Patienten mit NME und Atemmuskelbeteiligung das Sekretmanagement? |
||
Empfehlung |
Bedingt durch die Atemmuskelschwäche und/oder eine Parese des Glottisschlusses tritt bei vielen NME im Verlauf eine Husteninsuffizienz auf, sodass ein angemessenes Sekretmanagement zur Vermeidung von pulmonalen Komplikationen unabdingbar ist und häufig parallel zur NIV-Einleitung in die Wege geleitet werden sollte. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Wann besteht bei Patienten mit NME die Indikation zur Hustenassistenz? |
||
Empfehlung |
Unterschreitet der Hustenspitzenstoß 270 l/min, sollten assistierte Hustentechniken (manuell assistiertes Husten, Air Stacking) oder die Versorgung mit einem Gerät zur mechanischen Hustenassistenz (mechanischer Insufflator/Exsufflator) erfolgen. Sollte der Hustenspitzenstoß nicht messbar sein, begründet ein klinisch schwacher Hustenstoß die Indikation, insbesondere, wenn zusätzlich eine tracheobronchiale Sekretretention vorliegt. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Welchen Stellenwert hat die Palliativmedizin bei Patienten mit fortgeschrittener NME und außerklinischer Beatmung? |
||
Empfehlung |
Bei außerklinisch beatmeten Patienten mit fortgeschrittener NME sollte niederschwellig eine qualifizierte palliativmedizinische Mitbehandlung angeboten werden. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 95 % starker Konsens |
Gibt es eine Indikation für den Einsatz der elektrischen Phrenicus- oder Zwerchfellstimulation bei Patienten mit NME und Atemmuskelbeteiligung? |
||
Empfehlung |
Eine elektrische Zwerchfell- oder Phrenicusstimulation soll bei NME nicht erfolgen. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
#
9.1 Einleitung
Neuromuskuläre Erkrankungen (NME) sind eine heterogene Gruppe von Erkrankungen der Muskulatur, der motorischen Endplatte oder des peripheren Nervensystems. Die einzelnen Krankheitsbilder sind meist selten (< 5/10 000), die kumulative Prävalenz aller NME beträgt aber bis zu 160/100 000 [140]. Zahlreiche NME gehen – vor allem bei schwerem Verlauf oder in fortgeschrittenen Stadien – mit einer Beteiligung der Atemmuskulatur einher. Für diese Leitlinie ist es sinnvoll, zwischen akuten Erkrankungen mit fulminantem Beginn (z. B. Guillain-Barré-Syndrom (GBS) oder Poliomyelitis) und chronischen NME mit langsamer oder rascher Progredienz zu unterscheiden. In der letzteren Gruppe sind v. a. die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und die Muskeldystrophie Duchenne (DMD) zu nennen, deren Verlauf und Prognose wesentlich von der Atemmuskelbeteiligung geprägt sind. Ursache einer inspiratorischen Atemmuskelschwäche ist die i. d. R. meist bilaterale Zwerchfellparese. Während beim GBS oder schwerer Polio die akute respiratorische Insuffizienz meist schon kurz nach Erkrankungsbeginn im Vordergrund steht, entwickelt sich bei den chronisch-progredienten NME zuerst eine rein schlafbezogene Hypoventilation, später eine CHRI [141] [142]. Viele NME gehen zusätzlich mit einem erhöhten Risiko für eine obstruktive Schlafapnoe einher [143] [144] [145], was bei der Titration einer NIV zu beachten ist. Die Atemmuskelbeteiligung tritt bei unterschiedlichen NME mit variabler Häufigkeit, Schwere und Dynamik auf. Sie ist wesentlich für Symptomlast, gesundheitsbezogene Lebensqualität, Morbidität, Komplikationsrisiken und Lebenserwartung. Insbesondere für Patienten mit rasch verlaufenden chronischen NME dient die NIV bei vorhandener Indikation nicht nur der Symptomkontrolle, sondern stellte auch eine wesentliche Maßnahme zur Verlängerung der Überlebenszeit dar. Eine Übersicht der unterschiedlichen Krankheitsbilder zeigt [ Tab. 13 ].
Krankheitsbild |
Atemmuskelbeteiligung |
Beginn ventilatorische Insuffizienz |
Literatur |
Muskeldystrophie Duchenne |
+++ |
14.–18. Lj. |
Eagle et al., 2002 [178] |
Muskeldystrophie Becker-Kiener |
++ |
ab 40. Lj.; spät im Verlauf |
Bach, 2002 [179] |
Gliedergürteldystrophien (Limb girdle muscular dystrophies, LGMD) |
+/++ |
sehr variabel, 15.–70. Lj. |
Baydur et al., 2000 [180] |
fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (FSHD) |
+/++ |
ab 40. Lj.; jedoch eher selten |
Runte et al., 2019 [181] |
myotone Dystrophie Typ I |
+ |
ab 40. Lj., sehr variabel, selten zentrale Atemantriebsstörung |
Nugent et al., 2002; Campbell et al., 2004; Monteiro et al., 2013; Akamine et al., 2014 [182] [183] [184] [185] |
myotubuläre Myopathie (Nemaline) |
+/++ |
variabel, stabil ab 20. Lj.; selten Ateminsuffizienz |
Falgà-Tirado et al., 1995; Jungbluth et al., 2001 [186] [187] |
Glykogenose Typ II (M. Pompe; adulte Form) |
++ |
früh Zwerchfellparese, Verlauf sehr variabel, da verschiedene Mutationen |
|
mMitochondriale Myopathien |
+ |
ZNS-Beteiligung, sehr selten Ateminsuffizienz |
Clay et al., 2001; Yuan et al., 2009; Gray et al., 2013 [190] [191] [192] |
SMA I |
+++ |
ab Geburt |
Bach et al., 2000; Hardart et al., 2002; Gray et al., 2013 [192] [193] [194] |
SMA II/SMA III |
+++ |
1.–5. Lj./15.–30. Lj. |
Mellies et al., 2004 [195] |
amyotrophe Lateralsklerose |
++ |
0–5 Jahre nach Beginn |
s. Literaturangaben im Fließtext |
Post-Polio-Syndrom |
+ |
selten (< 5 % aller PPS-Fälle) |
Bach et al., 1989; Barle et al., 2005; Gillis-Haegerstrand et al., 2006 [196] [197] [198] |
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9.2 Diagnostik
Eine Basisdiagnostik sollte in regelmäßigen Abständen erfolgen (je nach Grunderkrankung und klinischem Verlauf alle 3–12 Monate). Neben der gezielten Anamnese und Untersuchung (Orthopnoe, paradoxe Atmung) ist apparativ mindestens die Messung der Vitalkapazität (VC) erforderlich, idealerweise in sitzender und in flach liegender Position. Ein körperlagebezogener Abfall (positional drop) der VC von 15–25 % zwischen Sitzen und Liegen weist auf eine bilaterale Zwerchfellschwäche hin [146] [147]. Eine VC < 70 bzw. < 40 % des Sollwertes prädiziert eine schlafbezogene Atmungsstörung bzw. eine Hyperkapnie im Schlaf [148] [149]. Höhere VC-Werte schließen eine schlafbezogene Hypoventilation nicht unbedingt aus, wenn sie ausschließlich im Sitzen gemessen wurden.
Die Bestimmung des maximalen inspiratorischen Mundverschlussdrucks (MIP) kann die VC ergänzen [150] [151] [152]. Bei Mundschlussparese kann alternativ der maximale nasale Inspirationsdruck (sniff nasal inspiratory pressure, SNIP) gemessen werden [153] [154]. Die arterielle oder kapilläre Blutgasanalyse ist geeignet, das chronische hyperkapnische Atemversagen nachzuweisen. Bei noch normwertigem pCO2 begründet auch ein erhöhter Basenüberschuss den Verdacht auf eine schlafbezogene Hypoventilation [155] [156] [157].
Entscheidend für die Aussagekraft der weiterführenden Diagnostik im Schlaflabor ist es, die Polygrafie oder Polysomnografie (PSG) mit einem transcutanen CO2-Monitoring zu verbinden [41] [158] [159] [160]. Die Pulsoxymetrie allein ist bei Patienten mit NME nicht geeignet, eine schlafbezogene Hypoventilation auszuschließen [158] [161].
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9.3 Indikation
Die Indikation zur Einleitung einer NIV bei Patienten mit NME besteht, wenn eine CHRI am Tag oder Nacht mit einem PaCO2/PtcCO2 > 45 mmHg bestätigt ist. Voraussetzung für die Indikationsstellung ist das Vorliegen von Symptomen der Hypoventilation mit einer Reduktion der Vitalkapazität < 70 % Soll oder MIP < 60 cmH2O [162] [163] [164].
Eine invasive Langzeitbeatmung ist auf Basis eines entsprechenden Patientenwunsches dann indiziert, wenn die NIV nicht (mehr) toleriert wird, trotz maximal ausgereizter Geräteeinstellungen keine Normoventilation mehr zu erreichen ist, Kontraindikationen gegen die NIV vorliegen, das nicht-invasive Sekretmanagement versagt oder die Umversorgung auf eine NIV nach vorübergehender invasiver Beatmung gescheitert ist [165] (vgl. [ Abb. 13 ]).
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9.4 Durchführung und Follow-up
Die Therapieeinleitung sollte unter poly(somno)grafischer und kapnometrischer Kontrolle erfolgen [166]. Modus der Wahl ist eine druckkontrollierte, zeit- und volumengesteuerte Beatmung [167]. Die Beatmungsparameter sind so zu titrieren, dass unter Therapie pCO2, SpO2 und Apnoe-Hypopnoe-Index normalisiert sind. Eine zusätzliche Sauerstoffgabe ist nur dann indiziert, wenn eine rechtfertigende pulmonale Begleiterkrankung vorliegt oder wenn trotz optimierter Geräteeinstellungen die mittlere SpO2 88 % unterschreitet [122] [166]. Bei der Maskenauswahl ist relevant, dass bei Vorliegen einer Mundschlussschwäche eine Nasenmaske entweder ungeeignet ist oder mit einem Kinnband kombiniert werden muss. In den meisten Fällen ist daher primär eine Mund-Nasen-Maske zu bevorzugen. Ein automatischer EPAP kann erwogen werden, wenn bei komorbidem OSAS mittels festem EPAP keine hinreichende Reduktion des AHI zu erreichen ist oder ein höherer endexspiratorischer Fixdruck nicht toleriert wird. Die druckkontrollierte Beatmung kann optional um eine Volumenvorgabe ergänzt werden. Hierzu gibt es bislang nur wenig Evidenz; möglicherweise kann durch die zusätzliche Volumensteuerung eine weitere Verbesserung des Gasaustausches, der AHI und der Therapieadhärenz erreicht werden [168] [169]. Für die lebenserhaltende Beatmung über mehr als 16 Stunden am Tag müssen 2 Beatmungsgeräte mit entsprechender Zulassung verordnet werden (GKV-Hilfsmittel-Nr. 14.24.12.x).
Neuere Studien belegen, dass auch Patientinnen mit bulbärer ALS hinsichtlich der Überlebenszeit von einer längerfristigen NIV profitieren [170] [171], sodass ein Behandlungsversuch immer angeboten werden sollte. Voraussetzung eines hohen Therapienutzens ist die regelmäßige Verwendung der NIV über mindestens 4 Stunden pro Nacht [172] [173] [174]. Routinemäßige Verlaufskontrollen der außerklinischen Beatmung sollten, abhängig vom Erkrankungsprogress, alle 3–12 Monate erfolgen und eine Poly(somno)grafie mit suffizientem CO2-Monitoring umfassen. Gütekriterien einer erfolgreichen Therapie sind neben der Adhärenz die langfristige Normalisierung von nächtlichem CO2, SpO2 und AHI. Speziell bei NME ist das Erreichen dieser Behandlungsziele für die Gesamtprognose bedeutsam [175] [176] [177].
Die Transition jugendlicher Patienten mit NME in die Erwachsenmedizin stellt eine große interdisziplinäre Herausforderung dar. Dies gilt besonders, wenn eine außerklinische Beatmung bereits etabliert ist oder zeitnah eingeleitet werden muss.
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9.5 Therapieeffekte
In zahlreichen prospektiven Beobachtungs- und retrospektiven Studien sowie in einer randomisiert-kontrollierten Studie [25] konnten positive Therapieeffekte der NIV sowohl im kurzfristigen als auch im langfristigen Verlauf belegt werden. Die meisten dieser Studien bezogen sich dabei auf spezielle Krankheitsbilder und fokussierten auf einzelne Endpunkte wie respiratorische Parameter, Atemarbeit und Energiebilanz, Schlafqualität, gesundheitsbezogene Lebensqualität, Häufigkeit respiratorischer Komplikationen und Überlebenszeit (s. Appendix).
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10 Pädiatrie
H. Fuchs
Empfehlung |
Die Indikation zur NIV im Kindesalter sollte bei klinischen Symptomen für bei chronisch respiratorischer Insuffizienz (wie z. B. Leistungsknick, Gewichtsverlust, Tagesmüdigkeit, rezidivierende pulmonale Infektionen, Tach(dys)pnoe, Schnarchen) und/oder durch Poly(somno)grafie gestellt werden. Eine HNO-ärztliche Evaluation und ggf. Therapie sollte immer vor Einleitung einer NIV/CPAP erfolgen. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Empfehlung |
Bei kleinen und hilflosen Kindern mit lebenserhaltender Beatmung ist die kontinuierliche Anwesenheit einer Person zur Überwachung notwendig. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Empfehlung |
3-, 6- oder 12-monatige Kontrollen in einem Zentrum für Langzeitbeatmung im Kindesalter sind notwendig, um die Beatmungsparameter an die Veränderung der Physiologie durch Wachstum anzupassen und (Anpassungen der Beatmungseinstellungen, Sekretmanagment und Interfaces, ggf. mit Polysomnografie) oder Weaningfähigkeit zu beurteilen. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Empfehlung |
Langzeitbeatmete Kinder benötigen alle 3–12 Monate eine Kontrolle und Anpassungen der Beatmungseinstellungen, Sekretmanagment und Interfaces. Diese beinhaltet oft eine nächtliche Poly(somno)grafie inkl. nächtlichem pCO2. Ersteinstellung und Kontrollen sollten in Zentren mit hoher Expertise (z. B. päd. Pneumologien, päd. Intensivstationen) für häusliche Beatmung erfolgen. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Empfehlung |
Bei Verbesserung der respiratorischen Insuffizienz sollte die Indikation für NIV/CPAP überprüft werden und ggf. die Langzeitbeatmung beendet werden. Invasive Beatmung sollte erwogen werden, wenn der Gasaustausch unter NIV nur unzureichend gebessert werden kann. |
neu |
Empfehlungsgrad |
EK |
|
Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
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10.1 Einleitung
Die Zahl der mit einer Langzeitbeatmung versorgten Kinder und Jugendlichen hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen [199]. Zugrunde liegende Erkrankungen, bei denen es im Kindesalter zur CHRI kommen kann, unterscheiden sich von den Erkrankungen der erwachsenen Patienten und sind oft komplex; die häufigeren sind in [ Tab. 14 ] genannt.
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10.2 Wie wird bei Kindern die Indikation für häusliche NIV gestellt?
Eine Indikation zur NIV ergibt sich meist aus der klinischen Präsentation des Kindes: Typische Symptome der behandlungsbedürftigen CHRI sind bei alveolärer Hypoventilation z. B. Kopfschmerzen, Tagesmüdigkeit, Gewichtsabnahme oder bei obstruktiven Atemwegserkrankungen lautes Schnarchen ohne/mit Apnoen, unruhiger Schlaf, zusammen mit Leistungsknick oder Konzentrationsstörungen, aber auch Ruhestridor oder Dyspnoe/Belastungsdyspnoe. Auch hoher Blutdruck, pulmonale Hypertension, Enuresis, ADHS und sonstige Verhaltensauffälligkeiten können Symptome einer schlafbezogenen Atemstörung darstellen. Die Symptome einer schlafbezogenen Atemstörung können beispielsweise systematisch durch standardisierte Fragebögen wie den SRBD-PSQ erfasst werden [200] [201] [202] [203] [204] [205] [206] [207] [208].
Bei Vorliegen von schlafbezogenen Atmungsstörungen sollte bei Kindern immer eine Obstruktion der oberen Atemwege durch Adenoide und/oder Tonsillenhyperplasie und ggf. auch der tieferen Atemwege z. B. durch Laryngomalazie oder auch Tracheomalazie ausgeschlossen bzw. diese zunächst behandelt werden [203]. Dies gilt auch für schlafbezogene Atemstörungen bei neuromuskulären oder Lungenparenchymerkrankungen, da Obstruktionen im Bereich der Atemwege auch hier die Atemstörung verschlechtern können (vgl. [Tab. 16]).
Wenn möglich sollte bei Symptompersistenz trotz Behandlung der Atemwegsobstruktion die Beurteilung des Gasaustauschs durch eine Tages-BGA sowie eine Poly(somno)grafie erfolgen, da die Atemstörungen sich im Schlaf aufgrund des reduzierten Muskeltonus im REM-Schlaf stärker manifestieren [203] [209]. Bei Patienten mit Risikofaktoren für CHRI, wie z. B. neuromuskuläre Patienten, aber auch bei Patienten mit hohem Risiko für Atemwegsobstruktionen wie Down-Syndrom oder Mittelgesichtshypoplasie, sollte die Poly(somno)grafie bereits als Screening in regelmäßigen Abständen erfolgen, um die respiratorische Insuffizienz vor Eintreten von Symptomen zu erkennen und zu behandeln [202] [203] [208] [210]. Das Screening auf schlafbezogene Atemstörungen durch Poly(somno)grafie erfolgt bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen meist in Abhängigkeit von Lungenfunktion inkl. Peak-cough-flow-Messung, wobei die Messung aufgrund der eingeschränkten Compliance oder Schwere der Grunderkrankung oft nicht gelingt.
Verschiedene Grenzwerte des Gasaustauschs in der Polysomnografie, ab denen bei Kindern NIV/CPAP initiiert werden sollen, sind in Leitlinien publiziert; größere Studien, die deren Richtigkeit überprüfen, fehlen im Kindesalter (vgl. [Tab. 15] und [Abb. 14]).
Studie |
Studiendesign |
Fallzahl |
Patientenkohorte |
Maskentherapie |
Outcome |
Leger et al., 1994 [106] |
retrospektiv 5 Jahre monozentrisch |
276 |
n = 105 Kyphoskoliose n = 80 Posttuberkulose n = 16 Morbus Duchenne n = 50 COPD n = 25 Bronchiektasen |
nasal intermittent positive pressure ventilation (NIPPV) |
die günstigsten Effekte wurden bei Patienten mit Kyphoskoliose und Posttuberkulose erzielt (PaO2- und PaCO2-Verbesserungen) sowie einer Reduktion der Hospitalisierungstage |
Ellis et al., 1988 [107] |
prospektiv, nicht randomisiert, nicht kontrolliert, Follow-up 3 Monate |
7 |
Kyphoskoliose |
Bilevel NIPPV (n = 5) NCPAP (n = 2) |
3 Monate nach Therapie Einleitung mit NIPPV/CPAP bei Kyphoskoliose mit Tageshyperkapnie zeigen sich Verbesserungen der Schlafarchitektur, des Tagesgasaustausches, der Lungenfunktion (FVC) und der Atemmuskelkraft |
Nauffal et al., 2002 [108] |
prospektiv, nicht randomisiert, nicht kontrolliert, Follow-up: 3, 6, 9, 12, 18 Monate |
62 |
n = 35 Kyphoskoliose, n = 27 neuromuskuläre Erkrankungen |
noninvasive positive-pressure home ventilation (NIPPHV) |
NIPPHV verbessert den Tagesgasaustausch, die Dyspnoe, die Lebensqualität bei Patienten mit Kyphoskoliose und das auch besser als bei Patienten mit NME diese Verbesserung persistiert über die Zeit hinweg bis zu 18 Monate sowohl bei Kyphoskoliose als auch bei NME kommt es unter NIPPHV zu einer Reduktion der Hospitalisierungsrate |
Buyse et al., 2003 [109] |
retrospektiv LTOT vs. LTOT + nNIPPV |
33 |
Kyphoskoliose n = 15 LTOT n = 18 LTOT + NIPPV |
nasal noninvasive positive-pressure home ventilation (nNIPPHV) |
NNIPPV + LTOT resultiert in günstigerem Überleben und Verbesserung des Gasaustausches und der Lungenfunktion als eine alleinige LTOT-Therapie |
Budweiser et al., 2007[110] |
retrospektiv NIPPV |
77 |
n = 50 Kyphoskoliose n = 12 Posttuberkulose n = 5 Post-Polio-Syndrom n = 19 andere |
noninvasive positive-pressure home ventilation (NIPPHV) |
NIPPHV verbessert den Tagesgasaustausch, Lungen und Atemmuskelfunktion Base excess, Hb und vor allem nächtlicher PaCO2 sind relevante prognostische Faktoren für das Überleben von Patienten mit thorakorestriktiven Ventilationsstörungen unter NIPPHV |
Doménech-Clar et al., 2003 [111] |
prospektiv, nicht randomisiert, nicht kontrolliert, Follow-up: 3, 6, 9, 12, 18 Monate |
45 |
n = 27 Kyphoskoliose n = 18 neuromuskuläre Erkrankungen |
noninvasive positive-pressure home ventilation (NIPPHV) |
NIPPHV steigert die Lebensqualität sowohl bei Patienten mit Thoraxwanddeformitäten als auch bei Patienten mit NME und senkt die Hospitalisierungsrate |
Ferris et al., 2000 [112] |
prospektiv, nicht randomisiert, nicht kontrolliert, Follow-up: 6 Monate |
16 |
Kyphoskoliose |
nasal Noninvasive positive-pressure home ventilation (nNIPPHV) |
nNIPPHV verbessert die subjektive, nicht aber die objektive Schlafqualität, verbesserte den Gasaustausch am Tage und nachts, verbessert die Lungenfunktion und die Symptomatik der Patienten sowie senkt die Hospitalisierungstage (im Vergleich zu vor der nNIPPHV-Therapie) |
Gonzalez et al., 2003 [113] |
prospektiv, nicht randomisiert, nicht kontrolliert, Follow-up: alle 6 Monate bis zu 3 Jahre |
16 |
Kyphoskoliose |
noninvasive positive-pressure home ventilation (NIPPHV) |
NIPPHV verbessert den Tagesgasaustausch, die Atemmuskelkraft und die Symptome der resp. Insuffizienz bei Patienten mit schwerer Kyphoskoliose |
Erkrankung/Leitliniengremium |
klinische Präsentation |
Blutgase am Tag |
Polysomnografie |
Literatur |
spinale Muskelatrophie (SMA II) American SMA family association |
paradoxe Atmung ≥ 3 pulmonale Infektionen/Jahr mit Hospitalisierung Gedeihstörung, Tagesmüdigkeit Verhaltensauffälligkeiten, Lernprobleme |
PaCO2 > 45 mmHg (einmalig) |
Hypoventilation: PaCO2 > 50 mmHg in mehr als 25 % der Schlafzeit oder PaCO2 > 55 mmHg ≥ 10 Minuten oder Anstieg PaCO2 > 10 mmHg auf > 50 mmHg für ≥ 10 Minuten obstuktive Schlafapnoe: A: Schnarchen, angestrengte Atmung, Tagesschläfrigkeit oder Verhaltensauffälligkeiten plus B: > 1 obstruktive, gemischte Apnoe oder Hypopnoe pro Stunde oder obstruktive Hypoventilation von > 25 % der Schlafzeit mit PaCO2 > 50 mmHg in Assoziation mit Schnarchen, Abflachung der nasalen Atemdruckkurve, oder paradoxer Atembewegung |
Sansone et al., 2015 [208] |
DMD Care Considerations Working Group Specialty Article |
SpO2 < 95 % PaCO2 > 45 mmHg |
AHI > 10/h > 4 SpO2-Abfälle < 92 % SpO2-Abfälle > 4 % der totalen Schlafzeit |
Birnkrant et al., 2010 [200] |
|
BTS paediatric sleep disorders Guideline Development Group |
Schnarchen, laute inspiratorische Seufzer, vermehrte Atemanstrengungen, Überstrecken des Kopfes, Mundatmung, trockener Mund, Durst, Mundgeruch Ruhelosigkeit, wiederholtes Aufwachen, Müdigkeit beim Aufwachen, Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, Erstickungsanfälle im Schlaf, morgendliche Kopfschmerzen, Verschlechterung einer Epilepsie, schlechtes Gedeihen, Rechtsherzbelastung |
Patienten ohne Komorbiditäten: AHI (siehe unten) Patienten mit Komorbiditäten AHI plus (TC) oder > 25 % Schlafzeit mit PaCO2 > 50 mmHg |
Evans et al., 2023 [202] |
|
British Thoracic Society guideline for respiratory management of children with neuromuscular weakness |
Risiko für Atemversagen: Veränderung in der Stimmstärke, Sabbern, Hustenschwäche, Verschlucken, Gewichtsabnahme, OSAS, Schnarchen mit Arousel. Tageshypoventilation, Kopfschmerzen, Schwindel, Dyspnoe, Tachykardie, Schwitzen, Vasokonstriktion, Vasodilatation, Müdigkeit, Angst |
VC < 60 % Soll; weitere Abklärung im Schlaflabor |
Hull et al., 2012 [204] |
|
ERS statement on obstructive sleep disordered breathing in 1- to 23-month-old children |
A: Schnarchen, laute Atemgeräusche, Apnoen, unruhiger Schlaf, Mundatmung, nächtliches Aufwachen. B: ALTE/Brue-Ereignisse |
Patienten ohne Komorbiditäten: AHI > 1/h Patienten mit Komorbiditäten: Mild: AHI 1–5/h; moderat: AHI 6–10/h; schwer: AHI > 10/h Pierre Robin sequence Down syndrome: McGill Sättigungs-Score > 2 Mucopolysaccharidosis: Sauerstoff-Entstättigungs-index (≥ 4 %) oder Hämoglobin-Index > 4 Episoden mit SpO2 < 95 % (h–1) |
Kaditis et al., 2017 [205] |
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Obstructive sleep disordered breathing in 2- to 18-year-old children: diagnosis and management |
A: Hypertonie B: pulmonale Hypertension C: ZNS-Symptome: Tagesschläfrigkeit, Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsstörungen, kognitive Dysfunktionen D: Verhaltensauffälligkeiten E: Enuresis, Wachstumsverzögerung F: verminderte Lebensqualität |
A: AHI > 5 episodes·h−1 unabhängig von einer Grunderkrankung. Niedrigere Werte z. B. AHI ≥ 2 episodes·h−1 und/oder der obstruktive Apnoe-Index > 1 episode·h−1 wurden genauso angewandt. B: Bei AHI 1–5 episodes·h−1 war die Behandlung besonders erfolgreich bei Vorliegen von kardialen oder ZNS-Erkrankungen, Einnässen, Wachstumsstörungen, geringer Lebensqualität oder Risiko für SDB. Der Effekt auf Tagesmüdigkeit, Hyperaktivität, kognitiven Defiziten, ist nur mäßig und vor allem von der Stärke der Symptome vor Therapie abhängig. C: Bei hohem klinischen Verdacht auf OSAS kann auch ohne Polysomnografie durch alternative Verfahren eine Therapie indiziert werden. |
Kaditis et al., 2016 [206] |
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ERS statement on paediatric long-term noninvasive respiratory support |
Minimum SpO2 < 90 % Maximal PtcCO2 > 50 mmHg ≥ 2 % der Aufzeichnungszeit Zeit mit SpO2 < 90 % ≥ 2 % der Aufzeichnungszeit Zeit mit PtcCO2 > 50 mmHg 3 % der Aufzeichnungszeit Sauerstoff-Entsättigungs-Index > 1,4/h AHI > 10/h |
Fauroux et al., 2022 [203] |
OSA Schweregrad |
AHI (Alter < 16 Jahre) |
AHI (Alter ≥ 16 Jahre) |
mild |
OAHI ≥ 1 und < 5 |
OAHI ≥ 5–15 |
moderat |
OAHI ≥ 5 und < 10 |
OAHI ≥ 15–30 |
schwer |
OAHI ≥ 10 |
OAHI ≥ 30 |
zentrale Schlafapnoe-Kriterien |
CAHI ≥ 5 |
AHI: Apnoe-Hypopnoe-Index, CAHI: zentraler Apnoe-Hypopnoe-Index, OAHI: obstruktiver Apnoe-Hypopnoe-Index
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10.3 Wie wird bei Kindern die NIV eingestellt?
Es gibt keine Studien zur richtigen Einstellung der dauerhaften NIV bei Kindern. Herausforderungen sind die Toleranz von Beatmung zu erreichen, die Schwierigkeiten des Kindes das Beatmungsgerät zu triggern, sowie dem wechselnden Beatmungsbedarf im Tagesverlauf bzw. bei interkurrierenden Infektionen gerecht zu werden.
In der Regel werden zentrale Atemregulationsstörungen, restriktive Lungenerkrankungen und Lungenparenchymerkrankungen bei Kindern durch muskelentlastende Beatmung (muscle unloading) behandelt [169] [211] [212]. Unter entlastender Beatmung versteht man NIV, die die Atemarbeit stark senkt. Am stärksten entlastend erscheint ein Modus mit fixierter Inspirationszeit (aPCV) mit Backup-Atemfrequenz im Bereich der Spontanatemfrequenz. Im Schlaf lassen sich die Patienten dann eher bei richtiger Einstellung vom Gerät kontrolliert beatmen und die Spontanatmung sistiert. Im Wachzustand triggert der Patient die einzelnen Atemzüge (vgl. auch [ Tab. 17 ]).
Atemwegsobstruktionen werden durch CPAP behandelt. Bei reinen Atemwegsobstruktionen verbessert eine Druckunterstützung der Atemzüge mit oder ohne Backupfrequenz den Gasaustausch nicht [202] [205] [206].
10.3.1 Befeuchtung
Bei Kindern mit Hustenschwäche und damit verbundenen Schwierigkeiten Sekret abzuhusten, ist eine aktive Befeuchtung mit beheizten Beatmungsschläuchen nachts und soweit möglich auch am Tag indiziert [204] [213]. An mobilen Geräten kann zeitweise z. B. bei Transporten ein Heat-moisture-exchange (HME)-Filter benutzt werden. Bei Kindern ohne Hustenschwäche kann eine weniger effektive in das Beatmungsgerät integrierte Befeuchtung beziehungsweise ein HME-Filter ausreichend sein.
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10.3.2 Beatmungsgeräte
Muskelschwache Kinder können aufgrund ihrer geringen inspiratorischen Volumina einige Beatmungsgeräte nicht selbstständig triggern. Deshalb sollten nur speziell für Kinder zugelassene und Geräte mit sehr sensiblem Trigger eingesetzt werden. Im Rahmen von Infektionen sind ggf. höhere Beatmungsdrücke und Frequenzen notwendig [203] [204].
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10.3.3 Interface
Als Interface werden im Kindesalter nasale Masken bevorzugt [203] [214] [215]. Bei Säuglingen und Kleinkindern können alternativ nasale Prongsysteme eingesetzt werden, die den Druck auf die Stirn ableiten und damit weniger zur Mittelgesichtshypoplasie führen. Full-Face-Masken kommen nur in Einzelfällen zum Einsatz wenn eine höhergradige Obstruktion der Atemwege vorliegt die hohen CPAP erfordert, der aufgrund der Leckagen nicht über eine nasale Maske aufgebaut werden kann [214]. Das Angebot an konfektionierten Nasenmasken für Säuglinge, Kleinkinder und Kinder hat sich deutlich verbessert.
In begründeten Einzelfällen, z. B. bei Gesichtsdeformitäten, ist die Anfertigung einer Individualmaske hilfreich. Das Risiko der Entwicklung einer Mittelgesichtsdeformation ist bei Masken mit hohem Anpressdruck erhöht. Kleinkinder, aber auch Kinder mit Muskelerkrankungen und Immobilität, können sich die Beatmungsmaske im Notfall (Gerätefehlfunktion, Stromausfall, Übelkeit/Erbrechen) nicht selbstständig abnehmen. Die Kinder müssen deshalb lückenlos überwacht werden [213].
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10.4 Welches Monitoring ist bei Kindern während der NIV notwendig?
Außerklinisch beatmete Kinder sollen ein Pulsoxymeter zur Verfügung haben. Sie sollten in Zeiten mit Beatmung, in denen sie nicht unmittelbar beobachtet sind, hiermit kontinuierlich überwacht werden [203] [204] [213]. Fehlalarme und ungenaue Messungen infolge von Bewegungsartefakten oder schwacher Durchblutung können durch die Verwendung von geeigneter Klebesensoren/Abdecken des Sensors mit Schaumstoffbändern und einem Pulsoxymeter mit einer artefaktminimierenden Technik reduziert werden.
Bei direkter Beobachtung kann die Messung der Sauerstoffsättigung bedarfsweise erfolgen und Handlungsmaßnahmen entsprechend des Oxymeter-Feedback-Protokolls eingeleitet werden [216] (vgl. [ Tab. 18 ]).
Bei relativ instabilen Patienten kann das Monitoring durch das EKG erweitert werden. Die Messung ist zuverlässiger und weniger anfällig für Artefakte. Ein kombiniertes Monitoring mit Pulsoxymetrie und EKG ist auch zu empfehlen, wenn die Alarme des Beatmungsgeräts zum Beispiel aufgrund von zu häufigen Fehlalarmen bei hohen Leckagen (z. B. bei Verwendung von Prongs) sehr weit gefasst werden oder sogar stumm geschaltet werden müssen. Eine kontinuierliche Überwachung des PtcO2 ist nur in seltenen Fällen notwendig, z. B. bei Undine-Syndrom mit sehr stark wechselndem Atemantrieb (vgl. [ Tab. 19 ]).
In der Regel sind bei häuslich beatmeten Kindern ein elektrisches Absauggerät, Notfallsauerstoff, Beatmungsbeutel mit Maske, Inhaliergerät und ggf. Hustenhilfen indiziert. Bei lebenserhaltender Beatmung (> 16 h/d) ist ein zweites Beatmungsgerät als Backup vorzuhalten; bei Sekretproblematik eine aktive Befeuchtung (vgl. Kap. 10.3.1) [213].
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10.5 Wo sollten Kindern mit NIV betreut werden?
Kinder werden nach Initiierung einer Langzeitbeatmung entweder zu Hause, im Akutkrankenhaus oder in spezialisierten Einrichtungen für Langzeitbeatmung bei Kindern gepflegt. In der Regel ist ein Intensivpflegedienst notwendig um häusliche Versorgung zu ermöglichen [213]. Alternativ können Eltern über das persönliche Budget professionelle Helfer oder Laienhelfer anwerben und selbst oder durch die Klinik individuell schulen [203] [213] [217].
Besonderes Augenmerk ist nicht nur auf die medizinischen Aspekte, sondern auch auf den Erhalt einer akzeptablen Lebensqualität und einer größtmöglichen sozialen Teilhabe der betroffenen Kinder und ihrer Familien zu legen [218] [219] [220] [221] [222] [223]. „Menschen, die von Technologie abhängig sind, haben ein Recht auf gleichberechtigte Teilhabe am sozialen Leben“ (ICF-WHO 2001).
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10.6 Welche Kontrollen sind bei Kindern mit NIV notwendig?
Um den Erfolg einer außerklinischen Beatmung eines Kindes sicherzustellen, bedarf es regelmäßiger Kontrollen. Die einmal begonnene Beatmungstherapie soll regelmäßig an das Wachstum eines sich entwickelnden Kindes und an das Fortschreiten der Grunderkrankung angepasst werden [203]. Dazu hat sich bewährt, nach Einleitung einer Beatmungstherapie binnen 1–3 Monaten eine stationäre Kontrolluntersuchung (nächtliches CO2-Monitoring, Synchronisierung der Beatmung, Anpassungen der Beatmungseinstellungen, Sekretmanagement und Beatmungs-Interface-Überprüfung) durchzuführen und diese Kontrollen im Fortgang in 6–12-monatigen Intervallen zu wiederholen. Zentren mit hoher Expertise für Kinderbeatmung verfügen meist über die Möglichkeit für Polygrafie und Polysomnografie [203]. Der Stellenwert von ambulanter Polygrafie, ambulanter Versorgung oder Telemedizin bei der Versorgung von langzeitbeatmeten Kindern ist derzeit noch unklar. Standardimpfungen aber auch Indikationsimpfungen wie RSV oder jährliche Influenzaimpfung erfolgen durch den niedergelassenen Pädiater. Expertise für langzeitbeatmete Kinder ist am ehesten auf den pädiatrischen Intensivstationen bzw. in einzelnen Kinderpneumologien vorhanden. Alle 1–3 Jahre sollte eine kinderkardiologische Untersuchung mit Frage nach Rechtsherzbelastung, pulmonaler Hypertonie und Herzinsuffizienz (im Rahmen der Grunderkrankung) erfolgen. Bei tracheotomierten Kindern sollte mindestens einmal jährlich eine Tracheoskopie durchgeführt werden, um eine Größenanpassung der Kanüle vornehmen und Komplikationen (tracheale Granulome, Ulzera) erkennen zu können.
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10.7 Wann sollte bei Kindern die NIV beendet werden?
Eine relevante Anzahl von Kindern kann mittel- und langfristig vom CPAP oder NIV entwöhnt werden. Die ist möglich durch entweder das physiologische Wachstum und damit Vergrößerung der Atemwege, bzw. Verbesserung der Lungenfunktion. Auch können Verbesserungen durch operative Eingriffe, z. B. bei Fehlbildungen der oberen Atemwege, möglich werden [224] [225].
Häufig wird die fehlende Notwendigkeit für NIV bereits durch eine zunehmend schlechtere Compliance für die NIV evident, spezielle Weaning-Kriterien sind beschrieben [203]. In diesen Fällen ist die Durchführung einer Poly(somno)grafie mit und ohne Beatmung hilfreich. Die Beatmung kann dann beendet werden, wenn die Indikation für Beatmung (siehe oben) nicht mehr gegeben ist. Bei Beendigung der Beatmung sollte die anhaltende Besserung ca. 3–6 Monate später erneut durch Poly(somno)grafie nachgewiesen werden [203]. Rezidive sind möglich [225].
10.7.1 Übergang zu invasiver Beatmung
Die Indikation für die Beendigung der NIV und Übergang in invasive Beatmung muss bei Verschlechterung der Grunderkrankung und zunehmender Instabilität geprüft werden. Die Besonderheit im Kindesalter ist aber, dass die Tracheotomie eine erhebliche Hürde für die weitere Kindesentwicklung darstellt. Die Anlage eines Tracheostomas bei einem Säugling oder Kleinkind beeinträchtigt insbesondere die Sprachentwicklung und das Schlucken und macht eine intensive Betreuung und Förderung notwendig. Im Alltag ist z. B. Schwimmen nur sehr eingeschränkt möglich, und schließlich soll eine kontinuierliche Begleitung (Kindergarten, Schule) durch eine qualifizierte Pflegekraft gewährleistet sein, da das Kind in Notsituationen weitgehend hilflos wäre.
Da ein Tracheostoma überdies einen wesentlichen Eingriff in das Körperschema eines Kindes und eine erhebliche Belastung für die Angehörigen bedeutet, ist die Indikation zur Tracheotomie im Kindesalter grundsätzlich restriktiv zu stellen. Für Kinder, nicht anders als für Erwachsene auch, gilt somit, dass alle Möglichkeiten einer NIV vor Anlage eines Tracheostomas ausgeschöpft werden sollten.
In Einzelfällen kann die Anlage eines Tracheostomas aus anatomischen Gründen oder auch wegen der Unmöglichkeit einer NIV dennoch erforderlich werden. Auch eine Beatmung > 16 h/Tag macht im Kindesalter oft eine Tracheotomie erforderlich. Insbesondere bei kraniofazialen Dysmorphien, bei Trachealstenosen/Tracheomalazie und bei Kindern mit bronchopulmonaler Dysplasie bestehen recht gute Chancen, das Tracheostoma im Laufe der späteren Kindheit oder Jugend auch wieder zu verschließen [226].
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10.7.2 Mögliche Therapiezieländerung
Die Entscheidung für oder gegen das Tracheostoma bleibt immer ein Prozess, der geprägt wird von den individuellen Einstellungen und ethischen oder auch religiösen Überzeugungen des Kindes, seiner Eltern und des Behandlungsteams. Dabei kommt es nicht selten zu Konflikten; insbesondere dann, wenn bei dem betroffenen Kind eine progrediente Grunderkrankung zugrunde liegt oder eine ungünstige Entwicklungsprognose besteht. Die behandelnden Ärzte sehen sich dann oft in dem Dilemma das Leiden ihrer Patienten nicht zu lindern, sondern zu verlängern. Für Eltern hingegen ist eine Entscheidung gegen das Tracheostoma insbesondere dann schwer, wenn ohne Tracheotomie mit einem nahen Lebensende ihres Kindes zu rechnen ist. In dem schwierigen und für die Beteiligten oft belastenden Entscheidungsfindungsprozess für oder gegen ein Tracheostoma ist die Einbindung von klinischen Ethikkommissionen und Palliativteams oft sehr hilfreich [226] [227] [228] [229] [230].
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10.8 Was sind die Besonderheiten beim Sekretmanagement bei pädiatrischen Patienten?
Das Sekretmanagement folgt in Grundsätzen dem Sekretmanagement beim Erwachsenen. Besonders ist zu beachten, dass bei Verwendung der mechanischen Hustenhilfe weniger hohe Drücke als beim Erwachsenen angewendet werden. Optimal ist submaximale Füllung der Lunge nach Inspiration. Gerade bei Säuglingen können durch hohen positiven intrathorakalen Druck bei hoher Thoraxcompliance erhebliche kurz dauernde Rhythmusstörungen beobachtet werden, die bei niedrigeren Drücken nicht beobachtet werden.
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10.9 Was ist bei interkurrierenden Infektionen zu beachten?
Bei Kindern mit häuslicher Beatmung sollten die Regelimpfungen nach den STIKO-Empfehlungen erfolgen. Kinder mit Atemwegsfehlbildungen, neurologischer Grunderkrankung und chronischer Lungenerkrankung haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe von Influenza [231] und respiratorischem Synzytialvirus (RSV) [232]. Es sollte deshalb im Säuglingsalter zusätzlich die RSV-Immunisierung gemäß aktueller Leitlinie erfolgen. Ab dem Alter von 6 Monaten ist auch die jährliche Influenza-Impfung indiziert.
Interkurrierende Infektionen sind sehr frühzeitig durch Antibiotika zu behandeln [233]. Das aktuelle Keimspektrum ist bei der Wahl des Antibiotikums zu berücksichtigen. Im Infekt sind die Beatmung und das Sekretmanagement zu intensivieren.
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11 Sekretmanagement
H. Fuchs, S. Walterspacher
Sollte ein Sekretmanagement bei NME durchgeführt werden? |
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Empfehlung |
Ein konsequent durchgeführtes Sekretmanagement ist bei NME mit eingeschränktem Hustenstoß obligat und soll adaptiert an die Grunderkrankung regelmäßig durchgeführt werden. |
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Empfehlungsgrad |
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Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Welche Therapiemaßnahmen sollten bei Patienten mit COPD und hoher Sekretlast angewendet werden? |
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Empfehlung |
Bei Patienten mit COPD und hoher Sekretlast soll das Sekretmanagement sowohl Maßnahmen zur Sekretolyse bei zähem Sekret (medikamentös/nicht-medikamentös) und Maßnahmen zur Erleichterung des Abhustens wie z. B. spezielle Hustentechniken (Huffing) und PEP-Systeme umfassen. |
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Empfehlungsgrad |
EK |
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Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
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11.1 Einleitung
Das Thema Sekretmanagement spielt sowohl bei chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen als auch bei Erkrankungen, die mit einem abgeschwächtem Hustenstoß einhergehen können (neuromuskuläre Erkrankungen, Querschnittlähmung oberhalb Th10 mit Lähmung auch der Exspirationsmuskulatur), eine wichtige Rolle (vgl. [ Tab. 20 ]). Zusätzlich kann jede Art von Aspirationsneigung, z. B. aufgrund einer neurogenen Dysphagie, eine verstärkte bronchopulmonale oder pharyngeale Sekretretention bedingen. Die Zusammensetzung des Bronchialsekrets kann in Abhängigkeit von der Grunderkrankung variieren – so trägt z. B. bei zystischer Fibrose ein hoher DNA-Gehalt aus abgestorbenen Bakterien zu der hohen Viskosität des Sekrets bei [234].
Sekretverlegungen der Atemwege können für eine Verschlechterung der Beatmungssituation oder sogar für ein Scheitern der NIV verantwortlich sein. Auch die subjektive Symptomlast und das Infektionsrisiko steigen bei relevanter Sekretretention an.
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11.2 Datenlage
Bei COPD kann eine erhöhte Sekretlast auf Bronchiektasen oder bei Konsistenzänderung auf eine Infektion hindeuten [235]. Sekretretention kann zu Lebensqualitäts- und Lungenfunktionsverschlechterungen sowie zu einer erhöhten Exazerbations-, Krankenhaus- und Mortalitätsrate führen [236]. Es existieren keine randomisiert-kontrollierten Studien zum Thema Sekretmanagement bei COPD; Cochrane Reviews zum Einsatz von Mukolytika geben keine klaren Empfehlungen ab [237].
Bei zystischer Fibrose werden neben der kausalen Therapie unterschiedliche physikalische, medikamentöse und inhalative Maßnahmen zum Sekretmanagement angewandt, wobei keine Therapie oder Therapiefolge besondere Vorteile aufzeigt und stets ein individuelles Vorgehen zu bevorzugen ist [234].
Für neuromuskuläre Erkrankungen finden sich in der Literatur nur sehr wenige interventionelle oder kontrollierte Studien, dafür aber zahlreiche, z. T. krankheitsspezifisch ausgerichtete Konsensusempfehlungen und Übersichtsartikel [238] [239] [240] [241]. Da pathophysiologisch die ineffektive Sekretexpektoration im Vordergrund steht, wird allgemein empfohlen, den abgeschwächten Hustenstoß manuell-physiotherapeutisch oder mechanisch zu unterstützen. Durch Verwendung eines mechanischen Insufflators-Exsufflators (MI-E) kann der Exspirationsfluss unmittelbar erhöht sowie Dyspnoe und Atemfrequenz kurzfristig verringert werden [242] [243] [244]. Ferner wurde ein günstiger Effekt auf die FVC sowie die Häufigkeit und Dauer von Hospitalisierungen nachgewiesen [245] [246]. Bei ALS-Patienten mit einem akuten respiratorischen Infekt hängt die Effektivität des assistierten Hustens vom erreichten Spitzenfluss ab [247]. Letzterer kann durch eine Oszillationsfunktion bei Verwendung des MI-E nicht zusätzlich erhöht werden [248].
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11.3 Therapie
Diagnostisch wird zum Nachweis einer Hustenschwäche die Messung des Hustenspitzenflusses (peak cough flow: PCF) empfohlen. Normalwerte für den Hustenspitzenfluss liegen > 360 l/min; bei Werten < 250–270 l/min besteht die Gefahr der Dekompensation der Hustenkapazität im Falle eines Infektes [249]. Bei deutlich eingeschränktem Hustenstoß < 160 l/min sollten apparative Verfahren wie z. B. ein MI-E regelmäßig angewandt werden, um den funktionell ineffektiven Hustenstoß zu kompensieren [250].
Sekretansammlungen in den Atemwegen können frühzeitig über einen Abfall der Sauerstoffsättigung erkannt werden. Insbesondere bei neuromuskulären Patienten bestehen meist keine pulmonalen Vorerkrankungen, sodass die SpO2 normalerweise > 95 % beträgt [251]. Bei einem Abfall der SpO2 < 95 % wird der Einsatz von einer oder mehreren Maßnahmen zur Sekretelimination empfohlen (Oxymeter-Feedback-Protokoll, siehe auch [ Tab. 18 ]) [252].
Eine Verbesserung der Sekretclearance kann über 2 verschiedene Mechanismen stattfinden: Maßnahmen zur Sekretolyse bzw. Sekretmobilisierung und Maßnahmen zur Verbesserung der Sekretentfernung aus den Atemwegen (s. [ Tab. 21 ]).
HFCWO: High Frequency Chest Wall Oscillation; IPPB: Intermittent Positive Pressure Breathing; CPAP: Continous Positive Airway Pressure; PEP: Positive Expiratory Pressure; NIV: nichtinvasive Beatmung; CF: zystische Fibrose
Vonseiten der Physiologie existieren 5 Prinzipien, die zur Verbesserung von Sekretmobilisierung und Sekretentfernung eingesetzt werden können (s. [ Abb. 15 ]). Maßnahmen zum Sekretmanagement können sequenziell angewandt werden, in begründeten Fällen aber auch übersprungen werden (siehe auch Appendix).
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11.4 Follow-up
Maßnahmen zum Sekretmanagement sollten regelmäßig angewandt und reevaluiert werden, um Sekretverlegungen und Notfallsituationen vorzubeugen. Die richtige Anwendung aller therapeutischen Verfahren ist sicherzustellen und apparative Hilfsmittel sollten regelmäßig im Rahmen von Beatmungskontrollen überprüft werden.
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12 Besonderheiten bei Querschnittlähmung
C. Cornelissen, S. Stanzel, S. Hirschfeld
Kann die Anwendung einer NIV bei Patienten mit Querschnittlähmung und intermittierender Abhängigkeit vom Respirator anstatt invasiver Beatmung erwogen werden? |
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Empfehlung |
Die Anwendung einer NIV bei Patienten mit Querschnittlähmung und intermittierender Abhängigkeit vom Respirator kann anstatt invasiver Beatmung erwogen werden. |
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Empfehlungsgrad |
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Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Kann die Anwendung der Zwerchfellstimulation bei Patienten mit Querschnittlähmung und ununterbrochener Abhängigkeit vom Respirator zur Langzeitbehandlung erwogen werden? |
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Empfehlung |
Bei allen Patienten mit Querschnittlähmung und ununterbrochener Abhängigkeit vom Respirator sollte die Umstellung auf ein Verfahren der Zwerchfellstimulation zur Langzeitbehandlung evaluiert werden. |
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Empfehlungsgrad |
EK |
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Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Kann die Anwendung der Zwerchfellstimulation bei Patienten mit Querschnittlähmung und Abhängigkeit vom Respirator im Rahmen der Akutbehandlung erwogen werden? |
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Empfehlung |
Die Anwendung der direkten Zwerchfellstimulation bei Patienten mit Querschnittlähmung und Abhängigkeit vom Respirator kann als temporäre Maßnahme in Einzelfällen im Rahmen der akuten Erstbehandlung erwogen werden. |
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Empfehlungsgrad |
EK |
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Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Welches Monitoring ist zur Überwachung der Therapie bei Patienten mit Querschnittlähmung und Abhängigkeit vom Respirator im außerklinischen Umfeld erforderlich? |
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Empfehlung |
Bei Patienten mit Querschnittlähmung und intermittierender oder kompletter Abhängigkeit von einer Beatmung soll im außerklinischen Umfeld eine Überwachung mittels Pulsoxymetrie erfolgen. |
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Empfehlungsgrad |
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Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
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12.1 Einleitung
Eine Querschnittlähmung ist charakterisiert durch eine Schädigung des Rückenmarks unterschiedlicher Höhe mit motorischer, sensibler und autonomer Funktionsstörung unterschiedlicher Ausprägung. Abhängig von der funktionellen Höhe und Ausprägung der Querschnittlähmung kann es zu unterschiedlichsten Formen der ventilatorischen Insuffizienz mit teilweiser oder vollständiger Beatmungspflicht kommen [253] [254] [255]. Grundsätzlich werden beatmungspflichtige querschnittgelähmte Patienten sowohl invasiv als auch nichtinvasiv beatmet. Bei der Entscheidung, wie letztlich beatmet wird, handelt es sich immer um eine individuelle, dem Patienten bestmöglich angepasste Lösung. Patienten, die aufgrund einer Querschnittlähmung außerklinisch beatmet werden, stufen ihre eigene Lebensqualität als gut ein; demgegenüber wird die Lebensqualität durch Außenstehende deutlich unterschätzt [256].
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12.2 Datenlage
Bezüglich der Anwendung einer nichtinasiven Beatmung bei Querschnittlähmung wurden 4 relevante Studien identifiziert. Zwei dieser Studien untersuchten die Anwendung der NIV im Rahmen von Trainingsprogrammen [257] [258] und konnten positive Effekte auf die Atemeffizienz nachweisen. Zwei weitere Fallserien mit 25 [259] und 2 [260] Patienten beschrieben erfolgreiche Konversionen von invasiver Beatmung auf NIV bei hoher Querschnittlähmung und kompletter Abhängigkeit vom Respirator.
Für die Phrenikusnervenstimulation wurde gegenüber invasiver Beatmung in der Langzeittherapie niedrigere Mortalitätsraten und die Verbesserung von Sprechfähigkeit und Lebensqualität gezeigt [261] [262] [263]. Die Schwellen und Reizstromwerte verändern sich im Langzeitverlauf nicht, sodass dieses Verfahren zur Langzeitbeatmung geeignet ist [264]. Aufgrund der Ersparnis von Verbrauchsartikeln amortisieren sich die Mehrkosten des Systems über Jahre [265]. Die Beatmungszeiten werden in über 60 % der Fälle mit 24 h/Tag angegeben [262] [263] [266].
Die Anwendung der direkten Zwerchfellstimulation kann ebenfalls die invasive Beatmung, in der Langzeittherapie ersetzen, wobei eine frühere Implantation die Wahrscheinlichkeit, eine invasive Beatmung zu ersetzen, erhöht [267] [268]. Im Rahmen der akuten Behandlung nach neu aufgetretener Querschnittlähmung wurde für die direkte Zwerchfellstimulation im Rahmen einer Fallkontrollstudie eine signifikante Reduktion der Beatmungstage beschrieben [269].
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12.3 Zwerchfellstimulation bei Patienten mit Querschnittlähmung
Bei allen Patienten mit hoher Querschnittlähmung und Abhängigkeit vom Respirator soll die Umstellung auf ein Verfahren der Zwerchfellstimulation zur Langzeitbehandlung evaluiert werden, da positive Effekte auf Mortalität, Lebensqualität und Sprechfähigkeit bei gleichzeitiger Reduktion von Kosten erzielt werden konnten. Für eine detaillierte Beschreibung der Verfahren siehe Appendix.
Bei Kindern und Jugendlichen mit noch nicht ausgewachsenem Thorax ist eine durchgehende Stimulation bis zur vollständigen knöchernen Durchbauung des Thoraxes nicht indiziert (Gefahr der Verminderung der Atemzugvolumina durch chronische, mechanisch bedingte thorakale Retraktion). Die Patienten werden im Regelfall tagsüber (12 h) stimuliert beatmet und nachts, als Maßnahme zur thorakalen Protraktion, invasiv ventiliert [262] [263] [267].
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12.4 NIV bei Patienten mit Querschnittlähmung
Die Anwendung der NIV bei Patienten mit Querschnittlähmung ist im Rahmen individueller Therapiekonzepte möglich. Da bezüglich der Indikationsstellung und Durchführung einer NIV bei Patienten mit Querschnittlähmung keine Evidenz besteht, empfehlen wir die Orientierung an den Algorithmen für neuromuskuläre Erkrankungen. Bei Patienten mit Querschnittlähmung sollen Voraussetzungen und Kontraindikationen für die NIV in Bezug auf die individuellen Ausfälle streng geprüft werden:
Voraussetzungen
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der funktionelle Erhalt der Gesichts- und Schlundmuskulatur,
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die Kooperation des Patienten
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die freie Durchgängigkeit der oberen Atemwege
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suffizientes Darmentleerungsmanagement
Kontraindikationen
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erhöhte Aspirationsgefahr
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Sekretverhalte, die mit nichtinvasiven Mitteln nicht beherrscht werden können
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Dekubitalgeschwüre im Bereich der Maskenflächen
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wiederholte frustrane Versuche der suffizienten Etablierung einer NIV in der Vorgeschichte (z. B. bei thorako-restiktiven Befunden)
Als unerwünschter Nebeneffekt kann außerdem eine Aerophagie und daraus resultierend ein zunehmender intraabdomineller Druck auftreten [270]. Die bei einer Querschnittlähmung ohnehin vorhandene Einschränkung der Darmmotilität kann so in ihrer Ausprägung verstärkt werden (paralytischer Ileus) und/oder zu Rupturen von Magen oder Darm führen.
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12.5 Monitoring bei Patienten mit Querschnittlähmung
Aufgrund der bestehenden Ausfälle sind Patienten mit Querschnittlähmung in den Aktivitäten des täglichen Lebens in jeder Hinsicht und ständig auf fremde Hilfe angewiesen. Zur Sicherung der Vitalfunktionen ist daher neben der ununterbrochenen Krankenbeobachtung eine permanente technische Überwachung erforderlich.
12.5.1 Pulsoxymetrie
Eine permanente Pulsoxymetrie bei teil- und vollbeatmeten Patienten mit Querschnittlähmung ist erforderlich, weil diese eine Störung der Beatmung nicht bemerken, diese nicht mitteilen oder selbstständig beseitigen können.
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12.5.2 Kapnometrie
Durch regelhafte kapnometrische Messungen können Entgleisungen frühzeitig bemerkt und ggf. korrigiert werden, bevor der Patient hypoxämisch wird oder sich im Rahmen vorgegebener Spontanatemzeiten erschöpft. Bei Beatmungssystemen ohne Volumetrie (z. B. Zwerchfellstimulation) können die Geräteeinstellungen anhand der gemessenen CO2-Werte angepasst werden. Außerdem kann bei beginnenden Komplikationen im häuslichen Bereich (z. B. Pneumonie) eine auftretende Störung des Gasaustausches frühzeitig bemerkt werden.
Folgende Querschnittgelähmte sollten deshalb mit einer Kapnometrie versorgt werden:
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bei invasiver außerklinischer Beatmung mit einem Einschlauchsystem, gemäß DIN EN ISO 80601-2-72:2015 (DIN, 2016),
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bei einer instabilen Beatmungssituation aufgrund klinisch relevanter vegetativer Dysregulationen,
-
bei zusätzlich bestehender zentraler Atemregulationsstörung,
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bei der Verwendung eines implantierten Phrenikus- oder Zwerchfellstimulators (aufgrund der fehlenden Volumetrie),
-
für Patienten, bei denen in der Häuslichkeit regelhaft Veränderungen der Beatmungsparameter und/oder -modi vorgenommen werden sollen,
-
bei nicht planbarer, tagesformabhängiger Spontanatemleistung
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für dauer- oder teilbeatmete Kinder in Absprache mit dem behandelnden Pädiater.
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12.5.3 Spirometer
Mittels eines Spirometers lässt sich das Atemvolumen bei Spontan- und Stimulationsaktivität messen. Eine Verordnung ist bei der Beatmung durch einen Phrenikus-/Zwerchfellstimulator (aufgrund der fehlenden Volumetrie) und zur Spontanatmungskontrolle bei intermittierender Beatmung (Überprüfung der Atemleistung) indiziert.
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13 Ethische Erwägungen
A. Michalsen, H.-J. Kabitz, S. Walterspacher
Sollen Patienten mit chronisch hyperkapnischer respiratorischer Insuffizienz über den Krankheitsverlauf und Risiken informiert werden? |
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Empfehlung |
Bei weit fortgeschrittener oder rasch progredienter CHRI sollen Patienten und deren Angehörige frühzeitig über drohende – in der Regel dann – respiratorische Notfallsituationen und therapeutische Optionen für das Endstadium der Erkrankung informiert werden. |
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Empfehlungsgrad |
EK |
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Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Welche besonderen Umstände in der Behandlungsbeziehung zum Patienten sind insbesondere in der letzten Lebensphase zu berücksichtigen? |
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Empfehlung |
Die Versorgung soll gerade auch in der letzten Lebensphase patientenzentriert erfolgen, wobei sowohl die ärztliche und pflegerische Kompetenz, insbesondere hinsichtlich der Prognostizierung und der End-of-Life Care bzw. einer palliativmedizinischen Versorgung, als auch die Berücksichtigung des Patientenwillens unverzichtbar bleiben. |
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Empfehlungsgrad |
EK |
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Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
Welche strukturellen Voraussetzungen sollten in der Sterbephase vorgehalten werden? |
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Empfehlung |
Patienten und Zugehörige sollen in der Sterbephase in Behandlungseinrichtungen oder im häuslichen Umfeld angemessen unterstützt und optimal begleitet werden. Hierzu gehören neben symptomlindernden Maßnahmen auch psychosoziale Unterstützung und die Ermöglichung eines Rooming-in. |
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Empfehlungsgrad |
EK |
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Konsensusstärke |
Delphi-Abstimmung: 100 % starker Konsens |
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13.1 Hintergrund
Auch bei der Versorgung von Patienten mit CHRI müssen alle medizinischen Maßnahmen auf den beiden Säulen, Indikation und patientenseitiger Einwilligung, beruhen. Ist eine dieser beiden Säulen nicht (mehr) tragfähig, sind Sinnhaftigkeit und Angemessenheit der (bisher) durchgeführten Maßnahmen infrage zu stellen und in der Regel eine Therapiezieländerung durchzuführen [271]. Wird das Therapieziel von einem kurativen Behandlungsziel hin zu Leidenslinderung und Symptomkontrolle verändert („change from cure to comfort care only“), rückt die palliativmedizinische Versorgung und Begleitung in den Vordergrund [272] [273].
Bezüglich palliativmedizinischer Aspekte wird, unabhängig von der zugrunde liegenden Diagnose, auch auf die S3-Leitlinie „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung“ des AWMF-Leitlinienprogramms Onkologie verwiesen [274]. Dort finden sich unter anderem wesentliche Empfehlungen zu Versorgungsstrukturen in der Palliativmedizin mit einem Behandlungspfad für Patienten und Angehörige.
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13.2 Prognose und Aufklärung
Die Prognose von Patienten mit CHRI und außerklinischer Beatmung ist häufig unsicher. Vor diesem Hintergrund bekommt die gesundheitsbezogene Lebensqualität eine besondere Bedeutung. Von den Patienten selbst wird unter außerklinischer Beatmung die körperliche Lebensqualität oft als reduziert, die mentale und psychische Lebensqualität krankheitsabhängig jedoch teilweise als gut eingeschätzt [275]. Die außerklinische Beatmung bietet einerseits die Chance, die Erkrankungswucht der CHRI und ihr Voranschreiten zu verringern und zugleich die Lebensqualität zu verbessern [27]. Sie kann unter dem Gesichtspunkt der Dyspnoekontrolle auch als Palliativmaßnahme wirken. Zugleich birgt diese Behandlungsmaßnahme aber auch die Gefahr, das Leiden des Patienten unnötig zu verlängern und ein würdevolles, behütetes Sterben am Ende einer langen Krankengeschichte zu verhindern [276] [277].
Während des gesamten Krankheitsverlaufs sind die aufrichtige patientenorientierte Information und Aufklärung von zentraler Bedeutung. Der Arzt soll im Dialog den Patienten und seine Angehörigen insbesondere über drohende respiratorische Notfallsituationen und therapeutische Optionen für das Endstadium der Erkrankung informieren. Die Aufklärung soll patientengerecht erfolgen und muss sich außerdem an die fachlichen und juristischen Vorgaben halten (vgl. §§ 630c–e BGB).
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13.3 Ärztliche Kommunikation in der End-of-Life-Care
Eine angemessene Kommunikation ist nicht nur im Hinblick auf Prognostizierung und Aufklärung von grundlegender Bedeutung. Gerade in der Endphase des Lebens stehen nicht mehr das „Management“ von Organfunktionsstörungen oder die Bewältigung medizintechnischer Herausforderungen im Vordergrund. Vielmehr geht es um eine patientenorientierte Kommunikation sowie eine zielführende Symptomkontrolle. Wichtig ist hierbei der Dialog des Arztes mit dem mündigen und autonomen Patienten, seinen An- und Zugehörigen oder einem Bevollmächtigten oder dem gesetzlichen Betreuer, um die Interessen des Patienten (ggf. erneut) zu ermitteln und zu berücksichtigen [271] [278].
In den Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung heißt es: „Die Unterrichtung des Sterbenden über seinen Zustand und mögliche Maßnahmen muss wahrheitsgemäß sein, sie soll sich aber an der Situation des Sterbenden orientieren und vorhandenen Ängsten Rechnung tragen“ [279]. Zudem ist ärztlich sicherzustellen, dass nicht die eigene Scheu vor einem solchen Gespräch die Einschätzung der Zumutbarkeit für den Patienten beeinflusst und das Gespräch dadurch verschleppt wird. Grundvoraussetzung für die partizipative Entscheidungsfindung („shared decision-making“) sind Informationsaustausch und Wissensvermittlung zwischen Arzt und Patient. Hierbei soll sichergestellt werden, dass die Kommunikation empathisch, rücksichtsvoll und ohne eine übermäßige Verwendung medizinischer Fachtermini stattfindet, also „laienverständlich“ ist. In einer gelungenen Kommunikation werden jedoch nicht nur Wissen und Entscheidungsrationale vermittelt. Vielmehr sollen auch Ängste und Nöte, Sorgen und emotionale Befindlichkeiten des Patienten und seiner An- und Zugehörigen aufgenommen und angesprochen werden [280] [281].
Eine weitere entscheidende Voraussetzung für die gelungene Betreuung von Patienten an ihrem Lebensende ist die enge Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegekräften und ausdrücklich deren Einbeziehung in Entscheidungen hinsichtlich End-of-Life Care. In diesem Zusammenhang wurden in der Literatur sieben „Domänen“ bzgl. des Umgangs mit Patienten und den Bezugspersonen formuliert (s. [ Tab. 22 ]) [282].
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13.4 Umgang mit einwilligungsunfähigen Patienten
Einwilligungsunfähige Patienten müssen durch einen Bevollmächtigten (§§ 167, 1814 III S. 2 Nr. 1, 1820, 1827 VI, 1828 III, 1829 V BGB), einen gesetzlichen Betreuer (§§ 1814ff., 1827–1829 BGB) oder im Notfall auch durch den Ehegatten (§ 1358 BGB) juristisch vertreten werden. Damit dem Vollmachtnehmer oder dem Ehegatten, insbesondere aber einem vom Betreuungsgericht bestellten gesetzlichen Betreuer der (mutmaßliche) Patientenwille auch ausreichend bekannt ist, empfiehlt es sich dringend, dass jeder (potenzielle) Patient eine Vorausverfügung trifft, am besten kumulativ mittels Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung im Rahmen des Konzepts „Behandlung im Voraus planen“ („Advance Care Planning“) [283]. Den Patienten und ihren An- und Zugehörigen soll frühzeitig vermittelt werden, dass sich im Fall einer respiratorischen Notfallsituation eine nicht gewollte Intubation mit sich potenziell anschließender Langzeitbeatmung am sichersten durch eine präzise konkrete Festlegung verhindern lässt. Es kann hilfreich sein, eine solche Patientenverfügung unter sachkundiger, insbesondere ärztlicher Beratung zu formulieren; ebenfalls kann auch auf öffentlich verfügbares Informationsmaterial zugegriffen werden.
Die in einer Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Wünsche zur Beschränkung des Behandlungsumfangs, insbesondere hinsichtlich der Ablehnung bestimmter Behandlungsmaßnahmen, ist für das Behandlungsteam bindend, sofern die konkrete Lebens- und Erkrankungssituation derjenigen entspricht, die der Patient in der Verfügung beschrieben hat, und keine Anhaltspunkte für eine nachträgliche Willensänderung erkennbar sind (§ 1827 BGB). Die Patientenverfügung ist umso verbindlicher für den behandelnden Arzt, je konkreter der geäußerte Wille formuliert ist; dies mag insbesondere dann gelten, wenn eine sachkundige Beratung dokumentiert wurde. Der Patient sollte im eigenen Interesse den Inhalt der Patientenverfügung regelmäßig aktualisieren. Juristisch allerdings ist die Geltungsdauer einer Patientenverfügung zeitlich nicht befristet; sie kann außerdem jederzeit, auch mündlich, widerrufen werden.
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13.5 Limitierung der Beatmungstherapie
Ein Leben zu Hause unter außerklinischer Beatmungstherapie kann sowohl für den Patienten als auch für die betreuenden Angehörigen mit vielen Belastungen verbunden sein. Eine solche chronische Therapie muss, wie alle diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen, in regelmäßigen Abständen unter strenger Berücksichtigung der Indikation und des Patientenwillens auf ihre anhaltende Sinnhaftigkeit überprüft werden [271]. Besteht bei Patienten mit außerklinischer Beatmung im Verlauf dann keine Hoffnung zumindest auf Stabilisierung der Lebensqualität mehr, ist es ethisch vertretbar, wenn nicht gar geboten, eine Therapielimitierung bis hin zur Therapiezieländerung zu diskutieren und vorzunehmen [271] [277] [284] [285]. Unverändert sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, die Lebensqualität auch in den letzten Lebenswochen eines Patienten zu verbessern, unnötige Krankenhausaufnahmen zu vermeiden und die Bedürfnisse der gesamten Familie zu berücksichtigen [286]. Jedoch stellt eine unter Umständen unvermeidbare Verlegung eines Patienten in eine außerklinische Behandlungseinrichtung, z. B. in ein Hospiz, nicht zwingend ein Grund zur Beendigung einer Beatmungstherapie dar; diese kann auch unter palliativen Aspekten zur Dyspnoetherapie dort fortgesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist der Abgleich mit den Ressourcen und Möglichkeiten der jeweiligen Einrichtung und der behandelnden Palliativmediziner bzw. (Fach-)Pflegekräfte.
Therapielimitierungen umfassen einerseits die Möglichkeit, prinzipiell indizierte Therapiemaßnahmen nicht zu beginnen („withholding“), und andererseits die Option, bereits begonnene Therapiemaßnahmen zu beenden („withdrawing“) [277] [287]. Die Therapie als solche wird niemals „abgebrochen“; vielmehr besteht sie gerade nach einem Therapiezielwechsel aus der besten Symptomkontrolle und Hinwendung zum Patienten (daher auch „End-of-Life Care“).
Der Bundesgerichtshof hat zuletzt 2010 entschieden (BGH 2 StR 454/09 vom 25.06.2010), dass bei aussichtsloser Prognose Sterbehilfe entsprechend dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen durch die Nichteinleitung oder die Beendigung lebensverlängernder Maßnahmen (u. a. einer Beatmung) geleistet werden darf, um dem Sterben, ggf. unter wirksamer Schmerzmedikation, seinen natürlichen, der Würde des Menschen gemäßen Verlauf zu lassen. Sterben in diesem Sinne zuzulassen, ist in Deutschland nicht strafbar.
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13.6 Der Sterbeprozess während oder nach Beatmung
Mit einer Diskonnektion vom Beatmungsgerät ist nicht zwangsläufig das unmittelbare Versterben verbunden. Manchmal stabilisieren sich Patienten danach auf niedrigem Niveau und sterben erst Tage oder sogar Wochen später auf Normalstation, in pflegerischen Einrichtungen oder in vertrauter häuslicher Umgebung [288]. Da die Mehrheit der Patienten jedoch in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang nach Beendigung der Beatmungstherapie stirbt, sollte in der entsprechenden Behandlungseinrichtung ein gesonderter Bereich bereitgehalten werden, wo Patienten im Beisein ihrer Angehörigen ein würdiges, behütetes Sterben ermöglicht werden kann. Intensivmedizinisch bzw. palliativmedizinisch ist auf eine angemessene Symptomkontrolle zu achten [287] [289] ([ Tab. 22 ]).
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Interessenkonflikt
Eine Übersicht der Interessenkonflikte findet sich im Internet unter http://awmf.org; AWMF-Registriernummer 020-008.
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Literatur
- 1 Schwarz SB, Wollsching-Strobel M, Majorski DS. et al. [Invasive and Non-Invasive Home Mechanical Ventilation in Germany – A Rapid Development with Large Regional Differences]. Pneumologie 2021; 75: 942-949 DOI: 10.1055/a-1509-7014.
- 2 Windisch W, Dreher M, Geiseler J. et al. S2k-Leitlinie: Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz – Revision 2017. Pneumologie 2017; 71: 722-795 DOI: 10.1055/s-0043-118040.
- 3 Roussos C, Macklem PT. The Respiratory Muscles. New England Journal of Medicine 1982; 307: 786-797 DOI: 10.1056/NEJM198209233071304.
- 4 Kabitz H-J, Walterspacher S, Mellies U. et al. Messung der Atemmuskelfunktion. 1. Aufl.. Bad Lippspringe: Dustri; 2014
- 5 Walterspacher S, Kabitz H-J. Atemmuskelfunktionsmessung – Basisdiagnostik. AT 2018; 44: 519-527
- 6 Roussos C. The failing ventilatory pump. Lung 1982; 160: 59-84
- 7 Lloyd-Owen SJ, Donaldson GC, Ambrosino N. et al. Patterns of home mechanical ventilation use in Europe: results from the Eurovent survey. European Respiratory Journal 2005; 25: 1025-1031 DOI: 10.1183/09031936.05.00066704.
- 8 Tobin MJ, Laghi F, Brochard L. Role of the respiratory muscles in acute respiratory failure of COPD: lessons from weaning failure. Journal of Applied Physiology 2009; 107: 962-970 DOI: 10.1152/japplphysiol.00165.2009.
- 9 Windisch W. Remodelling der Atemmuskulatur: Folgen und deren Lösung. Atemwegs- und Lungenkrankheiten 2013; 39: 479-483 DOI: 10.5414/ATX01889.
- 10 Westhoff M, Neumann P, Geiseler J. et al. S2k-Leitlinie Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz. Pneumologie 2024; 78: 453-514 DOI: 10.1055/a-2148-3323.
- 11 Kamel KS, Halperin ML. Fluid, electrolyte, and acid-base physiology: a problem-based approach. Fifth edition. Philadelphia, PA: Elsevier; 2017
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Article published online:
28 October 2024
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