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DOI: 10.1055/a-2276-4802
Antwort zum Leserbrief: Ketamininfusionstherapie zur Behandlung von Depressionen – Schritt für Schritt
Wir danken Herrn Prof. Bonnet für seine Anregungen und Kommentare bezüglich der Formulierung einer möglichst standardisierten Arbeitsanweisung für die Ketamininfusionstherapie.
In der Tat weist eine Anfang dieses Jahres erschienene Netzwerk-Metaanalyse nicht nur auf eine überlegene Wirksamkeit, sondern auch auf eine überlegene Verträglichkeit intravenöser subnarkotischer Ketamininfusionen im Vergleich zu einer Esketamintherapie und einer Aripiprazol-Augmentation in der Behandlung therapieresistenter unipolarer Depressionen hin [1]. Im Vergleich zu einer Lithium-Augmentation zeigte sich eine vergleichbare Wirksamkeit und Verträglichkeit [1]. Eine weitere, noch aktuellere Studie findet eine höhere Effektstärke der intravenösen Ketamin- im Vergleich zur intranasalen Esketamintherapie in der akuten Behandlungsphase therapieresistenter Depressionen, beschreibt aber vergleichsweise mehr Nebenwirkungen der Ketamininfusionstherapie [2]. Zudem weisen Registerdaten aus einem US-amerikanischen Pharmakovigilanzsystem auf das Risiko für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse unter einer Ketamintherapie (hier intranasales Esketamin) hin, insbesondere bei Patienten mit antidepressiver Mehrfach-, psychiatrischer oder internistischer Ko-Medikation [3]. Weitere Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien, sind daher dringend nötig, um sowohl Wirksamkeit als auch Verträglichkeit der medikamentösen Behandlungsoptionen bei therapieresistenten Depressionen abschließend beurteilen zu können.
Um eine bestmögliche Patientensicherheit zu gewährleisten und Risiken zu minimieren, werden in der Konsensuserklärung zur Verwendung von Ketamin bei der Behandlung von affektiven Störungen standortspezifische Standardarbeitsanweisungen (SOP) dringend empfohlen [4]. Dies gilt insbesondere für die Ketamininfusionstherapie, für die aktuell keine Zulassung für die Indikation Depression vorliegt und die daher bis auf Weiteres nur als off-Label-Behandlung unter kritischer Nutzen-Risiko-Abwägung und nach sorgfältiger Aufklärung der Patienten durchgeführt werden kann. Daher haben wir an unserer Klinik eine rigorose SOP als Standard etabliert, welche
(i) die Nutzung eines Perfusors für eine möglichst genaue und konstante Flussrate über die gesamte Infusionsdauer von 40 Minuten,
(ii) die Verwendung der durch klinische Studien und Fallberichte am besten abgesicherten subnarkotischen intravenösen Ketamindosis mit nachweislichem antidepressivem Effekt in Höhe von 0,5 mg Ketamin pro kg Körpergewicht [4],
(iii) relativ scharf gefasste Kontraindikationen, die in einigen Aspekten über die Mindestanforderungen der einschlägigen Fachinformationen intravenöser Ketaminpräparate hinausgehen,
(iv) und vergleichsweise lange Vorbereitungs- und Überwachungszeiten
bei unseren in aller Regel sehr schwer (psychiatrisch und oft auch internistisch) erkrankten, polypharmazierten Patienten vorsieht. Diese SOP hat sich in unserem stationären Behandlungssetting als gut umsetzbar und sicher erwiesen.
Unsere Praxisanleitung ist als solche daher primär für Kliniken in der stationären Versorgung komplexer und therapieresistenter Depressionen zu verstehen und erhebt keinen allgemeingültigen Anspruch. Auch beschränken wir uns in unseren Ausführungen auf die Indikation Depression, obwohl es zunehmend auch Evidenz für eine therapeutische Wirksamkeit von razemischen Ketamininfusionen bei anderen Indikationen wie z. B. Suchterkrankungen gibt [5] [6]. Die von Herrn Prof. Bonnet vorgebrachte Empfehlung, die Durchführungs-, Sicherheits- und Überwachungsregeln einer Ketamininfusionstherapie an das jeweilige Setting und die jeweiligen Rahmenbedingungen anzupassen unterstützen wir – unter Wahrung der in der Fachinformation des verwendeten Präparates beschriebenen Mindeststandards – ausdrücklich, um möglichst vielen geeigneten Patienten:innen diese wirkungsvolle Therapie sicher zukommen lassen zu können. Dabei soll unsere Praxisanleitung als informative Hilfestellung dienen, die dem jeweiligen Setting und gemäß aktueller wissenschaftlicher Evidenz zur Verträglichkeit der Ketamintherapie angepasst werden sollte.
Publication History
Article published online:
03 May 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Terao I, Tsuge T, Endo K. et al. Comparative efficacy, tolerability and acceptability of intravenous racemic ketamine with intranasal esketamine, aripiprazole and lithium as augmentative treatments for treatment-resistant unipolar depression: A systematic review and network meta-analysis. J Affect Disord 2024; 346: 49-56
- 2 d’Andrea G, Pettorruso M, Di Lorenzo G. et al. The rapid antidepressant effectiveness of repeated dose of intravenous ketamine and intranasal esketamine: A post-hoc analysis of pooled real-world data. J Affect Disord 2024; 348: 314-322 DOI: 10.1016/j.jad.2023.12.038. (PMID: 38145840)
- 3 Gastaldon C, Raschi E, Kane JM. et al. Post-Marketing Safety Concerns with Esketamine: A Disproportionality Analysis of Spontaneous Reports Submitted to the FDA Adverse Event Reporting System. Psychother Psychosom 2021; 90: 41-48
- 4 Sanacora G, Frye MA, McDonald W. et al. A Consensus Statement on the Use of Ketamine in the Treatment of Mood Disorders. JAMA Psychiatry 2017; 74: 399-405 DOI: 10.1001/jamapsychiatry.2017.0080. (PMID: 28249076)
- 5 Kelson M, Burnett JM, Matthews A. et al. Ketamine Treatment for Alcohol Use Disorder: A Systematic Review. Cureus 2023; 15: e38498 DOI: 10.7759/cureus.38498. (PMID: 37273364)
- 6 Goldfine CE, Tom JJ, Im DD. et al. The therapeutic use and efficacy of ketamine in alcohol use disorder and alcohol withdrawal syndrome: a scoping review. Front Psychiatry 2023; 14: 1141836 DOI: 10.3389/fpsyt.2023.1141836. (PMID: 37181899)