retten! 2024; 13(02): 73
DOI: 10.1055/a-2258-2079
Editorial

Psychiatrische Notfälle – häufiger als man denkt

Volker Wanka

„Psychischer Ausnahmezustand“: Jeder im Rettungsdienst kennt diese Einsatzmeldung, wenngleich sie in der Allgemeinbevölkerung nicht unbedingt als typisch für unseren Beruf wahrgenommen wird. Zu ca. 500000 psychiatrischen Notfällen pro Jahr wird in Deutschland der Rettungsdienst gerufen. Dabei sind die typischen Auslöser äußerst vielfältig: Alkohol- und Drogenintoxikation, Demenz, Delir, Eskalation eines häuslichen Streits oder einer psychischen Grunderkrankung, um nur einige wichtige zu nennen. Auch erleben wir eine große Bandbreite an Zuständen, in denen wir unsere Patienten vorfinden: Von agitiert/aggressiv bis hin zu somnolent/vigilanzgemindert ist alles möglich.

Keinesfalls unterschätzen: Das höchste Gefährdungspotenzial für unsere Patienten geht dabei häufig von akuter Suizidalität aus – diese gilt es unbedingt zu erkennen. Scheuen Sie sich nicht davor, Patienten direkt auf das Thema anzusprechen. Oftmals fühlen sie sich erleichtert, wenn sie mit jemanden darüber reden können und sich verstanden fühlen. Versuchen Sie, empathisch vorzugehen und bagatellisieren Sie auf keinen Fall die Beschwerden. Auch eine ausführliche Anamnese lohnt sich: Überproportional häufig findet sich bei akuter Suizidalität eine Depression in der Vorgeschichte, werden Antidepressiva eingenommen oder haben bereits Suizidversuche stattgefunden.

Fremdgefährdung: Gerade bei Patienten, die sich im Zustand starker Erregung befinden, besteht eine erhebliche Gefahr, dass die Behandler selbst in Gefahr geraten. Vor allem bei Alkohol- und Drogenintoxikationen und akuten Psychosen ist die Aggressivität hoch und die Hemmschwelle, übergriffig zu werden, stark herabgesetzt. Zudem finden wir bei solchen Einsätzen oft ein problematisches familiäres Umfeld vor oder erleben Situationen, in denen die Stimmung schon stark angeheizt ist. Reagieren Sie mit Besonnenheit, lassen Sie sich nicht von der Hektik und dem Stress der jeweiligen Situation anstecken und ziehen Sie im Zweifel die Polizei zur Sicherung des Eigenschutzes hinzu.

Neurologische Kindernotfälle: Ein weiterer Fachwissen-Beitrag widmet sich akuten neurologischen Notfällen bei Kindern. Neben dem typischen Einsatz „Fieberkrampf Kind“ finden wir auch hier eine große Bandbreite möglicher Krankheitsbilder, die sich i.d.R. von denen erwachsener Patienten erheblich unterscheiden. Hypoxie, Schädel-Hirn-Trauma, Intoxikation und Infektionen des ZNS sind hier an erster Stelle zu nennen. Wichtig ist in diesen Fällen, eine akute Gefährdung des Kindes zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten. Vor allem beim vigilanzgeminderten Kind sollten die Alarmglocken klingeln und es muss unverzüglich gehandelt werden.

SAA & BPR Anaphylaxie: Der vierte große Beitrag dieser Ausgabe behandelt die aktuellen Standardarbeitsanweisungen und Behandlungspfade im Rettungsdienst (SAA & BPR) zur Anaphylaxie. Aufgrund der Häufigkeit und der potenziell lebensbedrohlichen Gefährdung der Betroffenen ein immer aktuelles Thema. Überprüfen Sie, ob Ihr eigenes Vorgehen den empfohlenen Vorgaben entspricht, und nehmen Sie ggf. eine Feinjustierung Ihrer Maßnahmen vor.

Nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Studium dieser Ausgabe und beim Beantworten der CEE-Fragen.

Bleiben Sie neugierig!
Ihr Volker Wanka



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Article published online:
12 April 2024

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