Ultraschall Med 2024; 45(02): 115-117
DOI: 10.1055/a-2249-6915
Editorial

Potenzial von Simulatoren in der Ultraschalldiagnostik

Artikel in mehreren Sprachen: deutsch | English
Sevgi Tercanli
,
Luigi Raio
 

Künstliche Intelligenz (KI) und Ultraschallsimulatoren werden zunehmend in der medizinischen Bildgebung eingesetzt. Mit dem raschen Einzug der KI und von Phantomen in der Medizin, stellt sich die Frage, welchen Einfluss Sie auf die Ultraschalldiagnostik haben. Fragt man ChatGPT 3.5 nach der Effizienz von Ultraschallsimulatoren kommt u. a. als Antwort, dass Ultraschallsimulatoren in der medizinischen Ausbildung und im Training von Ärzteninnen und Ärzten und medizinischem Personal von unschätzbarem Wert sind und dass angehende Mediziner die Grundlagen der Ultraschallbildgebung erlernen können, ohne dabei echte Patienten zu gefährden oder teure Geräte zu verwenden. Auch wenn dies gegenwärtig etwas übertrieben formuliert scheint, sind die Vorteile von Ultraschallphantomen und einer automatisierten Bildanalyse naheliegend. Ein Schwerpunkt der sogenannten Sonotrainer ist die Anwendung in der Aus-und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten. Die heute verfügbaren Simulatoren decken bereits verschiedene interdisziplinäre Anwendungsgebiete ab. Dies umfasst sowohl die diagnostische Bildgebung als auch interventionelle Verfahren für Schulungszwecke, Befunderhebung, Messpunktsetzung, Gerätekalibrierung und Qualitätskontrolle. Sog. „Tissue-Mimicking Phantome“ imitieren die akustischen Eigenschaften von menschlichem Gewebe, um Ultraschallbilder zu simulieren. „Needle Insertion Phantome“ unterstützen das Erlernen von ultraschallgesteuerten Eingriffen, wie z. B. einer Amniozentese oder das Biopsieren von Tumoren. „Breast Phantome“ simulieren die Bildgebung von Brustgewebe und dienen der Ausbildung und Weiterbildung in der Mammasonographie. „Geburtshilflich Gynäkologische Ultraschallphantome“ werden auch in der pränatalen Diagnostik und in der Vaginalsonographie zunehmend als Aus-und Weiterbildungstool ebenfalls diskutiert. Vor dem Hintergrund, dass die Weiterbildung angesichts knapper institutioneller, personeller und finanzieller Ressourcen in vielen Bereichen der Medizin vor grossen Herausforderungen steht, kann die Integration von Ultraschallsimulatoren in die medizinischen Lehrpläne im Studium oder der Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten als Teil eines strukturierten Lernprogramms ergänzend eingesetzt werden. Als Beispiele sind zu nennen der Ultraschallunterricht im Medizinstudium. So zeigte eine Studie aus Lausanne mit 3 stündigem theoretischem und praktischen Inhalten, inkl. FAST/eFAST-Untersuchungen und der Suche nach freier Flüssigkeit an einem Ultraschallsimulator, dass 89 % der Studierenden den Einsatz eines Ultraschallsimulators befürworteten. Es zeigte sich aber auch, dass 53 % der Studierenden sich nach nur 3 Unterrichtsstunden bereits befähigt fühlten, eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraums durchführen zu können. Dies stimmte den Autor im Hinblick auf seine Rolle als Lehrenden nachdenklich und zeigt, wie wichtig eine ausgewogene Planung der Kursinhalte und ein kritischer Umgang mit neueren Methoden ist [1]. Als Konsequenz derartiger Erfahrungen sollte berücksichtigt werden, dass neben der Euphorie auch die Komplexität der Sonographie und deren Grenzen am Phantom vermittelt werden müssen.

Auch in der Pränataldiagnostik unterstützen Ultraschallsimulatoren und die KI das Erlernen/Erkennen der normalen Sonoanatomie und der standardisierten Biometrie sowie auch die Darstellung von fetalen Fehlbildungen. Eine Metaanalyse des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) wies eine positive Assoziation zwischen der Qualifikation und Erfahrung des Untersuchers und der Detektionsrate fetaler Anomalien auf [2].

Neuere Studien zeigen, dass ein strukturiertes Lernen am Phantom den Untersuchungsstandard in der Pränataldiagnostik erhöhen und die Messgenauigkeit verbessern können. Ein Training am Simulator erlaubt auch ein schnelleres Erlernen und die Darstellung von Standardebenen fetaler Strukturen, inklusive der fetalen Echocardiographie sowie von fetalen Anomalien [3] [4] [5]. Zhao et al. zeigen in einer Multicenterstudie in dieser Ausgabe, dass das simulatorgestützte „obstetric ultrasound competency assessment tool“ (OUCAT) eine gute Reliabilität und Validität bei der Bewertung von Ultraschallfähigkeiten in der Geburtshilfe aufweist und eine Beurteilung der Ultraschallkompetenzen der Untersucher erlaubt. Sie konnten hierbei auch nachweisen, dass die Kompetenz von Experten signifikant besser als die von erfahrenen Auszubildenden war und erfahrene Auszubildenden signifikant besser waren als Anfänger. OUCAT umfasste in dieser Studie immerhin 123 Elemente, von denen 117 deutlich zwischen Anfängern und Experten unterscheiden konnten (p < 0.05).

Das in dieser vorliegenden Ausgabe von Seitzinger et al. ebenfalls vorgestellte INVUS-Phantom ermöglicht ein standardisiertes und realistisches Training von ultraschallgestützten Eingriffen. Die Studienteilnehmerinnen und Teilnehmer waren ungeübte (n = 40) und erfahrene Ultraschalluntersucher (n = 41). Von insgesamt 81 Untersuchern beurteilten 73 Teilnehmende die Visualisierung der Läsionen als realitätsnahe und 86 % (70/81) sprachen dem Phantom zur Erlernung von ultraschallgesteuerten Punktionen eine hohe klinische Bedeutung zu [7].

Im Hinblick auf die Zukunft der Ultraschallgeräte selbst, ist zu erwarten, dass die Auflösung steigen und die Bildqualität verbessert werden wird. KI-Algorithmen werden immer häufiger zur Automatisierung von Bildanalysen führen und vielleicht auch Echtzeitzeit-Unterstützung in der Bildgebung bieten. Zu beachten ist, dass die bislang vielversprechenden Daten retrospektiv erhoben sind und nicht direkt auf die klinische Arbeit übertragen werden können. Neben grösseren Trainingsdatensätzen sind Validierungsstudien anzustreben, die besonders für unerfahrenere Untersucherinnen und Untersucher hilfreich sein können [8].

Dies ist insofern von Relevanz, da z. B. in der pränatalen Diagnostik die Anzahl der diagnostischen Punktionen wie die Chorionzottenbiopsien oder Amniozentesen durch Optimierung des nicht -invasiven Screenings nach Trisomien rasant abgenommen haben [9]. Damit können aufgrund der rückläufigen Punktionsraten in der Pränataldiagnostik nicht mehr genügend Ärztinnen und Ärzte die erforderlichen Fallzahlen und damit die Qualifikationen erreichen [9]. Die Phantome zum Training von Biopsien könnten als zusätzliches Modul das Erlernen erleichtern, sollten aber auch hier wissenschaftlich vorab evaluiert werden.

Ultraschallsimulatoren der neueren Generation in Verbindung mit den rasanten Entwicklungen der KI werden die ärztlichen Kernkompetenzen nicht ersetzen aber helfen die Aus- und Weiterbildung besser zu strukturieren und Sie bei Ihrer Tätigkeit besser auf die klinischen Anwendungen vorzubereiten. Ein erster Schritt hierbei wäre z. B. festzulegen, welchen Anteil Ultraschallsimulatoren in den jeweiligen Kursen haben können. Ein Teil der geforderten Ultraschalluntersuchungszahlen könnten am Phantom absolviert werden. Nützlich wäre auch in den Kliniken Arbeitsplätze mit Ultraschallsimulatoren einzurichten, die von den Aus-und Weiterbildenden genutzt werden können. Bereits jetzt erlauben die Simulatoren verschiedene Szenarien zu üben und ein Feedback zu hinterlegen. Damit eröffnen die Sonotrainer neue Perspektiven im Mentoring und für Zertifizierungprogramme. Der Stellenwert von Ultraschallsimulatoren hängt in der Zukunft davon ab, wie realistisch der Simulator ist. Realistische Gewebemodelle und Bildgebungsmodule werden die Erreichung von Lernzielen fördern. Begleitend erforderlich ist eine wissenschaftliche Evaluierung der Effizienz und der z. T. hohen Anschaffungskosten im Vergleich zu den klinischen Anforderungen. Da die ärztlichen Aufgaben nicht nur in der diagnostischen Bildgebung und deren klinischer Bewertung liegen, werden in hohem Mass auch kommunikative Kompetenzen von ärztlicher Seite eine weiterhin grössere Rolle spielen, sodass die Simulatoren und KI ärztliche Aufgaben nicht ersetzen, sondern fordern und fördern werden.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Sevgi Tercanli
Praxis, Universitätsspital Basel
Freie Strasse 38
4001 Basel
Switzerland   
Telefon: +41/6 12 60 28 80   
Fax: +41/6 12 60 28 88   

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
04. April 2024

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