Die Wirbelsäule 2024; 08(03): 145
DOI: 10.1055/a-2246-1369
Editorial

Medizinrechtliche Aspekte bei der Patientenbehandlung

Wahrscheinlich hat sich während seines Medizinstudiums kaum jemand Gedanken darüber gemacht, welche rechtlichen Dimensionen der Arztberuf hat. Wir alle gehen davon aus, dass jeder klinisch tätige Arzt seinen Patienten helfen möchte. Gleichzeitig ist jedem Arzt die rechtliche Doktrin bekannt, dass ein Eingriff – und das gilt nicht nur für eine Operation – als Körperverletzung zu werten ist, die zu ihrer Rechtfertigung der Einwilligung des jeweiligen Patienten bedarf.

Die moderne Rechtsprechung ist bestrebt, einen Ausgleich herzustellen zwischen den wissenden Ärzten und dem Patienten als Laien. Dieses hat sich insbesondere in dem „Patientenrechtegesetz“, welches 2013 vom Bundestag verabschiedet wurde, niedergeschlagen. Angestrebt wird eine partnerschaftliche Arzt-Patienten-Beziehung, bei welcher der Arzt bestrebt und verpflichtet ist, dem Patienten einerseits die Behandlung und ihre Risiken verständlich zu machen, andererseits aber auch Therapiegrenzen und Alternativen aufzuzeigen. Das darauf aufbauende Haftungsrecht verlangt vom Arzt kritisches Überdenken von Indikationen und Therapiestrategien und eine intensive, patientenorientierte Kommunikation.

Im Schadensfall wird der medizinische Standard für die jeweilige Indikation und Therapie als Grundlage einer rechtlichen Bewertung herangezogen. Der medizinische Standard ist durch den Erkenntnisstand der evidenzbasierten Medizin und/oder Leitlinien definiert. In diesem Zusammenhang geht es nicht um das neueste Therapiekonzept, sondern um bewährte Methoden, die in der Patientenbehandlung allgemein anerkannt sind.

Auch dem medizinischen Fortschritt wird von Seiten des Haftungsrechts Rechnung getragen. Kommt eine neue eventuell noch nicht zugelassene Methode zur Anwendung, ist der Patient hierauf hinzuweisen und eine besonders detaillierte Aufklärung über Nutzen und Risiken vorzunehmen. Dies gilt auch bei der Nutzung von Implantaten, die außerhalb der zugelassenen Indikation liegen.

Im Zentrum der Patientenbehandlung sollte deshalb die Kommunikation stehen. Sie sollte im Vorfeld der Behandlung ausführlich sein, die Behandlung begleiten und nach deren Abschluss Handlungsempfehlungen für die Zukunft beinhalten.

Im Falle von Krisensituationen wie beispielsweise Komplikationen oder möglichen Fehlbehandlungen ist das wiederholte und ausführliche Gespräch mit Patienten und Angehörigen ein Schlüssel für bleibendes Vertrauen im Arzt-Patienten-Verhältnis.

Ich freue mich Ihnen die neue Ausgabe der Zeitschrift „Die Wirbelsäule“ vorlegen zu dürfen. Mit dem Schwerpunkt Arzthaftungsrecht sollen vier Beiträge die oben genannten Aspekte vertiefen und Ihnen eine über den medizinischen Blickwinkel hinausgehende Hilfestellung für einen besseren und sicheren Umgang mit Ihren Patienten geben.

Ihr
Prof. Dr. med. Michael Winking
Facharzt für Neurochirurgie, Gesundheitsökonom (BA)



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Article published online:
13 August 2024

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