Notaufnahme up2date 2024; 06(02): 115-117
DOI: 10.1055/a-2197-3237
Editorial

Digitalisierung in der Notaufnahme – ein KHZG-Märchen

Contributor(s):
Sylvia Schacher

Es war einmal im Oktober 2020, ein gutes halbes Jahr nach Beginn der COVID-19-Pandemie, da trat auf wundersame Weise das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) in Kraft.

Ziel war es, die digitale Infrastruktur der deutschen Krankenhäuser zu verbessern. Deren Mängel waren durch die Pandemie deutlich zum Tragen gekommen – viele von uns werden sich an die Unmengen von Faxnachrichten an das Gesundheitsamt zur Meldung positiver COVID-19-Patient:innen erinnern.

Ein warmer Geldregen sollte über die Krankenhäuser niedergehen, 3 Milliarden Euro innerhalb von 3 Jahren vom Bund, dazu noch weitere 1,3 Milliarden von den Ländern: Mittel für moderne Notfallkapazitäten, IT-Sicherheit und verbesserte Versorgungsstrukturen.

Und die Notaufnahme stand unter den 11 festgelegten „Fördertatbeständen“ (FTB) an erster Stelle!

Der Pferdefuß dabei: Der FTB 1 Notaufnahme war kein verpflichtender FTB, das waren nur die FTB 2 bis 6 (Patientenportale, digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation, klinische Entscheidungsunterstützungssysteme, digitales Medikationsmanagement, digitale Leistungsanforderung) sowie der FTB 10, IT-Sicherheit. Dies führte dazu, dass viele Klinikleitungen aufgrund des komplizierten Antragsverfahrens gar nicht erst Anträge für ihre Notaufnahme stellten. Und selbst bei denen, die es getan haben und deren Anträge bewilligt wurden, ist drei Jahre nach Beginn in den wenigsten Fällen schon etwas in der Klinik vor Ort von einer Umsetzung zu spüren.

Das gilt genauso für die verpflichtenden FTB, von denen die Notaufnahme zumindest indirekt profitieren würde. Und so führt die überbordende Bürokratie zur Verschiebung der Fristen: sollten ursprünglich die Projekte zum 31.12.2021 umgesetzt sein, so müssen sie jetzt lediglich bis zum 31.12.2024 beauftragt worden sein. 2025 und 2026 müssen die Kliniken die Nutzung der verpflichtenden digitalen Projekte nicht nachweisen. Anschließend gibt es einen Stufenplan, nachdem die Krankenhäuser zum 31.12.2027 nachweisen müssen, dass Pflichtprojekte zu mindestens 60% realisiert wurden. Im Jahr 2028 muss die Nutzungsquote bei 70% und 2029 bis 2031 bei mindestens 80% liegen, sonst folgen finanzielle Sanktionen. Somit ist aus der Zeitspanne von initial eineinhalb Jahren ein Zeitraum von 10 Jahren geworden. Ein Sofortprogramm sieht anders aus – böse Zungen sprechen daher bereits vom KHZG als „Rohrkrepierer“.

Dazu kommt, was im KHZG nicht berücksichtigt ist, aber jeder, der sich einen Computer und die dazugehörige Software kauft, kennt: die Unterhaltung sowohl der Hard- als auch der Software kostet mindestens 20–30% der Anschaffungskosten/Jahr. Wie wird dies weiter finanziert?

Zudem führte die gleichzeitige Beantragung von IT-Projekten im Rahmen des KHZGs zu Engpässen bei den IT-Dienstleistern und einer großen Konkurrenzsituation mit entsprechenden wirtschaftlichen Auswirkungen.

Gebremst wird die Umsetzung der KHZG-Projekte auch durch die andiskutierte Krankenhausreform. Wenn die Krankenhausreform zu Änderungen hinsichtlich der Ausrichtung und des Leistungsumfangs führt oder gar der Bestand eines gesamten Krankenhauses zur Diskussion steht, sind nicht mehr alle Digitalisierungsprojekte sinnvoll und umsetzbar. Zumal hier neue Aspekte, wie die sektorenübergreifende Datenübertragung ambulant/stationär, gefordert werden, die bisher völlig undenkbar waren.



Publication History

Article published online:
02 April 2024

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