Dtsch Med Wochenschr 2024; 149(07): 348-349
DOI: 10.1055/a-2171-5143
Aktuell publiziert

Kommentar zu „Intensive Blutdruckkontrolle verschlechtert klinisches Ergebnis nach EVT“

Contributor(s):
Joachim Schrader
,
Stephan Lüders

Die OPTIMAL-BP-Studie geht der Frage nach, ob bei Patienten nach erfolgreicher intraarterieller Thrombektomie eine intensive Blutdruckkontrolle die hämorrhagische Transformation und das Ödem in der Infarktregion und somit die endgültige Hirnschädigung verringern kann. Hierauf weisen frühere Beobachtungsstudien zumindest teilweise hin.

Die Studie wurde jedoch nach der Rekrutierung von 306 der geplanten 668 Patienten vorzeitig abgebrochen, da eine intensive Blutdruckkontrolle die Prognose verschlechterte.

Die Patienten wurden innerhalb von 2 Stunden nach erfolgreicher Reperfusion randomisiert einer intensiven (SBP-Ziel <140mmHg) oder konventionellen Behandlung (SBP-Ziel 140–180 mmHg) zugeteilt, die innerhalb einer Stunde nach der Randomisierung erreicht und 24 Stunden lang aufrechterhalten werden sollte. Während des Behandlungszeitraums lagen die Patienten der Intensivgruppe insgesamt 83% der Zeit im angestrebten Blutdruckbereich von unter 140mmHg. Hypotensionen (< 100mmHg systolisch) traten bei 29,7% der intensiv behandelten Gruppe auf, aber auch bei 17,3% der Kontrollgruppe. Blutdruckwerte über 180mmHg traten nicht signifikant unterschiedlich auf. In der Intensivgruppe erhielten 74,2% Antihypertensiva intravenös.

In der gleichen Ausgabe von JAMA erschien mit der BEST-II eine weitere Studie zur Blutdrucksenkung nach intraarterieller Thrombektomie, die ebenfalls keinen Vorteil einer intensiveren Blutdrucksenkung zeigen konnte [1].

Bereits zuvor hatten 2 randomisierte klinische Studien (RCTs), „Blood Pressure Target in Acute Stroke to Reduce Hemorrhage After Endovascular Therapy“ (BP-TARGET) [2] und die „Enhanced Control of Hypertension and Thrombolysis Stroke Study“ (ENCHANTED2/MT) [3] keine verbesserten klinischen Ergebnisse mit intensiver Blutdrucksenkung nach Reperfusionseingriffen gezeigt.

Insgesamt konnten damit in 4 Studien keine verbesserten oder schlechteren Ergebnisse nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der Studien stimmen nicht mit den vorläufigen Daten retrospektiver Kohorten überein, deren Evidenz-Niveau auch nur als mäßig eingestuft werden kann.

Auch bei ischämischen Schlaganfällen ohne intraarterielle Thrombektomie verschlechterte in retrospektiven Untersuchungen ein sehr hoher Blutdruck die Prognose.

Eine intensive Blutdrucksenkung in randomisierten Studien erwies sich dagegen aber als schädlich, insbesondere wenn der Blutdruck zu schnell gesenkt wurde. Vor allem eine Blutdrucksenkung von mehr als 15% des Ausgangswertes in kurzer Zeit erwies sich als schädlich.

Ein hoher Blutdruck nach ischämischem Schlaganfall findet sich häufig. Der Blutdruck beginnt sich bei den meisten Patienten in den ersten Tagen auch ohne antihypertensive Therapie zu normalisieren. Dieses Phänomen wird als Versuch des Körpers interpretiert, die Perfusion in dem kollateralabhängigen Penumbralgewebe zu verbessern. Auch könnte das Ausmaß des initialen Blutdruckanstiegs mit dem Ausmaß der Ischämie korrelieren.

Darüber hinaus ist die zerebrale Autoregulation von Blutdruck und Blutfluss ein komplexes Phänomen, bei dem verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Die Erwartung eines signifikanten Effekts durch eine Blutdrucksenkung könnte eine zu starke Vereinfachung sein.



Publication History

Article published online:
13 March 2024

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  • Literatur

  • 1 Mistry E. et al. Blood Pressure Management After Endovascular Therapy for Acute Ischemic Stroke: The BEST-II Randomized Clinical Trial. JAMA 2023; DOI: 10.1001/jama.2023.14330.
  • 2 Mazighi M. et al. Safety and efficacy of intensive blood pressure lowering after successful endovascular therapy in acute ischaemic stroke (BP-TARGET): a multicentre, open-label, randomised controlled trial. Lancet Neurology 2021; DOI: 10.1016/S1474-4422(20)30483-X.
  • 3 Yang P. et al. Intensive blood pressure control after endovascular thrombectomy for acute ischaemic stroke (ENCHANTED2/MT): a multicentre, open-label, blinded-endpoint, randomised controlled trial. Lancet 2022; DOI: 10.1016/S0140-6736(22)01882-7.
  • 4 Ringleb P. et al. Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls, S2e-Leitlinie, 2022 Version 1.1, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Accessed January 31, 2024 at: www.dgn.org/leitlinien