Endo-Praxis 2023; 39(03): 106
DOI: 10.1055/a-2084-9379
Editorial

Soft-Skills in der Endoskopie

Rainer Duchmann

Die Basis für eine professionelle Leistung liegt zweifellos in einer möglichst guten theoretischen und handwerklich-technischen Ausbildung. Dies gilt auch für die Endoskopie und ist Inhalt von Ausbildungscurricula sowie Fort- und Weiterbildungen.

Der Erfolg der endoskopischen Tätigkeit wird jedoch nicht nur durch hierdurch erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten bestimmt. So findet die praktische Arbeit in interprofessionellen Teams und oft in komplexen Situationen statt. Erfolg, Qualität und Sicherheit sind insofern nicht nur von der fachlichen Kompetenz der Beteiligten abhängig, sondern auch ganz wesentlich von deren nichttechnischen Kompetenzen, auch Soft-Skills genannt.

Soft-Skills sind nach meiner Erfahrung auch für das persönliche Erleben unserer Patienten von besonderer Bedeutung. So ist es doch eher selten, dass sich Patienten konkret für die fachlich hervorragende Durchführung einer endoskopischen Leistung bedanken – die sie in der Regel nicht ausreichend beurteilen können. Sie sind eher emotional berührt, zufrieden, wenn ihre Behandlung ohne Probleme oder Komplikationen verlief, hierdurch allgemein von einer Sorge entlastet, oder fühlen sich in schwierigen, belastenden Situationen optimaler Weise gut geborgen. Insofern erlebe ich positive Patientenkommentare häufig in Form einer eher undefinierten, aber mit innerer Überzeugung geäußerten Dankbarkeit. Da ich das Glück habe, mit einem wunderbaren Team zusammenarbeiten zu dürfen, höre ich auch des Öfteren den wie ich finde wunderbaren Kommentar „Sie haben aber ein nettes Team!“. Jetzt könnte man sophistisch einwenden, dass ich kein Team „habe“, sondern Teil des Teams bin. Wie auch immer, an diesen Tagen gehe ich abends besonders zufrieden nach Hause.

In der Fachliteratur versucht man, sogenannte „Behavioral-Marker-Systeme (BMS)“, Kriterien und Messmethoden zu etablieren, um nichttechnische Kompetenzen anhand von Verhalten zu erfassen. Dies kann dann z. B. zu Ausbildungszwecken verwendet werden, mit dem Ziel, einen hohen Grad der Team-Performance zu erreichen. Schemata für hocheffektive Teams sind z. B. aus der Flugindustrie unter dem Begriff „crew resource management“ (CRM) bekannt.

Für im Gesundheitssystem arbeitende Teams sind BMS in der Literatur unter anderem für die Intensivstation, die Wiederbelebung von Neugeborenen, den Operationssaal, für Krankenhausstationen und die allgemeine Gesundheitsversorgung publiziert.

Eine aktuelle Studie (S. Ravindran et. al, Endoscopy, 2023; 55: 403–412) hat sich nun damit beschäftigt, für die Endoskopie zentrale nicht-technische Kompetenzen, im Englischen Endoscopic Non-Technical Skills (ENTS), zu definieren und einen Rahmen für ein Endoskopie-spezifisches, Team-basiertes BMS zu entwickeln.

Die Studie definiert unter der Kategorie „Kommunikation“ drei „Elemente und Deskriptoren“, a) den Austausch von Information mit Fokus auf einen effektiven Informationsaustausch zwischen den Team Mitgliedern, b) die Aufrechterhaltung eines offenen Dialogs mit Fokus, die Kommunikationskanäle zwischen den Teammitgliedern offen zu halten und c) die Kommunikation mit dem Patienten. Verhaltensbeschreibungen für gute und für schlechte Kommunikation werden detailliert angegeben.

Dass durch die Studie generierte TEAM-ENTS BMS liefert somit ein neues System, um nicht-technische Skills von Endoskopie Teams zu messen. Ob und wieweit dies weiterentwickelt wird, konkret Eingang in die Aus- und Weiterbildung, die Simulation, die Teamanalyse und allgemein in den klinischen Alltag finden wird, wird die Zukunft zeigen.

Wichtig scheint mir jedoch schon jetzt, und das motiviert die Studie zweifelsohne, sich die Bedeutung der nicht-technischen Kompetenzen im Alltag immer wieder bewusst zu machen, sie zu schätzen, zu entwickeln und zu pflegen.

Die Patienten werden von den positiven Effekten profitieren, und auch uns wird die Arbeit in einem funktionalen Team viel mehr Spaß machen.

Mit diesem Plädoyer für die Soft-Skills grüßt Sie diesmal besonders herzlich

Ihr

Rainer Duchmann



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Article published online:
30 August 2023

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