CC BY-NC-ND 4.0 · Dtsch Med Wochenschr 2023; 148(13): e65-e75
DOI: 10.1055/a-2075-5488
Originalarbeit

Arbeitsmedizinische Aspekte bei der Eindämmung der COVID-19-Pandemie: Erfahrungen aus einem Großunternehmen der chemischen Industrie

Occupational medical aspects of COVID-19 pandemic containment: experiences from a large chemical company
Matthias Claus
1   Corporate Health Management, BASF SE, Ludwigshafen am Rhein, GERMANY (Ringgold ID: RIN5184)
,
Gerold Koch
1   Corporate Health Management, BASF SE, Ludwigshafen am Rhein, GERMANY (Ringgold ID: RIN5184)
,
Daniel Frambach
1   Corporate Health Management, BASF SE, Ludwigshafen am Rhein, GERMANY (Ringgold ID: RIN5184)
,
Arne Jonas Warnke
2   DataCamp Belgium BV, Kessel-Lo, BELGIUM
3   AI Solutions Digitalization of Services & Core Systems, BASF SE, Ludwigshafen am Rhein, GERMANY
,
Stefan Webendörfer
1   Corporate Health Management, BASF SE, Ludwigshafen am Rhein, GERMANY (Ringgold ID: RIN5184)
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Einleitung Ziel des Beitrags ist die Beschreibung der Erfahrungen eines Großunternehmens der chemischen Industrie bei der Eindämmung der COVID-19-Pandemie. Es werden Zeitpunkt und Inhalt getroffener Maßnahmen dargestellt sowie der pandemische Verlauf aus Unternehmenssicht beschrieben.

Methoden Die Darstellungen beziehen sich auf das Infektionsgeschehen und die Infektionsschutzmaßnahmen am Hauptstandort des Unternehmens in Ludwigshafen von März 2020 bis Mai 2022. Unternehmensintern erfasste Daten zu Meldedatum einer Infektion, Infektionsort, Anzahl enger Kontaktpersonen und Mitarbeitergruppe wurden u.a. mittels Werkskarte (aktive Infektionen) und Netzwerkgrafik (Infektionsketten) visualisiert, zudem wurden 7-Tages-Inzidenzen errechnet. Ergänzend wurde aus öffentlich zugänglichen Daten des Robert Koch-Instituts ein gewichteter Mittelwert der Inzidenzen aus werksnahen Landkreisen (gewichtet nach der Anzahl wohnhafter Mitarbeitender im Landkreis) berechnet und mit dem Verlauf unternehmensspezifischer Inzidenzen verglichen.

Ergebnisse Bis zum Ende des Follow-Ups am 31.05.2022 wurden 9379 Infektionen mit SARS-CoV-2 bei Mitarbeitenden und weitere 758 bei Leasingkräften erfasst, darunter 368 (4%) bzw. 84 (11%) vermutete Infektionen auf dem Werksgelände. Der Verlauf der 7-Tages-Inzidenzen bei Mitarbeitenden stimmte größtenteils mit dem Verlauf in der unmittelbaren Werksumgebung überein. Die Inzidenz vermuteter Werksinfektionen verblieb überwiegend auf vergleichsweise niedrigem Niveau unter 100 Neuinfektionen über 7 Tage/100 000.

Diskussion Die kontinuierliche Erfassung und Analyse von SARS-CoV-2-Neuinfektionen bei Mitarbeitenden liefern wertvolle Informationen zur effektiven Steuerung von Schutzmaßnahmen im Unternehmen. Damit kann zielgerichtet, mittels Verschärfung oder Lockerung von verordneten Schutzmaßnahmen, auf Veränderungen der Anzahl an Neuinfektionen auf dem Werksgelände reagiert werden.


#

Abstract

Introduction With the present paper we aim to describe the experience of a large chemical company in tackling the COVID-19 pandemic. Specifically, we describe the timing and content of implemented measures and outline the course of the pandemic from the company’s perspective.

Methods We describe the infection protection measures and the pandemic course at the company’s main site in Ludwigshafen (Germany) from March 2020 to May 2022. Company-specific data on the date of reporting an infection, suspected place of infection, number of close contacts, and the employee group were used to calculate 7-day-incidences and visualized, among other things, by means of a plant map (active infections) and a network chart (chains of infection). In addition, a weighted average of the incidences from districts close to the plant (weighted by the number of resident employees within the district) was calculated using publicly available data by the Robert Koch Institute and compared with the course of company-specific incidences.

Results At the end of follow-up on 31st May 2022, 9,379 infections with SARS-CoV-2 had been recorded in employees and 758 more in leasing staff, including 368 (4%) and 84 (11%) suspected infections at the workplace/on-site, respectively. The course of 7-day incidences among employees was mainly consistent with that in the surrounding districts. The incidence of suspected infections on-site/at the workplace remained predominantly at a comparatively low level below 100 new infections over 7 days/100,000.

Discussion The continuous monitoring and analysis of new SARS-CoV-2 cases among employees provides valuable information for the effective management of protective measures in the company. It enables a targeted response to changes in the number of new cases on the plant site by tightening or relaxing protective measures.


#

Einleitung

Als die Volksrepublik China am 31.12.2019 die World Health Organization (WHO) über ein Cluster an Fällen einer neuen Lungenkrankheit informierte, ahnte noch niemand, dass sich die folgende Ausbreitung der „COVID-19“ genannten Erkrankung, verursacht durch das SARS-CoV-2-Virus, zu der größten Pandemie seit der Spanischen Grippe Anfang des 20. Jahrhunderts entwickeln würde. Kurze Zeit später, am 27.01.2020, wurde auch in Deutschland die erste Infektion bestätigt [1].

In der mit etlichen Unsicherheiten verbundenen ersten pandemischen Phase (Februar–April 2020) stellte die Möglichkeit eines hohen krankheitsbedingten Ausfalls von Menschen im berufsfähigen Alter bei gleichzeitig hoher Krankheitslast eine potenzielle Bedrohung der Funktionalität moderner Gesellschaftsstrukturen dar, während gleichzeitig vorhandene Pandemiepläne in der Industrie und der öffentlichen Verwaltung nicht auf eine Pandemie mit langfristigem Verlauf ausgelegt waren.

Auf Basis dieser Entwicklungen definierten sich 2 wesentliche Ziele des unternehmensspezifischen Pandemiemanagements: die Mitarbeitenden bestmöglich vor einer SARS-CoV-2-Infektion am Arbeitsplatz zu schützen und gleichzeitig die Produktion und kritische Infrastruktur des Unternehmens aufrechtzuerhalten.

Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung sollen die Erfahrungen eines Großunternehmens der chemischen Industrie zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie aus Sicht des Corporate Health Managements (CHM) beschrieben werden. Dabei werden insbesondere Zeitpunkt und Inhalt unternehmensspezifischer Maßnahmen sowie der Verlauf der Pandemie aus Unternehmenssicht dargestellt.


#

Methoden

Setting

Die vorliegenden Beschreibungen beziehen sich auf das Infektionsgeschehen sowie die Infektionsschutzmaßnahmen am Hauptstandort der BASF SE in Ludwigshafen. Es handelt sich dabei um eines der größten zusammenhängenden Chemieareale der Welt und um einen Verbundstandort, d.h., dass viele der etwa 200 Produktionsanlagen im Rahmen von Produktionsketten in ihrer Funktionalität miteinander verbunden sind.

Zum 1. März 2020, bevor der erste Mitarbeitende positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurde, waren etwa 35 000 Personen (davon ca. 20% weiblich) als reguläre Mitarbeitende am Standort tätig. Hinzu kommen etwa 15 000 Fremdfirmenmitarbeitende sowie eine unbestimmte Anzahl an Lieferanten und Besuchern, die sich täglich auf dem Werksgelände aufhalten. Die generell große Anzahl von Personen auf dem Werksgelände und damit assoziierte Zusammenkünfte von Mitarbeitenden in Großraumbüros, Kantinen, Firmenbussen und Waschräumen sowie die große Anzahl an Pendlern und Geschäftsreisenden aus unterschiedlich betroffenen Gebieten machen die vielfältigen Aspekte von Infektionsrisiken auf dem Werksgelände aus.


#

Akteure des Pandemiemanagements

Neben den vorhandenen Strukturen für besondere Lagen, wie der Lenkungsausschuss Gefahrenabwehr (LAG), welcher sich u.a. aus Unternehmensvorstand, Werksleitung, Gefahrenabwehreinheiten und der Standortkommunikation zusammensetzt, wurde im Februar 2020, noch vor dem ersten Auftreten einer SARS-CoV-2-Infektion im Unternehmen, aus Mitarbeitenden des CHM eine „COVID-19-Taskforce“ etabliert. Beim CHM handelt es sich um eine werksärztliche Abteilung mit etwa 150 Mitarbeitenden, welche sich auf dem Werksgelände befindet und mehr als 20 Ärztinnen und Ärzte sowie Mitarbeitende, u.a. aus den Bereichen Pflege und Rettungsdienst, beschäftigt. Kernaufgaben der Taskforce bestanden in der Information von Mitarbeitenden und Management, der Nachverfolgung von Infektionsfällen sowie dem Unterbrechen von Infektionsketten und der Koordination mit Behörden. Darüber hinaus erfolgte ein Monitoring des Pandemieverlaufs unter Verwendung unternehmensinterner und -externer Daten, um ein aktuelles Lagebild im Werk und in der Umgebung zu erhalten.


#

Datenerfassung und statistische Analysen

Zur Information der COVID-19-Taskforce wurden Daten aus verschiedenen Quellen aufbereitet und als „Corona-Updates“ mehrmals wöchentlich per E-Mail versendet.

Daten zu COVID-19-Fallzahlen in Deutschland wurden einem öffentlich zugänglichen, durch das Robert Koch-Institut (RKI) täglich aktualisierten Datensatz, entnommen. Dieser Datensatz enthält u.a. die tagesaktuellen COVID-19-Fallzahlen, Einwohnerzahlen und 7-Tages-Inzidenzen pro 100 000 Personen auf Ebene der Landkreise/kreisfreien Städte (LK) [2]. Diese Daten wurden extrahiert, um das Infektionsgeschehen in der unmittelbaren Werksumgebung darzustellen. Dazu wurden zum einen Choroplethenkarten verwendet, welche je nach Ausprägung der COVID-19-Fallzahlen in den werksnahen LK unterschiedlich eingefärbt wurden. Berücksichtigt wurden dabei alle LK mit mindestens 10 wohnhaften BASF-Mitarbeitenden zu Pandemiebeginn. Darüber hinaus wurde ein sogenannter „Landkreisindikator“ berechnet. Dabei handelt es sich um einen gewichteten Mittelwert der 7-Tages-Inzidenzen pro 100 000 Personen, welcher nach Anzahl der im jeweiligen LK wohnhaften Mitarbeitenden am Standort Ludwigshafen (zu Beginn der Pandemie) gewichtet wurde. Dieser Indikator fasste das Infektionsgeschehen in den werksnahen LK zusammen, diente als Hinweis für den externen Infektionsdruck auf das Werk und berechnete sich zum Datum „t“ wie folgt:

Zoom Image

N: Anzahl BASF-Mitarbeitende insgesamt zu Beginn der Pandemie
nj : Anzahl BASF-Mitarbeitende wohnhaft im Landkreis j zu Beginn der Pandemie
j: Landkreis

Darüber hinaus wurden öffentlich zugängliche Daten der Johns-Hopkins-Universität zum globalen Infektionsgeschehen verwendet [3]. Der Datensatz beinhaltete dabei u.a. die nach Datum und Land/Region stratifizierten kumulativen COVID-19-Fallzahlen. Unter Verwendung dieser Daten wurden 7-Tages-Inzidenzen/100 000 Einwohnerinnen und Einwohner für ausgewählte europäische Länder berechnet und mit dem zeitlichen Verlauf in Deutschland verglichen. Die Analyse dieser Daten diente einerseits als Frühwarnsystem für die Entwicklung in Deutschland – im Falle sich rasch verändernder Inzidenzraten im (europäischen) Ausland (bspw. durch neue Virusvarianten), zum anderen konnte dadurch eine aktuelle Einschätzung der Gefährdungssituation im Falle von Dienstreisen getroffen werden.

Daneben wurden unternehmensinterne Daten zum Datum des Eingangs einer Fallmeldung beim CHM, Datum der Rückkehr an den Arbeitsplatz nach Infektion (abhängig von Erkrankungs-/Quarantänedauer), zur Anzahl enger Kontaktpersonen, Mitarbeitergruppe (BASF- oder Leasing-Mitarbeitende) sowie zum vermuteten Ort der Ansteckung (Werksgelände oder außerhalb) berücksichtigt. Abgesehen von der Anzahl enger Kontaktpersonen wurden diese Informationen im Falle eines erkrankten Mitarbeitenden telefonisch oder per E-Mail mit Hilfe eines Formulars an das CHM gemeldet. Dabei wurde nicht zwischen PCR-Tests und/oder Selbst- bzw. Schnelltests unterschieden. Die Identifikation der Anzahl enger Kontaktpersonen eines infizierten Mitarbeitenden erfolgte durch die Taskforce und orientierte sich an den Vorgaben des RKI (Kontaktpersonennachverfolgung durch das CHM bis zum 14.03.2022) [4]. Aus den intern erhobenen Daten wurden u.a. 7-Tages-Inzidenzen pro 100 000 Personen für a) BASF-Mitarbeitende (n=35 000), b) BASF-Mitarbeitende und Leasingkräfte zusammen (n=50 000) sowie c) vermutete Werksinfektionen bei BASF-Mitarbeitenden und Leasingkräften (n=35 000, ungefähre tägliche Anzahl an BASF- und Leasingkräften auf dem Werksgelände) als Summe der Anzahl von gemeldeten Neuinfektionen in der jeweiligen Gruppe über die letzten 7 Tage geteilt durch die Anzahl an Mitarbeitenden in der jeweiligen Gruppe (multipliziert mit 100 000) berechnet.

Statistische Analysen wurden mit STATA/SE 17.1 (StataCorp LLC; College Station, TX, USA), SAS 9.4 (SAS Institute, Cary, NC, USA) sowie R 4.1.2 (R Core Team [5] unter Verwendung des Pakets visNetwork [6]) durchgeführt.


#
#

Ergebnisse

Die am Standort Ludwigshafen getroffenen Maßnahmen von Januar 2020 bis Mai 2022 sind in [Abb. 1] visualisiert. Zum Vergleich sind auch Maßnahmen für Deutschland insgesamt dargestellt. Der erste Fall eines positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Mitarbeitenden wurde dem CHM Anfang März gemeldet. Zu diesem Zeitpunkt waren in Rheinland-Pfalz 7 bekannte Fälle aufgetreten.

Zoom Image
Abb. 1 Maßnahmen zur Eindämmung von SARS-CoV-2 am Standort Ludwigshafen der BASF SE und in Deutschland (Januar 2020–Mai 2022).

Beschreibung der Maßnahmen

Im März 2020 wurde eine 24h-Hotline eingerichtet, welche von CHM-Mitarbeitenden besetzt wurde und sowohl Meldungen zu neuen Infektionsfällen aus den einzelnen Einheiten entgegennahm als auch Fachberatung zu Fragen rund um SARS-CoV-2 erbrachte. Wenn erkrankte Mitarbeitende dies wünschten, wurden sie in ihrer Krankheitszeit durch das CHM regelmäßig kontaktiert und beraten.

Dienstreisen wurden durch die Werksleitung je nach Pandemiegeschehen gänzlich untersagt oder für spezifische, durch das RKI definierte Risikogebiete zeitlich eingeschränkt. Reiserückkehrer aus Gebieten mit regionaler Häufung mussten ihre Tätigkeit, soweit möglich, als mobile Arbeit verrichten oder wurden bezahlt freigestellt.

Zur Aufdeckung möglicher innerbetrieblicher Infektionen wurden neben der Erfassung von Kontaktpersonen infizierter Mitarbeitender epidemiologische Daten grafisch visualisiert. Dabei wurde darauf abgezielt, ein aktuelles Lagebild des Infektionsgeschehens zu erhalten, um weitere Ausbreitungen der Infektion in den Betrieben zu verhindern.

Gemeinsam mit den Kollegen und Kolleginnen der Arbeitssicherheit wurden Kriterien entwickelt, mit denen für jeden Arbeitsplatz eine infektionsspezifische Gefährdungsbeurteilung auf Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes durchgeführt und entsprechende Maßnahmen nach dem „TOP-Prinzip“ abgeleitet werden konnten. Dabei standen technische Maßnahmen, wie bspw. Anpassung der Lüftungsanlagen, vor organisatorischen (z.B. Förderung der mobilen Arbeit) und personenbezogenen Maßnahmen (bspw. Ausgabe von Atemschutzmasken). In Betrieben mit einer Häufung von Infektionsfällen konnten durch gemeinsame Begehungen von Personal der Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin sowie den Betriebsleitungen und den Mitarbeitenden vor Ort Einzelfallmaßnahmen, wie eine verschärfte Maskenpflicht oder gezielte Testangebote, temporär eingeführt werden.

Die Infrastruktur des Standorts wurde an das jeweilige Infektionsgeschehen angepasst. So wurde die Taktfrequenz des werkseigenen Linienverkehrs erhöht und zeitweise der Vor-Ort-Verzehr in den Werkskantinen eingeschränkt, um insbesondere die Bildung von überbetrieblichen Infektionsketten zu vermeiden.

Eine weitere frühzeitige Präventionsmaßnahme am Standort zur Kontaktreduktion war die bereits im März 2020 getroffene Entscheidung des Managements, mobiles Arbeiten von zuhause zu ermöglichen.

In internen Onlinemedien, einer werkseigenen Zeitung und in für verschiedene Zielgruppen gestalteten Frage-Antwort-Katalogen wurden den Mitarbeitenden Informationen zur Erkrankung, den notwendigen Maßnahmen und, im Verlauf, zur Möglichkeit der Impfung zur Verfügung gestellt.

Durch die im Vorfeld gesammelten Erfahrungen aus zurückliegenden Impfaktionen, die vorhandene Standortinfrastruktur und durch die begrenzten Kapazitäten in den öffentlichen Impfzentren erhielt die BASF im März 2021 vom Land Rheinland-Pfalz im Rahmen eines Pilotprojekts den Auftrag, betriebliche COVID-19-Impfungen durchzuführen, welche den Mitarbeitenden ab April 2021 erstmalig angeboten wurden.

Am 24. November 2021 wurde ein 3G-Nachweis – geimpft, genesen, oder negativ getestet – für alle Mitarbeitenden verpflichtend, ab dem 7. Dezember 2021 war der Zutritt zum Arbeitsplatz bzw. Werksgelände nur mit einem digitalen Nachweis des Impf- bzw. Genesenenstatus gestattet. Alle Mitarbeitenden, die keinen Impf- bzw. Genesenennachweis vorweisen konnten oder wollten, mussten arbeitstäglich einen maximal 24 Stunden zurückliegenden negativen Antigentest nachweisen, alternativ einen negativen PCR-Test, der maximal 48 Stunden zurücklag.


#

Monitoring des pandemischen Verlaufs im Unternehmen und außerhalb

Bis zum Ende des Follow-Ups (31.05.2022) wurden insgesamt 9379 Infektionen mit SARS-CoV-2 bei BASF-Mitarbeitenden und 758 weitere unter Leasingkräften durch das CHM erfasst. Darunter befanden sich 368 Infektionen bei BASF-Mitarbeitenden, welche vermutlich auf dem Werksgelände aufgetreten waren (4% aller erfassten Infektionen in dieser Gruppe), sowie 84 unter den Leasingkräften (11%). Die höchsten Fallzahlen wurden dabei mit Abstand im Zuge der Verbreitung der Delta- und Omikron-Varianten ab November 2021 erfasst ([Abb. 2]).

Zoom Image
Abb. 2 7-Tages-Inzidenzen von BASF-Mitarbeitenden (blau), vermuteten Infektionen auf dem Werksgelände (rot) sowie im Umkreis des Werksgeländes Ludwigshafen (violett; Stand: 31.05.2022).

Deutlich erkennbar ist der überwiegend gleichmäßige Verlauf der 7-Tages-Inzidenzen pro 100 000 bei BASF-Mitarbeitenden und in der unmittelbaren Werksumgebung (Landkreisindikator), während die Inzidenzrate der Werksinfektionen über den Beobachtungszeitraum hinweg auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau verblieb. Die höchsten Inzidenzraten während der 2. und 3. Welle lagen bei BASF-Mitarbeitenden knapp über 200, um, während der 4. Welle, auf etwa 400 bzw. bis zum Ende des Follow-Ups im Zuge der Verbreitung der Omikron-Variante auf etwa 1800 anzusteigen. Der Verlauf der 7-Tages-Inzidenz von BASF- und Leasing-Mitarbeitenden gemeinsam (nicht abgebildet) war demjenigen von BASF-Mitarbeitenden allein sehr ähnlich, allerdings durchweg auf niedrigerem Niveau.

Neben dem Landkreisindikator als wichtigem Maß des Infektionsgeschehens in der unmittelbaren Werksumgebung wurden auch Choroplethenkarten zu Inzidenzen in werksnahen Landkreisen herangezogen ([Abb. 3] ).

Zoom Image
Abb. 3 Choroplethenkarten zur Veranschaulichung der 7-Tages-Inzidenzen pro 100 000 Personen in den Landkreisen und kreisfreien Städten mit mindestens 10 wohnhaften BASF-Mitarbeitenden um den Standort Ludwigshafen (Stand: 31.05.2022). Quelle: Robert Koch-Institut (RKI), dl-de/by-2–0.

Die 4 Karten zeigen die Inzidenzen in der Werksumgebung jeweils zum Ende des Follow-Ups (31.05.2022; [Abb. 3] , links oben), in der Woche zuvor (rechts oben), dem Vormonat (links unten) und dem Vorjahr (rechts unten), wobei sich das BASF-Stammwerk jeweils in der Kartenmitte befindet (schwarzer Kreis).

Für eine Übersicht der aktiven COVID-19-Fälle auf dem Werksgelände, d.h. Mitarbeitende, die zum ausgewiesenen Zeitpunkt aufgrund von Erkrankung und/oder Quarantänemaßnahmen ihrer Tätigkeit nicht nachkommen konnten, erfolgte eine Visualisierung mithilfe einer virtuellen Werkskarte. Eine statische Version dieser Werkskarte zeigt [Abb. 4].

Zoom Image
Abb. 4 Karte aktiver SARS-CoV-2-Infektionen bei BASF-Mitarbeitenden und Leasingkräften auf dem Werksgelände der BASF SE am Standort Ludwigshafen (Stand: 31.05.2022). Quelle der Kartenbegrenzung: OpenStreetMap, CC BY-SA 2.0.

Die in [Abb. 4] dargestellte Karte diente zum einen dazu, der Taskforce eine tagesaktuelle Übersicht zur Anzahl der je Gebäude bzw. Fabrik abwesenden Mitarbeitenden zu bieten, zum anderen half die Darstellung bei der frühzeitigen Erkennung möglicher Infektionsketten. Neben den aktiven COVID-19-Fällen konnte mittels interaktiver Schaltflächen für jedes Gebäude bzw. jede Fabrik tagesaktuell die Anzahl der vor Ort tätigen Mitarbeitenden (BASF- und Leasingkräfte), die Gesamtzahl der bis dato erfassten Infektionen sowie die Anzahl genesener Mitarbeitender angezeigt werden.

Als weitere Darstellungen des Infektionsgeschehens im Rahmen der regelmäßigen unternehmensinternen Corona-Updates wurden zudem die tägliche Anzahl an infizierten und genesenen (also nach Erkrankung und/oder Quarantäne zurückgekehrte) BASF-Mitarbeitenden ausgewiesen ([Abb. 5] , links oben), die 7-Tages-Inzidenzen pro 100 000 in den Landkreisen mit den meisten BASF-Mitarbeitenden (Ludwigshafen, Mannheim, Rhein-Pfalz-Kreis, Bad Dürkheim; rechts oben), die Veränderung der Inzidenzen in ausgewählten werksnahen Landkreisen zur Vorwoche (links unten), sowie die Entwicklung der 7-Tages-Inzidenzen pro 100 000 in Deutschland und in ausgewählten europäischen Ländern (rechts unten).

Zoom Image
Abb. 5 Auszug aus den regelmäßig versendeten Corona-Berichten zur Information des Managements (Stand: 31.05.2022).

Bis zum Ende der Kontaktpersonennachverfolgung (14.03.2022) wurden durch das CHM insgesamt 3574 enge Kontaktpersonen unter BASF- und Leasing-Mitarbeitenden ermittelt. Die Nachverfolgung potenzieller Infektionsketten ist auszugsweise in [Abb. 6] veranschaulicht, wobei jedes Symbol innerhalb des Schaubilds einen BASF- oder Leasing-Mitarbeitenden repräsentiert, der durch das CHM nachverfolgt wurde. Mitarbeitende ohne eigene Infektion, welche als enge Kontaktperson eines extern oder am Arbeitsplatz infizierten Mitarbeitenden identifiziert wurden, sind durch grüne Kreise repräsentiert. Kontaktpersonen, die sich vermutlich am Arbeitsplatz infizierten, sind durch orangefarbene Rauten dargestellt. Graue Dreiecke visualisieren externe Infektionen im privaten Bereich, ohne andere Personen am Arbeitsplatz infiziert zu haben, rote Quadrate wiederum repräsentieren Mitarbeitende, die vermutlich eine oder mehrere Personen am Arbeitsplatz infizierten.

Zoom Image
Abb. 6 Visualisierung der Nachverfolgung möglicher Infektionsketten durch CHM am Standort Ludwigshafen per Netzwerkgrafik (Auszug).

Über den Beobachtungszeitraum verursachte jeder Mitarbeitende, der nach einer Infektion noch auf dem Werksgelände anwesend war (n=3541), durchschnittlich eine enge Kontaktperson. Dieser Quotient war zu Beginn der Pandemie, im März 2020, mit durchschnittlich 5 verursachten engen Kontaktpersonen am höchsten.

Die telefonische 24h-Hotline wurde bis zum Ende des Follow-Ups über 25 000-mal durch die Mitarbeitenden genutzt, wobei der größte Informationsbedarf im März zu Beginn der Pandemie bestand – mit bis zu 250 täglichen Anruferinnen und Anrufern. Darüber hinaus wurden im Rahmen von 2 Impfkampagnen auf dem Werksgelände über 60 000 Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen im unternehmenseigenen Impfzentrum durchgeführt ([Abb. 7]).

Zoom Image
Abb. 7 Anzahl durchgeführter Corona-Schutzimpfungen im unternehmensinternen Impfzentrum.

#
#

Diskussion

Ziel des betrieblichen Pandemiemanagements war es zum einen, Mitarbeitende bestmöglich vor einer Infektion am Arbeitsplatz zu schützen, und zum anderen, die Produktivität am Standort aufrechtzuhalten. Damit dies an einem Industriestandort dieser Größe gelingen kann, bedarf es klarer Zuständigkeiten.

Analog zu einem Krisenstab im öffentlichen Katastrophenschutz trat im Unternehmen der LAG regelmäßig zusammen, um die Situation aktuell zu beurteilen und notwendige Maßnahmen anordnen zu können. Nur so gelangen die Umsetzung einheitlicher Regelungen in allen Betrieben auf dem Werksgelände, eine geordnete Kommunikation nach extern mit den Behörden und nach intern an alle Mitarbeitenden.

Zudem zeigte sich die Einrichtung der medizinischen Taskforce beim CHM als äußerst hilfreich. Zu Beginn der Pandemie war die Unsicherheit bei Mitarbeitenden und Management groß, da nur wenige Informationen zum Infektionsgeschehen und keine eindeutigen Anordnungen vom Gesetzgeber vorlagen. So unterstützte die Taskforce das Management bei den Entscheidungen zu Schutzmaßnahmen am Standort bereits ab Februar 2020 durch die Auswertung der aktuellen Infektionslage und die Sichtung wissenschaftlicher Publikationen – und dies vor Verabschiedung des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards und entsprechender Coronaverordnungen der Bundesländer.

Die Bewertung der Infektionslage im Betrieb erforderte die möglichst vollständige Erfassung aller infizierten Mitarbeitenden und deren betrieblichen Kontaktpersonen in Relation zum regionalen und überregionalen Pandemiegeschehen.

Die Meldung und damit zentrale Erfassung von Infektionsfällen beim CHM erfolgte anfänglich telefonisch bei einer eigens eingerichteten 24h-Hotline. Mit bis zu 250 Anrufen pro Tag konnte mit hohem Personalaufwand einerseits das sich verändernde Infektionsgeschehen gut verfolgt, andererseits der zunehmende Beratungsbedarf der Mitarbeitenden gedeckt werden.

Das CHM übernahm nach der zeitnahen Erfassung von Infizierten und Kontaktpersonen auch die datenschutzkonforme Meldung von möglichen werksinternen Infektionsketten an die zuständigen Gesundheitsämter auf Grundlage eines Vollzugsbeschlusses. Die Ämter konnten dadurch deutlich entlastet werden. Die Aufforderung zur Absonderung in die häusliche Isolation erfolgte ausschließlich durch die zuständigen Behörden.

Die Schwierigkeit der Kontaktpersonenerfassung im Betrieb bestand in der zusammenführenden Beurteilung der Informationen und der Identifikation von Kontaktzeiten gegenüber der bestätigt infizierten Person. Dabei mussten die Kriterien des RKI zur Kontaktpersonenerfassung [4] und die unterschiedlichen Vorgaben der Gesundheitsämter aus verschiedenen Bundesländern berücksichtigt werden.

Im Verlauf der Pandemie hat sich die Anzahl durchschnittlicher Kontaktpersonen von infizierten Mitarbeitenden tendenziell verringert. Mögliche Ursachen sind eine bessere Kenntnis der Übertragbarkeit, die Verbesserung von Hygienemaßnahmen, die Anpassung der RKI-Definition für Risikokontakte und die Reduktion potenzieller Kontaktpersonen durch mobiles Arbeiten.

Neuinfektionen wurden arbeitstäglich in Form einer eigens entwickelten interaktiven Werkskarte ([Abb. 4]) abgebildet, so dass sich punktuelle Häufungen von Infektionsfällen im Sinne möglicher innerbetrieblicher Infektionsketten, „Hotspots“, schneller erkennen und betriebsspezifische Maßnahmen ableiten ließen. Die frühzeitige Identifizierung und Unterbrechung potenzieller Infektionsketten verhinderten Personalausfälle und die Abstellung von Anlagen.

Zur Unterbrechung innerbetrieblicher Infektionsketten erwies sich die Vor-Ort-Begehung im Betrieb als effektiv, um mögliche Ursachen einer Infektionsausbreitung zu identifizieren. So konnten als Maßnahmen z.B. technische Lüftungsanlagen verändert oder die Maximalbelegung von Büros oder Besprechungsräumen festgelegt werden. Auch bei größeren Infektionsereignissen in Deutschland zeigte sich die Notwendigkeit, bestehende Regelungen aus der Arbeitsschutzverordnung in den Betrieben zu überprüfen und potenzielle Schwachstellen in der Arbeitsorganisation zu adressieren (siehe u.a. [7] [8]). Die gemeinsame Vorgehensweise von Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin im Unternehmen ermöglichte es, intern primärprophylaktische Maßnahmen und bei Bedarf spezielle Interventionen zu veranlassen. Eine professionelle Umsetzung des betrieblichen Pandemiemanagements bietet den bestmöglichen Gesundheitsschutz für Mitarbeitende und unterstreicht die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers intern und extern.

Neben der Erfassung von Neuinfektionen und Kontaktpersonen auf dem Werksgelände erbrachte die epidemiologische Auswertung von Inzidenzwerten der Umgebungslandkreise des Standorts in Form von Choroplethenkarten ([Abb. 3]) wertvolle Informationen. So konnten der externe Infektionsdruck und das Risiko von Eintragungen auf das Werksgelände gut eingeschätzt werden. Diese Daten dienten als Frühindikatoren bezüglich des Infektionsgeschehens in der Umgebung und damit zeitversetzt auch bei den Mitarbeitenden des Unternehmens. Hierbei wird einerseits ersichtlich, dass sich die Inzidenzwerte von Mitarbeitenden im Beobachtungszeitraum ähnlich zu den Inzidenzen der Umgebungslandkreise entwickelten und sich andererseits die vermuteten Infektionen auf dem Werksgelände durchweg auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau bewegten ([Abb. 2]).

Insbesondere in den Phasen der Pandemie mit hohen Inzidenzwerten bot sich die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten als wertvolles Instrument zur Reduktion von Kontakten und damit auch von Infektionen auf dem Werksgelände an. Gerade die mögliche Kontagiosität vor dem Auftreten von Symptomen spielt eine wesentliche Rolle in der Infektionsausbreitung, was durch die Reduktion von Präsenzzeiten auf dem Werksgelände eingeschränkt werden kann (siehe [9]). Als ein weiterer Vorteil des mobilen Arbeitens zeigte sich, dass symptomfreie, enge Kontaktpersonen in verordneter Quarantäne von zuhause aus weiterarbeiten konnten. Insbesondere in der Anfangszeit der Pandemie, in der die Quarantänezeit zeitweise 14 Tage umfasste, war diese Vorgehensweise ein nicht unwesentlicher Aspekt, betriebliche Abläufe aufrechterhalten zu können. Limitationen des mobilen Arbeitens bestehen in den Bereichen, in denen viele Arbeitsprozesse vor Ort geleistet werden müssen. Hier haben effektive Schutz- und Hygienemaßnahmen Vorrang.

Es existieren bereits einige Studien und Erfahrungsberichte zum Umgang von (Groß-)Betrieben mit den Herausforderungen der COVID-19-Pandemie, mit denen sich die in unserem Unternehmen getroffenen Maßnahmen vergleichen lassen [10] [11] [12] [13] [14] [15]. Allgemein lässt sich festhalten, dass die meisten befragten Betriebe ähnliche grundlegende Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz im Rahmen der Pandemie umgesetzt haben [11] [14] [15]. In einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zur Evaluation von Arbeits- und Infektionsschutzmaßnahmen wurden 724 Arbeitsschutzexpertinnen und -experten (darunter 147 Personen aus der Industrie) zwischen September und Dezember 2020 online befragt [14]. In dieser Befragung haben mehr als 90% der Befragten aus der Industrie angegeben, dass Maßnahmen hinsichtlich Unterweisungen, Tragen von Mund/Nasen-Schutz, Zutritt betriebsfremder Personen, Dienstreisen/Meetings, Räumlichkeiten, Homeoffice, Schutzabständen sowie Handlungsanweisungen für Verdachtsfälle umgesetzt wurden [14]. In internationalen Studien wurde als weitere – von uns nicht ergriffene Maßnahme – die Zugangskontrolle zu Werksgeländen durch Körpertemperaturmessung berichtet [12] [15]. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Implementierung von Maßnahmen gab in der Studie der BAuA etwa ein Drittel (35%) der Befragten aus der Industrie an, dass in ihrem Betrieb bereits zwischen Dezember 2019 und Februar 2020 erste Arbeitsschutzmaßnahmen getroffen wurden, 52% gaben dies für März 2020 an und 13% für danach [14]. In unserem Unternehmen erfolgte eine erste Kommunikation zum Thema COVID-19 im Januar 2020, während im Februar bereits eine COVID-19-Taskforce am CHM eingerichtet sowie eine Reisewarnung für Italien erlassen wurde (s. [Abb. 1]). Ein weiteres Befragungsergebnis war, dass Unternehmensleitung, Führungskräfte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit in der Industrie mehrheitlich (zu etwa 90%) in den Umgang mit der Corona-Pandemie im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit eingebunden wurden [14]. Auch in unserem Unternehmen wurde, neben der Arbeitsmedizin und der Arbeitssicherheit, die Unternehmensführung frühzeitig im Rahmen der Zusammenkünfte des LAG in die Bewältigung der Corona-Pandemie eingebunden. Vergleichsweise selten wurden von der Industrie Maßnahmen bzgl. psychischer Belastungen (42%) umgesetzt [14], wobei berücksichtigt werden muss, dass die Befragung im ersten pandemischen Jahr 2020 erfolgte. Als Gegenbeispiel kann eine Kampagne zur psychischen Gesundheit der Abteilung Corporate Health & Safety von IBM angeführt werden, welche darauf abzielt, den Ist-Zustand der Belegschaft bzgl. psychischer Gesundheit per Befragung zu erfassen und den Mitarbeitenden den Zugang zu Ressourcen zur Unterstützung der psychischen Gesundheit zu erleichtern [11]. Indirekt zielen eine derzeit in unserem Unternehmen laufende Gesundheitskampagne zum Thema Schlaf und die Etablierung eines Kompetenzzentrums für psychische und soziale Unterstützung ebenfalls auf die psychische Gesundheit ab.

Limitationen

Als Limitation muss angeführt werden, dass die dargestellten Analysen auf Daten beruhen, welche nicht originär für wissenschaftliche Zwecke, sondern zur Unterstützung und Information der Taskforce erhoben und evaluiert wurden. Beispielsweise basierte die Einordnung der vermuteten Infektionsquelle (privat oder am Arbeitsplatz) ausschließlich auf den Angaben der Mitarbeitenden, sodass in einzelnen Fällen kein eindeutiger Infektionsweg ermittelt werden konnte. Darüber hinaus sollte bei der Interpretation der Daten berücksichtigt werden, dass für die Berechnung der unternehmensinternen 7-Tages-Inzidenzraten vereinfacht von 35 000 BASF-Mitarbeitenden, 15 000 Leasingkräften sowie 35 000 täglich auf dem Werk anwesenden Personen ausgegangen wurde. Die tatsächliche Anzahl an BASF-Mitarbeitenden zu Beginn der Pandemie lag bei 33 833 Personen, die Anzahl der Leasingkräfte ist saisonalen, teilweise starken Fluktuationen unterworfen und kann (wie die Anzahl der auf dem Werk anwesenden Mitarbeitenden) nur als grobe Annäherung betrachtet werden.

Weiterhin war eine Unterscheidung zwischen Infektionen basierend auf PCR-Testungen und solchen basierend auf Selbst-/Schnelltests nicht möglich. Analog zu den vom RKI bereitgestellten Infektionsdaten ist auch in den durch uns erfassten Infektionszahlen am Standort von einer gewissen Untererfassung (v.a. bei Leasing-Mitarbeitenden) auszugehen.


#

Schlussfolgerungen

Die kontinuierliche Auswertung von Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 in Betrieben erbringt wertvolle Informationen zur effektiven Steuerung von Schutzmaßnahmen auf dem Werksgelände. Damit kann zielgerichtet auf Veränderungen der Anzahl an Neuerkrankungen auf dem Werksgelände reagiert werden.

Auch wenn sich der protektive Effekt einzelner Maßnahmen in seiner Wirksamkeit nur schwer quantifizieren lässt, zeigt das Ergebnis unseres Vorgehens in Summe ein erfolgreiches Pandemiemanagement. So konnte bis dato ein Ausfall infrastrukturkritischer Bereiche verhindert werden.

Unsere Prozesse werden kontinuierlich überarbeitet und der aktuellen Situation angepasst. Die telefonischen Fallmeldungen wurden durch eine digitale Übermittlung ersetzt. Telefonisch erfolgen weiterhin Beratungen der Mitarbeitenden. Das darüberhinausgehende Hausrecht des Arbeitgebers wird an Arbeitsplätzen angewandt, wenn Abstandsregeln aus arbeitstechnischen Gründen nicht eingehalten werden können.

60 000 durchgeführte COVID-19-Impfungen am Standort haben zur Immunisierungsrate der Belegschaft beigetragen und das Angebot öffentlicher Impfzentren ergänzt.

Die Mehrphasigkeit des Pandemiegeschehens, mit dem Auftreten von Infektionswellen und Virusvarianten, hat gezeigt, dass die vorher theoretisch erstellten Pandemiepläne in Betrieben nur bedingt praxistauglich waren. Nur die kontinuierliche Überprüfung des Infektionsgeschehens und die flexible Reaktion darauf trägt der Dynamik eines Pandemiegeschehens Rechnung.

Um für zukünftige pandemische Herausforderungen im betrieblichen Umfeld gerüstet zu sein, ist es zum einen notwendig, die bestehenden Pandemiepläne zu überarbeiten und die aktuellen Erfahrungen aus der COVID-19-Pandemie einfließen zu lassen. Daneben ist eine Optimierung der digitalen Infrastruktur geboten, damit zukünftig eine automatisierte Datenerfassung schnell und flexibel erfolgen kann. Aspekte des Datenschutzes gilt es hierbei ebenso zu berücksichtigen wie eine bessere Vernetzung der verschiedenen unternehmensintern vorhandenen datenhaltenden Stellen. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden und die Wichtigkeit zu unterstreichen, wurde am CHM eine eigene Arbeitsgruppe „Pandemic Preparedness“ gegründet, welche sich diesen Fragen zukünftig widmet.

Kernaussagen
  • Bestmöglicher Schutz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor einer SARS-CoV-2-Infektion am Arbeitsplatz bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur sind die 2 wesentlichen Ziele unternehmensspezifischen Pandemiemanagements.

  • Die kontinuierliche Erfassung und Analyse von SARS-CoV-2-Neuinfektionen bei Mitarbeitenden liefern wertvolle Informationen zur effektiven Steuerung von Schutzmaßnahmen im Unternehmen.

  • Die Mehrphasigkeit des Pandemiegeschehens, mit dem Auftreten von Infektionswellen und Virusvarianten, hat gezeigt, dass die vorher theoretisch erstellten Pandemiepläne in Betrieben nur bedingt praxistauglich waren.


#
#

Keypoints

  • Protecting employees from SARS-CoV-2 infections at the workplace as best as possible while maintaining critical infrastructure are the two key objectives of company-specific pandemic management.

  • The continuous monitoring and analysis of new SARS-CoV-2 cases among employees provides valuable information for the effective management of protective measures in the company.

  • The multiphase nature of the pandemic, with the occurrence of waves of infection and virus variants, has shown that the theoretical pandemic plans previously drawn were only of limited practical use.


#
#

Interessenkonflikt

Die Autoren Matthias Claus, Gerold Koch, Stefan Webendörfer und Daniel Frambach sind derzeit Mitarbeiter der BASF SE. Der Autor Arne Jonas Warnke ist ein ehemaliger Mitarbeiter der BASF SE.

Danksagung

Wir möchten uns hiermit recht herzlich bei Herrn Michael Schuster für die Bearbeitung der Werkskarte bedanken. Weiterhin gilt unser Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Corporate Health Managements, welche durch ihre vielfältigen Tätigkeiten im Rahmen der Bewältigung der COVID-19 Pandemie die Erstellung des vorliegenden Manuskriptes ermöglicht haben.


Korrespondenzadresse

Dr. rer. physiol. Matthias Claus, M.A. M.Sc.
Corporate Health Management, BASF SE, ESG/CS H308
67056 Ludwigshafen am Rhein

Publication History

Article published online:
12 June 2023

© 2023. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


Zoom Image
Zoom Image
Abb. 1 Maßnahmen zur Eindämmung von SARS-CoV-2 am Standort Ludwigshafen der BASF SE und in Deutschland (Januar 2020–Mai 2022).
Zoom Image
Abb. 2 7-Tages-Inzidenzen von BASF-Mitarbeitenden (blau), vermuteten Infektionen auf dem Werksgelände (rot) sowie im Umkreis des Werksgeländes Ludwigshafen (violett; Stand: 31.05.2022).
Zoom Image
Abb. 3 Choroplethenkarten zur Veranschaulichung der 7-Tages-Inzidenzen pro 100 000 Personen in den Landkreisen und kreisfreien Städten mit mindestens 10 wohnhaften BASF-Mitarbeitenden um den Standort Ludwigshafen (Stand: 31.05.2022). Quelle: Robert Koch-Institut (RKI), dl-de/by-2–0.
Zoom Image
Abb. 4 Karte aktiver SARS-CoV-2-Infektionen bei BASF-Mitarbeitenden und Leasingkräften auf dem Werksgelände der BASF SE am Standort Ludwigshafen (Stand: 31.05.2022). Quelle der Kartenbegrenzung: OpenStreetMap, CC BY-SA 2.0.
Zoom Image
Abb. 5 Auszug aus den regelmäßig versendeten Corona-Berichten zur Information des Managements (Stand: 31.05.2022).
Zoom Image
Abb. 6 Visualisierung der Nachverfolgung möglicher Infektionsketten durch CHM am Standort Ludwigshafen per Netzwerkgrafik (Auszug).
Zoom Image
Abb. 7 Anzahl durchgeführter Corona-Schutzimpfungen im unternehmensinternen Impfzentrum.