JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2023; 12(02): 91
DOI: 10.1055/a-2016-5875
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„Gewalt darf kein Berufsrisiko im Gesundheitswesen sein“

Gewalt gegenüber systemrelevanten Berufen ist immer noch ein Tabuthema. Sichtbar ist lediglich die Spitze des Eisberges. Die Eindrücke der Silvesternacht zeigen deutlich, dass hier Handlungsbedarf besteht. Formen erlebter Gewalt müssen dringend sichtbarer und enttabuisiert werden. Die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen begrüßt es daher sehr, dass die SPD-Fraktion einen entsprechenden Antrag zur Gewaltprävention des Gesundheitspersonals im Landtag NRW gestellt hat und die Pflegekammer als Experte dazu angehört wird. Verschiedene Formen der physischen und psychischen Gewalt gegenüber Pflegefachpersonen sind keine Seltenheit. Im Rahmen der Versorgung pflegebedürftiger Menschen kann es tagtäglich zu verbalen Bedrohungen und körperlichen Gewalttaten gegenüber Pflegenden kommen. Insbesondere sexuelle Belästigungen und Übergriffe sind ein besorgniserregender Faktor.

Dazu erklärte Sandra Postel, geschäftsführende Vorsitzende der Pflegekammer NRW, bei der am 18. Januar stattgefundenen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit, Arbeit und Soziales im Landtag: „Nicht selten sehen sich Pflegefachpersonen mit sexuellen Belästigungen in Form von verbalen Aussagen, aber auch unwillkommenen Berührungen und Annäherungen, die bis zu Übergriffen und Missbrauch gehen können, konfrontiert. Ein geschütztes Umfeld und wirkungsvolle Maßnahmen zur Gewaltprävention für die Berufsgruppe der Pflegenden sind daher unabdingbar. Denn Gewalt darf kein Berufsrisiko im Gesundheitswesen sein.“

Aus Sicht der Pflegekammer NRW ist die Stärkung fachlicher und personaler Kompetenzen dabei besonders wichtig. Pflegefachpersonen sind darin ausgebildet, das Gewaltpotenzial sowie aggressive und gewalttätige Situationen zu erkennen und einzuschätzen. Jedoch stehen klassische Gewaltstrategien oft im Widerspruch zur Fürsorgepflicht in der Pflegesituation. „Unterschiedliche Krankheitsbilder, wie beispielsweise Delir, Demenz, Alkoholismus und psychische Erkrankungen, können eine Gewaltbereitschaft begünstigen. Fachwissen über diese für ein erhöhtes Gewaltpotenzial bekannten Diagnosen und die Entwicklung einer stärkenden Haltung gibt Betroffenen mehr Sicherheit im Umgang mit grenzüberschreitenden Situationen“, so Postel weiter. Die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen wird gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag zukünftig die Verantwortung für den Bereich der Fort- und Weiterbildungsordnung für die Berufsgruppe der Pflegenden übernehmen und den Erwerb von Fachexpertise zum Schutz vor Gewalt in der Erarbeitung der Ordnungen berücksichtigen.

Darüber hinaus spricht sich die Pflegekammer NRW auch für die Enttabuisierung des Themas bei Arbeitgebern und gezielte Deeskalationstrainings aus. Insbesondere sollten hierbei die unterschiedlichen Facetten von Gewalt thematisiert und Pflegefachpersonen auch für leise Gewaltformen sensibilisiert werden. Auch begrüßt sie die Idee eines berufsgruppenübergreifenden runden Tisches. Ziel sollte eine gemeinsame Leitlinie zur Gewaltprävention für den Gesundheitssektor und die Gesundheitsberufe in Nordrhein-Westfalen sein. Für die Punkte Deeskalation und Beweisführung sind aus Sicht der Pflegekammer NRW geschulte Führungspersonen, die einen offenen Umgang mit dem Thema Gewalt in den Arbeitsstätten pflegen, Gewalterfahrungen erkennen und eine systematische Aufarbeitung ermöglichen, unverzichtbar.

Die vollständige Stellungnahme der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen finden Sie auf der Website des Landtags NRW oder direkt unter diesem Link: bit.ly/3RrUWDP.

Quelle: Pflegekammer NRW



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Article published online:
04 April 2023

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