Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2022; 29(05): 224-227
DOI: 10.1055/a-1909-7917
Gesellschaft
BExMed

Deutsche Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin e. V.

Raimund Lechner

Liebe Mitglieder und Interessierte der BExMed,

von wegen Sommerloch … in diesem extrem sonnigen, trockenen und heißen Sommer haben sich zahlreiche erwähnenswerte Dinge zugetragen.

Die Sommersaison begann mit einem traurigen Höhepunkt. Am 03.07. kam es an der Marmolada zu einem Gletscherabbruch mit 11 Toten und 8 teils Schwerverletzten. In der Folge kam es alpenweit immer wieder zu großen Bergstürzen und Erdrutschen, beispielsweise am Mont-Blanc-Massiv und am Matterhorn. Diese Bedingungen zogen teilweise Routen- und Hüttensperrungen (Tête Rousse Hütte, Goûter Hütte) durch die regionalen Verwaltungen nach sich. Bergschulen hatten diese Berge aufgrund der Bedingungen teilweise bereits vorsorglich aus ihrem Programm genommen. Aber auch wenn es nicht zu Routensperrungen kam, so herrschten aufgrund der geringen Schneedecke auf den Gletschern durchweg anspruchsvolle Hochtourenbedingungen in diesem Sommer, der der wärmste Sommer Europas seit Messbeginn war.

Dies hatte auch zur Folge, dass die Neue Prager Hütte im Großvenedigergebiet und die Gonella Hütte am Mont-Blanc-Massiv Anfang August vorzeitig schließen mussten, da die Trinkwasservorräte erschöpft waren. Die Hitze setzte besonders den Gletschern zu und es gab zahlreiche kuriose Funde von seit Jahrzehnten, teilweise Jahrhunderten verschluckten Personen und Gegenständen, die nun wieder ausschmelzen. Bei den deutschen Gletschern ist es nur eine Frage von wenigen Jahren, bis sie Geschichte sein werden und in der Schweiz kam es zwischen 1931 und 2016 zu einer Halbierung der Gletschermasse mit einem weiteren Verlust von 12 % seit 2016.

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Der Vortragssaal des 4. Allgäuer Bergrettungstags in Bad Hindelang.Quelle: Dr. Natalie Hölzl

In der großen weiten Bergsteigerwelt hat die Erschließung der 8000er auch auf das Karakorum übergegriffen, und es ist teilweise schon von einer Everestisierung des K2 die Rede. Der Nepalese Sanu Sherpa hat als erster Mensch zum zweiten Mal alle 14 Achttausender bestiegen. Allerdings gibt es bei der Einstufung von erfolgreichen Gipfelbesteigungen im Generellen Diskussionen. Die Internetseite www.8000ers.com um Eberhard Jurgalski veröffentlichte eine Liste der erfolgreichen Achttausender-Besteigungen, gemäß der bisher nur 3 Bergsteiger zweifelsfrei auf dem jeweils höchsten Punkt aller 14 Achttausender waren (Ed Viesturs, Veikka Gustafsson und Nirmal Purja). Die Analyse beruht hauptsächlich auf Gipfelfotos, aber auch auf Erzählungen und Interviews. Vor allem am Manaslu, der Annapurna und dem Dhaulagiri kam es aufgrund des unübersichtlichen Gipfelgeländes mit zahlreichen Grataufschwüngen wohl oftmals zu der irrigen Annahme auf dem höchsten Punkt zu stehen. Dies zog erwartungsgemäß eine, teils emotionale, Diskussion nach sich. Die offiziellen Gipfelstatistiken sind jedoch bisher nicht abgeändert worden und jeder kann nun zunächst diesen Vorstoß für sich selbst bewerten.

Diplomprüfungen

Und auch die BExMed war fleißig. Zunächst fanden am 16.09. in Bad Hindelang wieder die Diplomprüfungen für das Diploma in Mountain Medicine und das Diploma in Wilderness and Expedition Medicine statt. Wir gratulieren den insgesamt 50 erfolgreichen Absolventen recht herzlich!


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Mitgliederversammlung

Am Folgetag, den 17.09. fand der 4. Allgäuer Bergrettungstag statt im Rahmen dessen die jährliche BExMed-Mitgliederversammlung 2022 durchgeführt wurde. Der Mitgliederstand ist weiterhin steigend und der Haushalt ist trotz gestiegener Kosten in allen Bereichen nahezu ausgeglichen. Die Kassenprüfung ergab keinerlei Unregelmäßigkeiten oder Beanstandungen.


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Veranstaltungen

Die BExMed ist auch Mitglied der Internationalen Kommission für Alpines Rettungswesen und dort mit Dr. Natalie Hölzl als Vizepräsidentin vertreten. Sie gab einen kurzen Ausblick auf das VIIth International Symposium on Accidental Hypothermia am 11.10.2022 in Lausanne. Eine Onlineteilnahme an den Vorträgen ist möglich (Link auf www.bexmed.de/tagungen).

Dieses Jahr konnte nach der coronabedingten Pause endlich wieder der Kursbetrieb aufgenommen werden. Der Lawinenrefresher und der Expeditionskurs Winter konnten erfolgreich und dank eines suffizienten Hygienekonzepts ohne Ansteckungen durchgeführt werden. Über den direkt nach dem Bergrettungstag begonnenen Sommerrefresher werden wir in einer der nächsten Ausgaben berichten. Das bewährte praktische Kursangebot werden wir weiterhin durch die äußerst gut angenommenen Onlinefortbildungen ergänzen. Die nächste Vortragsserie ist für den Herbst 2022 geplant.

Der Allgäuer Bergrettungstag fand dieses Jahr bereits zum vierten Mal statt und die Teilnahme war wieder kostenlos. Referenten aus Deutschland, Österreich, Italien und sogar Neuseeland trugen zu medizinischen Besonderheiten des älteren Bergsteigers, Extremwetterlagen, Nachtflugfähigkeit und der Struktur der Bergrettung in Neuseeland vor. Abgerundet wurde das Programm durch eine Diskussion über die Übertragbarkeit von medizinischen Leitlinien in die Gebirgsmedizin und eindrücklichen Fallbeispielen aus dem Alpenraum. In der Pause konnte der H145 SAR der Bundeswehr besichtigt werden. Wieder einmal eine gelungene Fortbildung.

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Der H145 SAR der Bundeswehr.Quelle: Dr. Natalie Hölzl
VERANSTALTUNGEN BEXMED

VIIth International Symposium on Accidental Hypothermia

11.10.2022, Lausanne, Schweiz

Kurs Lawinenmedizin und Kälteschäden 2023

18–22.01.2023 in Nösslach, Gries am Brenner

Winterkurs Expeditionsmedizin für Alpinärzte 2023

Termin: 16.–23.04.2023 im Wallis, Schweiz

Sommerkurs Expeditionsmedizin für Alpinärzte 2023

17.–24.06.2023 im Trentino

Weitere Infos und Anmeldung: www.bexmed.de

Zum Abschluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass die BExMed auch 2022 wieder einen Forschungspreis auslobt. Details sind in Kürze auf unserer Homepage zu finden.

Mit den besten Wünschen für einen tourenreichen Herbst!

Es grüßt Euch/Sie für die gesamte Vorstandschaft, Euer/Ihr

Raimund Lechner

ALPINMEDIZINISCHES ALLERLEI

Taping der Hand und Finger im Klettersport

Tapeverbände der Hände und Finger stellen im Klettersport wichtige therapeutische Maßnahmen dar. Dies trifft vor allem bei Wiederaufnahme des Sports nach Verletzung zu. Generell wird zwischen prophylaktischem und therapeutischem Taping unterschieden.

Das prophylaktische Tapen dient z. B. zum Schutz vor Hautabschürfungen bei Rissklettereien. Hier sind besonders der Handrücken mit Fingerknöcheln und die Fingermittelgelenke betroffen. Gelegentlich kann auch ein Fingergelenk, das bei einem Kletterzug in einer bestimmten Tour stark beansprucht wird, als Verletzungsschutz getaped werden. Therapeutische Taping wird bei Überlastung oder bei der Wiederaufnahme des Kletterns nach Verletzungen verwendet.

Kontakt

Prof. Dr. Volker Schöffl, MBHA Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Bamberg E-Mail: volker.schoeffl@me.com

Weitere Informationen


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Taping der Hand und Finger im Klettersport

Grundsätze beim Taping

  • Die Breite des Tapes muss der Fingerdicke angepasst werden (Weichteilfenster).

  • Tape sollte nicht direkt von der Rolle auf die Haut gezogen bzw. abgerollt werden, da hierbei der Zug zu stark ist und Hauteinrisse entstehen können.

  • Prinzipiell sollen zirkuläre Tapes vermieden werden. Bei Fingertapes muss jedoch eine Ausnahme gemacht werden, um ausreichende Stabilität zu generieren. Die suffiziente Durchblutung des Fingers muss jedoch sichergestellt sein.

  • Die Funktionsstellung des Fingers muss berücksichtigt werden. (Beispiel: wenn die Streckung des Fingermittelgelenks eingeschränkt werden soll (Beugesehnenzerrung, etc.) muss das Tape bei einer Mittelgelenksbeugung von 30–45° anlegt werden).

  • Die Haut sollte trocken und entfettet sein.

  • Bei Fingertapes sollten Weichteilfenster berücksichtigt werden, damit die Haltezügel entsprechend straff gewickelt werden können, dabei aber noch genug Raum zum Ausweichen des subkutanen Gewebes bleibt.


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Spezielle Tapeverbände

H-Taping bei Ringbandverletzung oder Sehnenscheidenentzündung

Nach geschlossenen Ringbandrupturen bei Sportkletterern wird in der Nachbehandlung häufig ein Taping des entsprechenden Fingers empfohlen, um den vergrößerten Abstand zwischen Beugesehnen und Knochen (sog. Bowstring) zu reduzieren. Die hierfür verwendete H-Tapetechnik wurde biomechanisch evaluiert und findet auch in der Therapie von Sehnenscheidenentzündungen Anwendung.

Dafür wird ein ca. 1,5 cm breites Tape mit einer Länge von ca. 10 cm von beiden Enden her mittig eingerissen. Es entsteht ein mittiger Steg von ca. 1 cm Breite mit 2 jeweils 0,75 cm breiten Zügeln auf jeder Seite des Steges ([ Abb. 1a ]). Zwei dieser Zügel werden anschließend distal vom Gelenk durchgeführt und stramm festgeklebt. Das Fingermittelgelenk wird gebeugt und die 2 verbleibenden Zügel proximal des Gelenks stramm festgeklebt ([ Abb. 1b ]). Indem das Tape genau in der Beugefalte des Fingermittelgelenks angreift, bewirkt es mehrere Effekte:

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Abb. 1 Der Tapezügel wird von beiden Seiten aus eingerissen (a). Bei der Anlage werden die Finger im PIP-Gelenk gebeugt und zunächst die distalen, dann die proximalen Zügel gespannt. Dabei kommt der Steg des Tapes genau in der Beugefalte des PIP-Gelenks zu liegen (b) (PIP: proximales Interphalengealgelenk).Quelle Prof. Dr. Volker Schöffl, MHBA
  • In diesem Bereich des Fingers gibt es wenig Fett- und Bindegewebe. Der Druck des Tapes kann so direkt auf das Beugesehnensystem wirken.

  • Das Tape unterstützt die Region des A3-Ringbands. Das A3-Ringband ist dünner und elastischer als das A2- und das A4-Ringband. Außerdem setzt es nicht, wie die beiden anderen, direkt am Knochen an, sondern ist an der palmaren Platte fixiert, was zu einer vermehrten Beweglichkeit in der Beugung führt.

  • Die verletzten Strukturen (meist A2- oder A4-Ringband) werden indirekt entlastet und der gleiche Effekt wirkt bei Sehnenscheidenentzündungen. Diese entstehen durch Reibung an der Umlenkung der Sehnen an den proximalen oder distalen Enden der Ringbänder. Wird dieser Winkel, wie durch das H-Tape abgeflacht, verringert sich die Reibung und die Sehnenscheidenentzündung kann abheilen.


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Achtertourtape des Fingermittelgelenks bei Kapselbandverletzungen bzw. Zerrung der Beugesehnen

Das proximale Interphalangealgelenk lässt sich am besten durch ein Achtertourtape entlasten. Hierbei ist es wichtig, dass die Streckung etwas eingeschränkt wird, die volle Beugefähigkeit zum Klettern sowie zum Sichern aber erhalten bleibt.

Beginnend von der Fingerbasis wird diese zuerst möglichst handgelenksnah einmal umwickelt, um dann das Fingermittelgelenk bei 30° Beugung palmar zu kreuzen. Die Tapetour geht weiter um die Mittelphalanx und retour als Achtertour wieder palmar das Mittelgelenk kreuzend ([ Abb. 2 ]). Dabei gilt es, wieder um 30° das Fingermittelgelenk zu beugen. So kann der Finger frei gebeugt werden, bei der Streckung, welches die Gelenkkapsel und die Beugesehnen belastet, schränkt das Tape diese etwas ein und entlastet somit die verletzten Strukturen.

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Abb. 2 Beginn mit proximaler Umwickelung der Fingerbasis, bei 30–45° Beugung unterkreuzen im PIP-Gelenk. Danach Umwickelung der Mittelphalanx sowie Rückführung unter dem PIP-Gelenk bei Beugung.Quelle: Prof. Dr. Volker Schöffl, MHBA

Wichtig dabei ist, dass der Tapezügel nicht zu dick ist. Tapes müssen und sollen Druck aufbauen. Dazu braucht das Subkutangewebe anderswo Raum, um auszuweichen. Ist am Ende des Tapevorgangs der ganze Finger eingetaped nützt dies kaum. Daher ist es wichtig, dass hier sog. Weichteilfenster frei bleiben.

Bei einer Kollateralbandverletzung kann das gleiche Tape angelegt werden, nur wird die Kreuzung eben auf der Seite des verletzen Bandes vollzogen. Auch hier gilt, dass der Kreuzzügel bei ca. 30° Beugung angelegt wird, denn in dieser Position erfährt das Kollateralband seine stärkste Belastung.


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Fingerendgelenktaping

Eine Achtertour am Endgelenk ist aus Platzgründen nicht möglich. Das Tape würde zum Großteil auf der Fingerkuppe liegen, beim Greifen behindern und verrutschen. Hier kann nur zirkulär um das Gelenk ein Tapestreifen mit etwa 2 Umwindungen angelegt werden ([ Abb. 3 ]).

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Abb. 3 Zur Stabilisierung im PIP-Gelenk wird dieses direkt mit einem Tapestreifen umwickelt.Quelle: Prof. Dr. Volker Schöffl, MHBA

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Buddy-Taping

Bei schwereren Kapsel- und Seitbandverletzungen empfiehlt sich ein sog. „Buddy“-Taping. Hierbei wirkt der gesunde Finger schienend für den verletzten Finger ([ Abb. 4 ]).

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Abb. 4 Jeweils ein Zügel stabilisiert die Grund- und Mittelphalanx zu derjenigen des Nachbarfingers. Bei erheblichem Längenunterschied der Phalangen, müssen die Zügel entsprechend schräg angelegt werden.Quelle: Prof. Dr. Volker Schöffl, MHBA

Prof. Dr. Volker Schöffl, MHBA, Bamberg

Quelle: Schöffl V, Lutter C. Taping. In: Schöffl V, Schöffl I, Hochholzer T, Lutter C (Hrsg.). Klettermedizin. Springer; 2020: Kap. 17

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Publication History

Article published online:
10 October 2022

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