Die Wirbelsäule 2022; 06(03): 140-143
DOI: 10.1055/a-1745-3697
Referiert und kommentiert

Kommentar zu: Pedikel-Subtraktions-Osteotomie: Zwei- versus Mehr-Stab-Fixierung

Chris Lindemann
1   Universitätsklinikum Jena, Campus Waldkliniken Eisenberg, Klinik für Orthopädie, Eisenberg
,
Patrick Strube
2   Universitätsklinikum Jena, Campus Waldkliniken Eisenberg, Klinik für Orthopädie, Eisenberg
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Die großen Fortschritte beim Verständnis und bei der operativen Therapie von Störungen der sagittalen spinopelvinen Balance bei adulten spinalen Deformitäten über die vergangenen beiden Dekaden führten zu einem starken Trend zum Einsatz von lordosierenden lumbalen Pedikelsubtraktionsosteotomien (PSO). Die schnelle Verbreitung sowohl des Verständnisses der biomechanischen Problematik wie auch der anspruchsvollen korrigierenden Operationsmethoden wiederum führt zwangsläufig zu entsprechenden Nebenerscheinungen. Ein wichtiger Aspekt hierbei sind die teils hohen Komplikationsraten, die relative Schwere von eintretenden Komplikationen, Pseudarthrosen und Konstruktversagen bei derartigen Osteotomien [1]. Um solchen Komplikationen vorzubeugen, wurden Alternativen zum klassischen Stabmaterial (Titanlegierung) vorgeschlagen, wie die Verwendung von Kobalt-Chrom. Eine weitere Überlegung, ist die Verwendung eines Mehrstab-Konstrukts anstatt des klassischen 2-Stab-Konstrukts, das aus der Platzierung zusätzlicher Stützstäbe über der Osteotomie-Stelle besteht, um die Stabilität zu verbessern. Während in biomechanischen Studien die Effektivität dieser Strategie zur Minimierung der primären Stabbelastungen belegt ist, sind die klinischen Ergebnisse in der Literatur doch teils divergierend [2].

Ziel der Studie von Bourghli et al. war es, eben diese radiologischen und funktionellen Ergebnisse und Komplikationen zwischen erwachsenen Patienten mit Wirbelsäulendeformität zu vergleichen, die sich einer PSO unterzogen. Dabei wurden die Patienten in Abhängigkeit des verwendeten Stab-Konstruktes kategorisiert, wobei entweder ein Standard-2-Stab- oder ein Mehrstab-Konstrukt angewendet wurde. Methodisch wurde hierbei eine prospektive Multicenterdatenbank ausgewertet; bei der Studie selbst handelt es sich jedoch um eine retrospektive Analyse. Sowohl die Auswertung der aufgeführten Datenbank als auch das Studiendesign eignen sich prinzipiell zur Bearbeitung der vorliegenden Fragestellung. Insbesondere bei chirurgischen Datenbanken hängen die Ergebnisse von der Qualität der Daten ab. Hierzu liefern die Autoren jedoch kaum Informationen.

Bei der genaueren Betrachtung der Daten, fallen einige Punkte auf, die bei der Interpretation der Ergebnisse beachtet werden müssen. In der vorliegenden Arbeit wurden Daten aus 5 operativen Einrichtungen gesammelt und es wird nur knapp auf mögliche Einflussfaktoren (Indikationsstellung, Ausmaß der Osteotomie zur Abschätzung der iatrogenen Instabilität) eingegangen. Weiterhin fehlen detaillierte Angaben zum verwendeten Stabmaterial in den einzelnen Gruppen. In der Literatur ist jedoch eine höhere Rate an Stabbrüchen bei Titanstäben gegenüber CoCr-Stäben beschrieben, weshalb sich letztere aktuell als dominierende Variante für diese Anwendung etabliert haben [3].

Neben Materialeigenschaften spielen auch biologische Faktoren eine wichtige Rolle zur Interpretation der radiologischen und klinischen Ergebnisse nach einer Pedikelsubtraktionsosteotomie. In Hinblick auf die angestrebte Fusion der Osteotomiestelle ist hier insbesondere das Vorhandensein einer Osteoporose von Bedeutung [4]. Da das Patientenkollektiv in der vorliegenden Studie ca. 60 Jahre alt und bis zu 85% weiblich ist, ist das Vorliegen einer Osteoporose bei einzelnen Studienteilnehmern nicht auszuschließen bzw. zu einem gewissen Prozentsatz wahrscheinlich, wurde jedoch nicht erfasst.

Dennoch konnte die Gruppe von Bourghli et al. zeigen, dass der Korrekturverlust über 2 Jahre unter Verwendung eines Mehrstab-Konstrukts anstatt des klassischen 2-Stab-Konstrukts reduziert war, was zu einem verbesserten coronalen Alignement und besseren funktionellen Ergebnis führte. Die mechanischen Komplikationen waren jedoch zwischen den Gruppen ähnlich und das Ergebnis durch die geringe Patientenanzahl sowie die zusätzliche Unterteilung der Mehrstabgruppe in Subgruppen ohne signifikanten Unterschied (Loss of Power). Eine größere Studienpopulation könnte hier dennoch Unterschiede aufdecken.

Nichtsdestotrotz unterstützt die vorliegende Studie den potenziellen Vorteil eines Mehrstab-Konstrukts zur Stabilisation einer PSO. Allein für diese Aussage ist die Arbeit hervorzuheben und ist für die weitere Verbesserung der Deformitätenchirurgie von Bedeutung.



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Article published online:
26 August 2022

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