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DOI: 10.1055/a-1557-4388
Ein Déjà-vu
Manchmal kann man es kaum glauben: Trotz der Erlebnisse aus dem letzten Winter bzgl. der hohen Corona-Infektionszahlen, trotz der lange bekannten Ausbreitung der ansteckenderen Delta-Variante von SARS-CoV-2 und trotz des inzwischen seit Monaten guten Angebotes an Impfungen gegen COVID-19 ist Deutschland seltsam unvorbereitet in die schwerste COVID-19-Infektionswelle hineingeschlittert, die das Land erlebt hat. Die Infektionszahlen und die Zahl der belegten Intensivbetten sind im November in absolute Höhen geschnellt. Einer der wichtigsten Gründe, warum diese fast schon absurde Situation möglich wurde, ist die niedrige Impfquote. Nur ca. 68 % der Menschen in Deutschland waren zum Zeitpunkt, zu dem ich dieses Editorial schreibe (Mitte November), 2-mal gegen COVID-19 geimpft. Zu viel diffuse, meist unbegründete Angst vor den Corona-Impfstoffen, die sich v. a. auf Fake-News in den sozialen Medien begründet, grassiert in der Bevölkerung. So gerät ein grundlegender Fakt zu oft in den Hintergrund: Nicht die Impfung ist unser Feind, sondern SARS-CoV-2!
Ein weiterer Grund für die derzeitige Lage ist das zumindest gefühlte Vakuum, das sich nach den Bundestagswahlen in der Regierung zeigte. Es scheint sich dort kaum jemand mehr mit absoluter Konsequenz in den für die Infektionslage entscheidenden ersten Herbstwochen um schnelle und auch vorbeugende Reaktionen und Aktionen gekümmert zu haben. In diesem Zusammenhang mutet es seltsam an, dass sich der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Mitte Oktober für ein Ende der epidemischen Lage nationaler Tragweite zum 25. November ausgesprochen hat und auch Ende Oktober noch bei dieser Ansicht blieb. Wissenschaftler hatten im Sommer angesichts der kaum noch steigenden Impfquote für den Herbst und Winter hohe Infektionszahlen und somit auch viele intensivmedizinisch zu betreuende Patienten vorhergesagt. Die Politik hätte angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit des Eintretens der Vorhersagen schon im Oktober präventiv handeln sollen.
Und auch in der Bevölkerung ist leider eine gewisse Sorglosigkeit entstanden, welche die Infektionslage zusätzlich befeuert hat. Nicht nur haben sich zu wenige in den letzten Monaten impfen lassen, auch die Kontaktfreudigkeit der Menschen nahm wieder zu. Das ist zwar psychologisch verständlich, aber das Virus freut sich trotzdem darüber. Trügerisch war auch die Sicherheit, in der sich viele wogen – es seien ja „so viele“ geimpft. Es ist immer noch ca. ein Drittel nicht geimpft – das ist viel. Und die schon im Frühjahr und Frühsommer geimpften Alten müssen nun dringend zum dritten Mal geimpft werden, um ihren Impfschutz wiederherzustellen – zum Glück ist diese Kampagne im Herbst angelaufen. Was zu oft untergeht: Auch vollständig Geimpfte können das Virus bekommen und weitergeben (sie erkranken selbst zwar weniger häufig und weniger schwer, aber doch signifikant) – das heißt, dass sich Ungeimpfte über diesen Weg anstecken und schwer erkranken können.
Am 18. November haben sich dann Bund und Länder – neben anderen Dingen – auf ein Stufenschema (abhängig von der Hospitalisierungsrate) geeinigt. Dies sieht ab einer Rate von 3 ins Krankenhaus aufgenommenen Corona-Patienten pro 100 000 Einwohnern in zahlreichen Bereichen die 2G-Regel für Erwachsene vor. Ab einer Rate von 6 soll dann teils die 2G-plus-Regel gelten und ab einer Rate von 9 können die Länder dann Kontaktbeschränkungen etablieren. Hoffen wir, dass dies dazu beiträgt, um die Infektionslage in den Griff zu bekommen – Mitte Dezember, wenn dieses Heft erscheint, hat sich die Lage sicherlich weiterentwickelt. Apropos – in dieser Ausgabe der „Dialyse aktuell“ finden Sie neben den interessanten Schwerpunkt-Artikeln zum Thema „Mineralstoffhaushalt bei Nierenpatienten“ und weiteren ansprechenden Beiträgen auch einen Artikel zur Fragestellung „Haben die Corona-Krise und Pandemie-Maßnahmen Auswirkungen auf die Dialysepatienten?“. Die Ergebnisse stammen aus einer Umfrage im Frühjahr 2021, sind aber aufgrund der aktuellen Lage umso relevanter.
Vielleicht finden Sie ja trotz der derzeitigen Situation „zwischen den Jahren“ etwas Zeit, um einen Beitrag zum Themenkreis „Nierenersatzverfahren und Pflege“ zusammen zu stellen? Damit können sich um den Förderpreis Nephrologische Pflege 2022 (1500 Euro Preisgeld) der Thieme Gruppe bewerben. Falls es Ihnen nun zeitlich nicht reicht, einen Artikel fertig zu stellen, ist das kein Problem: Die Einreichungsfrist läuft noch bis zum 15.09.2022. Sie finden alle relevanten Informationen hierzu auf dieser Seite: https://www.thieme.de/de/thieme-gruppe/foerderpreis-nephrologische-pflege-1369.htm. Ich freue mich auf Ihre Bewerbungen, wünsche Ihnen frohe Weihnachten, einen guten Rutsch ins neue Jahr und eine angenehme Lektüre des vorliegenden Heftes!
Publication History
Article published online:
14 December 2021
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