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DOI: 10.1055/a-1260-7616
Keine Angst vor der Angst … in der Sprechstunde
Montagfrüh 10 Uhr, volles Wartezimmer, ein 28-jähriger Patient (Student) erscheint in der Sprechstunde und bittet „wegen Grippe“ um „Krankschreibung“. Er ist gereizt, unruhig, „kann nicht warten“ und schwitzt. Beim näheren Hinsehen fehlen Infektzeichen. Auf Nachfrage berichtet er, dass er morgen eine Prüfung habe, doch „wegen der Grippe“ könne er sich an nichts mehr erinnern. Diese Prüfung hatte er schon zweimal verschoben. Wie gehen Sie vor?
Zurück in die Sprechstunde zum unruhigen, schwitzenden Studenten:
Ich verwerfe die Diagnose „grippaler Infekt ohne Infektzeichen“ und versuche mit Casefinding-Fragen, mein Bauchgefühl einer Angststörung zu untermauern (hier: „soziale Phobie“, siehe unten).
Der Patient war zunächst verwundert und dann erleichtert, dass ich ihm „seine“ Situation erklären konnte. Durch meine Erklärungen sah er sich immer mehr „selber“. Wir vereinbarten neben der attestierten Arbeitsunfähigkeit (eigentlich Prüfungsunfähigkeit) eine Vorstellung bei einem Verhaltenstherapeuten und einen weiteren Termin zur Sicherung der Nachhaltigkeit. Im Anschluss bat ich unsere VERAH, ihm noch beim Ausfüllen unseres Angst/Depression-Fragebogens zu unterstützen und ihm aus unserer Netzwerkkartei die Therapeutenliste zu geben bzw. bei der Suche nach einem Therapeuten zu helfen. Bei der Terminvergabe wurde ihm dann noch die Kontaktadresse der Selbsthilfegruppen beigelegt.
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Ängste in der hausärztlichen Sprechstunde sind weit verbreitet. Sie können das Befinden der Betroffenen schwerwiegend beeinträchtigen und soziale Kontakte massiv beeinträchtigen (Vereinsamung). Zudem sind sie Risikofaktoren für Depressionen, Substanzmissbrauch und Abhängigkeit.
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Der erste Schritt in der Hausarztpraxis ist, differenzialdiagnostisch an eine Angststörung zu denken und psychosomatische Beschwerdebilder zu erkennen.
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Gezielte Fragen bzw. Fragebögen erleichtern den Zugang zur Angststörung des Patienten.
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Der Hausarzt sollte Verständnis für die Patientensicht haben und ausdrücken.
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Ein wichtiger Aspekt des hausärztlichen Gesprächs ist, die gute Prognose einer Therapie zu betonen.
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Gemeinsam mit dem Patienten soll eine Entängstigungsstrategie entwickelt werden.
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Die kognitive Verhaltenstherapie gilt als Maßnahme mit hohem Evidenzgrad.
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Als „erste Hilfe“ kann der kurzzeitige Einsatz von Psychopharmaka sinnvoll sein.
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In der Hausarztpraxis sollten Hilfestellungen für den Zugang zur psychotherapeutischen Behandlung und zu Selbsthilfegruppen gegeben werden.
Schlüsselwörter
Entängstigung - Vereinsamung - Substanzmissbrauch - Aufgreiffragen - psychosomatische BeschwerdebilderPublication History
Article published online:
18 November 2020
© 2020. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
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