Intensivmedizin up2date 2021; 17(04): 413-429
DOI: 10.1055/a-1244-0909
Allgemeine Intensivmedizin

Thromboseprophylaxe und Antikoagulation in der Intensivmedizin

Cavan Lübke
1   Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Deutschland
,
Rüdger Kopp
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Koagulopathien sind potenziell lebensbedrohlich, doch auch eine erhöhte Thromboseneigung stellt ein erhebliches Risiko dar. Ein hohes Thrombembolierisiko bei Intensivpatienten erfordert in der Regel eine prophylaktische, teilweise therapeutische Antikoagulation. In einer observationellen Studie erfolgte bei ca. 50% aller Patienten die Thromboseprophylaxe nicht adäquat [1].

Kernaussagen
  • Kommt es zu einer Veränderung in Blutzusammensetzung (Viskositätserhöhung), Strömungsgeschwindigkeit oder Endothelintegrität, ist die Thrombosegefahr erhöht.

  • Intensivpatienten weisen in der Regel ein hohes Risiko einer venösen Thrombembolie auf und bedürfen neben Basismaßnahmen einer medikamentösen Prophylaxe.

  • Niedermolekulare Heparine (NMH) sind zur medikamentösen Prophylaxe der venösen Thrombembolie gegenüber unfraktioniertem Heparin (UFH) vorzuziehen. UFH ist bei bestimmten Indikationen (Blutungsgefahr, nach Herz-Lungen-Maschine, massiver Schock etc.) auch i. v. verabreichbar.

  • Bei vorbekannter Heparin-induzierte Thrombozytopenie wird eine Prophylaxe der venösen Thrombembolie mit Danaparoid durchgeführt. Reservemedikament ist Argatroban.

  • Bei der Anwendung von Antikoagulanzien ist auf die Nieren- und Leberfunktion zu achten.

  • Bei Intensivpatienten bestehen viele Indikationen für eine therapeutische Antikoagulation, z. B.:

    • Vorhofflimmern

    • tiefe Venenthrombose

    • venöse Thrombembolie

    • Lungenarterienembolie

    • gefäß- oder kardiochirurgische Krankheitsbilder

  • Eine initiale therapeutische Antikoagulation sollte mit schnell wirksamen und gut steuerbaren Medikamenten erfolgen (meist NMH s. c., Heparin i. v.) und das Blutungsrisiko mit einbeziehen.

  • Für jeden Patienten soll eine individuelle Einschätzung des Thrombose- und Blutungsrisikos vorgenommen werden: Ein Bridging sollte bei niedrigem VTE-Risiko nicht erfolgen, bei moderatem Risiko eine individuelle Entscheidung sein und bei hohem Risiko mittels NMH/UFH durchgeführt werden.

  • Die Heparin-induzierte Thrombozytopenie ist eine klinische Diagnose (4 T-Test), die mittels Screening- (PF4-AK-Test) und Bestätigungstest (Serotonin-Release Essay/Heparin-induziertem-Plättchenaggregation) verifiziert wird. Es muss eine therapeutische Antikoagulation (mittels Argatroban) erfolgen.



Publication History

Article published online:
02 December 2021

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