Pneumologie 2020; 74(09): 585-600
DOI: 10.1055/a-1186-7333
Symposiumsbericht

Expertentreffen COPD: Technologische Innovationen in der Pneumologie – Facetten aus Diagnostik und Therapie[*]

Technological Innovations in Pulmonology – Examples from Diagnostics and Therapy
W. Randerath
 1   Klinik für Pneumologie und Allergologie, Krankenhaus Bethanien, Solingen
,
M. Dreher
 2   Klinik für Pneumologie und Internistische Intensivmedizin, Medizinische Klinik V, Universitätsklinikum Aachen
,
D. Gompelmann
 3   Klinische Abteilung für Pulmologie, Universitätsklinik Innere Medizin II, Wien
,
M. Held
 4   Missioklinik, Klinikum Würzburg Mitte, Zentrum für Thoraxmedizin Würzburg, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Pneumologie und Beatmungsmedizin
,
R. Koczulla
 5   Fachzentrum für Pneumologie, Schön Klinik Berchtesgadener Land und Universitätsklinikum Marburg
,
T. Köhnlein
 6   Pneumologisches Facharztzentrum Teuchern
,
G. Rohde
 7   Pneumologie/Allergologie, Medizinische Klinik 1, Universitätsklinikum Frankfurt
,
J. Wälscher
 8   Pneumologie, Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen
,
H. Watz
 9   Pneumologisches Forschungsinstitut an der LungenClinic Großhansdorf, Airway Research Center North (ARCN), Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL)
,
G. Steinkamp
10   Medizinisch-wissenschaftliches Publizieren, Schwerin
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Ein wesentlicher Anteil der aktuellen technologischen Entwicklungen in der Pneumologie liegt in den verschiedenen Bereichen der Informationstechnologie. Das Spektrum reicht dabei von Smartphone-Apps, die im täglichen Leben oder der Praxis von Patienten oder Ärzten angewandt werden sollen, bis hin zum Einsatz der künstlichen Intelligenz in der Früherkennung. Die Diagnose-Genauigkeit von Apps zur Symptomanalyse ist dabei zurzeit noch sehr limitiert. Forschungsprojekte beschäftigen sich mit der Integration von Symptomen und Funktionsparametern in der Früherkennung, aber auch mit der Mobilitätserfassung als prognostischem Marker bei der COPD. Eine große Herausforderung stellt das Lungenkrebs-Screening mittels Computertomografie dar. Hier kann künstliche Intelligenz helfen, riesige Datenmengen zu bewältigen. Die Qualität hängt jedoch vom suffizienten Training der Systeme ab. Technologische Entwicklungen prägen alle Felder der Pneumologie. Sie erlauben in der diagnostischen und interventionellen Endoskopie die verbesserte Biopsietechnik und mikrostrukturelle Bildgebung. Methoden der Lungenfunktionsdiagnostik ermöglichen die differenzierte Analyse von atemmechanischen Störungen und können in die Beatmungstechnologie überführt werden. Die Translation von Grundlagenerkenntnissen zum Mikrobiom kann perspektivisch helfen, COPD-Exazerbationen besser zu verstehen und zielgerichteter zu behandeln.


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Abstract

A significant proportion of the current technological developments in pneumology originate from the various areas of information technology. The spectrum ranges from smartphone apps to be used in daily life or in patient care to the use of artificial intelligence in screening and early detection of diseases. The diagnostic accuracy of apps for symptom analysis is currently very limited. Research projects are performed on the integration of symptoms and functional parameters into early detection, but also on mobility measurements as a prognostic marker in COPD. Lung cancer screening using computed tomography represents a major challenge. Here, artificial intelligence can help radiologists to cope with huge amounts of data. However, the quality of the software depends on the sufficient training of the system. Technological developments shape all fields of pneumology. For diagnostic and interventional endoscopy, they offer improved biopsy techniques and microstructural imaging. Advances in lung function measurements allow the differentiated analysis of respiratory mechanical disorders, and they could be transferred to ventilation technology. The translation of basic findings about the lung microbiome into patient care may perspectively help to better understand and treat COPD exacerbations.


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Einleitung

Die Tagung ‚Luftschlösser‘ führt seit mehr als 20 Jahren Experten verschiedenster pneumologischer Bereiche zusammen, die in offener Atmosphäre ohne wesentliche Vorgaben ihre Ideen zu einem übergreifenden Thema vorstellen. Im Mittelpunkt stehen die Anregung zur Diskussion und das Aufzeigen von Perspektiven für die Klinik und Forschung. Leitthema der Tagung 2020 waren technologische Innovationen in der Pneumologie. Das Spektrum der von den Referenten gewählten Themen und die zahlreichen Facetten der Referate machen schon auf den ersten Blick die Vielfalt der Thematik deutlich. Sie können in Krankheitsgruppen (Chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD), Lungenkarzinom), Diagnose- und Therapieverfahren (Endoskopie, bildgebende Diagnostik) oder auch Methodik (Screeningmethoden, künstliche Intelligenz, Medien, Lungenfunktionsdiagnostik) geordnet werden.

Technologische Fortschritte prägen die Pneumologie ganz entscheidend. Sie reichen von sehr klinisch orientierten, patientennahen Hilfsmitteln bis hin zur Grundlagenforschung (Mikrobiom). Im Weiteren werden die zentralen Aspekte der Beiträge vorgestellt. Neue Entwicklungen bei lange bekannten Methoden und erste, perspektivische Ausblicke machen die Breite und das Potenzial der Pneumologie deutlich.


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Chronisch obstruktive Lungenkrankheit – Screening und Lungenfunktionsdiagnostik

Referent: Michael Dreher, Medizinische Klinik V, Uniklinik RWTH Aachen

Screening auf COPD – Pro und Contra

Ein Screening soll Krankheiten früh erkennen, um sie rechtzeitig adäquat zu behandeln und damit den Krankheitsverlauf und auch die Lebenserwartung zu verbessern. Bei der COPD ist die Lage jedoch nicht ganz einfach. Hier zielt die bisherige Therapie in erster Linie darauf ab, Symptome zu reduzieren. Dagegen wurde bisher noch keine Pharmakotherapie entwickelt, die bei COPD die Mortalität verringern kann.

In einem aktuellen Editorial wurde die Frage erörtert, ob ein Screening auf COPD tatsächlich das Outcome der Patienten verbessern kann [1]. Eine Stellungnahme der US Preventive Services Task Force USPSTF aus dem Jahr 2016 kam zu dem Schluss, dass die Früherkennung der COPD bei asymptomatischen Patienten den Krankheitsverlauf nicht verändert und das Outcome nicht verbessert [2]. Die einzige bekannte Intervention, die den natürlichen Verlauf tatsächlich günstig beeinflussen kann, sei der Rauchstopp. Wenn es aber mithilfe neuer Tools gelänge, große Gruppen von Personen mit bisher nicht erkannten Symptomen als COPD-krank zu identifizieren und sie dann adäquat zu behandeln, würde ein Screening Sinn machen. Insofern müsste man die Definition des Screenings bei COPD überdenken und konkretisieren.


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Mögliche Parameter für ein Screening

Eine wesentliche Voraussetzung für ein Screening ist ein geeigneter Untersuchungsparameter. Bei der Depression arbeitet man mit etablierten Fragebögen, um gefährdete Patienten zu identifizieren. Im kardiologischen Bereich gibt es einfach zu messende Laborwerte wie das LDL-Cholesterin, das zur Indikationsstellung einer Statin-Therapie herangezogen werden kann. Bei Lungenerkrankungen werden bisher in erster Linie Lungenfunktionsuntersuchungen wie Peak Flow oder Spirometrie verwendet. Diese sind jedoch für ein bevölkerungsweites Screening nur bedingt geeignet. Immerhin könnte ein pathologisches Ergebnis eines Lungenfunktionstestes bei Rauchern die Motivation verstärken, mit dem Rauchen aufzuhören.

Die Kombination einer Lungenfunktionsmessung mit einem Fragebogen war in der Lage, COPD-Patienten zu detektieren, wie eine multizentrische US-amerikanische Studie zeigte [3]. In ärztlichen Praxen beantworteten Patienten einen kurzen Fragebogen mit 5 Fragen und führten eine Peak flow-Messung durch. Der Screeningbefund galt als positiv, wenn der Fragebogen mindestens 2 Punkte ergab und zusätzlich der Peak-flow erniedrigt war (unter 350 l/min bei Männern bzw. unter 250 l/min bei Frauen). Damit ließen sich therapiebedürftige Patienten mit COPD identifizieren, die im letzten Jahr mindestens eine Exazerbation hatten oder bei denen die FEV1 unter 60 % des Sollwertes lag. Bei den 5 Fragen ging es um Luftverschmutzung am Wohnort oder Arbeitsplatz, um saisonale oder wetterbedingte Atembeschwerden, um Luftnot bei körperlicher Belastung oder um rasche Ermüdbarkeit. Außerdem wurde gefragt, ob man in den letzten 12 Monaten wegen Erkältung, Bronchitis oder Lungenentzündung bei der Arbeit/Schule gefehlt hatte oder seine üblichen Aktivitäten nicht ausführen konnte. In dieser Studie ging es also nicht darum, Frühformen der COPD zu identifizieren.


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Fazit

Ein Screening auf COPD wird vermutlich ein Set von Fragen sowie zusätzlich einen weiteren, innovativen Messwert beinhalten. Ziel sollte sein, bisher nicht diagnostizierte Patienten zu identifizieren, die von einer Therapie profitieren.


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Forcierte Oszillationstechnik: Von der Lungenfunktionsdiagnostik zur Therapiesteuerung

Referent: Winfried J. Randerath, Universität zu Köln, Krankenhaus Bethanien, Solingen

Die forcierte Oszillationstechnik (FOT) ist vom Prinzip her schon lange etabliert, jedoch wird sie im klinischen Alltag nicht häufig verwendet. In den letzten Jahren wurden neue Anwendungsbereiche für FOT und ihre Weiterentwicklung, die Impulsoszillometrie (IOS) gefunden, sodass diese Techniken eine wertvolle Ergänzung zur herkömmlichen Lungenfunktionsdiagnostik sein können. Sie können bei der Phänotypisierung der COPD und der Objektivierung des Therapieerfolgs unterstützen und Störungen in den kleinen Atemwegen besonders früh erfassen. Die FOT kann noch besser als die Bodyplethysmografie zwischen peripherer und zentraler Komponente einer Obstruktion differenzieren.

Die Methode der forcierten Oszillationstechnik

Bei der FOT wird über ein akustisches Signal der Atemwegswiderstand ermittelt. Der Patient atmet über ein Mundstück in Ruheatmung ein und aus, und ein Pneumotachograf erfasst dabei – wie in Spirometrie und Bodyplethysmografie – die Charakteristika des Luftstroms. Zusätzlich generiert das Gerät im Nebenschluss ein Drucksignal aus einem Lautsprecher. Dieses Signal wird von den Wänden der Atemwege reflektiert und ein Druckaufnehmer und Computer analysieren Parameter dieser Reflexion. Während der Messung muss der Patient mit beiden Händen von außen auf seine Wangen drücken, damit das Drucksignal nicht schon an den Wangen verpufft [4].

Die physikalischen Phänomene hinter der forcierten Oszillation sind nicht trivial. Die normale ruhige Atmung kann mit einem Gleichstrom verglichen werden. Wird dieser Atemstrom durch eine Obstruktion behindert, stellt dies einen realen Widerstand dar, die Resistance, die ja auch mit der Bodyplethysmografie gemessen wird. Bei der FOT entsteht durch das überlagerte akustische Signal zusätzlich ein Wechselstrom. Hier treten neben dem realen auch imaginäre Widerstände auf, die Reactance. Diese teilt sich auf in den induktiven Widerstand, bedingt durch die Trägheit der sich bewegenden Luftsäule, und den kapazitiven Widerstand, bestimmt durch die Dehnbarkeit des Gewebes [4]. Realer und imaginärer Widerstand zusammengenommen stellen den komplexen Widerstand dar.


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Impulsoszillometrie

Die komplexen Widerstände – gemessen bei der FOT – sind sehr stark abhängig von der Frequenz des generierten akustischen Signals. Niedrige Frequenzen von 5 Hz erfassen die Resistance der gesamten Atemwege bis hin zur die Peripherie, während hohe Frequenzen lediglich die großen Atemwege darstellen. Dieses Prinzip macht man sich bei der Impulsoszillometrie (IOS) zunutze, einer Modifikation der FOT. In dem „Impuls“ der IOS wird nicht nur eine einzelne Frequenz erzeugt, sondern ein breites Spektrum verschiedener Frequenzen. Durch Analyse der einzelnen Frequenzkurven kann man erkennen, in welchen Bereichen der Atemwege Obstruktionen bestehen [5]. Je nachdem, ob hohe oder niedrige Frequenzen abnorme Werte zeigen und wie das Muster der Widerstände Resistance und Reactance ist, können Aussagen über die Dehnbarkeit des Gewebes und die Obstruktion getroffen werden [6]. Ein Algorithmus unterstützt die Interpretation [7] ([Abb. 1]).

Zoom Image
Abb. 1 Algorithmus zur Differenzierung von Lungenfunktionsveränderungen mithilfe der Impulsoszillometrie nach Winkler (Winkler et al. Pneumologie 2009; 63 (8): 461–469). R5/R20: Resistance bei einer Oszillationsfrequenz von 5/20 Hz; X5: Reactance bei 5 Hz; VD: Verdachtsdiagnose; DD: Differenzialdiagnose; TLC: Totale Lungenkapazität; FRES: Resonanzfrequenz.

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Vergleich Spirometrie versus forcierte Oszillationstechnik

Im Unterschied zur Spirometrie muss der Patient bei der FOT kein forciertes Exspirationsmanöver durchführen. Die gesamte Untersuchung erfolgt in Ruheatmung und ist daher unabhängig von der Mitarbeit des Patienten. Die intraindividuelle Variabilität der Werte ist zwar etwas ungünstiger als bei der Spirometrie, mit 5 – 15 % jedoch noch akzeptabel. Die FOT kann eine Obstruktion deutlich besser in peripher oder zentral lokalisieren. Außerdem erhält man mehr Informationen über die Lungenmechanik. Die Methodik ist allerdings weniger gut standardisiert und es gibt auch weniger robuste Referenzwerte als bei der Spirometrie [5].


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Anwendungsfelder für die FOT

Bei Patienten mit schlafbezogenen Atmungsstörungen kann die FOT obstruktive und zentrale Apnoen und Hypopnoen differenzieren [8]. Schon bei schnarchenden Personen ermöglicht die FOT mit hoher Sensitivität die Erfassung einer beginnenden Obstruktion. Auch für die automatisierte CPAP-Therapie kann diese Technik hilfreich sein, da sie Fehlregulationen bei zentralen Ereignissen vermeiden helfen, das Ausmaß der Obstruktion messen und so die Druckapplikation variieren kann [9]. Derzeit läuft ein Pilotprojekt zur Frage, ob die nicht-invasive Beatmung mithilfe der FOT besser gesteuert werden kann.

Bei Patienten mit verschiedenen Stadien einer COPD liefert die forcierte Oszillationstechnik signifikante Unterschiede der Gruppen Gold B und Gold D [10]. Bei der Therapie der COPD kann die FOT Verbesserungen in den kleinen Atemwegen darstellen, die mit der Spirometrie nicht erfasst werden [11]. Werden verschiedene Inhalationssysteme für Tiotropium miteinander verglichen mit der Frage, wie gut das Medikament die kleinen Atemwege erreicht, lässt sich die verbesserte Funktion der kleinen Atemwege mit der Impulsoszillometrie gut darstellen [12]. Auch in der Diagnostik der COPD eignet sich die IOS, denn damit lassen sich funktionelle Veränderungen in frühen Stadien bei Patienten mit nur geringer Symptomatik besser darstellen als mit der Spirometrie [6].


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Fazit

Die forcierte Oszillationstechnik misst 3 unterschiedliche Komponenten des Atemwegswiderstandes. Damit ermöglicht sie eine differenzierte Erfassung der Obstruktion auf verschiedenen Ebenen der Atemwege. Anwendungsbereiche ergeben sich für frühe Stadien von Lungenerkrankungen, in der Schlaf- und der Beatmungsmedizin sowie bei obstruktiven Ventilationsstörungen.


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Bronchoskopie: Bewährtes neu gedacht – zukünftige Perspektiven

Referentin: Daniela Gompelmann, Abteilung für Pneumologie, Universitätsklinik Wien

Diagnostische und interventionelle Bronchologie: Was dürfen wir erwarten?

In der diagnostischen und interventionellen Bronchologie gab es in den letzten Jahren spannende neue Entwicklungen. Besonders vielversprechende Methoden werden im Folgenden kurz dargestellt.


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Kryobiopsie zur Diagnostik interstitieller Lungenerkrankungen

Die aktuelle Leitlinie zu interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD) von 2019 erwähnt die Kryobiopsie als eine diagnostische Möglichkeit für ausgewählte Zentren, die über ausreichend Erfahrung mit dieser Technik verfügen [13]. Allerdings wird aufgrund der limitierten Datenlage keine generelle Empfehlung für oder wider eine Kryobiopsie zur Diagnostik der interstitiellen Lungenerkrankung ausgesprochen. Zum Einsatz der Kryobiopsie bei Patienten mit ILD gibt es 2 aktuelle Studien, die die Kryobiopsie mit der chirurgischen Gewebeentnahme vergleichen. In der von Romagnoli et al. 2019 publizierten Studie wurde bei 20 Patienten nach einer Kryobiopsie in 2 unterschiedlichen Lungenlappen eine chirurgische Biopsie in einer Sitzung durchgeführt [14]. Die Ergebnisse beider Verfahren wurden durch einen Pathologen verblindet ausgewertet und die Befunde wurden in der multidisziplinären Konferenz diskutiert. Die Übereinstimmung der Histologie zwischen beiden Biopsiemethoden betrug nur enttäuschende 38 %. In einer zweiten, größeren Studie erfolgte bei 65 Patienten eine Kryobiopsie gefolgt von einer chirurgischen Gewebeentnahme [15]. Die histologischen Schnitte wurden durch 3 verblindete Pathologen begutachtet. In der multidisziplinären Konferenz wurden die histopathologischen Befunde, unwissend von der Art der Gewebeentnahme, verblindet diskutiert. In diesem Studiensetting ergab sich eine Übereinstimmung zwischen Kryobiopsie und chirurgischer Biopsie von 71 %. Die Diskordanz dieser Ergebnisse ist am ehesten dadurch zu erklären, dass in der ersteren Studie die histologischen Ergebnisse unter Beachtung der Biopsietechnik diskutiert wurden, welches jedoch womöglich zu einem Bias geführt haben könnte.


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Konfokale Laser-Endomikroskopie (CLE)

Die konfokale Laser-Endomikroskopie (CLE), die eine Mikroskopie in vivo ermöglicht, ist keine neue Methode, denn es gibt schon eine umfassende Datenlage über deren Einsatz in der Gastroenterologie. Seit 2007 wird die CLE auch in den Atemwegen angewandt [16]. Dabei werden elastische Fasern der Lunge, die autofluoreszierend bei einer Anregung mittels Laser bei einer Wellenlänge von 488 nm sind, mit einer Auflösung von bis zu 3,5 µm dargestellt. Die Methode liefert spektakuläre Bilder von den zentralen Atemwegen bis hin zu den Alveolen.

Bei 14 Patienten mit interstitiellen Lungenerkrankungen wurde die CLE zusätzlich zu Computertomografie des Thorax, Bronchiallavage und Kryobiopsie durchgeführt [17]. Die fibrotischen Areale konnten gut sichtbar gemacht werden, bei 12 Patienten mit guter und bei 2 mit moderater Bildqualität.

Eine andere Patientengruppe, die von einer CLE profitieren könnte, sind Patienten mit Verdacht auf Lungenkarzinom [18]. In einer prospektiven Studie wurde bei 22 Lungenkarzinom-Patienten mit einer Indikation für eine endosonografische ultraschallgesteuerte Punktion von vergrößerten mediastinalen Lymphknoten die CLE-Sonde über die Nadel in den Lymphknoten vorgeschoben, wodurch maligne Zellen sichtbar gemacht werden konnten. Die Aussagefähigkeit der CLE über das Vorliegen von Malignität lag bei 90 %. Somit kann die CLE zur Einordnung der Dignität hilfreich sein.


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Diagnostik von Rundherden

Die konventionelle transbronchiale Biopsie unter Durchleuchtung hat insbesondere bei kleinen Rundherden unter 2 cm nur eine sehr geringe Sensitivität von ~14 %. Eine radiäre endobronchiale Ultraschallsonde (EBUS) kann jedoch zur Navigation genutzt werden, wodurch der Rundherd im peripheren Lungenparenchym im sonografischen Bild detektiert und somit die Sensitivität der nachfolgenden transbronchialen Biopsie erhöht wird. Bislang erfolgten die Detektion des Rundherdes und die Biopsie jedoch nacheinander, d. h. es stand keine ultraschallgesteuerte „real-time“ Biopsie der peripheren Rundherde zur Verfügung. In einer Publikation von Yarmus et al. 2019 wurde nun erstmals ein Device vorgestellt, welches eine ultraschallgesteuerte „real-time“ Nadelaspiration von peripheren Rundherden ermöglicht [19]. Dabei werden über einen Katheter EBUS-Sonde und Punktionsnadel parallel in den Atemweg eingeführt. Nach Detektion des Rundherdes im Ultraschall kann unter sonografischer Kontrolle eine „real-time“ Nadelaspiration erfolgen. Diese Technik zeigte bei 23 Patienten mit peripheren Rundherden keine schweren Nebenwirkungen und führte zu einem zufriedenstellenden Resultat.

Eine neue Navigationstechnik stellt die robotergestützte Bronchoskopie dar. Ein Katheter, der durch den Roboter gesteuert werden kann, wird zunächst händisch über den Tubus in die zentralen Atemwege eingeführt. Spezielle Fasern in der Katheterwand geben Feedback über seine genaue Lokalisation. Eine Visualisierungssonde im Katheter ermöglicht die Visualisierung der zentralen und peripheren Atemwege. Nach Erreichen des Rundherdes wird die Visualisierungssonde aus dem Katheter entfernt, über den dann Biopsiezangen eingeführt werden können. Diese Roboter-Bronchoskopie wurde an 29 Patienten mit peripheren Rundherden erprobt [20]. In der Studie gab es keine Komplikationen und es gelang, 97 % der Herde zu biopsieren.

Mit einer anderen neuen Methode, der sog. TPNA (Transparenchymal Nodules Access) werden periphere Rundherde durch das gesunde Lungenparenchym hindurch biopsiert. Dabei ist es nicht erforderlich, dass diese Läsionen unmittelbar neben der Bronchialwand liegen. Zunächst wird eine Eintrittspforte in den zentralen Atemwegen, über die ein geradliniger Katheter bis zum Rundherd durch das gesunde Lungengewebe vorgeführt werden kann, mittels einer speziellen virtuellen Bronchoskopie-Software identifiziert. Dort wird die Atemwegswand mittels Nadel punktiert und das dadurch entstandene Loch mittels eines Ballons erweitert. Anschließend kann unter Durchleuchtung ein Führungskanal bis zum Rundherd in der Peripherie vorgeschoben werden. Bislang wurden 2 Studien zur TPNA publiziert und weitere Studien bereits auf internationalen Kongressen vorgestellt. In der ersten Studie zur TPNA bei 12 Patienten mit peripherem Rundherd war die Tunnelung und die Probengewinnung bei 83 % erfolgreich [21].


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Neue Therapieoptionen bei chronischer Bronchitis

Patienten mit chronischer Bronchitis weisen nicht selten eine erhebliche Sekretproduktion auf. Dies führt zur Minderung der Lebensqualität und geht mit einer schlechteren Überlebensprognose verglichen mit COPD-Patienten ohne chronische Bronchitis einher [22]. Ein Verfahren zur dauerhaften Reduktion der Sekretproduktion ist die endoskopische Rheoplastie. Bei diesem Verfahren wird durch eine Radiofrequenzablation, die durch einen speziellen, in die Atemwege eingeführten Katheter erfolgt, die Mukosa der zentralen Atemwege zerstört. Dadurch wird eine Reduktion der Becherzellen erreicht, wie eine Studie an 30 Patienten mit chronischer Bronchitis zeigen konnte [23]. Bereits nach 3 Monaten hatten die Patienten eine deutlich bessere Lebensqualität, gemessen an einem um 16 Punkte günstigeren SGRQ-Score, und dieser Trend hielt bis zur letzten Untersuchung nach 12 Monaten an.

Eine andere Möglichkeit zur Ablation der Mukosa ist die endoskopische Kryospray-Therapie. Über einen speziellen Katheter wird ein Sprühnebel aus N2O-Flüssiggas in den zentralen Atemwegen appliziert, wodurch eine Destruktion des respiratorischen Epithels erzielt wird. Bei Patienten mit Lungenkarzinom, bei denen die Kryospray-Therapie unmittelbar vor einer Lobektomie erfolgt war, zeigte sich im Lobektomie-Präparat eine Destruktion des respiratorischen Epithels. Erfolgte die Lobektomie jedoch erst im Intervall von 2 Wochen nach der Kryospray-Therapie, so zeigte sich bereits wieder eine Regeneration des respiratorischen Epithels [24]. In weiteren Studien wird nun evaluiert, ob die Kryospray-Therapie auch bei Patienten mit einer chronischen Bronchitis zur gewünschten Reduktion der Becherzellen und somit der Sekretproduktion eingesetzt werden kann.


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Gezielte Lungendenervierung bei COPD

Mit der „Targeted Lung Denervation“ (TLD) werden parasympathische Nervenfasern entlang der Hauptbronchien, die für die Bronchokonstriktion verantwortlich sind, abladiert, um eine persistierende Bronchodilatation zu erreichen. Bei der TLD wird ein spezieller Katheter in einen Hauptbronchus eingeführt, über den die Radiofrequenzablation erfolgt. Durch Drehen des Katheters kann eine zirkumferentielle Behandlung des Hauptbronchus erreicht werden. Dabei werden in einer bronchoskopischen Sitzung beide Hauptbronchien behandelt. Vor Applikation der Radiofrequenzenergie wird ein mit Kontrastmittel gefüllter Ballon im Ösophagus platziert, um den Abstand zwischen der Radiofrequenzablationssonde und dem Ösophagus zu schätzen. Je nach Distanz zum Ösophagus wird die zu applizierende Energiedosis gewählt. Dieses Vorgehen soll eine Ablation der Nervenfasern im Bereich des Ösophagus und somit eine als Nebenwirkung bekannte Gastroparese verhindern. Bei 82 Patienten mit mittelschwerer COPD zeigte sich in den 12 Monaten nach der TLD eine signifikant geringere Anzahl schwerer COPD-Exazerbationen als in der Kontrollgruppe mit Scheinprozedur [25].


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Fazit

Alle hier dargestellten neuen diagnostischen und therapeutischen Techniken der Bronchoskopie bieten neue Möglichkeiten, sind sicher in der Anwendung und werden in den nächsten Jahren weiter in Studien evaluiert und möglicherweise Einzug in die klinische Versorgung halten.


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Ganzlungenlavage bei pulmonaler Alveolarproteinose

Referentin: Julia Wälscher, Universitätsmedizin Essen, Ruhrlandklinik

Bei Patienten, die an der seltenen pulmonalen Alveolarproteinose erkrankt sind, wird als Therapie der Wahl die Ganzlungenlavage durchgeführt. Damit kann das proteinhaltige Sekret aus den Atemwegen ausgewaschen und die Ventilation verbessert werden.

Ablauf der Ganzlungenlavage

Die klassische Prozedur der Ganzlungenlavage wurde bereits 1966 beschrieben [26]. In Essen ist diese Therapie seit mehr als 30 Jahren etabliert. Mit den Jahren wurden die Abläufe Schritt für Schritt ergänzt und verbessert.

Mithilfe von Computertomografie und Perfusionsszintigrafie wird zunächst bestimmt, welche Lungenhälfte stärker betroffen ist. Diese Lungenseite wird zuerst behandelt. Verläuft der Eingriff erfolgreich, kann bereits einige Tage später die andere Lungenseite gespült werden.

Die Ganzlungenlavage erfolgt unter Vollnarkose. Es wird ein doppellumiger Tubus mit einem trachealen und einem bronchialen Schenkel für Beatmung und Spülung verwendet. Die eine Lunge wird beatmet, die andere gespült. Wichtig ist, die Lage des Tubus bronchoskopisch zu überprüfen. Außerdem muss sichergestellt werden, dass der Cuff des Tubus den Hauptbronchus so sicher abdichtet, dass keine Spülflüssigkeit in die beatmete Lungenhälfte übertreten kann.

Während der Prozedur wird der Patient sorgfältig mittels EKG, Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie und Temperatursonde überwacht. Über einen arteriellen Zugang erfolgen alle 30 Minuten Blutgasanalysen.

Die Spülung erfolgt mit angewärmter Kochsalzlösung (37 Grad Celsius). Pro Zyklus wird 1 l Flüssigkeit über ca. 2 – 3 Minuten in die zu spülende Lungenhälfte installiert. Danach dauert es einige Minuten, bis die Flüssigkeit der Schwerkraft folgend die Lunge wieder verlassen hat. Die abfließende Spülflüssigkeit sieht zu Beginn der Prozedur milchig trübe aus und mit zunehmender Auswaschung wird sie immer klarer. Wenn nach 10 Zyklen weniger als 80 % der Lavage-Flüssigkeit zurückgekommen ist, wird die Diurese medikamentös unterstützt.

Um festzustellen, wie viele Zyklen der Lungenlavage nötig sind, wird die Trübung der zurückgewonnenen Flüssigkeit beurteilt. Dazu wird die optische Dichte als Anhaltspunkt für die Proteinkonzentration bestimmt. Liegt sie unter einem Wert von 0,4 OD oder nimmt sie von Spülung zu Spülung nicht weiter ab, wird die Lavage beendet. Bei manchen Patienten wird mit bis zu 50 l Kochsalzlösung gespült. Die Behandlung dauert dann mehrere Stunden. Nach der Spülung wird der Patient noch im Endoskopie-Saal extubiert und verbringt zur Überwachung eine Nacht auf der Intensivstation.


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Modifikationen der Technik

Wenn man während der Prozedur den Thorax manuell oder mechanisch perkutiert, kann dies die Clearance des proteinreichen Materials unterstützen. In einer Studie von 1993 wurde bei einem Patienten eine manuelle mit einer mechanischen Perkussion verglichen [27]. Beide Verfahren wurden über jeweils 2 Minuten angewendet. Die manuelle Perkussion war wirksamer und verkürzte die Dauer des Eingriffs. Auch in Essen wird dieses Verfahren angewendet.

Andere Autoren verwendeten eine Hochfrequenz-Vibrationsweste, um mit den Thoraxschwingungen die Sekretmobilisierung zu unterstützen [28]. Nach jeweils 5 Minuten Vibration wurde wieder Spülflüssigkeit abgelassen. Durch Anwendung der Weste konnte die Dauer des Eingriffs reduziert werden.

Der Einfluss der Körperlage wurde in einer Studie mit 5 Patienten überprüft [29]. Hier war zwar die manuelle Thoraxperkussion die wirksamste Ergänzung zur Lavage, doch auch die Lagerung des Patienten in Bauchlage hatte einen Effekt.

Intermittierende manuelle Beatmung verbessert ebenfalls die Ausbeute bei der Spülung. In Essen wurde dazu eine modifizierte Technik entwickelt. Wenn mit der Ganzlungenlavage der Zielwert für die optische Dichte von 0,4 Einheiten erreicht wurde, wurde die Therapie nicht beendet, sondern der Patient wurde zusätzlich 5-mal mit einem Tidalvolumen von 300 ml manuell beatmet. Diese modifizierte Technik wurde bei 70 Lavagen angewendet und mit der klassischen Technik in 110 Lavagen verglichen [30]. Direkt nach der Beatmung stieg die Proteinkonzentration bei den Patienten mit der modifizierten Technik deutlich an. Das Zeitintervall von der ersten bis zur nächsten erforderlichen Ganzlungenlavage war mit der modifizierten Technik signifikant länger (225 Tage im Vergleich zu 84 Tagen). Dabei wurde beinahe doppelt so viel Protein entfernt wie beim klassischen Verfahren (22,6 g vs. 13,8 g Protein). Das instillierte Volumen war auch erheblich größer, denn es betrug im Mittel 40 Liter im Vergleich zu nur 15 Litern bei der klassischen Technik ohne manuelle Beatmung.


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Fazit

Bei Patienten mit Alveolarproteinose ist die Ganzlungenlavage eine wirksame Therapiemethode, indem sie Protein aus den Atemwegen entfernt. Das Verfahren wurde im Lauf der Zeit modifiziert und verbessert, ist aber immer noch sehr personal- und zeitaufwendig.


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Mikrobiom-Diagnostik und die REDALERT-Studie

Referent: Gernot Rohde, Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Frankfurt

Der menschliche Körper beherbergt eine Vielzahl unterschiedlicher Mikroorganismen. Die Gesamtheit der Pilze, Viren und Bakterien zusammengenommen bildet das Mikrobiom, wenngleich dieser Begriff i. d. R. für die Gesamtheit der Bakterien, korrekt bezeichnet als Bakteriom, verwendet wird. Der Begriff Metagenom umfasst Bakteriom, Virom und Mycom. Dies besteht aus mehr als 8 Millionen Genen. Verglichen mit „nur“ 22 000 Genen im menschlichen Genom kommen auf ein humanes Gen also mehr als 350 mikrobielle Gene. Diese enorme Vielfalt übersteigt die Vorstellungskraft.

Bakterien in der gesunden menschlichen Lunge

Die menschliche Lunge ist – anders als früher angenommen – keineswegs steril. In der Einatemluft befinden sich Bakterien in einer Konzentration von 104 – 106 pro mm³. Die Inspirationsluft ist ein wichtiger Weg für die Immigration von Bakterien. Keime aus dem Gastrointestinaltrakt können durch Reflux und Aspiration in die Lunge gelangen. Außerdem korrespondieren Bakterien der oberen und unteren Atemwege [31].

In den letzten Jahren haben Forscher begonnen, ein Verständnis für das gesunde Mikrobiom der Lunge zu entwickeln. Es beinhaltet zahlreiche Spezies, hauptsächlich Pseudomonas, Streptococcus, Prevotella, Fusobacteria, und Veillonella, teilweise auch Haemophilus und Neisseria. Viele dieser Keime sind auch im Oropharynx zu finden. Die bakterielle Diversität in der gesunden Lunge ist hoch, mit mehr als 20 unterschiedlichen bakteriellen Familien. Zwischen einzelnen Menschen bestehen große Unterschiede im Mikrobiom, die auch durch die geografische Umgebung und Haustiere beeinflusst werden.

In den einzelnen Etagen der Atemwege herrschen unterschiedliche Umgebungsbedingungen [32]. Vom Naseneingang bis zu tiefen Lungenbereichen nehmen Temperatur und Luftfeuchtigkeit deutlich zu, während der pH-Wert abnimmt. Konzentrationen von Sauerstoff und CO2 unterscheiden sich je nach anatomischem Abschnitt stark. Diese Umgebungsbedingungen beeinflussen das Bakterienwachstum, denn nicht jede Spezies kann sich überall gleich gut vermehren. Dementsprechend findet man je nach Atemwegs-Kompartiment unterschiedliche Bakterien-Cluster. Die größte Bakteriendichte hat der Oropharynx mit 106 und die geringste die Lunge mit 102 pro mm³.


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Bakterien in der kranken Lunge

Das Mikrobiom der kranken Lunge unterscheidet sich von dem der gesunden Lunge: die Keimzahl ist höher, die Diversität geringer, man findet weniger Bakterien, die für den Oropharynx charakteristisch sind und Proteobakterien nehmen zu, v. a. Haemophilus. Während beim gesunden Menschen eine Balance zwischen Immigration und Elimination von Bakterien besteht, die auch durch das Immunsystem in der Lunge beeinflusst wird, ist dieses Gleichgewicht bei schwerer Lungenkrankheit gestört [33]. Chronische Lungenerkrankungen sind durch eine unterschiedliche Zusammensetzung des Lungen-Mikrobioms charakterisiert [34]. Beim Asthma findet man im Vergleich zu Gesunden mehr Proteobakterien und Streptokokken, bei der COPD mehr Proteobakterien, Streptokokken und Staphylokokken und bei der zystischen Fibrose mehr Proteobakterien und Actinobakterien.

Inhalative Kortikosteroide zur Behandlung des Asthma bronchiale haben erheblichen Einfluss auf das Mikrobiom der Lunge, am stärksten Fluticason [35]. Der Anteil von Streptokokken und Haemophilus ist beim Asthma weitaus größer als bei Gesunden [36].

Bei COPD-Patienten sind die Veränderungen im Mikrobiom nicht allein auf das Rauchen zurückzuführen. Vielmehr bestehen Unterschiede zwischen Nichtrauchern und Rauchern mit und ohne COPD [37]. Auch in dieser Untersuchung wurde beobachtet, dass jeder Mensch sein individuelles Mikrobiom hat. Mit dem Schweregrad der COPD korreliert das Mikrobiom nicht [38].


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Bakterien als Einflussfaktoren für Lungenerkrankungen

Bei Kindern mit RSV-Infektion korreliert die Schwere der Erkrankung mit den Veränderungen des Mikrobioms im Nasopharynx [39]. Haemophilus-Bakterien sind in der Lage, ICAM-1 hochzuregulieren und damit Virusinfekte zu begünstigen. Kinder, die als Säuglinge asymptomatisch mit Streptokokken kolonisiert waren, hatten später ein höheres Risiko für Asthma bronchiale [40].

Nach einer experimentellen Infektion von COPD-Patienten mit Rhinoviren ist nach 2 Wochen eine starke Verschiebung des Mikrobioms hin zu einem Überwuchern von Proteobakterien zu beobachten [41]. Diese Veränderungen fanden sich bei gesunden Kontrollpersonen nicht. Demnach besteht eine Wechselwirkung zwischen Virusinfektion und Lungenmikrobiom.


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Schwierigkeiten bei der Charakterisierung des respiratorischen Mikrobioms

Das Mikrobiom der Lunge stellt für Forscher eine besondere Herausforderung dar. Zum einen gibt es in der Lunge quantitativ nur wenig Bakterien, dadurch auch weniger Datenpunkte und eine größere Unschärfe [42]. Zusätzlich vergrößert die Heterogenität in den unterschiedlichen Abschnitten ein und derselben Lunge die Komplexität. Immerhin scheint das Mikrobiom innerhalb einer Person über die Zeit relativ stabil zu sein.

Die Labordiagnostik zur Beschreibung des Mikrobioms ist technisch sehr aufwendig und steht daher noch nicht für die klinische Routine-Diagnostik zur Verfügung. Basis für die Mikrobiom-Diagnostik ist die Identifikation der unterschiedlichen Spezies mithilfe charakteristischer Genabschnitte. Dazu verwendet man die 16S-ribosomale RNA, die jeweils spezifisch für ein bestimmtes Bakterium ist [43]. Die Aufarbeitung beginnt mit der Sequenzierung der Genabschnitte. Es folgen die Identifikation und die quantitative Differenzierung der Spezies. Dazu nutzt man große Datenbanken, mit denen die jeweils gefundenen Sequenzen verglichen werden. In einem extrem aufwendigen Prozess lässt sich sogar das gesamte Mikrobiom beschreiben, bis hin zur Genmutation einzelner Bakterien [44]. Diese Auswertungen können allerdings nur noch spezialisierte Bio-Informatiker leisten. Für den Kliniker ist die Komplexität der Datenflut eine Herausforderung.


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Das Forschungsprojekt REDALERT

Das Akronym REDALERT leitet sich ab von “Respiratory microbiome and clinical data analysis for the prediction of acute exacerbations in COPD”. Es handelt sich um ein EU-Projekt im Rahmen des EUROSTARS-Programms und wurde ab Dezember 2019 für 36 Monate bewilligt. REDALERT hat zum Ziel, ein Verfahren zur Beschreibung des respiratorischen Mikrobioms zu entwickeln und dabei auch die optimalen Methoden für Probenentnahme und Untersuchungsintervalle zu finden. Durch wiederholte Analyse des Lungen-Mikrobioms bei Patienten sollen akute Exazerbationen der COPD vorhergesagt werden.

Die Firma Genexplain aus Wolfenbüttel wird die komplexen Mikrobiom-Daten analysieren. Sie hat bereits jetzt eine Plattform zur Bio-Informatik der RNA-Sequenzierung, von Mikroarrays und von Genomvarianten etabliert. Durch REDALERT kommen noch Mikrobiom und klinische Daten hinzu.


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Fazit

Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen haben eine andere Zusammensetzung des Lungen-Mikrobioms als gesunde Personen. Auch Medikamente wie inhalative Kortikosteroide oder Bronchodilatatoren beeinflussen das Mikrobiom. Die bisherige Analyse des Mikrobioms ist technisch sehr aufwendig. Mit dem Forschungsprojekt REDALERT soll die Mikrobiom-Diagnostik vereinfacht und mit klinischen Daten von COPD-Patienten verknüpft werden mit dem Ziel, chronische Lungenerkrankungen besser zu verstehen.


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Künstliche Intelligenz und E-Health in der Pneumologie

Referent: Matthias Held, Klinikum Würzburg Mitte – Missioklinik

Künstliche Intelligenz in der pneumologisch-onkologischen Befundung

Ein Anwendungsgebiet der künstlichen Intelligenz in der Pneumologie ist die Früherkennung des Lungenkarzinoms. Hintergrund dafür ist die Möglichkeit, frühe Stadien von Tumoren in der Computertomografie erkennen zu können. Im National Lung Screening Trial war 2011 gezeigt worden, dass ein Screening mit Low-Dose-CT bei Risikopersonen Tumoren früh identifizieren und die Mortalität reduzieren konnte [45]. Auch in einer hochaktuellen Arbeit aus den Niederlanden wurden mit einem CT-Screening frühe Tumorstadien entdeckt und die Sterblichkeit gesenkt [46].


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Überlegungen zum Lungenkrebs-Screening mit CT

Wenn Screening-Programme allgemein eingeführt werden, stellt dies eine erhebliche Herausforderung für das Gesundheitssystem dar. Die Nachverfolgung entdeckter, aber nicht sicher zuzuordnender Läsionen muss sichergestellt sein. Außerdem muss die Morphologie der Knotenbildungen besser differenziert werden, um eine sichere Einordnung in benigne versus maligne Läsionen zu ermöglichen. Dabei sind multiple Knoten und subsolide Läsionen eine besondere Herausforderung.

Betrachtet man den Ablauf im klinischen Setting, werden Probleme des Screenings offenbar. Falsch positive Befunde kommen beim Screening ebenso vor wie falsch negative. Die Strahlenexposition per se stellt eine potenzielle Schädigung des Patienten dar, ebenso wie evtl. unnötige diagnostische oder operative Eingriffe in der Folge.

Für die Radiologie stellt die konventionelle Diagnostik und Einordnung von Herden eine Herausforderung dar. Hierbei ist zwar mit zunehmender Erfahrung von einer steigenden Befundungssicherheit auszugehen. Dennoch existieren Daten, die auch für erfahrende Radiologen eine richtige Malignitätsbewertung eines Herdes in nur 68 % erwarten lassen. Die Rate steigt auf 82 % bei der Bewertung des Befundes durch 2 Untersucher. Man geht davon aus, dass bis zu 30 % der pulmonalen Läsionen nicht entdeckt werden und etwa 4 % der radiologischen Befunde fehlerhaft sein können. Hochrechnungen zufolge würden bei der Rundherddetektion im Screening 2 – 4 Minuten für die sorgfältige Befundung einer CT-Schicht benötigt, was bei einer großen Anzahl von Schichten und damit hochvolumigen Datensätzen eine erhebliche zeitliche Herausforderung darstellt.


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Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen

Mit künstlicher Intelligenz (KI) sollen Geräte bestimmte kognitive Funktionen des Menschen nachahmen. Algorithmen ermöglichen die Problemlösung. Beim Deep Learning lernen Maschinen mit neuronalen Netzwerken, wobei die Regeln zum Lernen vorgeben werden. Verschiedene Informationsstränge erhalten positive oder negative Gewichtungen und ändern sich mit zunehmender Erfahrung des Systems. Die wissenschaftliche Literatur zur computergestützten Diagnose und zum maschinellen Lernen hat in den letzten Jahren rasant zugenommen [47], wenngleich die überwiegende Anzahl von Artikeln nicht in medizinischen, sondern in Fachzeitschriften der Computerwissenschaften erschienen sind.

Beim überwachten Lernen markieren Experten in einem definierten Datensatz die Pathologie und lehren damit die Maschine, gutartige von pathologischen Läsionen zu unterscheiden. Diese Lernform benötigt viel menschlichen Input und das Gerät erkennt lediglich bekannte Pathologien. Anders beim unüberwachten maschinellen Lernen: Hierfür werden größere Datensätze für das Training des Systems benötigt, jedoch ist das System hier in der Lage, selbst bisher nicht als pathologisch bekannte Befunde als solche im Verlauf der Zeit zu erkennen.


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Screening auf Lungenkrebs

Die Entwicklung zur automatisierten Analyse von Lungentumoren begann bereits 1980. Beim Screening auf Lungenkrebs mit der CT erkennt das Gerät einen Knoten, volumetriert ihn und analysiert dessen Morphologie [47].

Neuerdings werden zum Screening auf Lungenkrebs nicht nur radiologische Befunde verwendet, sondern zusätzliche Parameter einbezogen wie Biomarker, Symptome des Patienten oder Signale aus tragbaren und implantierbaren Sensoren. Ein aktueller Review fasst die verschiedenen Herangehensweisen zusammen [48]. Sammelt man Daten vom CT, aus Sensoren und von Apps, in die vom Patienten eigene Daten eingepflegt werden und übermittelt sie dem System, so werden diese von komplexen neuronalen Netzwerken verarbeitet. Dadurch können Sensitivität und Spezifität sowie Genauigkeit verbessert werden.


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Datensätze zum maschinellen Lernen

Ein Standard-Datensatz zu thorakalen CT Scans, der zum maschinellen Lernen häufig genutzt wird, ist die Datenbank des Lung Image Database Consortiums (LIDC) und der Image Database Resource Initiative (IDRI) [49]. Sie ist für jeden Forscher offen im Internet verfügbar. Der Datensatz beinhaltet 1018 thorakale CTs mit insgesamt 7371 Läsionen, die mindestens einer von vier Radiologen als Knoten bezeichnet hat. In Studien wurden je nach Architektur des verwendeten neuronalen Netzwerkes damit schon Sensitivitäten und Spezifitäten über 80 % erreicht [48]. Auch verbesserte sich die Genauigkeit der Diagnose in Publikationen zwischen 2015 und 2019 um einige Prozentpunkte [48]. Ein Nachteil des LIDC-IDRI-Datensatzes besteht darin, dass nur 72 Fälle tatsächlich histologisch bestätigt wurden.

Eine Herausforderung für die künstliche Intelligenz stellen multiple Herde in der Lungenkrebs-Diagnostik dar. In einer kleineren Arbeit an 53 Patienten mit 108 Läsionen ließ sich aber immerhin eine Übereinstimmung zwischen künstlicher Intelligenz und Pathologie von 89 % erreichen [50]. Solide Läsionen und größere Herde wurden durch KI am häufigsten übersehen. Eher schwierig zu diagnostizieren sind Knoten in der Nähe von Pleura oder Mediastinum sowie gefäßnahe Läsionen.

In einer neuen Übersichtsarbeit wurden Algorithmen überprüft, die nicht am Standard-LIDC-IDRI-Datensatz trainiert wurden [51]. In den 26 ausgewerteten Studien ermittelten die Autoren eine Genauigkeit von über 90 %. Auch diese Datensätze lieferten also gute Ergebnisse. In einer aktuellen vergleichenden Studie waren die durch Deep Learning erzielten Befunde meist genauer als die von 2 unabhängig voneinander arbeitenden Radiologen [50]. Dies galt unabhängig von analysierten CT-Geräteherstellern für verschiedene Altersgruppen von Patienten und auch bei verschiedenen Dosisprotokollen.

Konnten Radiologen auf die KI-basierte Analyse zugreifen, verbesserte sich dadurch die diagnostische Sicherheit der radiologischen Befundung.


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Künstliche Intelligenz in der pneumologischen Diagnostik

Radiologen aus Basel setzten künstliche Intelligenz in der konventionellen Diagnostik primärer Lungentumoren ein [52]. Hier wurden kleinere Tumoren besser detektiert als größere, weil die bisherigen Algorithmen oft an Datensätzen mit Knoten unter 3 cm trainiert wurden. Pleuranahe Läsionen blieben häufig unerkannt.

Weitere Anwendungsgebiete für künstliche Intelligenz in der Pneumologie sind interstitielle Lungenerkrankungen, COPD, Emphysem, Lungenembolie und Rechtsherzbelastung. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft sind die Systeme noch nicht ausgereift, haben gewisse Schwächen und es bedarf weiterer Verbesserungen. Jedoch kann künstliche Intelligenz bei der bildgebenden Diagnostik eine wichtige Hilfestellung für den Radiologen bieten und insbesondere helfen, mit der steigenden Workload aus zum Beispiel Tumorscreening-Programmen umzugehen.


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Erfassung der Mobilität − ein neuer Parameter in der Pneumologie?

Referent: Henrik Watz, Pneumologisches Forschungsinstitut an der LungenClinic Großhansdorf

Vor 70 Jahren machten Epidemiologen in London eine erstaunliche Beobachtung, als sie das Personal in den Doppelstockbussen der Hauptstadt untersuchten: die Häufigkeit von Myokardinfarkten war bei den Busfahrern doppelt so hoch wie bei den Kontrolleuren, die während der Dienstzeit ständig im Bus umherliefen und die Treppe zwischen Ober- und Unterdeck nutzten [53]. Ein ähnliches Phänomen war bei Angestellten der Post zu beobachten, wo Briefzusteller eine viel geringere Myokardinfarkt-Rate hatten als Telefonistinnen. Es liegt nahe anzunehmen, dass die vermehrte körperliche Aktivität am Arbeitsplatz ein möglicher Grund für die geringere Krankheitsrate war.

Körperliche Aktivität in der Allgemeinbevölkerung

Als Leitlinie für die Allgemeinbevölkerung gilt, dass man mindestens 30 Minuten pro Tag körperlich aktiv sein sollte. Eine Studie aus Taiwan zeigte jedoch, dass bereits 15 Minuten Gehen pro Tag mit einer signifikant geringeren Mortalität assoziiert war als keine körperliche Aktivität [54]. Auch die Raten an malignen Erkrankungen und Diabetes waren bei körperlich aktiven Menschen geringer. In einer Studie aus Texas machten bereits 5 bis 10 Minuten Jogging pro Tag im langsamen Tempo einen signifikanten Unterschied bei kardiovaskulärer und Gesamtmortalität [55]. Diese Daten unterstreichen, dass bereits relativ geringe körperliche Aktivitäten positiven Einfluss bei chronischen Erkrankungen nehmen können und bestärken darin, dies auch Patienten mit COPD zu empfehlen.


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Körperliche Aktivität bei COPD

Bei COPD ist die tägliche Schrittzahl assoziiert mit dem Schweregrad der Erkrankung. Während Patienten im Gold Stadium I knapp 8000 Schritte pro Tag machten, waren es im Stadium IV nicht einmal 3000 Schritte [56]. In einer europäischen Studie wurde der Zusammenhang zwischen Schrittzahl und Mortalität dokumentiert [57]. Hier überlebten COPD-Patienten, die weniger als 3500 Schritte pro Tag zurücklegen, nach 4 Jahren nur zu gut 60 %, während von den mobilen Patienten mit mehr als 7100 Schritten mehr als 95 % überlebten. In den Stadien Gold III bis IV war Inaktivität besonders stark mit erhöhter Mortalität assoziiert. Interessanterweise war die Schrittzahl unabhängig vom Energieverbrauch mit dem Überleben assoziiert, was zeigt, dass auch langsameres Gehen („Alltagsaktivität“) ein wichtiger prognostischer Parameter ist. Diese Alltagsaktivität im Sinne von mehr Schritten pro Tag bei niedrigem Energieverbrauch war auch mit weniger Hospitalisierungen assoziiert [58]. Im Verlauf der COPD-Erkrankung nimmt die Mobilität ab; Patienten aller Krankheitsstadien machen jedes Jahr durchschnittlich 400 Schritte pro Tag weniger als im Vorjahr [59], was mit einem Verlust an Muskelmasse von circa 1 kg pro Jahr bei den ganz inaktiven Patienten assoziiert ist.


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Gebrechlichkeit/Frailty und Funktionalität

In der Geriatrie verwendet man schon seit Jahren objektive Kriterien, um das Ausmaß der Gebrechlichkeit eines älteren Menschen zu objektivieren. Dazu gehört die Abnahme der groben Körperkraft, gemessen durch Handkraftmessung, die subjektiv empfundene Erschöpfung, eine reduzierte Geschwindigkeit beim Gehen, eine reduzierte allgemeine Aktivität sowie ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust von mehr als 5 kg pro Jahr [60]. Gebrechlichkeit liegt vor, wenn mindestens 3 dieser 5 Leitsymptome vorhanden sind. Bei schwerer COPD treffen diese Kriterien auch auf viele schwerkranke Patienten zu. Zur Dokumentation der Funktionalität verwendet man in der Geriatrie zudem häufig Balancetests, Tests zur Gehgeschwindigkeit und Aufstehtests.

Bei COPD-Patienten wurde die Geschwindigkeit des Gehens mit verschiedenen Krankheitsparametern korreliert [61]. Dabei mussten die Patienten in ihrer normalen Geschwindigkeit 4 m weit gehen und es wurde die Zeit für diese Strecke gemessen (Normalwert unter 4,8 Sekunden). Hohe Korrelationen des Testergebnisses bestanden zum 6-Minuten-Gehtest (r = 0,76), zum mMRC-Wert (r = 0,53) und zur täglichen Schrittzahl (r = 0,50).

Auch die prognostische Aussage der Handkraft von COPD-Patienten wurde in Studien erfasst. Patienten mit erniedrigten Werten in der Handkraftmessung haben ein circa 50 % höheres Risiko zu versterben verglichen mit COPD-Patienten und einer erhaltenen Handkraft [62].


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EU-weites Forschungsprojekt zur digitalen Erfassung der Alltagsmobilität (Mobilise-D)

Angesichts der alternden Bevölkerung und der zunehmenden Häufigkeit von Gebrechlichkeit bei chronischen Erkrankungen hat die Europäische Union Forschungsgelder bereitgestellt, um die Alltagsmobilität und insbesondere die Gehgeschwindigkeit digital im häuslichen Umfeld besser als bisher zu erfassen (MOBILISE-D, www.mobilise-d.eu). Ziel ist, die Mobilität als Outcome-Parameter auch für klinische Studien zu validieren. Bevorzugt werden digitale, einfache Messinstrumente, um das Geschehen im Alltag zu dokumentieren. Im Labor sind komplexe Messungen mit umfangreichen Apparaten möglich, die aber im Alltag nicht auf breiter Basis angewendet werden können. So wird in der Studie ein triaxiales Akzelerometer weiterentwickelt und mit zusätzlichen Sensoren ausgestattet, das am Gürtel getragen über 7 Tage kontinuierlich zur Messung verwendet wird. Es misst nicht nur die Schrittzahl, sondern zeichnet auch die Ganggeschwindigkeit und die Gangsicherheit auf.

Das EU-Projekt ist heterogen angelegt und unterscheidet verschiedene klinische Kohorten. In der globalen Mobilise-D-Kohorte wird die Veränderung der Funktionalität mit zunehmendem Alter dokumentiert. Bei der COPD-Kohorte sind Exazerbationen und Krankenhausaufnahmen die primären Endpunkte. Zusätzlich gibt es Krankheits-Kohorten für Patienten mit multipler Sklerose, Parkinson-Erkrankung und eine geriatrische Kohorte mit hohem Risiko für Stürze und damit einer möglichen Schenkelhalsfraktur. Zur Messung der Funktionalität dient das Late Life Function and Disability Instrument LLFDI, ein häufig verwendetes Messinstrument der geriatrischen Forschung [63]. In Mobilise-D erwartet man eine Beziehung zwischen dem LLFDI-Wert und der Gehgeschwindigkeit im Alltag. In jedem Fall wird man ermitteln können, ob die Erfassung der Gehgeschwindigkeit einen Vorteil gegenüber der Messung der täglichen Schrittzahl bietet.

In Deutschland nehmen an dem EU-Projekt das Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart, die Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, das Universitätsklinikum Erlangen, die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und das Pneumologische Forschungsinstitut an der LungenClinic Großhansdorf teil. Die COPD-Kohorte wird in pneumologischen Zentren in Belgien, England, Spanien und Großhansdorf rekrutiert. Ergebnisse dieses Forschungsvorhabens sind in einigen Jahren zu erwarten.


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Fazit

Die körperliche Aktivität, gemessen an der Schrittzahl pro Tag, nimmt mit Fortschreiten der COPD ab und hat klinisch bedeutsame prognostische Konsequenzen. Das Konzept der Mobilität jedoch umfasst nicht nur die körperliche Aktivität im Sinne von Schrittzahl allein, sondern auch weitere Parameter wie z. B. die Gehgeschwindigkeit und Gangsicherheit der Patienten. Dieses Konzept soll in dem Forschungsvorhaben Mobilise-D auch für Patienten mit COPD klinisch validiert werden.


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Früherkennung von COPD-Exazerbationen − welche Rolle spielen Apps?

Referent: A. Rembert Koczulla, Philipps Universität Marburg und Schön Klinik Berchtesgadener Land

Wie Patienten den Begriff Exazerbation verstehen

COPD-Patienten können mit dem Begriff Exazerbation häufig nichts anfangen. Dies zeigte eine multinationale Studie, in der 125 COPD-Patienten befragt wurden, die durchschnittlich 4 Exazerbationen erlitten hatten [64]. Sie wurden zu Hause aufgesucht und mit einem strukturierten Interview über eine Stunde ausführlich befragt. Nur 2 Patienten konnten den Begriff Exazerbation erklären, eine weitere Person verwendete ihn spontan, während insgesamt 59 % der interviewten Personen den Begriff Exazerbation noch nie gehört hatten bzw. ihn nicht verstanden. Wenn es darum ging, einfachere Beschreibungen zu finden, wurde am häufigsten Infektion/Erkältung genannt (20 %), gefolgt von Schwierigkeiten beim Atmen/Kurzatmigkeit (18 %), Krise (16 %) oder Attacke (15 %).


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Medizinische Definitionen der COPD-Exazerbation

Bei allen derzeit verwendeten Definitionen der COPD-Exazerbation sind verstärkte Symptome oder die Therapie des Patienten das wesentliche Kriterium. Seit 2017 definieren die GOLD-Leitlinien COPD-Exazerbationen als eine akute Verschlechterung der respiratorischen Symptome, die in zusätzlicher Therapie resultiert. In Deutschland formuliert die Leitlinie COPD von 2018 [65] es folgendermaßen: „Die COPD-Exazerbation ist eine akute, über mindestens 2 Tage anhaltende Verschlechterung der respiratorischen Symptome mit der Notwendigkeit einer Intensivierung der Therapie.“


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Potenzielle Frühzeichen der COPD-Exazerbation: Die PACE-Studie

In der Schön Klinik Berchtesgadener Land, Standort der Philipps Universität Marburg, beginnt noch in diesem Quartal eine Studie zu der Frage, welche frühen Indikatoren auf eine bevorstehende Exazerbation hinweisen könnten. Aus der Gruppe der Patienten, die für 3 Wochen zur pulmonalen Rehabilitation in der Klinik sind, werden Personen mit neu aufgetretener, akuter COPD-Exazerbation zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Zusätzlich zur ohnehin schon sehr umfangreichen Diagnostik zu Beginn und während der pneumologischen Rehabilitation wird bei exazerbierten Patienten eine spezielle kardiologische sowie eine umfassende pneumologische Diagnostik durchgeführt.

Nach akuter Verschlechterung wird die Rehabilitation verlängert und an Tag 35 der Reha erfolgt eine umfangreiche Abschlussdiagnostik. Mit Nachuntersuchungen 6 bis 24 Monate nach der Rehabilitation werden Gesundheitsstatus und Lebensqualität erfasst, die körperliche Aktivität der Patienten erfragt und die Anzahl von Exazerbationen, Krankenhausaufenthalten und Mortalität dokumentiert. Indem man den Beginn der Verschlechterung während des Aufenthaltes in der Fachklinik beobachten kann, können Frühzeichen der Exazerbation erkannt werden. Die Experten vermuten, dass ein relevanter Teil der Exazerbation kardialer Natur ist. Daher gehören Parameter zur Differenzierung zwischen Herzinsuffizienz und Exazerbation zu den sekundären Endpunkten.


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Überlegungen zur Telemedizin und zu medizinischen Apps

Die aktuelle Gesetzgebung in Deutschland sieht mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz vor, dass Ärzte in Zukunft ihren Patienten Apps rezeptieren und dass medizinische Daten über das sichere Datennetz im Gesundheitswesen übermittelt werden. Allerdings sind noch wichtige Fragen ungeklärt. Experten des Chaos-Computer-Clubs deckten kürzlich hunderte Sicherheitslücken in der Telematik-Infrastruktur zur elektronischen Patientenakte auf [66]. Derzeit ist die Medizin-Telematik also noch äußerst verwundbar. Dies ist umso gravierender, als die gesammelten Patientendaten hochsensibel sind. Ein zweiter wichtiger Aspekt ist die ungeklärte juristische Situation auf der Seite der Ärzte. Wie häufig muss ein Arzt die ankommenden Datenströme sichten und beurteilen und auf welche Veränderungen muss er wie schnell reagieren? Wie soll er diese Arbeitslast zusätzlich zur Sprechstunde bewältigen? Die Entwicklung der Gesundheits-Apps liegt überwiegend in der Hand von Software-Experten und Ingenieuren. Hier müssten sich Ärzte noch viel stärker einbringen, damit ein für die klinische Praxis geeignetes Produkt entsteht.


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Telemedizinisch überwachte häusliche Rehabilitation

Wenn in den USA Patienten mit COPD-Exazerbation innerhalb von 30 Tagen nach Entlassung wieder stationär aufgenommen werden, muss die Klinik hohe Geldzahlungen leisten. In einer aktuellen Publikation wurde gezeigt, dass Telemedizin die Wiederaufnahmeraten reduzieren kann [67]. Mit einer aufwendigen 1:1-Betreuung überwachten Therapeuten per Video die häusliche Rehabilitation der Patienten. In der Interventions-Gruppe führten die Patienten über 12 Wochen an insgesamt 36 Tagen die Rehabilitation zu Hause durch. Dies reduzierte die Wiederaufnahme-Raten deutlich, denn während in der Kontrollgruppe 18 % der Patienten innerhalb von 30 Tagen wieder hospitalisiert werden mussten, waren es in der Telemedizin-Gruppe nur 6 %. Betrachtet man nur die Wiederaufnahmen wegen COPD-Exazerbation, waren die Raten mit 12 % bzw. 4 % ebenfalls signifikant geringer. Damit konnten die Autoren zeigen, dass eine solche aufwendige Betreuung die Gesundheit der Patienten poststationär verbessern kann.


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Nachsorge per App nach pulmonaler Rehabilitation

Wenn Patienten nach erfolgreicher pneumologischer Rehabilitation entlassen werden, schleifen sich zuhause meist wieder die alten Muster ein. V. a. mangelt es an regelmäßiger körperlicher Aktivität. Hier setzt ein neues Forschungsprojekt der Schön Kliniken in Kooperation mit Zürcher Rehazentren an. Patienten im GOLD-Stadium II – IV sollen zuhause ein tägliches Trainingsprogramm absolvieren. Dazu werden sie mithilfe der COPD-App von Kaia angehalten, die der Patient auf sein Smartphone oder Tablet herunterlädt. Die App passt die Schwierigkeit der Übungen den individuellen Möglichkeiten des Patienten an und gibt ihm Feedback. Alle Studienteilnehmer erhalten einen Aktivitätstracker, der die tägliche Schrittzahl erfasst und anzeigt. Zusätzliche dokumentierte Parameter sind z. B. Exazerbationsrate, Dyspnoe, Schlafqualität und Leistungsfähigkeit. Der primäre Endpunkt der Studie ist die Veränderung der körperlichen Aktivität zwischen Entlassung und Kontrolluntersuchung nach 6 Monaten, wobei die Daten der Interventionsgruppe mit denen von Kontrollpatienten verglichen werden, die lediglich den Aktivitätstracker nutzen und nicht mit der App arbeiten.


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Der mobile COPD-Status-Test

In Kooperation mit der Klinik in Nürnberg arbeitet die Schön Klinik/Uni Marburg an der Entwicklung eines digitalen Biomarkers zur Früherkennung von COPD-Exazerbation auf der Basis von maschinellem Lernen. In der prospektiven, dreiarmigen Studie zum mobilen COPD-Status-Test wird der Gesundheitsstatus einmal in der Woche zuhause erhoben. Dabei werden die üblichen im Smartphone vorhandenen Sensoren wie Mikrofon, Kamera oder Beschleunigungssensor genutzt und der Patient beantwortet zusätzlich Fragen auf dem Bildschirm. Es werden Lungengeräusche übermittelt, der Gang analysiert und der Patient bei laufender Video-Kamera beim Durchführen des Ein-Minuten-Aufstehtests (Sit-to-Stand-Test) beobachtet. Mithilfe der Datensätze wird überprüft, ob die mit dem Smartphone erfassten Parameter mit denen einer klassischen Routineuntersuchung korrelieren.

Zwar können nur Patienten teilnehmen, die ein Smartphone besitzen. Jedoch haben heutzutage sehr viele Senioren ein Smartphone und nutzen es aktiv, bspw. als Fotokamera, zum Kommunizieren mit Familie und Freunden oder als Terminplaner.


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Fazit

Mit Telemedizin und Apps lassen sich die Prinzipien der P4-Medizin verwirklichen: präventiv, personalisiert, partizipatorisch und präzise. Im Bereich der COPD werden dazu diverse Projekte durchgeführt. Jedoch gibt es derzeit noch ernste Sicherheitsbedenken und es gilt die Warnung von Stephen Hawkins: „Ich befürchte, dass die künstliche Intelligenz (KI) den Menschen ganz und gar ersetzen könnte. Wenn Menschen Computerviren entwerfen, wird jemand eine KI entwerfen, die sich selbst repliziert!“


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Smartphone-Apps für Laien und Ärzte: Hilft künstliche Intelligenz bei der Triagierung und Diagnosefindung?

Referent: Thomas Köhnlein, Pneumologisches Facharztzentrum Teuchern

Die elektronische Welt ermöglicht es jedem Menschen, im Internet nach vielfältigen Themen zu suchen. Rund 80 % aller Internet-Nutzer informieren sich über Gesundheitsfragen und vor und nach dem Arztbesuch suchen bis zu 60 % der Patienten nach zusätzlichen Fakten und Erklärungen. Die Konsultation eines Arztes ist also heutzutage elektronisch umrahmt, denn im Gegensatz zu früher sind Gesundheitsinformationen jederzeit niederschwellig und kostenlos verfügbar. Für Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte und eingeschränkter medizinischer Versorgung ist dies ein großer Fortschritt.

Für Smartphones gab es im Jahr 2019 weltweit schätzungsweise 380 000 verschiedene Apps zu Gesundheitsthemen. Knapp ein Drittel davon fokussiert auf psychiatrische Probleme. Themen mit Stigmatisierungspotenzial werden besonders gern online gesucht. Für Menschen, die sich sehr intensiv mit Gesundheitsthemen im Netz auseinandersetzen und dadurch eine unbegründete Besorgnis und Ängstlichkeit entwickeln, krank zu sein, haben Psychiater den Begriff Cyberchondria geprägt.

Gesundheit-Apps für Smartphones

Eine Gesundheits-App kann von Programmierern entwickelt und dann direkt auf den Markt gebracht werden. Es ist keine inhaltliche Evaluation oder behördliche Zulassung erforderlich. In Deutschland sind die gesetzlichen Hürden etwas höher als in den USA. Wenn eine App medizinische Ratschläge gibt, wird sie als Medizinprodukt der Klasse I eingeordnet. Das BfArM überprüft jedoch nicht, ob die Inhalte und Aussagen der App richtig sind.

Je nach Ausgestaltung der App werden objektive Messdaten wie die Schrittzahl erhoben, oder die App beinhaltet Fragen zum Gesundheitszustand, die der Patient beantwortet. Vielfach werden Vorerkrankungen wie Diabetes oder Hypertonie abgefragt.

Gesundheitsdaten von möglichst vielen Menschen gelten als begehrt und wertvoll, attraktiver noch als Informationen von Bankkonten. Darin liegt auch ein Motiv, Apps zu programmieren, denn sie dienen teilweise lediglich als Vehikel, um persönliche Daten von Patienten abzugreifen. Insofern sind Sicherheitsaspekte von großer Bedeutung, werden aber heutzutage noch viel zu wenig berücksichtigt.


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Medizinische Smartphone-App für Laien: Ada

Die App Ada wurde von einem Berliner Startup entwickelt. Sie soll dem Nutzer Antworten auf seine gesundheitlichen Probleme geben und bei der Diagnosefindung helfen. Die Programmierer haben zunächst einen Grundstock von Daten in die App eingegeben. Mit zunehmender Nutzung ist das System selbstlernend, es arbeitet mit künstlicher Intelligenz. Der Nutzer muss eine Vielzahl von Fragen beantworten. Wenn er nach dem Arztbesuch wieder auf die App zurückgreift und die Diagnose des Arztes in Ada eingibt, lernt das System. Mit der Zeit sollte die Trefferquote der Diagnosen also besser werden.

Psychiater aus Mainz haben überprüft, wie gut die aktuelle Version der App psychiatrische Krankheitsbilder erkennt [68]. Dazu haben die Forscher aus Lehrbüchern und Leitlinien die typischen klinischen Symptome der Erkrankungen Schizophrenie, Depression, soziale Phobie und ADHS (Aufmerksamkeitsdefizitstörung mit oder ohne Hyperaktivität) zusammengestellt. Sie bildeten daraus 20 klinische Fälle und legen diese den Versuchspersonen vor, nämlich jeweils 2 Psychotherapeuten, Psychologie-Studenten und Laien. Sie hatten die Aufgabe, die entsprechenden Symptome in die App Ada einzugeben und die Fragen der Software zu beantworten. Idealerweise sollte Ada für alle Erkrankungen bei Erwachsenen und Kindern die richtige Diagnose herausfinden. Für Erwachsene gelang dies zu immerhin 78 %, aber nur dann, wenn die beiden Psychotherapeuten die Antworten in Ada eingaben. Mit Angaben von Studenten oder Laien waren die Trefferquoten mit 55 % bzw. 60 % weniger gut. Die diagnostische Genauigkeit hing also vom Vorwissen des Nutzers ab. Für Erkrankungen des Kindesalters war die Trefferquote von Ada noch geringer und betrug höchstens 53 % und minimal 29 %. Eine weitere Auswertung berücksichtigte, dass das System auch alternative Diagnosen ausgibt. Wenn die Erkrankung unter einer der Diagnosen von Ada genannt wurde, war die Trefferquote maximal 91 % (Erwachsenenerkrankungen, von Psychotherapeuten eingegeben) und minimal 45 % (pädiatrische Krankheitsbilder, von Laien eingegeben). Die Genauigkeit der Ada App ließ also noch zu wünschen übrig.

Analog zu dieser Forschungsarbeit hat der Referent das System mit einem erdachten pneumologischen Fall konfrontiert, nämlich einem 40-jährigen Asthmatiker. Dieser hatte nicht nur trockenen Husten, sondern beidseitigen Brustkorbschmerz und eine verminderte körperliche Belastungstoleranz. Die ersten 3 der von Ada vorgeschlagenen Ursachen für die Beschwerden waren idiopathische Lungenfibrose, chronische Sarkoidose und Asthma bronchiale. Zusätzlich gibt die App an, wie viele Personen mit der gleichen Symptomatik die jeweilige Erkrankung haben. Diese Zahl war am höchsten bei der Lungenfibrose mit 3 von 10 Personen; bei Asthma war es nur eine von 10 Personen.

Inzwischen haben mehrere Pneumologen eine Task Force Digitale Medien gebildet. Man überlegt, ob man auch für wichtige Lungenerkrankungen klinische Fälle bildet, mit der man den Nutzen der Ada-App überprüfen kann.


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Medizinische App für Ärzte: vernetzte medizinische Leitlinien in einer App (Leila)

Die DGP hat gemeinsam mit der Berliner Firma Lindgrün GmbH ein ambitioniertes Projekt auf den Weg gebracht. Mit der App Leila sollen Leitlinien der AWMF für den klinisch tätigen Arzt besser verfügbar werden. Dabei geht es nicht um das bloße Bereitstellen von PDF-Dateien, die auf dem Smartphone schlecht zu lesen sind. Vielmehr sollen die Leitlinien so aufbereitet werden, dass die einzelnen Aspekte zu Diagnostik und Therapie hierarchisch gegliedert werden, sodass sie auf dem Smartphone gut erkennbar sind. Zudem werden wichtige Informationen über Verlinkungen hinterlegt. Bspw. findet man bei Antibiotika empfohlene Tagesdosen oder auch aktuelle Rote-Hand-Briefe, wenn man auf den Substanznamen klickt. Für bakterielle Erreger soll hinterlegt werden, wie sich die aktuelle Resistenzlage in verschiedenen Regionen Deutschlands darstellt. Erklärungen zu funktionalen Scores und Pathways sind ebenfalls in Leila enthalten ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Verschiedene Modi zur Nutzung der Smartphone-App Leila. Quelle: Leila | www.leila.de | @ lindgruen-gmbh | 2020.

Zusätzlich werden mehrere Leitlinien horizontal integriert, die sich mit ähnlicher Symptomatik beschäftigen. Am Beispiel Husten wird deutlich, dass eine ganze Anzahl von Leitlinien aus unterschiedlichen Fachgebieten Aussagen zu diesem Symptom machen. Die Programmierer möchten daher diese horizontale Integration möglichst schlank gestalten.

In die erste Ausbaustufe der Leila-App werden mehrere wichtige Leitlinien eingebunden: zur ambulant erworbenen Pneumonie, zur nosokomialen Pneumonie, zur COPD, zur Sepsis, zur Herzinsuffizienz und ganz aktuell die DGP-Stellungnahmen zur Infektion mit SARS-CoV-2. Die Benutzeroberfläche beinhaltet unterschiedliche Ebenen. Der Nutzer kann den vollständigen Text der Leitlinie abrufen. Er enthält konkrete Empfehlungen zu bestimmten Themen, bspw. „Wie wird der Schweregrad einer CAP erfasst?“ und zur empfohlenen Therapie. Für Score-Systeme wie CRB-65 kann der Nutzer die Werte seines Patienten direkt in die App eintragen, und daraus berechnet das System den Score und liefert eine Interpretation. Wichtig ist auch die Suchfunktion, mit der man in verschiedenen Leitlinien suchen kann.

Auf der Webseite www.leila.de haben sich bisher mehr als 400 Nutzer für die App vorregistriert. Den Prototyp für Leila haben 49 Professionelle im Alter zwischen 20 und 69 Jahren, überwiegend Ärzte, evaluiert. Die Leila-App würden 78 % der Probanden in der Praxis nutzen und sie vergaben für die Funktionen von Leila Schulnoten zwischen 1,5 und 2. Negativ-Kritik war selten. Diese ist aber erforderlich, um die App weiter zu verbessern und medizinisch korrekte Antworten zu gewährleisten. In sehr naher Zukunft wird die Beta-Version von Leila in den bekannten App-Stores zum Download und zur freien Nutzung zur Verfügung stehen.


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Ausblick

Die meisten Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften wurden für die Praxis zu ausführlich formuliert und sind inzwischen zu lang, um einfach handhabbar zu sein. Aktuell diskutiert die AWMF, ob Leitlinien nicht mittelfristig in einer Form entwickelt werden sollten, dass sie gut in Smartphone-Apps dargestellt werden können. So soll das Update der Leitlinie Lungentuberkulose primär App-fähig werden. Ideal wären stets aktuelle Leitlinien, die den gegenwärtigen Stand des Wissens wiedergeben, weil alle neuen Fakten fortlaufend zeitnah integriert werden.


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Fazit

Winfried J. Randerath, Universität zu Köln, Krankenhaus Bethanien, Solingen

Technologische Innovationen werden weiterhin Diagnostik und Therapie in der Pneumologie bereichern.

  • Ein Screening auf COPD hat zum Ziel, bisher nicht diagnostizierte Patienten zu identifizieren, die von einer Therapie profitieren.

  • Über die kleinen Atemwege ist noch vergleichsweise wenig bekannt. Hier kann die forcierte Oszillation als erweiterte Diagnostik neben Spirometrie und Bodyplethysmografie zusätzliche Informationen geben.

  • Für das Lungenkrebs-Screening mit der Computertomografie könnte die automatische Auswertung von CTs eine wertvolle Hilfe für den Radiologen werden, um die große Zahl von Untersuchungen systematisch und standardisiert bewältigen zu können.

  • Bei der diagnostischen und interventionellen Bronchologie erweitern Innovationen wie Kryobiopsie, konfokale Laser-Endomikroskopie oder die gezielte Lungendenervierung die Möglichkeiten von Diagnostik und Therapie.

  • Für Patienten mit Alveolarproteinose ist die Ganzlungenlavage eine wirksame Therapiemethode, denn sie entfernt Protein aus den Atemwegen.

  • Die differenzierte Diagnostik des Mikrobioms der Lunge kann dazu beitragen, den Zusammenhang zwischen respiratorischen Exazerbationen und Erregern besser zu verstehen.

  • Ein Forschungsprojekt wird analysieren, inwiefern die differenzierte Erfassung der Mobilität mit Schrittzahl, Intensität und Gangbild bei Patienten mit COPD als prognostischer Marker genutzt werden kann.

  • Smartphone-Apps für Laien sollen Patienten mit bestimmten Beschwerdebildern Hinweise geben, wann sie zum Arzt gehen sollten und welche Diagnose sich hinter den Symptomen verbergen könnte. Allerdings müssen die aktuell auf dem deutschen Markt befindlichen Apps noch weiterentwickelt und verbessert werden.

  • Pneumologen können demnächst auf eine Leitlinien-App zurückgreifen, die ein wertvolles Werkzeug für die Versorgung lungenkranker Patienten werden wird. Durch zusätzliche hinterlegte Informationen und Verlinkung bietet sie nicht nur eine bessere Bedienbarkeit, sondern größere Aktualität gegenüber der PDF-Version der Leitlinie.

Diese Aspekte bieten hochinteressante Perspektiven, die intensiv, also in die Tiefe gehend, und auch in verschiedene Richtungen verfolgt werden sollten. Am Ende dieser Prozesse wird die Auswahl der besten Optionen – das heißt auch das Verwerfen von Fehlentwicklungen − stehen, die dann in die pneumologische Praxis übertragen, verfeinert und validiert werden müssen.


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Interessenkonflikt

Michael Dreher erhielt Honorare für Vorträge von Actelion, Astra Zeneca, Bayer, Berlin Chemie, Boehringer Ingelheim, Chiesi, GSK, Hamilton, Heinen und Löwenstein, Intermune, Linde, Novartis, Pfizer, Philips Respironics, ResMed, Roche, Weinmann. Beratungshonorare von Almirall, Boehringer Ingelheim, Hamilton, Linde, Novartis, Pfizer, Philips Respironics, ResMed, Roche. Research Grants von Linde, Philips Respironics, ResMed
Rembert Koczulla erhielt Honorare für Vorträge/Advisory Boards von Sanofi, Boehringer Ingelheim, Astra Zeneca, Chiesi, Novartis, Berlin Chemie, GSK, CSL Behring, Grifols, Streamed up, Schön Klinik, Produktunterstützung von Novotec, Berater bei Kaia
Gernot Rohde erhielt Honorare für Vorträge und Beratungstätigkeiten von Astra Zeneca, Boehringer Ingelheim, GSK, Novartis, Roche, Berlin Chemie, Grifols, Vertex, Pfizer, MSD, Chiesi, Bayer, Insmed, BMS, Sanofi, PulmonX.
Winfried Randerath erhielt Honorare für Vorträge und Beratertätigkeit von Bayer, Berlin Chemie, Boehringer Ingelheim, Heinen und Löwenstein, Novartis, Philips Respironics, ResMed.
Gratiana Steinkamp erhielt Honorare für medizinisch-wissenschaftliches Publizieren von Boehringer Ingelheim, InfectoPharm, Pari GmbH und Gilead.
Julia Wälscher erhielt Vortragshonorare und Reisekostenunterstützungen von Boehringer Ingelheim und Roche.

Henrik Watz erhielt Honorare für Vorträge oder Beratungstätigkeit der Firmen Astra Zeneca, Boehringer Ingelheim, Bayer, BerlinChemie, Chiesi, GSK, Novartis, Takeda.

* Die Veranstaltung wurde von der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG gefördert.


  • Literatur

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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Winfried Randerath
Krankenhaus Bethanien
Klinik für Pneumologie und Allergologie
Aufderhöher Straße 169–175
42699 Solingen

Publication History

Article published online:
14 July 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York

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Abb. 1 Algorithmus zur Differenzierung von Lungenfunktionsveränderungen mithilfe der Impulsoszillometrie nach Winkler (Winkler et al. Pneumologie 2009; 63 (8): 461–469). R5/R20: Resistance bei einer Oszillationsfrequenz von 5/20 Hz; X5: Reactance bei 5 Hz; VD: Verdachtsdiagnose; DD: Differenzialdiagnose; TLC: Totale Lungenkapazität; FRES: Resonanzfrequenz.
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Abb. 2 Verschiedene Modi zur Nutzung der Smartphone-App Leila. Quelle: Leila | www.leila.de | @ lindgruen-gmbh | 2020.