Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2020; 27(03): 142
DOI: 10.1055/a-1143-2374
Gesellschaft
DGMM
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Deutsche Gesellschaft für Maritime Medizin e. V.

Marcus Oldenburg
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Publication Date:
16 June 2020 (online)

Liebe Mitglieder der DGMM,

alles steht zurzeit im Zeichen der Coronapandemie. Während an zahlreichen Arbeitsplätzen an Land eine Verlagerung der Arbeitsaktivität ins Homeoffice erfolgt oder Arbeitsprozesse temporär pausieren, bildet die Handelsschifffahrt eine Ausnahme: Dort ist die Schiffsbesatzung auch zu Pandemiezeiten im permanenten Einsatz, da der Güterverkehr und die weltweite Versorgung mit Waren sichergestellt sein muss. Dennoch hat sich der Arbeitsalltag an Bord deutlich geändert, insbesondere wenn das Schiff in den Hafen einfährt, einen Lotsen an Bord nimmt oder Kontakt gegenüber zahlreichen, potenziell SARS-CoV-2-infizierten Personen besteht. Somit kommt den Schutzmaßnahmen zur Infektionsverhütung in der Schifffahrt aktuell eine große Bedeutung zu, zumal Seeleute an Bord über einen langen Zeitraum auf beschränktem Raum fern ihres Zuhauses zusammenleben (während der Arbeits- und Freizeit) und bei vielen Arbeitsprozessen ein enger Körperkontakt besteht.

Die Auswirkungen der Pandemie auf die Schiffsbesatzungen und Reedereien sind beachtlich. Viele Seeleute sorgen sich um ihre körperliche und seelische Unversehrtheit, leben in ständiger Angst vor einer Infektion aufgrund unvermeidbarer Außenkontakte, sind in verschiedenen Häfen mit unterschiedlichen Infektionsschutzregularien konfrontiert und haben keine Perspektive, wann sie an Bord abgelöst werden. Einige Reedereien und Hafenbehörden haben aufgrund der Pandemie gezielte Infektionsschutzmaßnahmen ergriffen, wie z. B. die Untersagung eines Crewwechsels an Bord, woraus bereits mehrmonatige Kontraktverlängerungen resultieren. Auch die Ohnmacht der Seeleute an Bord, den ebenfalls infektionsbedrohten oder -betroffenen Familien zuhause nicht vor Ort beistehen zu können, ist eine erhebliche psychische Belastung. Durch Anordnung einer 2-wöchigen Quarantäne in der eigenen Kammer oder infolge eines Landgangverbots drohen Isolationserlebnisse bei den Besatzungsmitgliedern bis hin zur Vereinsamung und psychischen Beanspruchungsfolgen. Natürlich bestehen auch wirtschaftliche Ängste infolge der Pandemie – sowohl bei den Reedereien als auch bei den Crews.

In der Handelsschifffahrt liegt neben allgemeinen Maßnahmen des Infektionsschutzes (häufiges und gründliches Waschen der Hände, Niesen in die Ellenbeuge, Abstandsgebote) ein besonderer Handlungsschwerpunkt im organisatorischen Arbeitsschutz, z. B.:

  • Minimierung der Außenkontakte mit schiffsexternen Personen während der Hafenaufenthalte.

  • Sofern der letzte Kontakt zu potenziell infizierten Personen nicht länger als 14 Tage zurückliegt, allgemeine Infektionsverhütungsmaßnahmen während der Arbeitszeit und Freizeit an Bord: Arbeiten in kontinuierlichen Kleingruppen, Tragen von Mund-Nasen-Bedeckung, wenn ein Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden kann, Schließung von (nicht zwingend notwendigen) gemeinschaftlich genutzten Räumen (Fitnessraum, Recreational Raum) – unter Berücksichtigung der Gefahr einer weiteren sozialen Isolation der Besatzungsmitglieder, personengruppenbezogene Essensausgabe zu verschiedenen Zeitintervallen, …).

Liebe Mitglieder der DGMM, die Verbreitung des neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) stellt auch für die Handelsschifffahrt eine große Herausforderung dar. Die Arbeitsgruppen im ZfAM sind in Kooperation mit dem Hamburg Port Health Center (HPHC) dabei, diese aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen durch SARS-Cov-2 wissenschaftlich zu begleiten.

So ist im Rahmen einer geplanten Studie vorgesehen, Gefährdungsbereiche an Bord mithilfe gezielter Arbeitsplatzanalysen zu identifizieren und die Möglichkeiten zur Einhaltung von allgemeinen Infektionsschutzmaßnahmen tätigkeits- und ortsspezifisch zu untersuchen. Dieses ist ein wichtiger neuer Schwerpunkt für unsere maritime Medizin!

Herzliche Grüße aus Hamburg

Ihr

Marcus Oldenburg

Verantwortlich für die DGMM-Gesellschaftsseiten in der FTR:

PD Dr. Marcus Oldenburg, Hamburg (V.i.S.d.P.)

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