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DOI: 10.1055/a-1010-8764
Prolongiertes Weaning[*]
S2k-Leitlinie herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V.Prolonged WeaningS2k-Guideline Published by the German Respiratory Society- Zusammenfassung
- Abstract
- 1 Einleitung
- 2 Methoden
- 3 Definitionen, Epidemiologie und Weaning-Kategorien
- 4 Pathophysiologie des Weaning-Versagens
- 5 Strategien im Weaning-Prozess
- 5.2 Stellenwert der Physiotherapie und der Messung des Peak Expiratory Flow im prolongierten Weaning
- 6 Infrastruktur und Prozessorganisation in der Versorgung von Patienten im prolongierten Weaning im Sinne eines kontinuierlichen Behandlungskonzeptes
- 7 Therapieentscheidungen am Lebensende
- 8 Literatur
Zusammenfassung
Beatmungstherapie stellt einen zentralen und wesentlichen Bestandteil der modernen Intensivmedizin dar. Sie kommt bei Patienten mit schwerer respiratorischer Insuffizienz infolge Versagens der muskulären Atempumpe oder bei direkter oder indirekter Schädigung des Lungenparenchyms mit nachfolgendem Oxygenierungsversagen zum Einsatz, wenn mit anderen nicht-medikamentösen Maßnahmen, Sauerstoffgabe, Sekretmobilisation, kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck – Continuous Positive Airway Pressure (CPAP) oder Nasal-High-Flow-Therapie, keine ausreichende Stabilisierung erreicht werden kann.
Die maschinelle Beatmung dient der direkten Behandlung der Atmungsinsuffizienz und schafft Zeit für die Behandlung der zugrundeliegenden Ursache. Der überwiegende Anteil beatmeter Patienten kann nach kurzzeitiger Beatmungstherapie und kausaler Behandlung unproblematisch von der Beatmung entwöhnt werden. Allerdings muss die Beatmung bei ca. 20 % der Patienten auch noch dann fortgesetzt werden, wenn die ursprüngliche Indikation (z. B. eine schwere Pneumonie) längst behoben ist, sodass sich die Phase des Weanings (Entwöhnung von der maschinellen Beatmung) deutlich verlängert. Ungefähr 40 – 50 % der gesamten Beatmungszeit eines Intensivpatienten entfallen aufgrund einer prolongierten Atmungsinsuffizienz auf den Prozess, den Patienten von der Beatmung zu trennen. Neben der respiratorischen Funktionsstörung tragen häufig hohes Alter und Komorbiditäten der Patienten zum prolongierten Weaning-Prozess bei.
Nach internationalem Konsens liegt ein prolongiertes Weaning dann vor, wenn es erst nach 3 erfolglosen Spontanatmungsversuchen (spontaneous breathing trial = SBT) oder nach über 7 Tagen Beatmung nach dem ersten erfolglosen SBT gelingt, den Patienten von der Beatmung zu trennen.
Das Patientenkollektiv mit prolongiertem Weaning stellt das behandelnde Team vor eine besondere Herausforderung. Ganz wesentlich für den Therapieerfolg ist die eng verzahnte interdisziplinäre Behandlung der Patienten im prolongierten Weaning. Nicht selten sind es der fehlende multidisziplinäre Ansatz und die unzureichende Beachtung der multifaktoriellen Ursachen, die ein erfolgreiches Weaning verhindern. Dieses erfolgreich durchzuführen, setzt eine hohe Expertise in der modernen Intensivmedizin, der Anwendung invasiver und nichtinvasiver Beatmungsverfahren, ein klares Weaning-Konzept, und eine enge, fachübergreifende interdisziplinäre Zusammenarbeit voraus.
Im komplexen prolongierten Weaning-Prozess gelingt es in spezialisierten Weaning-Zentren/-Einheiten nach Verlegung der invasiv beatmeten Patienten in ca. 50 % der Fälle doch noch, ein Weaning-Versagen abzuwenden. Bei einem Teil der Patienten schlagen auch wiederholte Weaning-Versuche fehl, sodass gegebenenfalls eine dauerhafte invasive Beatmung in außerklinischer Umgebung erforderlich ist.
Vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung des prolongierten Weanings, insbesondere der medizinischen, psychosozialen und ökonomischen Folgen des Weaning-Versagens, wurde erstmals 2014 diese Leitlinie auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) gemeinsam mit anderen wissenschaftlichen Fachgesellschaften, die sich zum Thema prolongiertes Weaning engagieren, publiziert. Aktuelle Forschungs- und Studienergebnisse, Registerdaten und die Erfahrungen in der täglichen Praxis machten die Revision dieser Leitlinie erforderlich.
In der revidierten Leitlinie werden Definitionen, Epidemiologie und Weaning-Kategorien, die zugrundeliegende Pathophysiologie, Strategien zur Prävenion von prolongiertem Weaning, das gesamte Spektrum der verfügbaren Therapiestrategien, die Weaning-Einheit, die Überleitung in eine außerklinische Beatmung und schließlich Empfehlungen zu Therapieentscheidungen am Ende des Lebens bei prolongiertem bzw. erfolglosem Weaning abgehandelt.
Besondere Schwerpunkte in der Revision der Leitlinie sind folgende Themenfelder:
– Eine neue Klassifikation der Untergruppen der Patienten im prolongieren Weaning
– Wichtige Aspekte der pneumologischen Rehabilitation und Neurorehabilitation im prolongieren Weaning
– Infrastruktur und Prozessorganisation in der Versorgung von Patienten im prolongierten Weaning im Sinne eines kontinuierlichen Behandlungskonzeptes
– Therapiezieländerung und Kommunikation mit Angehörigen
Die Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten werden innerhalb der einzelnen Kapitel jeweils gesondert behandelt.
Wichtige Adressaten dieser Leitlinie sind Intensivmediziner, Pneumologen, Anästhesisten, Internisten, Kardiologen, Chirurgen, Neurologen, Pädiater, Geriater, Palliativmediziner, Rehabilitationsmediziner, Pflegekräfte, Logopäden, Physiotherapeuten, Atmungstherapeuten, der medizinische Dienst der Krankenkassen und die Hersteller von Beatmungstechnik.
Die wesentlichen Ziele der revidierten Leitlinie sind es, den aktuellen Wissensstand zum Thema „Prolongiertes Weaning“ wissenschaftlich zu bewerten und auf Basis der Evidenz und der Erfahrung von Experten Empfehlungen hinsichtlich des prolongierten Weanings nicht nur für den Bereich der Akutmedizin, sondern auch für den Bereich „Chronic critical care“ zu geben.
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Abstract
Mechanical ventilation (MV) is an essential part of modern intensive care medicine. MV is performed in patients with severe respiratory failure caused by insufficiency of respiratory muscles and/or lung parenchymal disease when/after other treatments, (i. e. medication, oxygen, secretion management, continuous positive airway pressure or nasal highflow) have failed.
MV is required to maintain gas exchange and to buy time for curative therapy of the underlying cause of respiratory failure. In the majority of patients weaning from MV is routine and causes no special problems. However, about 20 % of patients need ongoing MV despite resolution of the conditions which precipitated the need for MV. Approximately 40 – 50 % of time spent on MV is required to liberate the patient from the ventilator, a process called “weaning.”
There are numberous factors besides the acute respiratory failure that have an impact on duration and success rate of the weaning process such as age, comorbidities and conditions and complications acquired in the ICU. According to an international consensus conference “prolonged weaning” is defined as weaning process of patients who have failed at least three weaning attempts or require more than 7 days of weaning after the first spontaneous breathing trial (SBT). Prolonged weaning is a challenge, therefore, an inter- and multi-disciplinary approach is essential for a weaning success.
In specialised weaning centers about 50 % of patients with initial weaning failure can be liberated from MV after prolonged weaning. However, heterogeneity of patients with prolonged weaning precludes direct comparisons of individual centers. Patients with persistant weaning failure either die during the weaning process or are discharged home or to a long term care facility with ongoing MV.
Urged by the growing importance of prolonged weaning, this Sk2-guideline was first published in 2014 on the initiative of the German Respiratory Society (DGP) together with other scientific societies involved in prolonged weaning. Current research and study results, registry data and experience in daily practice made the revision of this guideline necessary.
The following topics are dealt with in the guideline: Definitions, epidemiology, weaning categories, the underlying pathophysiology, prevention of prolonged weaning, treatment strategies in prolonged weaning, the weaning unit, discharge from hospital on MV and recommendations for end of life decisions.
Special emphasis in the revision of the guideline was laid on the following topics:
– A new classification of subgroups of patients in prolonged weaning
– Important aspects of pneumological rehabilitation and neurorehabilitation in prolonged weaning
– Infrastructure and process organization in the care of patients in prolonged weaning in the sense of a continuous treatment concept
– Therapeutic goal change and communication with relatives
Aspects of pediatric weaning are given separately within the individual chapters.
The main aim of the revised guideline is to summarize current evidence and also expert based- knowledge on the topic of “prolonged weaning” and, based on the evidence and the experience of experts, make recommendations with regard to “prolonged weaning” not only in the field of acute medicine but also for chronic critical care.
Important addressees of this guideline are Intensivists, Pneumologists, Anesthesiologists, Internists, Cardiologists, Surgeons, Neurologists, Pediatricians, Geriatricians, Palliative care clinicians, Rehabilitation physicians, Nurses in intensive and chronic care, Physiotherapists, Respiratory therapists, Speech therapists, Medical service of health insurance and associated ventilator manufacturers.
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1 Einleitung
Der Grundstein für die weltweite Anwendung der Beatmungstherapie mit positiven Atemwegsdrücken (Positiv-Druckbeatmung) wurde in den 50er-Jahren des vorherigen Jahrhunderts zunächst in Form der Negativdruckbeatmung durch den Anästhesisten Björn Ibsen gelegt, der sie im Rahmen der Poliomyelitis-Epidemie bei Patienten mit respiratorischer Insuffizienz erstmalig in großem Umfang einsetzte [1] [2]. Die Beatmung stellt einen zentralen und wesentlichen Bestandteil der modernen Intensivmedizin dar und wird zunehmend auch in stationären Bereichen anderer Versorgungsstufen sowie der außerklinischen Beatmung eingesetzt [3]. Sie kommt bei Patienten mit schwerer respiratorischer Insuffizienz infolge Versagens der Atempumpe oder eines Oxygenierungs- respektive Decarboxylierungsversagens der Lunge zum Einsatz, wenn mit anderen Maßnahmen (Sauerstoffgabe, Lagerungstherapie, Sekretmobilisation oder kontinuierlichem positiven Atemwegsdruck – Continuous Positive Airway Pressure, CPAP) keine ausreichende Stabilisierung erreicht werden kann. Weiterhin gibt es primär nicht respiratorische Indikationen (z. B. Koma, Intoxikationen), bei denen eine Atemantriebsstörung, mangelnde Schutzreflexe oder die drohende Verlegung der Atemwege eine Beatmung erforderlich machen [4] [5]. Vorrangige Ziele sind die Stabilisierung der alveolaren Gasräume, die Sicherung eines ausreichenden pulmonalen Gasaustauschs sowie die Normalisierung/Minimierung der Atemarbeit. Während der Beatmungszeit wird die Ursache der Atmungsinsuffizienz behandelt. Allerdings muss eine Beatmung häufig auch noch dann fortgesetzt werden, wenn die ursprüngliche Indikation (z. B. eine schwere Pneumonie) längst behoben ist. So entfallen ungefähr 40 – 50 % der gesamten Beatmungszeit eines Intensivpatienten auf die Entwöhnung von der maschinellen Beatmung (Weaning) [4] [5] [6] [7] [8].
In der Praxis lässt sich der überwiegende Anteil beatmeter Patienten nach kurzzeitiger Beatmungstherapie unproblematisch von der Beatmung entwöhnen. Für die verbleibenden Patienten (ca. 20 %) ist die Phase des Weanings deutlich verlängert.
Aufgrund der Komplexität der Behandlung [9] besteht für die Patienten das Risiko für ein permanentes Weaning-Versagen mit nachfolgender invasiver außerklinischer Beatmung, was für viele Patienten mit erheblichen Einschränkungen ihrer Lebensqualität einhergehen kann [10] [11]. Hier können spezialisierte Weaning-Zentren/-Einheiten bei ca. der Hälfte der Patienten ein Weaning-Versagen abwenden [12], was aus Gründen der Lebensqualität, der Selbstbestimmung, aber auch aus ökonomischer Sicht für das Gesundheitssystem erstrebenswert ist.
Bei einem Teil der Patienten ist Weaning von invasiver Beatmung nicht möglich, sodass gegebenenfalls eine dauerhafte Beatmung in außerklinischer Umgebung erforderlich ist [12]. Die demografische Entwicklung, Weiterentwicklungen in Operationstechniken einschließlich moderner Anästhesieverfahren, Fortschritte in der Intensivmedizin mit verbessertem Überleben von akuten Krankheiten und die Zunahme des Anteils geriatrischer, oft multimorbider Patienten in allen Versorgungseinrichtungen und -stufen verschärfen diese Situation. Vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung des prolongierten Weanings wurde dieses Leitlinienprojekt auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) interdiziplinär mit anderen Fachgesellschaften, Verbände und Organisationen erstellt.
Die vorliegende Leitlinie ist die 1. Revision zur im Jahr 2014 publizierten Leitlinie „Prolongiertes Weaning“ [13] und bezieht sich auf Patienten im prolongierten Weaning. Aktuelle Forschungs- und Studienergebnisse, Registerdaten und die Erfahrungen in der täglichen Praxis machten die Revision dieser Leitlinie erforderlich.
Auch in der revidieren Leitlinie werden die Aussagen und Empfehlungen zu pädiatrischen Patienten innerhalb der einzelnen Kapitel jeweils gesondert behandelt.
Besondere Schwerpunkte in der Revision der Leitlinie sind folgenden Themenfelder:
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Eine neue Klassifikation der Untergruppen der Patienten im prolongieren Weaning
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Wichtige Aspekte der pneumologischen Rehabilitation und Neurorehabilitation im prolongieren Weaning
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Infrastruktur und Prozessorganisation in der Versorgung von Patienten im prolongierten Weaning im Sinne eines kontinuierlichen Behandlungskonzeptes
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Therapiezieländerung und Kommunikation mit Angehörigen
Darüber hinaus werden in dieser Leitlinie die pathophysiologischen Ursachen des Weaning-Versagens, Strategien zur Vermeidung von prolongiertem Weaning, Therapiekonzepte zum Weaning unter besonderer Berücksichtigung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und praktischen Relevanz behandelt.
Am Ende dieses einleitenden Kapitels ist darauf hinzuweisen, dass kürzlich vom BSG eine „Gewöhnung“ als Voraussetzung für eine „Entwöhnung“ vom Respirator gefordert wurde (Aktenzeichen B1 KR 18/17 R vom 19. 12. 2017) [14]. Die an der Erstellung dieser Leitlinie beteiligten Fachgesellschaften betrachten diese vom Bundessozialgericht hergestellte Verknüpfung zwischen Gewöhnung und Entwöhnung, die aus einer inadäquaten terminologischen Bewertung des Begriffs „Entwöhnung“ abgeleitet wird, als fachlich nicht zutreffend und damit falsch. Der Begriff „Weaning“ von der Beatmung (deutsche Übersetzung „Entwöhnung“) beschreibt die eigentlich gemeinte Befreiung von der Beatmung (im englischen Schrifttum „Liberation“), die international etabliert ist. Dieser begrifflichen Fehleinschätzung, im Sinne einer Kausalkette von „Gewöhnung hin zur Entwöhnung“, liegt zugrunde, dass in diesem Zusammenhang fälschlich von einer Zustandsänderung ausgegangen wird, die sich biologisch bei der Entwöhnung von der Muttermilch oder einer Abhängigkeit von z. B. Drogen ergibt. Bei der mechanischen Beatmung ist das aber, unabhängig vom Beatmungszugang (invasiv/nichtinvasiv), nicht der Fall. Hier findet weder bei kontinuierlicher noch bei intermittierender Beatmung pathophysiologisch eine Gewöhnung im herkömmlichen Sinne statt, sondern eine akute Gasaustauschstörung und/oder Schwächung bzw. Überlastung der Atemmuskulatur stellen die initiale Indikation zur Beatmung dar. Diese so verursachte Beeinträchtigung führt zu einer akut einsetzenden Abhängigkeit von der lebenserhaltenden Beatmungsmaschine, die das Überleben in der respiratorischen Krise sichert. Es ist immer anzustreben, diesen Zustand der Beatmung möglichst rasch zu beenden. Die Dauer der Beatmungsnotwendigkeit ergibt sich durch die benannten pathophysiologischen Veränderungen, jedoch nicht durch eine Gewöhnung an die Beatmung. Zeitangaben, die eine Mindestdauer der Beatmung für ein dann notwendiges „Weaning“ vorgeben, sind daher auch sachlich nicht begründbar. Zusammenfassend ist die Annahme einer notwendigen Sequenz „Gewöhnung–Entwöhnung“ von Beatmung damit sachlich falsch und sollte durch die Sequenz „Abhängigkeit–Entwöhnung“ von Beatmung ersetzt werden.
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2 Methoden
2.1 Präambel
Die Vorversion dieser Leitlinie zur prolongierten Weaning wurde 2014 publiziert [13]. In der Zwischenzeit machten neue Forschungs- und Studienergebnisse, Registerdaten und die Erfahrungen in der täglichen Praxis die Revision dieser Leitlinie erforderlich. Die beteiligten Fachgesellschaften (siehe Titelseite) haben daher vereinbarungsgemäß ein Update der interdisziplinären Leitlinie zum prologierten Weaning erstellt. Diese löst die bisher gültige Version der Leitlinie ab [13].
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2.2 Zusammensetzung der Leitliniengruppe
Folgenden aufgeführten Personen wurden durch die Fachgesellschaften und Institutionen als Vertreter (in alphabetischer Reihenfolge) benannt:
Johannes Bickenbach (DGAI), Stephan Braune (DGIIN), Dominic Dellweg (DGP – Pneu), Christian Dohmen (DGN), Erich Donauer (DGNC), Rolf Dupp (DGF), Markus Ferrari (DGK), Hans Fuchs (GNPI), Jens Geiseler (DGP – Pneu), Dorothea Heidler (dbl), Hans Jürgen Heppner (DGG), Sven Hirschfeld-Araujo (DMPG), Uwe Janssens (DGK), Thomas Jehser (DGP – Pall), Erich Kilger (DGAI), Silke Klarmann (ZVK), Andreas Markewitz (DGTHG), Onnen Mörer (DGAI), Thomas Nicolai (GNPI), Marcus Pohl (DGNR), Christian Putensen (DIVI), Jens D. Rollnik (DGNR), Simone Rosseau (DIGAB), Bernd Schönhofer (DGP – Pneu), Dierk Schreiter (DGCH), Steffen Weber-Carstens (DGAI), Arved Weimann (DGEM), Michael Westhoff (DGP – Pneu), Wolfram Windisch (DGP – Pneu), Matthias Wittstock (DGNI).
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2.3 Ziele der Leitlinie
Diese Leitlinie verfolgt das Ziel, konsentierte Aussagen zur zugrundeliegenden Pathophysiologie, Diagnostik und zu therapeutischen Strategien bei Patienten im prolongierten Weaning zu vermitteln. Die Leitlinie wendet sich an alle im Krankenhaus tätigen Ärzte und weitere Berufsgruppen, die Patienten im prologierten Weaning betreuen. Zugleich soll sie als Orientierung für Personen und Organisationen dienen, die direkt oder indirekt mit diesem Thema befasst sind.
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2.4 Struktur des Leitlinienprozesses
Die Erstellung dieser Leitlinie mit der Entwicklungsstufe S2k erfolgte nach den Kriterien der AWMF, um dem Nutzer der Leitlinie evidenzbasierte Kriterien für eine rationale Entscheidungsfindung und gute Praxis an die Hand zu geben [15].
Die für das Management im prolongiertem Weaning wichtigen Fragen wurden auf der Basis der Leitlinie aus dem Jahr 2014 innerhalb der Leitliniengruppe identifiziert sowie Empfehlungen bzw. Statements zu diesen Fragen formuliert. Diese Fragen und Empfehlungen wurden im Rahmen der Erstellung der aktuellen Revison der Leitlinie im Rahmen von 3 Konsensuskonferenzen ausgiebig diskutiert. In der revidierten Leitlinie werden 55 Empfehlungen und 5 Qualitätsindikatoren formuliert. Die Leitlinie umfasst die Empfehlungen so für Erwachsene wie auch für Kinder, um eine möglichst große Zielgruppe zu erreichen. Darüber hinaus enthält die Leitlinie eine Reihe von Hintergrundtexten, die ebenfalls in der Leitliniengruppe diskutiert und aktualisiert wurden. Diese dienen dem tieferen Verständnis und dem Umgang mit den Empfehlungen und Statements.
Vor dem Beginn der Aktualisierung hat die Leitliniengruppe im Jahr 2016 im Rahmen von 2 Sitzungen die Aufteilung der Mitglieder der jeweiligen themenbezogenen Arbeitsgruppen beschlossen und die Aufgaben an die Gruppen in Form von Aufträgen erteilt. Auf der Basis der Fachexpertise der ausgewählten Autoren und der vorhandenen Evidenz wurden dann von den Arbeitsgruppen die aktuellen Empfehlungen bzw. Statements überprüft und ggfs. neu formuliert. Parallel wurden von den Arbeitsgruppen die Hintergrundtexte, die die Empfehlungen und Statements unterstützen, aktualisiert bzw. neu verfasst. Es wurde jeweils kapitelweise eine Literatursuche in PubMed mit den von den Autoren vorgegebenen Stichwörtern durchgeführt und die Ergebnisse den Autoren über den Scientific Guideline Manager (Institut für Lungenforschung GmbH) zur Unterstützung der inhaltlichen Aktualisierung der Leitlinie zur Verfügung gestellt. Des Weiteren wurden Literaturstellen aus der letzten Version der Leitlinie, andere Leitlinien sowie aktuelle Studien in Abstimmung berücksichtigt, soweit sie Einfluss auf die Inhalte der aktuellen Leitlinie haben.
Das in diesem Prozess entstandene Manuskript wurde vor den drei Konsensuskonferenzen an alle Konferenzteilnehmer versandt. Auf den Konsensuskonferenzen wurden die Empfehlungen unter Leitung des Moderators der AWMF (PD Dr. H. Sitter) in einem nominalen Gruppenprozess ausführlich unter Einbeziehung von Sachverständigen aus weiteren Fachgesellschaften und Organisationen mit Expertise auf dem Gebiet des prologierten Weanings diskutiert, abgestimmt und überarbeitet. Gemäß der Beschlüsse der Konsensuskonferenzen wurden konkrete und begründete Änderungsvorschläge für die Weiterbearbeitung zusammengefasst und eine Revision des Manuskripts an die Gruppen in Auftrag gegeben. Nach intensiver Überarbeitung wurde das Manuskript erneut an alle Beteiligten versandt. Entsprechend der anschließend entstandenen Rückmeldungen wurde das Manuskript von der Redaktionsgruppe überarbeitet sowie das Gesamtliteraturverzeichnis der Leitlinie zusammengefasst. Der von der Leitlinienkonferenz verabschiedete Leitlinientext wurde den Vorständen der federführenden und beteiligten Fachgesellschaften und Institutionen zur Erörterung und Kommentierung bzw. Verabschiedung mit ausreichendem Zeitrahmen übersandt. Die Leitlinie wurde mit einigen Änderungsvorschlägen, die in die Leitlinie eingearbeitet wurden, von den Vorständen positiv beurteilt und freigegeben.
Bzgl. weiterer Informationen wird auf den Leitlinienreport auf der AWMF-Website verwiesen [15].
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2.5 Finanzierung der Leitlinie
Die Erstellung dieser Leitlinie wurde von den beteiligten Fachgesellschaften ohne Sponsoring durch Dritte finanziert. Organisatorische Unterstützung sowie Unterstützung bei der Literaturrecherche erfolgte durch das Institut für Lungenforschung GmbH. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe waren ausnahmslos ehrenamtlich tätig, es erfolgte keine Einflussnahme von außen.
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3 Definitionen, Epidemiologie und Weaning-Kategorien
3.1 Phasen der invasiven Positiv-Druckbeatmung
Wegweisend für die Definitionen und die Kategorisierungen in der vorliegenden Leitlinie sind neben den bereits publizierten Leitlinien zur akuten und chronischen respiratorischen Insuffizienz [3] [16] auch die Ergebnisse der Task Force von 5 internationalen Fachgesellschaften: European Respiratory Society (ERS), American Thoracic Society (ATS), European Society of Intensive Care Medicine (ESICM), Society of Critical Care Medicine (SCCM) und Société de Réanimation de Langue Française (SRLF) [17], auf die im Text bei Bedarf Bezug genommen wird.
Für die mechanische Ventilation der Lungen mittels Positiv-Druckbeatmung über einen Endotrachealtubus werden entsprechend dieser Task Force 6 Phasen unterschieden ([Abb. 1]) [17]:
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Behandlung der akuten respiratorischen Insuffizienz
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Erste Überlegungen des behandelnden Arztes dahingehend, dass der Patient bereit sein könnte, in den Weaning-Prozess zu gehen
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Tatsächliches Starten von täglichen Tests (z. B. RSBI = Rapid Shallow Breathing Index) zur Erfassung der Bereitschaft zur Entwöhnbarkeit, um die Annahme, der Patient könnte entwöhnbar sein, zu erhärten oder zu verwerfen
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Spontanatemversuch (SBT = Spontaneous Breathing Trial)
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Extubation (oder Dekanülierung)
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Ggf. Re-Intubation (oder Rekanülierung)
Diese 6 Phasen sind entsprechend des Inhaltes der vorliegenden Leitlinie für die Phasen 5 und 6 modifiziert, sodass nun Dekanülierung statt Extubation und Rekanülierung statt Re-Intubation aufgeführt sind.
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3.2 Weaning-Prozess
Der eigentliche Weaning-Prozess beginnt mit der Phase 4, also mit dem SBT, und nimmt ca. 40 – 50 % der Gesamtdauer einer mechanischen Ventilation ein [4] [6] [7] [8]. Die richtigen Zeitpunkte zum Beginn der Phasen 4 (SBT) und 5 (Extubation/Dekanülierung) sind prognostisch entscheidend. Denn sowohl eine zu frühzeitige Entfernung des künstlichen Atemweges mit den Folgen einer Re-Intubation/Rekanülierung (Phase 6) und konsekutiv erhöhtem Risiko für eine nosokomiale Pneumonie und einen verlängerten Aufenthalt auf der Intensivstation [18] [19] [20] als auch eine verspätete Einleitung des Weanings mit den Folgen erhöhter Komplikationsraten im Zuge der verlängerten mechanischen Ventilation [21] [22] [23] erhöhen substanziell das Mortalitätsrisiko. Wichtig erscheint dabei die Erkenntnis, dass bereits eine verspätete Antizipation einer möglichen Entwöhnbarkeit ebenso wie die zu späte Überprüfung definierter Kriterien zur Erfassung der Bereitschaft einer Entwöhnbarkeit (Beatmungsphasen 2 und 3 vor dem eigentlichen Weaning) häufige Gründe dafür darstellen, dass ein Weaning unnötig hinausgezögert wird [17]. Dass die Extubation häufig verzögert erfolgt, wird auch dadurch dokumentiert, dass eine ungeplante Selbst-Extubation in fast der Hälfte der Fälle keine Re-Intubation nach sich zieht [24]. Die Inzidenz einer ungeplanten Extubation liegt abhängig von der Untersuchung zwischen 0,3 % und 16 %, wobei 83 % dieser ungeplanten Extubationen aktiv vom Patienten durchgeführt werden, während 17 % aus Versehen geschehen [25].
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3.3 Weaning-Erfolg und Weaning-Versagen
Ein Weaning-Erfolg ist nach der Definition der internationalen Task Force von 2007 charakterisiert durch Extubation ohne nachfolgende ventilatorische Unterstützung für mindestens 48 Stunden nach Extubation [17]. Entsprechend ist ein Weaning-Versagen als 1) gescheiterter SBT, 2) Re-Intubation/Rekanülierung und/oder Wiederaufnahme der Beatmung oder 3) Tod innerhalb von 48 Stunden nach Extubation definiert [17]. So ist Weaning-Versagen bereits Anfang der 90er-Jahre als permanente (kontinuierliche oder intermittierende) Erfordernis der ventilatorischen Unterstützung definiert worden, wobei sowohl invasive (Endotrachealtubus, Trachealkanüle) als auch nichtinvasive Beatmungszugänge in die Definition mit einbezogen wurden [26]. Mittlerweile hat sich die nichtinvasive Beatmung (NIV) fest im Weaning-Prozess etabliert [27]. Dabei wird der NIV eine Prognose-verbessernde Rolle bei Patienten mit primärem Weaning-Versagen eingeräumt, nämlich dann, wenn keine suffiziente Spontanatmung (d. h. erfolgloser SBT) möglich ist, aber dennoch eine Extubation/Dekanülierung mit konsekutiver NIV erfolgt [27]. Zudem hat die NIV günstige Effekte beim sekundären Weaning-Versagen, also bei primär suffizienter Spontanatmung (erfolgreicher SBT) und erfolgreicher Extubation, wenn Risikopatienten (z. B. chronische ventilatorische Insuffizienz, Herzinsuffizienz, höheres Alter) in dieser Situation erneut ventilatorisch insuffizient werden [28] [29] [30] [31]. Entsprechend der oben genannten Definitionen ist ein Patient, der nach Extubation oder Dekanülierung erfolgreich nichtinvasiv beatmet wird und mit NIV auf eine Normalstation verlegt oder sogar nach Hause entlassen werden kann, grundsätzlich nicht von der Beatmung entwöhnt. So konnten Schönhofer et al. in einer großen Kohortenstudie an 403 Patienten mit invasiver Beatmung für > 2 Wochen, die explizit zum Weaning in ein spezialisiertes Weaning-Zentrum verlegt wurden, zeigen, dass von den Patienten, die nach Hause entlassen wurden, immerhin ein Drittel eine Langzeit-NIV in häuslicher Umgebung fortführten [12]. Dies unterstreicht, dass die NIV zur Unterstützung der Extubation/Dekanülierung einerseits und zur Behandlung einer chronischen ventilatorischen Insuffizienz andererseits nicht immer voneinander getrennt werden können. Die internationale Task Force definiert für extubierte/dekanülierte aber noch NIV-pflichtige Patienten eine intermediäre Kategorie („Weaning in progress“) [17].
Allerdings erfordert die Komplexität der Thematik eine klare Definition. Da im allgemeinen Sprachgebrauch häufig nur die Begriffe „entwöhnt“ und „nicht entwöhnt“ verwendet werden, bleibt unklar, ob mit Entwöhnung die Beendigung der Beatmung oder die Dekanülierung gemeint ist. Eine Unterscheidung zwischen „komplettem Weaning“ und „Weaning von der invasiven Beatmung“ vorzunehmen ist daher für den Sprachgebrauch nicht praktikabel. Der Begriff Weaning (Entwöhnung) ist aber streng mit dem Begriff der Beatmung verbunden. Aus diesem Grund definiert die revidierte Leitlinie ein erfolgreiches Weaning als komplette Beendigung der invasiven Beatmung. Somit sind Patienten im prolongierten Weaning nach der Definition der Leitlinie auch dann erfolgreich entwöhnt, wenn sie entweder nach Abschluss des Weaning-Prozesses außerklinisch weiter NIV-pflichtig sind oder wenn sie keine Beatmung mehr benötigen, aber aus verschiedenen Gründen (z. B. schwere Schluckstörung, hochgradige Trachealstenose) tracheotomiert bleiben – diese Gruppe benötigt für die außerklinische Versorgung häufig eine Intensivpflege (siehe Kapitel 6.6). Selbstverständlich nimmt die aktuell revidierte Klassifikation aber die Unterschiede in der NIV-Pflichtigkeit und dem Dekanülierungsstatus differenziert auf (siehe Kapitel 3.6). Vor diesen Hintergründen wird die Klassifikation des prolongierten Weanings in der aktuellen Revision weiter modifiziert und differenziert.
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3.4 Weaning-Klassifikation
Die internationale Task Force definiert 3 Weaning-Gruppen ([Tab. 1]) [17]. Nach älteren Daten kann man schätzen, dass sich bis zu 70 % der Weaning-Patienten auf die Gruppe 1 und 30 % der Patienten auf die Gruppen 2 und 3 verteilen [22] [24]. Eine österreichische Multizenter-Studie konnte zeigen, dass von 257 intubierten Patienten auf der Intensivstation, die den Weaning-Prozess begonnen haben und bei denen es zu keiner Selbst-Extubation gekommen ist, jeweils 59 %, 26 % und 14 % den Gruppen 1, 2 und 3 der oben genannten Weaning-Klassifikation zugeordnet werden konnten [32]. Die Mortalität auf der Intensivstation lag für die Gruppen 1, 2 und 3 bei jeweils 3 %, 1 % und 22 %, die Krankenhausmortalität bei 13 %, 22 % und 32 %. Daher war die Mortalität nur bei Patienten der Gruppe 3 (prolongiertes Weaning), nicht jedoch bei Patienten der Gruppe 2 (schwieriges Weaning) statistisch signifikant erhöht im Vergleich zu Patienten der Gruppe 1 (einfaches Weaning). Entsprechend war die Rate eines erfolgreichen (kompletten) Weanings (siehe oben) nur beim prolongierten Weaning (74 %, Gruppe 3), nicht jedoch beim schwierigen Weaning (99 %, Gruppe 2), im Vergleich zum einfachen Weaning (98 %, Gruppe 1) reduziert. Die mediane Gesamt-Weaning-Dauer betrug 0,5 Tage (Gruppe 1), 2,9 Tage (Gruppe 2) sowie 10,0 Tage (Gruppe 3) [32]. Zusammenfassend bestanden zwar für das schwierige Weaning (Gruppe 2) längere Beatmungszeiten und längere Aufenthaltsdauer in der Klinik, die Prognose war jedoch nur beim prolongierten Weaning (Gruppe 3) im Vergleich zum einfachen Weaning (Gruppe 1) eingeschränkt [33].
Gruppe |
Kategorie |
Definition |
1 |
einfaches Weaning |
erfolgreiches Weaning nach dem ersten SBT und der ersten Extubation |
2 |
schwieriges Weaning |
erfolgreiches Weaning nach initial erfolglosem Weaning spätestens beim 3. SBT oder innerhalb von 7 Tagen nach dem ersten erfolglosen SBT |
3 |
prolongiertes Weaning |
erfolgreiches Weaning erst nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT |
Im Mai 2017 wurde – alternativ zur oben skizzierten internationalen Weaning-Klassifikation – eine neue Klassifikation, basierend auf einer multinationalen, prospektiven Observationsstudie (WIND study = Weaning according to a New Definition), vorgestellt [34]. Hintergrund der Studie war die Tatsache, dass viele Patienten anhand der Kriterien der Internationalen Konsensuskonferenz nicht zu klassifizieren sind. So basieren diese Kriterien zwingend auf der Durchführung von SBTs, was aber nicht immer der Praxis entspricht. Im Weiteren basieren diese Kriterien auf einem erfolgreichen Weaning, was aber nicht immer dem klinischen Alltag entspricht. Zudem werden Patienten ohne Entwöhnungsversuche nicht berücksichtigt. Schließlich basieren die Kriterien der Internationalen Konsensuskonferenz nicht auf Studienergebnissen, sondern ergaben sich primär anhand von Experten-Meinungen. Entsprechend haben Studien im Nachhinein keinen Prognose-Unterschied zwischen einem einfachen und schwierigen Weaning zeigen können, während nicht zwischen intubierten und tracheomierten Patienten unterschieden worden ist. Tatsächlich konnte das Patientenkollektiv in der WIND-Studie in fast 50 % der Fälle nicht anhand der Kriterien der Internationalen Konsensuskonferenz klassifiziert werden [34].
Aus diesem Grund basiert die Klassifikation der WIND-Studie (siehe [Tab. 2]) primär auf dem Separations-Versuch, unabhängig davon, ob vorher eine Reduktion der Beatmungsparameter stattgefunden hat oder nicht. Dabei sind Definitionen sowohl für den Separations-Versuch als auch für den Weaning-Erfolg für intubierte Patienten einerseits und für tracheotomierte Patienten anderseits gegeben. Entsprechend konnten fast alle Patienten in der WIND-Studie nach den neu etablierten Kriterien klassifiziert werden:
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Die Autoren der WIND-Studie haben den Anspruch erhoben, dass ihre neuen Kriterien die bisherigen Kriterien ersetzen. Allerdings muss angemerkt werden, dass die WIND-Studie auf 36 Intensivstationen durchgeführt worden ist, und eben nicht auf Weaning-Stationen, die Patienten mit sehr langen Beatmungszeiten behandeln (siehe Kapitel 3.5). Entsprechend lag die mittlere Behandlungsdauer auf der Intensivstation bei lediglich 6 Tagen, wobei nur 1,4 % der Patienten invasiv via Trachealkanüle beatmet blieben, während die Zahl der Patienten mit NIV ebenfalls sehr gering war. Aus diesem Grund können die WIND-Kriterien nicht als bessere Alternative zu den Kriterien der Internationalen Konsensuskonferenz angenommen werden. Zudem bleibt fraglich, ob die Kriterien für den Seperations-Versuch zweifelsfrei für das Kollektiv dieser Leitlinie gegeben sind. Aus diesem Grund behält die Revision der aktuellen Leitlinie die Kriterien der Internationalen Konsensuskonferenz [17] bei. Weitere Untersuchungen in der Zukunft zur Klassifikation von Weaning-Patienten, die das hier skizzierte Patientenkollektiv adressieren, bleiben daher abzuwarten.
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3.5 Prolongiertes Weaning versus prolongierte Beatmung
Während das prolongierte Weaning von der internationalen Task Force klar definiert und diese Definition auch für die vorliegende Leitlinie übernommen worden ist, sind die Begriffe prolongiertes Weaning und Langzeitbeatmung nicht klar abgegrenzt. So wird in der Literatur ein Zeitfenster von 2 – 3 Wochen Beatmung als Mindestdauer für die Kategorie Langzeitbeatmung angegeben [33] [35]. Hierbei ist jedoch festzuhalten, dass ein Patient, der wegen einer schweren Grunderkrankung länger als 2 Wochen invasiv beatmungspflichtig ist, nicht notwendigerweise Schwierigkeiten beim Weaning vom Respirator aufweisen muss, nachdem die Grunderkrankung erfolgreich behandelt worden ist. Vor diesem Hintergrund vermischen sich häufig die Begriffe der Langzeitbeatmung und des prolongierten Weanings. In der bereits oben zitierten Arbeit von Schönhofer et al. wurde eine Beatmung als Langzeitbeatmung bezeichnet, wenn sie länger als 2 Wochen andauerte und mindestens 2 erfolglose Weaning-Versuche unternommen wurden [12]. In anderen Arbeiten wird der Begriff „prolongierte Beatmung“ verwendet, wenn eine mechanische Ventilation über mindestens 3 Wochen durchgeführt wird [36].
Diese Leitlinie bezieht sich daher ausdrücklich nur auf Patienten, die länger beatmungspflichtig sind, weil sie Schwierigkeiten beim Weaning haben. Eine Definition des Begriffs der Langzeitbeatmung wird in dieser Leitlinie daher explizit nicht vorgenommen. Allerdings sei an dieser Stelle auf die aktuelle Leitlinie zu Indikation, Organisation und Durchführung einer außerklinischen Beatmung verwiesen, wenn eine Langzeitbeatmung im außerklinischen Setting durchgeführt wird [3].
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3.6 Definition des Patientenkollektivs für die vorliegende Leitlinie
Die internationale Weaning-Klassifikation (siehe Kapitel 3.4) definiert das prolongierte Weaning als Weaning, welches erst nach 3 erfolglosen SBTs oder erst nach über 7 Tagen Beatmung nach dem ersten erfolglosen SBT gelingt [17]. Diese Gruppe von Patienten erscheint allerdings sehr heterogen, da die Definition sehr breit gefasst ist. So betrug die mediane Dauer des erfolgreichen Weanings in der österreichischen Outcome-Studie beim prolongierten Weaning 10 Tage [32]. Im Unterschied hierzu wurden in der Studie von Schönhofer et al. die Patienten nach erfolglosem Weaning aus verschiedenen externen Kliniken im Median erst nach 33 Tagen invasiver Beatmung in ein spezialisiertes Weaning-Zentrum überwiesen [12]. Von diesen Patienten waren ca. 20 % ohne weitere Unterstützung vom Respirator entwöhnbar; ca. 30 % der Patienten wurden wegen chronisch ventilatorischer Insuffizienz mit einer außerklinischen Beatmung versorgt; ca. 30 % waren definitiv nicht vom Respirator entwöhnbar, und ca. 20 % der Patienten verstarben noch in der Klinik. Weitere Daten zeigen, dass gerade bei Patienten mit vorbestehender Atempumpen-Insuffizienz die Zeit von der Intubation bis zum ersten SBT im Median bei einem Monat lag und dass gerade bei diesen Patienten die Entwöhnungsrate niedrig war [37]. Auch die Daten des WeanNet-Registers der Jahre 2011 – 2015 zeigen, dass Patienten, die in ein spezialisiertes Weaning-Zentrum verlegt werden, im Median 23 Tage zuvor auf einer Intensivstation behandelt worden sind [38]. Zudem gibt es zunehmend Patienten, die trotz eines erfolgreichen SBT nicht dekanülierbar sind. Gerade Patienten mit persistierenden Schluckstörungen oder solche mit der Notwendigkeit zum dauerhaften trachealen Absaugen trotz Befreiung von der Beatmung stellen ein eigenes Patientenkollektiv nach prolongiertem Weaning dar, welches bis dato wenig individuelle Berücksichtigung erfahren hat.
Daten aus Deutschland legen nahe, dass es durch die zunehmende invasive und nichtinvasive Beatmung im häuslichen Umfeld auch in der Folge der Prozesse beim prolongierten Weaning zu einer rasanten Zunahme auch von stationären Behandlungsfällen von Patienten mit Langzeitbeatmung gekommen ist [39]. So wurden 86 117 Patienten alleine 2016 u. a. mit der OPS Z99.1 (Langzeit-Abhängigkeit vom Respirator) im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthaltes verschlüsselt.
In der Tat befassen sich die spezialisierten deutschen Weaning-Zentren hauptsächlich mit nur sehr schwer und oft überhaupt nicht mehr zu entwöhnenden Patienten. Die Beatmungszeiten liegen mitunter bei weitem über 7 Tage nach dem ersten SBT, und bei einem Großteil der Patienten wird nach Entlassung eine außerklinische Langzeitbeatmung durchgeführt [3] [37]. Offensichtlich werden daher in der Gruppe 3 der internationalen Weaning-Klassifikation (prolongiertes Weaning) [17] sehr unterschiedliche Patienten mit sehr unterschiedlichen Prognosefaktoren subsummiert. Daher differenziert die vorliegende Leitlinie die Gruppe des prolongierten Weanings entsprechend der [Tab. 3] in 3 Untergruppen, die sich nach primärer Zuordnung zur internationalen Weaning-Gruppe 3 durch den weiteren Weaningverlauf innerhalb dieser Gruppe ergeben:
In der Untergruppe 3b der Erstauflage dieser Leitlinie (prolongiertes Weaning mit NIV) können folgende Subgruppen weiter unterschieden werden (siehe auch Kapitel 6.6):
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Patienten mit zeitlich begrenzter NIV: Bei diesen Patienten wird NIV nach Extubation/Dekanülierung während des Krankenhauses nur solange durchgeführt, bis eine mehrtägige Spontanatmung ohne manifeste Hyperkapnie möglich ist (komplettes Weaning). Diese Gruppe ist sehr heterogen. Im Einzelfall kann es auch nach der Entlassung erneut zur ventilatorischen Insuffizienz mit Indikation zur passageren oder bleibenden NIV kommen. Ein engmaschiges fach-pneumologisches Follow-up dieser Patienten im ambulanten oder stationären Bereich kann daher erforderlich sein. Hier muss auch bei erfolgreichem Weaning im zeitlichen Intervall eine Kontrolluntersuchung im Weaning-Zentrum hinsichtlich der Entstehung einer chronischen ventilatorischen Insuffizienz vorgenommen werden [3].
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Patienten mit direkter Überleitung in die außerklinische NIV: Diese Patienten werden mit NIV in die außerklinische Beatmung übergeleitet [3], wobei gelegentlich auch nach mehreren Monaten noch eine klinische Besserung eintreten kann, die eine Fortsetzung der nichtinvasiven außerklinischen Beatmung nicht mehr notwendig macht, z. B. bei deutlicher Gewichtsabnahme bei schwerer Adipositas oder bei langsam progredienter Besserung einer Critical-Illness-Polyneuropathie. Ein komplettes Beenden der Beatmung in der Klinik ist aber zunächst nicht möglich oder gar nicht angestrebt, wohl aber das Weaning von der invasiven Beatmung. In der Regel handelt es sich um Patienten mit einer chronischen ventilatorischen Insuffizienz, die auch nach erfolgreicher Therapie der vorangegangenen akuten Verschlechterung weiter besteht, z. B. COPD mit Akutexazerbation auf dem Boden einer vorbestehenden chronischen ventilatorischen Insuffizienz. Dabei kann eine hohe NIV-Abhängigkeit bestehen, d. h. die Beendigung der NIV geht mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einher, dass es innerhalb kurzer Zeit zu einer akuten respiratorischen Verschlechterung, ggf. mit Notwendigkeit zur erneuten invasiven Beatmung, kommt. Eine Sondergruppe stellt hier insbesondere die Querschnittlähmung dar. Hier kann zwar mitunter ein Weaning nach oben genannter Definition durchaus erreicht werden, wenn von invasiver Beatmung auf NIV umgestellt wird. Allerdings kann hier durchaus eine 24-stündige NIV-Abhängigkeit bestehen, sodass eine Entwöhnung von der Beatmung grundsätzlich in keinem Fall stattgefunden hat, wenn von invasiver Beatmung auf NIV umgestellt wird. Aufgrund der Besonderheit dieser Gruppe sei hier bereits auf das entsprechende Kapitel 5.7 verwiesen, auch wenn eine extrem hohe NIV-Abhängigkeit grundsätzlich auch bei anderen Patienten bestehen kann, insbesondere bei solchen mit neuromuskulären Erkrankungen oder Atemantriebsstörungen. Die hohe NIV-Abhängigkeit geht dann mit einem weiteren Behandlungs- und Betreuungsbedarf einher, zum Teil auch unter stationären Bedingungen. Die Langzeit-NIV muss hier als lebenserhaltend eingestuft werden. Dabei ist die Autonomie dieser Patienten zum Teil erheblich eingeschränkt, wobei i. d. R. ein hoher Pflegebedarf besteht. Weitere Details zum fortgesetzten Behandlungs- und Betreuungsbedarf finden sich in einem eigenen Kapitel dieser Leitlinie (siehe Kapitel 6.6.4).
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Im Gegensatz dazu kann aber auch eine geringe NIV-Abhängigkeit bestehen (siehe Kapitel 6.6.3), d. h. dass die NIV primär zur Therapie von Symptomen einer chronischen Hypoventilation und zur Verbesserung der Langzeitprognose eingesetzt wird [3]. Entsprechend besteht bei diesen Patienten kein weiterer zusätzlicher Behandlungs- und Betreuungsbedarf (siehe oben). Bei diesen Patienten könnte zwar formal ein komplettes Weaning zunächst erreicht werden, eine Einleitung einer Langzeit-NIV ist aber grundsätzlich indiziert [3]. Bei prolongiertem Weaning ist daher immer zu prüfen, ob eine Indikation zur Langzeit-NIV besteht, auch wenn zunächst erfolgreich extubiert bzw. dekanüliert werden konnte. Vor diesem Hintergrund wird bei Patienten mit hohem Risiko einer beatmungspflichtigen Exazerbation ihrer COPD frühzeitig die Indikation zur elektiven Einleitung einer nichtinvasiven außerklinischen Beatmung gestellt, i. d. R. dann, wenn der Patient bereits früher schon akut hospitalisationspflichtig war [3].
Es wird an dieser Stelle angemerkt, dass eine Abschätzung der Prognose anhand der erweiterten Differenzierung der Weaning-Gruppe 3 (prolongiertes Weaning) mit den Subgruppen 3a, 3b und 3c nach der Erstversion dieser Leitlinie sehr schwierig ist. So sind es im Wesentlichen substanzielle Komorbiditäten, die oftmals die Prognose erheblich mitbestimmen, wobei schwere kardiologische Grunderkrankungen, Gefäßerkrankungen, begleitende Lungenerkrankungen, neurologische Defizite, Erkrankungen mit Einschränkungen des Immunsystems, Nierenerkrankungen, Leberzirrhose und Diabetes mellitus im Vordergrund stehen [38]. In den letzten Jahren haben der Schweregrad der Komorbiditäten und das Alter bei Patienten im prolongierten Weaning zugenommen. Beide Faktoren sind wesentlich dafür verantwortlich, dass sich die Prognose dieser Patienten in den Weaning-Zentren trotz zunehmender Erfahrung im Behandlungsteam verschlechtert hat [38]. Zudem können selbst erfolgreich entwöhnte Patienten mit Normokapnie innerhalb kurzer Zeit wieder beatmungspflichtig werden oder sogar versterben, häufig innerhalb von Wochen, insbesondere wenn sehr schwerwiegende Komorbiditäten bestehen [12]. Für diese Patienten ist der Begriff „instabil entwöhnt“ geprägt worden, auch wenn im Einzelfall längeres Überleben möglich ist [12].
Es sei außerdem darauf hingewiesen, dass die NIV bereits sehr frühzeitig im Weaning eingesetzt werden kann und nicht erst nach mindestens 3 erfolglosen SBTs oder einer Beatmung von mehr als 7 Tagen nach dem ersten erfolglosen SBT, wie es in der Gruppe 3 für das prolongierte Weaning definiert ist [17]. So wurden in einer Studie von Nava und Kollegen Patienten mit exazerbierter COPD bereits nach 48 Stunden invasiver Beatmung nach einmalig erfolglosem SBT extubiert und mittels NIV weiter beatmet [28]. Diese Patienten entsprechen keiner der genannten Gruppen und werden nicht in dieser Leitlinie berücksichtigt. Dies betrifft auch andere schwer kranke Patienten, die weniger im Rahmen des prolongierten Weanings als in der Akut-Medizin abgebildet werden, wie z. B. solche mit extrakorporalen Systemen und dem Ziel, dadurch invasive Beatmungen in ihrer zeitlichen Anwendung zu reduzieren oder ganz zu vermeiden.
Die vorliegende Leitlinie fokussiert in erster Linie auf Patienten der internationalen Weaning-Kategorie 3 [17]. Dabei wird hinsichtlich differenzierter medizinischer Maßnahmen im Rahmen des Weanings, ethischer Betrachtungen und Prognose-relevanter Faktoren und nicht zuletzt hinsichtlich der für ein optimales Weaning notwendigen Organisationsstrukturen auf die eigens in dieser Leitlinie neu definierten Untergruppen des prolongierten Weanings ([Tab. 3]) Bezug genommen. Diese Leitlinie bezieht sich auf Patienten mit im Vordergrund stehender schwerer respiratorischer Funktionsstörung, bei denen sich häufig die Komorbidität komplizierend auf den Weaning-Prozess auswirkt.
Entsprechend werden in der aktuell revidierten Leitlinie die zuvor definierten Untergruppen 3a (prolongiertes Weaning ohne NIV), 3b (prolongiertes Weaning mit NIV) sowie 3c (erfolgloses Weaning) weiter differenziert. Dabei wird zunächst klar für jede Kategorie festgelegt, ob das Weaning erfolgreich ist oder nicht (siehe Kapitel 3.4). Im Weiteren wird definiert, ob eine Dekanülierung erfolgen konnte, was unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg des Weanings zu betrachten ist. Entsprechend wird bei der Gruppierung Wert darauf gelegt, dass wesentliche fortbestehende Bedingungen nach Abschluss des Weaning-Prozesses (Kanülierung, Lang-Zeit-NIV, Pflegebedürftigkeit) Berücksichtigung finden. Dies trägt insbesondere dem sehr heterogenen Patientenkollektiv im prolongierten Weaning Rechnung (z. B. neuromuskuläre Patienten versus COPD). Hier bedeutet die Weaning-Kategorisierung weniger eine Schweregradeinteilung (gleichwohl diese teilweise vorhanden ist) als eine Gruppierung, die für die Weiterbehandlung wesentlich ist (eingeschränkte bzw. fehlende Autonomie des Patienten, erhöhte Pflegebedürftigkeit, Kontrolluntersuchungen).
So sei auch angemerkt, dass eine passagere NIV in der Übergangsphase nach Dekanülierung keine wirklich eigenständige Subgruppe darstellt, wenn sie nicht als Langzeit-NIV im außerklinischen Setting fortgesetzt wird. Die passagere NIV (früher 3b) stellt vielmehr eine von vielen Maßnahmen dar, den Patienten erfolgreich von der invasiven Beatmung zu entwöhnen, sodass diese Patienten nun in der Gruppe 3a zu klassifizieren sind.
Wesentlich erscheint auch die Tatsache, dass für die Gruppen 3a II, 3b II sowie 3c I nach der neuen Definition eine wesentlich geringere Patienten-Autonomie und stärkere Pflegeabhängigkeit angenommen werden muss als für die Gruppen 3a I und 3b I ([Tab. 3]).
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4 Pathophysiologie des Weaning-Versagens
4.1 Einleitung
Das Weaning-Versagen ist gekennzeichnet durch die Notwendigkeit, eine Langzeitbeatmung aufgrund unzureichender Spontanatemfähigkeit fortzusetzen oder kurzfristig wiederaufzunehmen. Dabei besteht ein Missverhältnis von ventilatorischem Bedarf und ventilatorischem Eigenvermögen. Deren Ursache ist nahezu immer eine Überlastungssituation der Atemmuskulatur (Atempumpe). Selten liegt eine direkte Störung des Atemzentrums vor [40] [41] [42] [43]. Hauptsächlich resultiert eine hyperkapnische ventilatorische Insuffizienz. Es gibt allerdings auch ein Weaning-Versagen bei Patienten mit normalem Kohlendioxid-Partialdruck (PaCO2) unter Beatmung und im Vordergrund stehender hypoxämischer Gasaustauschstörung. Bei fortschreitender Grunderkrankung, z. B. einer Lungenfibrose, sind diese Patienten häufig nicht mehr entwöhnbar, da der ventilatorische Bedarf ohne mechanische Beatmung aufgrund der reduzierten Gasaustauschfläche so groß ist, dass neben der Hypoxie auch eine hyperkapnische Insuffizienz durch Volumenbelastung der Atempumpe resultieren kann. Liegen dagegen reversible Ursachen der zur Beatmung führenden Gasaustauschstörung vor (z. B. Acute Respiratory Distress Syndrome [ARDS] oder Pneumonie), kann sich im Verlauf das Lungenparenchym wieder so weit erholen, dass ein Potenzial für ein erfolgreiches Weaning besteht. Das prolongierte Weaning-Versagen ist häufig multifaktoriell, sodass Kombinationen aus erhöhter Last (Obstruktion und Überblähung bei COPD), muskulärer Insuffizienz (z. B. Critical-Illness-Myopathie [CIM] und Critical-Illness-Polyneuropathie [CIP], diabetische Neuropathie), Gasaustauschstörung und/oder Herzinsuffizienz vorliegen, die sich wechselseitig negativ beeinflussen.
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4.2 Hyperkapnische Insuffizienz
Für eine hyperkapnische Insuffizienz infolge einer Insuffizienz der Atempumpe mit dem Leitsymptom der Hyperkapnie gibt es 2 grundsätzliche Mechanismen: 1. die Insuffizienz der Atemmuskulatur, die für die Aufrechterhaltung des Gasaustauschs keine ausreichende Ventilation ermöglicht und 2. die (sub-)akute Überlastung der aktuell zur Verfügung stehenden Muskelleistung durch eine erhöhte Atemlast infolge unterschiedlicher Erkrankungen. Der situativ erforderliche Gasaustausch und der dafür erforderliche ventilatorische Aufwand werden durch die aktuelle klinische Situation (z. B. Infekt, kardiale und pulmonale Funktion, muskuläre Kraft etc.) und durch eine vorbestehende Gasaustauschstörung oder eine Beeinträchtigung der muskulären Atempumpe bestimmt. Alle Faktoren können isoliert bzw. kombiniert zum Weaning-Versagen beitragen. Die einzelnen Krankheitsbilder werden gemäß ihrer pathophysiologischen Ursachen – muskuläre Insuffizienz und muskuläre Überlastung – betrachtet und nicht, wie sonst üblich, isoliert erörtert, um der komplexen Situation im Einzelfall besser gerecht zu werden. In der [Tab. 4] sind die Zusammenhänge mit den jeweiligen Ursachen mit Beispielen dargestellt.
4.2.1 Atemzentrum
Ausreichende Atmung ist nur mit einer intakt funktionierenden Atemregulation möglich. Deren Störungen können vielfältige Ursachen haben [44] [45] [46] [47] [48]. Ein Ausfall des zentralen Atemantriebs als Ursache eines Weaning-Versagens ist im Vergleich dazu selten. Im Vordergrund stehen Medikamenten-Überdosierungen (Sedativa, Narkotika, Antidepressiva), toxische oder metabolisch-endokrine Störungen und Elektrolytveränderungen [17] [49] [50], die den Atemantrieb dämpfen (Frequenz und Tiefe). Dabei handelt es sich i. d. R. nur um ein passageres Problem. Eine Enzephalitis mit Beteiligung des Atemzentrums oder strukturelle Schädigungen durch Tumor, Hirndruck, Ischämie oder Blutung sind sehr seltene Ursachen eines Weaning-Versagens [17] [45]. Eine zentrale Fehlsteuerung der Atmung geht mit schweren anderen Funktionsausfällen einher, sodass diese Patienten meist nicht zum Weaning anstehen.
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4.2.2 Nervale Steuerung
Trotz intakter zentraler Atemsteuerung kann auch eine Störung auf Ebene der Last-Kapazitäts-Adaptation von peripherem Nervensystem und Muskulatur vorliegen [51]. Dementsprechend können Erkrankungen der Muskulatur wie auch des peripheren Nervensystems ein Weaning-Versagen verursachen, z. B. eine Polyneuropathie, Myopathie oder auch eine Störung der neuromuskulären Übertragung (z. B. Myasthenia gravis).
Am häufigsten sind metabolisch-toxische Schädigungen wie die Critical-Illness-Polyneuropathie (siehe Kapitel 4.5), aber auch primäre Erkrankungen des peripheren Nerven oder der neuromuskulären Übertragung, wie spinale Muskelatrophien, die Amyotrophe Lateralsklerose, das Guillain-Barré-Syndrom oder die Myasthenia gravis [52] [53] [54].
Weiterhin gibt es direkte Störungen des N. phrenicus und Rückenmarksläsionen – speziell Querschnittlähmungen – oberhalb des Niveaus C4 [55]. Aber auch Läsionen unterhalb C4 können durch Beeinträchtigung der Atemhilfsmuskulatur einen ungünstigen Einfluss auf das Last-Kapazitäts-Verhältnis haben.
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4.2.3 Atemmuskeln
Häufig wird im Verlauf einer Intensivbehandlung einschließlich der Beatmung – im Sinne einer „ICU-acquired weakness“ [52] – insbesondere bei septischen Komplikationen eine strukturelle und funktionelle Schädigung nicht nur der Nerven, sondern auch der Muskulatur selber („Critical-Illness-Myopathie“) induziert [53] [56] [57] [58] [59]. Hierbei spielen als Kofaktoren Nierenversagen, eine diabetische Stoffwechsellage, hohe Steroiddosen und langwirksame nicht-depolarisierende, im Gegensatz zu kurzwirksamen Muskelrelaxantien eine Rolle, insbesondere wenn mehrere dieser Kofaktoren kombiniert vorliegen [60] [61] [62] [63] (siehe hierzu Kapitel 4.5). Ein zweiter häufiger Grund für eine Schwäche der Atempumpe ist eine isolierte, nahezu immer reversible Inaktivitätsatrophie der Zwerchfellmuskulatur, die sog. „Ventilator Induced Diaphragmatic Dysfunction“ (VIDD) [64] [65] [66] (siehe Kapitel 5.3.2). Diese tritt bereits nach wenigen Tagen kontrollierter Beatmung ein, wenn keine assistierten oder spontanen Atmungsphasen zwischengeschaltet werden. Daher können zu Beginn des Weanings zu lange Phasen von Spontanatmung oder assistierter Beatmung einen bereits atrophierten Muskel überlasten. Weitere Ursachen sind durchgemachte oder akute (meist entzündliche oder toxische) Muskelerkrankungen sowie degenerative Myopathien und Muskeldystrophien.
Prognostisch verschlechtert die ICU-acquired weakness die akute Morbidität der Patienten und erhöht – neben den Gesundheitskosten – auch die 1-Jahres-Mortalität [67].
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4.2.4 Muskuläre Überlastung
Zahlreiche Erkrankungen und Mechanismen können zu einer chronischen muskulären Überlastung der Atempumpe führen. Dabei hängt es in Phasen des Weanings auch vom aktuellen Vermögen der Muskulatur selbst ab, eine zusätzliche Atemlast (Volumen oder Druck) zu tolerieren. Nicht selten ist eine im Behandlungsverlauf erworbene muskuläre Insuffizienz mit einer Erkrankung kombiniert, die für die Beatmung ursprünglich verantwortlich war und zu einer schädlichen Dauerbelastung oder Überlastung der Atempumpe geführt hat, wie z. B. eine COPD.
4.2.4.1 Erkrankungen der Atemwege
Einer der häufigsten Gründe des Weaning-Versagens ist die Druckbelastung der Atempumpe infolge Obstruktion der Atemwege. Diese wird oft durch eine Lungenüberblähung aggraviert, die über eine Zwerchfellabflachung mit ungünstiger mechanischer Kraftentwicklung zu einer Verschlechterung des Wirkungsgrads und damit zu höherem Sauerstoffbedarf und -verbrauch führt [40] [41] [68] [69]. Typisches Beispiel ist die COPD. Eine derartige Situation kann sekundär verschlechtert werden durch den artifiziellen Atemweg, d. h. den Tubus oder die Trachealkanüle [70], die über eine Widerstandserhöhung zu einer zusätzlichen Atemlasterhöhung führen. Andererseits kann ein künstlicher Atemweg – speziell ein Tracheostoma – auch eine Atemerleichterung für einen spontan atmenden Patienten darstellen [71] [72] [73].
Sekretverlegungen und entzündliche oder tumoröse Stenosierungen der Atemwege sowie pathologische Veränderungen der oberen Atemwege nach Extubation/Dekanülierung führen ebenfalls zu einer Atemlasterhöhung [74] [75] [76] [77].
4.2.4.2 Thorakale Restriktion
Eine thorakale Restriktion reduziert die Compliance mit entsprechender Erhöhung der Atemarbeit. Häufigste passagere Ursachen sind ausgedehnte Pleuraergüsse aber auch Wasseransammlungen in den thorakalen Weichteilen als Folge einer Volumenüberladung. Ausgeprägte Thoraxdeformitäten wie eine Skoliose oder ausgedehnte Pleuraschwarten nach Tuberkulose können ebenfalls zu einer thorakalen Restriktion führen [17]. Darüber hinaus können nach kardio- und thoraxchirurgischen Eingriffen durch eine Beeinträchtigung der muskulo-skelettalen Integrität, durch eine Phrenikusläsion aber auch schmerzbedingt eine erhöhte Atemlast und erniedrigte Kapazität resultieren, sodass sich im Falle einer postoperativen Beatmungspflichtigkeit ein prolongierter Weaningverlauf ergibt [78] [79] [80] [81]. Dies kann aggraviert sein durch den bei lungenresezierenden Eingriffen auftretenden Lungenparenchymverlust [82] [83].
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4.3 Hypoxische Insuffizienz infolge Lungenparenchymerkrankung und kardio-pulmonale Wechselwirkungen
Häufige Ursache eines hypoxämischen respiratorischen Versagens stellt ein Ventilations-Perfusions-Missverhältnis dar. Darüberhinaus können interstitielle Flüssigkeitsvermehrung (z. B. bei ARDS) oder eine Fibrosierung des Lungenparenchyms neben der Gasaustauschfläche die Compliance der Lunge reduzieren. Dies führt zur Belastung der Atempumpe [17] [84] [85] [86]. Ebenso kann bei Oxygenierungsstörungen wie Atelektasen, entzündlichen Infiltraten etc. über den vermehrten ventilatorischen Bedarf zur Aufrechterhaltung der Oxygenierung und durch die erhöhte Atemarbeit auf dem Boden der verminderten Lungencompliance ein hyperkapnisches Versagen auftreten. Dieses demaskiert sich häufig erst bei den Spontanatmungsphasen im Weaning, während unter kontrollierter Beatmung durch Übernahme der Atemarbeit durch den Ventilator nur eine reine hypoxische Insuffizienz objektivierbar war.
Veränderungen des intrathorakalen Drucks unter Beatmung und im Weaning beeinflussen den Druckgradienten sowohl zwischen dem venösen Stromgebiet und dem rechten Herzen als auch zwischen linkem Ventrikel und der systemischen Zirkulation. Eine Erhöhung des intrathorakalen Drucks (unter Positiv-Druckbeatmung) führt zu einer Zunahme des rechtsatrialen Drucks und gleichzeitig zu einer Abnahme des linksventrikulären transmuralen Drucks. Als Folge nehmen der venöse Rückfluss zum rechten Herzen ab und der linksventrikuläre Auswurf zu. Über diese Vorlast- und Nachlastsenkung nimmt das intrathorakale Blutvolumen ab [87]. Im Gegensatz dazu verbessert eine Abnahme des intrathorakalen Drucks (z. B. bei Inspiration unter Spontanatmung mit negativem Pleuradruck) den venösen Rückfluss zum rechten Herzen. Der linksventrikuläre transmurale Druckgradient nimmt dadurch jedoch zu, wodurch die Nachlast für den linken Ventrikel steigt. Gleichzeitig nimmt das intrathorakale Blutvolumen zu. Die hämodynamischen Effekte einer spontanen Atmung bzw. mechanischen Beatmung sind im Wesentlichen von der kardialen Pumpfunktion, aber auch vom aktuellen Volumenstatus des Patienten abhängig.
Bei Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion können die veränderten intrathorakalen Drücke unter beginnender Spontanatmung im Rahmen eines Weanings über eine Zunahme des venösen Rückstroms und des negativen Pleuradrucks eine relevante Vorlast-, aber auch Nachlasterhöhung des linken Ventrikels nach sich ziehen [87] [88], die prinzipiell zu einer akuten Verschlechterung der kardialen Pumpleistung mit Vorwärts- und Rückwärtsversagen führen können. Dieses gilt insbesondere für Spontanatmungsphasen mit erhöhter Atemanstrengung und tiefen Atemexkursionen, die mit entsprechend hohen negativen inspiratorischen pleuralen Drücken assoziiert sind. Der Wechsel von einer kontrollierten Beatmung auf eine Spontanatmung kann bei sowohl reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion als auch bei erhöhten linksventrikulären Füllendrücken bei HFpEF (heart failure with preserved ejection fraction – Herzinsuffizienz bei erhaltener Auswurfleistung) zu einer linksatrialen Druckerhöhung mit nachfolgender pulmonalvenöser Stauung, Verschlechterung des Gasaustausches und damit zu einer weiteren Zunahme der Atemarbeit führen. Daraus kann ein das Weaning komplizierendes Weaning-induziertes Lungenödem resultieren [89].
Darüber hinaus ergibt sich aus einem abrupten Wechsel zwischen kontrollierter Beatmung und Spontanatmung ein deutlich erhöhter Sauerstoffbedarf (u. a. der Atemmuskulatur) und damit eine erhöhte myokardiale Arbeitslast. Dieses ist insbesondere für Patienten mit koronarer Herzkrankheit kritisch. In dieser Situation kann sich die myokardiale Pumpleistung weiter verschlechtern.
Der höhere metabolische Bedarf an Sauerstoff im Rahmen der kardialen Dekompensation wird oft begleitet von einem kompensatorischen Herzfrequenz- und Blutdruckanstieg, was wiederum ein Weaning-Versagen begünstigt [86] [90]. Ebenfalls kann sich ein vorbestehendes Klappenvitium (z. B. Mitralinsuffizienz) im Weaning-Prozess verschlechtern. Die Nachlasterhöhung für den linken Ventrikel mit Zunahme des linksventrikulären enddiastolischen Füllungsdrucks kann bspw. das Ausmaß einer Mitralklappeninsuffizienz verschlechtern.
Eine Zunahme des pulmonal-vaskulären Widerstands, ggf. aggraviert durch eine begleitende hypoxische pulmonale Vasokonstriktion, kann einen Anstieg des rechtsventrikulären Afterload und eine Abnahme des Herzzeitvolumens zur Folge haben und so zu einem Missverhältnis von Sauerstofftransportbedarf und -kapazität führen. Im Rahmen der interventrikulären Dependenz kann über einen Septum-Shift nach links eine schlechtere linksventrikuläre Füllung, eine Abnahme des linksventrikulären Schlagvolumens und damit des Sauerstoffangebotes für den Körper [91] [92] resultieren.
Derartigen kardio-pulmonalen Wechselwirkungen [87] [88] [91] [92] und der interventrikulären Dependenz kommen im Weaning besondere Bedeutung zu. So können nicht nur die Auswirkungen vorbestehender pulmonaler Erkrankungen auf die kardiale Funktion, sondern auch die Auswirkungen kardialer Erkrankungen auf die Ventilation, die pulmonale Compliance und die Atemlast ein Weaning-Versagen begünstigen. Die bei Herzinsuffizienz erniedrigte pulmonale Compliance, der gestörte Gasaustausch und die sekundär erhöhte Atemarbeit erfordern über einen erhöhten Perfusions- und Sauerstoffbedarf der Atemmuskulatur eine Steigerung des Herzzeitvolumens mit dem Risiko der weiteren kardialen Dekompensation. Allein ein vorbestehendes Vorhofflimmern ist mit einer verlängerten Beatmungsdauer und erhöhtem Risiko eines Weaning-Versagen assoziiert [93]. Eine Stress- oder septische Kardiomyopathie, aber auch allein ein erhöhter metabolischer Bedarf mit erhöhtem Grundumsatz bei entzündlich-septischen Krankheitsbildern können insbesondere bei vorbestehender kardialer Schädigung eine kardiale Dekompensation mit negativen Auswirkungen auf die Atemarbeit nach sich ziehen, sodass eine bislang stabile Weaning-Situation dekompensiert. Eine umfassende kardio-pulmonale Differenzialdiagnostik mit BNP- bzw. NT-pro-BNP-Bestimmung, Echokardiografie [94] [95] [96] und ggf. auch dem Einsatz des Pulmonaliskatheters [97] [98] [99] ist deshalb obligat.
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4.4 Sauerstofftransport und -verbrauch
Der Transport des Sauerstoffmoleküls zum Mitochondrium kann auf mehreren Ebenen gestört sein. Einen wichtigen Punkt bei der Betrachtung der Sauerstoffaufnahme stellt die Reduktion der Lungenperfusion bei Herzinsuffizienz und bei Erkrankungen mit erhöhtem pulmonal-arteriellen Druck bzw. Widerstand (pulmonalarterielle Hypertonie, Lungenembolie) dar. Eine Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve (z. B. bei Azidose) durch Änderung der 2,3 Diphosphoglycerat-Konzentration verbessert zwar die Sauerstoffabgabe im Kapillarbett, bewirkt aber eine langsamere Sauerstoffaufnahme in der Lunge, sodass konsekutiv eine kompensatorische Erhöhung der Ventilation und zwangsläufig eine vermehrte Belastung der Atempumpe resultieren. Darüber hinaus bedingt jede Erhöhung des globalen Sauerstoffverbrauchs wie bei Fieber, permanenten, insbesondere bronchialen Infektionen mit fehlender Hustenclearance unter Beatmung, Schmerz, Tachykardie, aber auch bei inadäquater Katecholaminanwendung zwangsläufig eine zusätzliche Belastung der Herz- und/oder Atempumpe. Das gilt besonders dann, wenn schon Einschränkungen von Sauerstoffaufnahme und -transport aufgrund einer Herzinsuffizienz vorbestehen [87].
Weiterhin führen zerebrale Unruhezustände neben einer unnötig hohen Muskelbelastung auch zu einer Steigerung der Ventilation und Belastung der Atempumpe mit erhöhtem Sauerstoffbedarf. Unzureichende Respirator-Einstellungen können nicht nur in dieser Situation, sondern grundsätzlich eine Aggravation zur Folge haben [100] [101]. Sie führen über eine vermehrte Totraumventilation zu weiteren Gasaustauschstörungen und über unzureichende Gerätetriggerungen mit Patienten-Geräte-Asynchronizität zur dynamischen Lungenüberblähung (z. B. bei COPD), Abnahme der pulmonalen Compliance und vermehrter Atemarbeit mit konsekutiv erhöhtem Sauerstoffverbrauch [102].
Neben einer Gastransport- und Gasaustauschstörung im Lungenparenchym kann auch ein Hämoglobinmangel ein entscheidender Faktor für das Weaning-Versagen sein. Eine Anämie führt kompensatorisch zu einer Belastung der Atem- und Herzpumpe. Dies führt zu einem höheren Risiko eines Weaning-Versagens [103]. Bei Patienten mit belasteter Atempumpe konnte gezeigt werden, dass mit Korrektur der Anämie in gleichem Umfang die Atemarbeit sinkt [104] [105] (siehe Kapitel 5.6.1.2).
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4.5 Critical-Illness-assoziierte Polyneuropathie und Critical-Illness-assoziierte Myopathie
Die Inzidenz der Critical-Illness-Polyneuropathie (CIP) bzw. Myopathie (CIM) bei kritisch Kranken liegt zwischen 30 % und 70 % [106].
Die CIP ist eine vorwiegend distal akzentuierte, axonale, sensomotorische Polyneuropathie [106] und kann zum Weaning-Versagen, zu höherer Mortalität und längerer Verweildauer beitragen [107] [108] [109].
Die Pathophysiologie der CIP/CIM ist komplex, u. a. spielen Störungen der Mikrozirkulation (z. B. im Rahmen einer Sepsis), eine erhöhte Expression von E-Selektin, Zytokine, eine erhöhte Zellpermeabilität, eine mitochondriale Dysfunktion mit reduzierter Adenosintriphosphat-Synthese (ATP) und neurotoxische Prozesse (insbesondere durch Stoffwechselradikale) eine Rolle [53] [107].
Klinische Risikofaktoren, die das Auftreten einer CIP/CIM begünstigen können, sind das Systemic Inflammatory Response-Syndrom (SIRS), Sepsis, Nierenversagen, Multiorganversagen, Beatmung, Alter, Geschlecht, allgemeine Morbiditätslast, Hypotension, Hyperosmolarität, parenterale Ernährung, erniedrigtes Serumalbumin, Immobilisation, Hyperglykämie, bestimmte Medikamente und Hypoxie [53] [107] [110] [111].
Häufig wird die Diagnose klinisch gestellt. Sie kann durch eine neurophysiologische Untersuchung (Elektroneurografie und Elektromyografie) [112], insbesondere eine Elektroneurografie des N. peroneus und N. suralis, sinnvoll ergänzt werden [113] [114] [115], wobei v. a. eine Amplitudenreduktion der Muskelsummenaktionspotenziale des N. peroneus am sensitivsten ist [113] [114].
Die Unterscheidung zwischen CIP und CIM ist wichtig im Hinblick auf die Prognose. Während die isolierte CIM i. d. R. komplett reversibel ist, behalten mehr als 50 % der Patienten mit CIP permanente Ausfälle [116]. Persistiert die CIP/CIM auch noch nach der Entlassung aus dem Krankenhaus, so geht dies mit einer erhöhten 1-Jahres-Mortalität und erhöhten Gesundheitsausgaben einher [67].
Auch bei pädiatrischen Patienten kann sich eine CIP bzw. CIM ausbilden, die Inzidenz ist möglicherweise etwas geringer als bei erwachsenen Patienten [117].
Für alle Patienten gilt, dass sich die Rückbildung der Symptome über viele Wochen und Monate hinziehen kann und die Erkrankung daher auch nach erfolgreichem Weaning weiterhin Beachtung finden muss. Leicht erkennbar sind die Auswirkungen der CIP/CIM im Bereich der Extremitätenmuskulatur. Schwerer zu erkennen und zu evaluieren sind die Folgen für die Atmung und den Schluckvorgang, nicht nur im Weaning, sondern auch in der Zeit danach.
Auch eine Dysphagie bei Beatmung/Langzeitbeatmung kann im Rahmen einer CIP/CIM entstehen [118] [119]. Die Langzeitprognose der Dysphagie im Rahmen einer CIP/CIM nach Beatmung ist gut, eine vollständige Wiederherstellung des Schluckaktes ist bei der Mehrzahl der Patienten zu beobachten [119]. Für weitere Details bezüglich Dysphagie, insbesondere Diagnostik und Therapie, wird auf das Kapitel 5.6.1.5 verwiesen.
Die persistierende Schwäche der Atemmuskulatur kommt nach prolongiertem Weaning häufiger vor als die periphere Muskelschwäche. Dres et al. fanden bei 92 % der Patienten im schwierigen Weaning eine diaphragmale Dysfunktion, eine ICU-acquired weakness bestand dagegen nur bei 46 % der Patienten. Im prolongierten Weaning lagen die entsprechenden Zahlen sogar bei 100 % und 50 % [120]. Von daher ist es wichtig, die respiratorische Muskelfunktion getrennt zu betrachten, zu diagnostizieren und zu behandeln. Wie im Weaning ist auch in der darauffolgenden Rehabilitation das Ziel, die atemmuskuläre Kompetenz zu verbessern und die atemmuskuläre Last zu verringern. In diesem Kontext kann sich die Art der Beatmungsunterstützung während der Rehabilitationsphase durchaus ändern (Kapitel 6.4).
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4.6 Weitere metabolische Aspekte
Alle Organe, einschließlich der Atemmuskulatur, haben eine metabolische Grundversorgung, deren Beeinträchtigung durch Stoffwechselstörungen (Hyper- und Hypothyreose, Nebenniereninsuffizienz, Hyperglykämie), Elektrolytstörungen (Hyperkaliämie, Magnesium- und Phosphatmangel), Albuminmangel oder exogene endokrine Einflüsse wie eine Glukokortikosteroidtherapie Funktionsstörungen zur Folge haben kann [17] [45] [121]. Weiterhin kann eine metabolische Alkalose ein Weaning-Versagen über eine Dämpfung des Atemantriebs mit kompensatorischer Hyperkapnie begünstigen [122] [123]. Ebenso sind metabolische Azidosen, die im Rahmen der respiratorischen Kompensation die schon überlastete Atempumpe weiter belasten, als Ursache eines prolongierten Weaning-Verlaufs zu berücksichtigen [124].
Das Thema Ernährung wird ausführlich in Kapitel 5.6.1.3 (Verbesserung des Ernährungszustandes und Metabolismus) erörtert.
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4.7 Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten
Sauthier et al. schlagen als Definition für die prolongierte Beatmung von Kindern eine invasive Beatmungsdauer ≥ 21 Tagen bei mindestens ≥ 6 Stunden/Tag vor [125]. Ein Weaning-Versagen nach prolongierter Beatmung und folgende Respirator-Abhängigkeit aufgrund einer Atempumpen-Insuffizienz ist bei Kindern häufig Folge einer angeborenen (neuro-)muskulären Erkrankung oder einer syndromalen Erkrankung mit Muskelhypotonie eventuell mit Thoraxdeformität. Seltener sind angeborene oder erworbene Störungen des Atemzentrums wie bei Undine-Sydrom oder bei zerebralen Erkrankungen z. B. nach einer perinatalen Asphyxie [126] [127] [128] [129]. Störungen der Innervation finden sich bei hohen Rückenmarksverletzungen sowie angeborenen oder erworbenen Zwerchfellparesen bzw. Rekurrensparesen [130]. Erworbene Erkrankungen der Atempumpe wie durch Critical-Illness-Neuropathie, Enterovirus 71-assoziierte Lähmungen [131] oder erworbene Inaktivitätsatrophie der Atemmuskulatur verursachen bei Kindern selten ein Weaning-Versagen.
Muskuläre Überlastung der gesunden Atempumpe findet häufiger seine Ursache in einer Obstruktion der engen oder instabilen Atemwege des Kindes. Transiente Schwellungen von Larynx und Trachealwand durch Intubationstrauma können Postextubations-Stridor verursachen, was in bis zu 35 % die Ursache für Extubationsversagen ist [126] [129]. Langanhaltende Intubation kann fibrotische subglottische Stenosen hervorrufen. Hier ermöglicht oft erst die Tracheotomie das Weaning. Außerdem führen angeborene Fehlbildungen der Atemwege entweder mechanisch (z. B. kongenitale Larynxstenose) oder funktionell (Tracheomalazie) zu Weaning-Versagen und erfordern differenzierte Therapie [132] [133].
Gasaustauschstörungen durch Lungenparenchymerkrankungen können zwar das Weaning verlängern [126] [129] [134], dauerhafte Respirator-Abhängigkeit ist hier jedoch eher selten [127] [128] [135]. Sie tritt vor allem nach Langzeitbeatmung aufgrund von Frühgeburtlichkeit (chronische Lungenerkrankung des Frühgeborenen) oder selten ARDS auf [127] [136]. Bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern war vor allem die Dauer der Beatmung [137] bzw. eine zusätzliche pulmonale Erkrankung [138] assoziiert mit einem Weaning-Versagen.
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5 Strategien im Weaning-Prozess
Invasive Langzeitbeatmung und prolongiertes Weaning sind mit Sekundärkomplikationen wie Volu-, Baro-, Atelek- und Biotrauma, trachealen Schädigungen, dem Auftreten Ventilator-assoziierter Pneumonien und einer signifikant erhöhten Letalität assoziiert [8] [139] [140] [141]. Nur etwa 41 % der Patienten mit Langzeitbeatmung > 14 Tagen leben noch ein Jahr nach Krankenhausentlassung [142].
Im Sinne der Prävention von Langzeitbeatmung und prolongiertem Weaning kommt einer zeitnahen Initiierung der Beatmungsentwöhnung eine fundamentale Bedeutung zu. Eine verspätete Antizipation einer möglichen Entwöhnbarkeit muss vermieden werden. Nach Cook et al. beginnt die Beatmungsentwöhnung mit der Intubation [143].
Einige der in diesem Kapitel aufgeführten therapeutischen Strategien zur Beatmungsentwöhnung wie z. B. Protokoll-basierte Beurteilung der Weaning-Kapazität, Management von Sedierung und Delir, Frühmobilisation sind keine spezifischen Maßnahmen während des prolongierten Weanings. Sie setzen in der Akutphase der Beatmung an, legen hier den Grundstein für eine erfolgreiche Beatmungsentwöhnung und können dazu beitragen, Langzeitbeatmung und prolongierte Entwöhnung zu verkürzen oder zu vermeiden. Die wissenschaftliche Evidenz im Hinblick auf die Wirksamkeit dieser Maßnahmen bezieht sich i. d. R. auf die Phase des einfachen oder des schwierigen Weanings. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirksamkeit dieser Maßnahmen mit primärem Fokus auf Patienten im prolongierten Weaning liegen bislang auf hohem Evidenzniveau nicht vor.
5.1 Strategien zur Prävention von Langzeitbeatmung und prolongiertem Weaning
In den folgenden Unterkapiteln werden zunächst Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus Studien zum einfachen oder schwierigen Weaning dargestellt, die im Sinne der Prävention von Langzeitbeatmung und prolongiertem Weaning einen anerkannten Stellenwert haben.
5.1.1 Beurteilung des Weaning-Potenzials
Eine Grundvoraussetzung für eine Verkürzung von Beatmungszeit und ein erfolgreiches Weaning, unabhängig vom Beatmungszugang bei Patienten mit invasiver Beatmung, ist die schon in der Akutphase der Beatmung beginnende tägliche Überprüfung von Kriterien, die eine Weaning-Bereitschaft (readiness to wean) anzeigen können (siehe [Tab. 5]).
Kriterien für Bereitschaft zum Weaning |
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Klinische Kriterien |
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Objektive Kriterien |
klinische Stabilität |
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adäquate Oxygenierung |
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adäquate pulmonale Funktion |
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adäquate mentale Funktion |
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1 siehe S3-Leitlinie „Infarkt-bedingter kardiogener Schock – Diagnose, Monitoring und Therapie“, Revision, Registernummer 019-013 [145].
2 Erläuterung im Text.
Es ist zu berücksichtigen, dass Weaning-Prädiktoren wie Inspirationsdruck, statische Compliance und RSBI allein jeweils keinen positiven oder negativen Wert aufweisen, um eine Weaning-Fähigkeit bzw. -Bereitschaft zu beurteilen [144]. Insofern bedarf es zur Beurteilung des Weaning-Potenzials der Berücksichtigung mehrerer der in [Tab. 5] aufgeführten Parameter. Auch diese stellen nur Anhaltspunkte dar, da es im Einzelfall durchaus zu Abweichungen kommen kann.
In Abstimmung mit der S3-Leitlinie „Infarkt-bedingter kardiogener Schock – Diagnose, Monitoring und Therapie“, in deren Revision für spezifische Situationen Grenzwerte für Herzfrequenz und Blutdruck angepasst worden sind, wird in [Tab. 5] auf Zielvorgaben für Herzfrequenz und Blutdruck verzichtet und diesbezüglich auf die S3-Leitlinie zum kardiogenen Schock verwiesen [145]. Ebenfalls ist eine ggfs. vorhandene Katecholamintherapie situativ in der Überprüfung zur Bereitschaft zum Weaning zu beurteilen. Als niedrig dosierte Katecholamintherapie kann in diesem Zusammenhang eine Noradrenalindosierung von 0,05 μg/kg/min – 0,1 μg/kg/min verstanden werden.
[Abb. 2] zeigt den Algorithmus zur Evaluation der Extubationsfähigkeit. Die adäquate Beurteilung der neurologischen und neurokognitiven Funktion sowie der Kooperationsfähigkeit des Patienten erfordert entsprechend der revidierten S3-Leitlinie zum Management von Delir, Analgesie und Sedierung [146] eine zielorientierte oder ggfs. bei Patienten mit einem RASS ≤ – 2 eine tägliche Pausierung der Sedierung (SAT, spontaneous awakening trial = spontaner Aufwachversuch) in Kombination mit Durchführung eines Spontanatemversuchs (SBT).
Der Ablauf des Weanings ist grundsätzlich unabhängig vom Beatmungszugang (Maske, Tubus oder Trachealkanüle) in 2 Abschnitte gegliedert. Im 1. Abschnitt wird während der Beatmung täglich die Entwöhnbarkeit von der Beatmung („readiness to wean“) beurteilt. Im 2. Abschnitt wird ein SBT durchgeführt (siehe [Abb. 3]). Diesem diagnostischen Test kommt eine entscheidende Bedeutung bei der Abschätzung einer erfolgreichen Extubation zu.
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5.1.2 Management von Sedierung, Angst, Agitation und Schmerz
Eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Extubation bzw. Dekanülierung ist ein wacher und kooperationsfähiger Patient. Durch zu tiefe Sedierung wird allzu oft die Beatmung unnötig verlängert [148] [149].
Gemäß den Empfehlungen der aktualisierten S3-Leitlinie zum Management von Delir, Analgesie und Sedierung [146] soll bei invasiv beatmeten Patienten im Weaning ein Weaning-Protokoll in Kombination mit einem Sedierungsprotokoll (Sedierung gemäß S3-Leitlinie) angewendet werden. Gemäß der Empfehlung der S3-Leitlinie ist eine Sedierung generell speziellen Situationen/Indikationen vorbehalten und soll nicht regelhaft bei jedem invasiv beatmeten Patienten erfolgen. Dementsprechend sollte keine oder eine zielorientierte Sedierung durchgeführt werden. Ein täglicher Aufwachversuch ist Patienten mit einer indizierten Sedierung mit einem RASS ≤ –2 vorbehalten. Eine zielorientierte Sedierung erfolgt mittels einer Zielvorgabe des RASS von 0/–1 und einer regelmäßigen, mindestens alle acht Stunden vorgenommen Überprüfung und Dokumentation der Sedierungstiefe.
Es existieren verschiedene gängige Score-Systeme, wie z. B. Ramsay-Score [150], Riker Sedations-Agitations-Score [151] und Richmond Agitation Sedation Scale (RASS). Die S3-Leitlinie zum Management von Delir, Analgesie und Sedierung [146] empfiehlt das Monitoring der Sedierung mithilfe des RASS, der bei Intensivpatienten als validierter Goldstandard gilt [152] [153]. Dementsprechend sollte auch im Weaning dem validierten RASS-Score der Vorzug gegeben werden (siehe [Abb. 3]).
In Deutschland werden Sedierungs-Scores noch zu selten verwendet [154]. Neben der Sedierungstiefe sollte auch der Schmerz alle 8 Stunden erfasst werden, z. B. mittels visual analogue scale (VAS) oder numeric oder visual rating scale (NRS, VRS) bei wachen Patienten bzw. anhand klinischer Symptome wie Mimik, Tachykardie, Schwitzen, Blutdruckverhalten, Atemfrequenz, Tränenfluss auch bei sedierten Patienten anhand von Scoring-Systemen wie z. B. der behaviour pain scale (BPS) für intubierte und nicht intubierte Patienten [155]. Verzögertes Aufwachen, prolongierte delirante Syndrome und Folgekomplikationen (z. B. Tubus-assoziierte Pneumonie) führen zu einer prolongierten Beatmung. Mehrere Studien [156] [157] [158] konnten zeigen, dass durch Sedierungsprotokolle während der invasiven Beatmung eine signifikante Reduktion der Beatmungsdauer erreicht werden konnte. Kress [156] und Carson [157] zeigten dies durch tägliche Unterbrechung der Sedierung und sog. Aufwachphasen (Spontaneous Awakening Trial, SAT). Anhand eines Protokolls zur Sedierungstiefe lassen sich die Dauer der Beatmungszeit und der Aufenthalt auf der Intensivstation reduzieren [156] [159].
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5.1.3 Tägliche Unterbrechung der Sedierung
Die morgendliche Unterbrechung der Sedierung (im Gegensatz zu kontinuierlicher Sedierung) im Sinne einer strikten Organisation der Sedierungsstrategie führt in Kombination mit einem SBT zu einer Verkürzung der Sedierungsdauer und damit zu einer Verkürzung der Dauer der maschinellen Ventilation, dem Aufenthalt auf der Intensivstation und im Krankenhaus [158]. Auch wenn mehr Patienten sich selber extubierten, war hiervon die Rate der Reintubationen unbeeinflusst. Das wichtigste Ergebnis der Studie war aber, dass die strikte Kombination eines Sedierungsprotokolls mit einem Weaning-Protokoll die 1-Jahres-Mortalität reduziert.
Der Stellenwert von täglichen SBT und Aufwachversuchen musste in den letzten Jahren durch neue Evidenz reevaluiert werden. So zeigt ein systematisches Review, dass eine tägliche Sedierungsunterbrechung einer Protokoll-basierten Sedierung nicht überlegen ist. Neuere Studien zeigen, dass ein Protokoll-basiertes Sedierungsregime, welches einen möglichst wachen oder leicht sedierten Patienten anstrebt, keinen Nachteil gegenüber einem Aufwachversuch hat. Diese sog. „DSI“ (Daily Sedation Interruptions) sind nach jetziger Evidenzlage allenfalls bei tiefer Sedierung indiziert und können keine Wachheit ersetzen [146] [160] [161].
Der Empfehlung der S3-Leitlinie zum „Management von Delirium, Analgesie und Sedierung“ [146] folgend, soll auch während des prolongierten Weanings keine oder eine zielorientierte Sedierung mit Angabe eines Ziel-RASS durchgeführt werden. Die symptomorientierte Therapie von Delir, Agitation und Schmerz folgt ebenfalls den Empehlungen der S3-Leitlinie [146]. Die [Abb. 3] zeigt den Algorithmus zum Management von Schmerz und Sedierung [146].
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5.1.4 Management von Sedierung
In der prolongierten Weaning-Phase sind oft individuell auf den einzelnen Patienten ausgerichtete Konzepte zur Kontrolle und Behandlung von Angst, Agitation und Schmerz notwendig. Es wird an dieser Stelle auf die entsprechenden Empfehlungen der DAS-Leitlinie 2015 [146] verwiesen, die ebenfalls in dieser Form in der S3-Leitlinie „Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ [162] zitiert worden sind.
Ist eine symptomorientierte Behandlung von Agitation indiziert (bei Ziel-RASS 0 /–1), werden empfohlen: Alpha-2-Agonisten als Basistherapie zur Stressreduktion, bei Angst die diskontinuierliche Applikation von Benzodiazepinen, bei psychotischen Symptomen und Halluzinationen Neuroleptika, Melatonin-Agonisten sowie nicht-pharmakologische Maßnahmen zur Erhaltung des Tag-Nacht-Rhythmus.
Ist die Indikation für eine moderate/tiefe Sedierung gegeben, wird in der DAS-Leitlinie Propofol empfohlen bzw. ist der Einsatz von volatilen Anästhetika oder Midazolam mit einer „Kann“-Empfehlung versehen (siehe [Tab. 6]).
(nachfolgend Empfehlungs-Nr. und -grad der DAS-Leitlinie) |
Empfehlungen |
5.c.1, 5.c.2; Empfehlungsgrad A „soll“ |
Bei intensivmedizinisch behandelten Patienten soll außerhalb von spezifischen Indikationen (z. B. therapeutische Sedierung im Rahmen eines erhöhten intrakraniellen Drucks, Bauchlagerungstherapie im Rahmen des ARDS) ein Richmond Agitation Sedation Scale (RASS)-Zielwert von 0/–1 angestrebt werden. |
5. d.4; Empfehlungsgrad A „soll“ |
Eine tägliche Sedierungsunterbrechung ist aktuell nur bei Patienten mit IST-RASS ≤ –2 empfohlen, sofern keine Kontraindikationen vorliegen. |
4.5 – 4.8; Empfehlungsgrad A „soll“ |
Um die Sedierungstiefe adäquat zu überwachen und ein frühzeitiges, Protokoll-basiertes Management zu ermöglichen, soll die Sedierungstiefe mittels validierter Messskala mindestens einmal pro Schicht (i. d. R. 8-stündlich) gemessen und ein objektives Sedierungsziel regelmäßig festgelegt werden, welches ggf. an eine veränderte klinische Situation angepasst werden muss. |
5.e.1; Empfehlungsgrad B „sollte“ |
Zur Stressreduzierung und vegetativen Dämpfung intensivmedizinisch behandelter erwachsener Patienten sollten Alpha-2-Agonisten eingesetzt werden. |
5.e.2; Empfehlungsgrad B „sollte“ |
Zur symptomorientierten Agitationsbehandlung und Anxiolyse intensivmedizinisch behandelter Patienten sollte titriert zu einem Ziel-RASS 0/–1 die bolusweise Applikation von Benzodiazepinen erwogen werden. |
5.e.3; Empfehlungsgrad A „soll“ |
Die Behandlung von psychotischen Symptomen (im Delir, beginnendem Delir oder isoliert vorkommend) soll mit Neuroleptika erfolgen. |
5.e.4; Empfehlungsgrad B „sollte“ |
Ein Tag-Nacht-Rhythmus sollte bei allen intensivmedizinsich behandelten Patienten angestrebt werden, wobei medikamentöse und nicht-medikamentöse Maßnahmen, wie die Optimierung der intensivstationären Umgebungsbedingungen (Reduktion von Licht, Lärm und nächtliche Beschränkung auf die notwendigen Maßnahmen), angewendet werden sollten. |
5.d.1; Empfehlungsgrad A „soll“ |
Bei invasiv beatmeten Patienten soll Propofol (off-label-use: nach 7 Tagen Anwendung und unter 16 Jahren; Dosisbegrenzung < 4 mg/kgKörpergewicht/h) erwogen werden. |
5.d.2; Empfehlungsgrad 0 „kann“ |
Die inhalative Sedierung kann bei invasiv beatmeten Patienten angewandt werden, wenn kurze Aufwachzeiten angestrebt werden. |
5.d.3; Empfehlungsgrad 0 „kann“ |
Midazolam kann unter adäquatem Sedierungsmonitoring zu einer Sedierung mit Ziel-RASS ≤ –2 eingesetzt werden. |
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5.1.5 Antipsychotische und anxiolytische Therapiekonzepte
5.1.5.1 Pathophysiologie des Delirs
Das Delir ist die häufigste klinische Manifestation einer akuten Organdysfunktion des Gehirns im Rahmen einer intensivmedizinischen Behandlung. Bis zu 80 % beatmungspflichtiger Patienten erleiden während der Behandlung auf der Intensivstation ein Delir [163] [164]. Meist verläuft ein Delir hypoaktiv und bleibt damit häufig unentdeckt [165].
Es wird unterschieden zwischen 2 Typen des Delirs: dem Sedierungs-assoziierten Delir („sedation-related delirium“, auch: „rapid reversible delirium“) und dem Delir unabhängig von Sedierung („non-sedation-related delirium“, auch: „persistent delirium“). Etwa 20 % der Delire werden dem 1. Typ zugeordnet und sind somit direkt Sedierungs-induziert [166]. Bei Patienten mit einem Delir vom 2. Typ zeigte sich ein im Vergleich schlechteres Behandlungsergebnis, da vermutlich in diesem Fall eine endogene Funktionsstörung des Gehirns vorliegt.
Ein Delir ist mit einer längeren Beatmungsdauer, Intensivliegedauer, einer eingeschränkten kognitiven Rehabilitationsmöglichkeit mit dem Risiko eines persistierenden Defizits und einer erhöhten Sterblichkeit verbunden [167] [168] [169].
Neuere Daten legen nahe, dass das Delirmonitoring für sich einen positiven Effekt auf die Zielgrößen Sterblichkeit, ICU-LOS und Hospitalisierungsdauer hat. Die DAS-Leitlinie [146] empfiehlt explizit keine pharmakologische Prävention, sondern empfiehlt, den Fokus auf nicht-pharmakologische Maßnahmen zu legen. Allenfalls bei Hochrisikopatienten wird eine offene Empfehlung („kann“) zu einer niedrig dosierten Haloperidolprophylaxe ausgesprochen.
5.1.5.2 Therapie des Delirs
Es wird an dieser Stelle auf die entsprechenden Empfehlungen der S3-Leitlinie [146] verwiesen, die ebenfalls in dieser Form in der S3-Leitlinie „Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ [162] zitiert worden sind:
Zur symptomorientierten Therapie wird die kontinuierliche Gabe von Alpha-2-Agonisten empfohlen sowie die Vermeidung von Entzugssymptomen durch ein Ausschleichen einer sedierenden Therapie und eine offene Empfehlung zur Gabe von niedrig dosiertem Haloperidol, Risperidon, Olanzapin oder Quetiapin unter Beachtung der individuellen Indikation ausgesprochen (siehe [Tab. 7]).
(nachfolgend Empfehlungs-Nr. und -grad der DAS-Leitlinie) |
Empfehlungen der DAS-Leitlinie zum Delir |
4.11; Empfehlungsgrad A „soll“ |
Um ein Delir als Manifestation einer Organdysfunktion zu erkennen, die zugrundeliegende Ursache abzustellen und symptomorientiert behandeln zu können, wird das Monitoring auf ein Delir mittels einer validierter Messskala (z. B. Confusion Assessment Method for the Intensive Care Unit [CAM-ICU] [164] oder Intensive Care Delirium Screening Checklist [ICDSC] [170]) mindestens einmal pro Schicht empfohlen. |
2.1; Empfehlungsgrad B „sollte nicht“ |
Eine routinemäßige pharmakologische Delirprävention sollte nicht bei allen erwachsenen, intensivmedizinisch behandelten Patienten durchgeführt werden. |
2.4; Empfehlungsgrad B „sollte“ |
Eine nicht-pharmakologische Prävention des Delirs sollte bei allen intensivmedizinisch behandelten Patienten durchgeführt werden. |
2.2; Empfehlungsgrad 0 „kann“ |
Zur Delirprophylaxe können Patienten mit einem hohen Risiko für ein Delir eine Low-dose-Haloperidol-Prophylaxe erhalten. |
5.f.4; Empfehlungsgrad A „soll“ |
Eine kontinuierliche Alpha-2-Agonist-Gabe soll zur Therapie eines Delirs verwendet werden. |
5.f.3; Empfehlungsgrad B „sollte“ |
Die Beendigung einer länger dauernden sedierenden Therapie sollte zur Vermeidung von Entzugssyndromem ausschleichend erfolgen, ggf. unter Nutzung adjuvanter Substanzen (z. B. Alpha-2-Agonisten). |
5.f.2; Empfehlungsgrad 0 „kann“ |
Bei der Behandlung des Delirs können niedrig dosiert Haloperidol, Risperidon, Olanzapin oder Quetiapin eingesetzt werden. |
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5.1.6 Infektiologische Aspekte im Weaning
Pulmonale Infektionen können pathophysiologisch, wie unter 4.2 und 4.3 dargelegt, über eine Gasaustauschstörung und/oder vermehrte bronchiale Sekretion zu einem ventilatorischen Mehrbedarf und/oder einer Erhöhung der atemmuskulären Last führen, was die Funktion der Atempumpe weiter einschränken und damit eine Chancen für ein erfolgreiches Weaning reduzieren kann. Dabei ergeben sich Hinweise, dass Pneumonien und das Vorliegen multiresistenter Keime einen Einfluss auf das Weaning-Ergebnis haben [171] [172]. So wurde zum einen bei Nachweis von tracheobronchialen P. aeruginosa und S. maltophilia [171], zum anderen von MRSA, 3-/4-MRGN mit Enterobakterien mit ESBL, multiresistenten P. aeruginosa und Acinetobacter baumannii eine höhere Rate von Weaning-Versagen [172] beobachtet. Hinsichtlich des Einflusses der Keime auf die Letalität sind die Daten der beiden Studien nicht einheitlich. Auch wenn es wahrscheinlich ist, dass pulmonale und extrapulmonale Infektionen den Schweregrad der Grunderkrankungen reflektieren, muss tracheobronchialen Pathogenen, insbesondere bei Vorliegen einer Multiresistenz, im Hinblick auf das Weaning-Ergebnis besondere Beachtung geschenkt werden (siehe auch Kapitel 5.2.1).
Zur Vermeidung eines prolongierten Weanings, wie auch im Rahmen des Weaning-Prozesses selbst, ist die Vorhaltung einer standardisierten Vorgehensweise zur frühen Erkennung und ätiologischen Diagnostik pulmonaler und extrapulmonaler Infektionen sowie zur zielgerichteten antimikrobiellen Therapie zu empfehlen [173]. Dies beinhaltet auch die Etablierung strenger hygienischer Maßnahmen zur Prävention von Übertragungen, einschließlich einer regelmäßigen Überprüfung ihrer Effektivität. Die Indikation präventiver Antibiotikatherapien (wie z. B. Azithromycin bzw. inhalative Antibiotika bei Nachweis von Pseudomonas aeruginosa) ist individuell zu stellen, da die Evidenz hierfür fehlt.
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5.1.7 Spontanatemversuch (spontaneous breathing trial, SBT)
Der SBT erfasst die Spontanatmungskapazität eines Patienten und wird als prädiktiver Test zur Beurteilung verwendet, ob ein Patient extubiert werden kann. Der SBT wird nach Feststellen der Entwöhnbarkeit von der Beatmung („readiness to wean“) durchgeführt. Der SBT soll in Verbindung mit einem Sedierungsprotokoll gemäß der S3-Leitlinie [146] durchgeführt werden (siehe 5.1.3).
Beim SBT entscheiden die ersten 30 Minuten über Erfolg oder Scheitern [174] [175]. Der prädiktive Wert für eine erfolgreiche Extubation ist bei einem SBT von 30 Minuten gleich dem eines SBT von 120 Minuten [174] [176]. Der positive Vorhersagewert für eine erfolgreiche Extubation nach erfolgreichem SBT liegt über 80 % und ist in mehreren großen Studien belegt [7] [23] [174] [177] [178], vorausgesetzt, es bestehen keine anderen Kontraindikationen für eine erfolgreiche Extubation. Hier können neurologischer Status [179], ausgeprägte bronchiale Sekretvermehrung und Atemwegsobstruktion [177] Argumente gegen eine Extubation trotz erfolgreichem SBT darstellen.
Im prolongierten Weaning können die Kriterien für einen SBT im Hinblick auf eine Extubation nicht zu jeder Zeit bei allen Patienten angewandt werden. Dennoch können Patienten auch mit eingeschränkter Vigilanz und Kognition einem SBT zugeführt werden, wenn es die klinische Situation des Patienten zulässt. In diesem Zusammenhang sei auf den Unterschied der Spontanatemphasen im einfachen und prolongiertem Weaning hingewiesen: Im einfachen Weaning ist der SBT ein diagnostischer Test zur Beurteilbarkeit der Extubationsfähigkeit. Im prolongierten Weaning hingegen kann der SBT eine Entscheidungshilfe in der Diagnostik der Ursachen des prolongierten Weanings darstellen und möglicherweise dabei hilfreich sein, ein diskontinuierliches Weaning frühzeitig zu beginnen. Dabei dienen die Spontanatemphasen (ggf. über viele Stunden) im Wechsel mit Beatmungsphasen der Rekonditionierung der Atempumpe [180] [181] (siehe Kapitel 5.3.8).
Mehrere Studien haben die Methodik der Durchführung des SBT untersucht: Im Vergleich zwischen T-Stück-Versuch mit niedrigen Drücken Pressure Support (7 cm H20 [8]; 8 cm H20 [182] oder CPAP [183]) ergab sich in den zitierten Studien kein Unterschied in Bezug auf erfolgreichen SBT und erfolgreiche Extubation nach SBT. Für einige Patienten stellt bei der Durchführung des SBT die respiratorische Last, die durch den Tubus verursacht wird, ein Problem dar. Eine automatische Tubus-Kompensation (ATC) kann diese Last ausgleichen. In 2 Studien [184] [185] bei Patienten im einfachen Weaning wurde ATC bei der Durchführung eines SBT mit PSV bzw. PSV und T-Stück verglichen. In beiden Studien ergab sich kein Unterschied im Vergleich der untersuchten Methoden.
Für die Beurteilung des SBT sind als Parameter die Atemfrequenz und der Quotient aus Atemfrequenz und Tidalvolumen (Rapid Shallow Breathing Index, RSBI [175]), der am Ende des SBT erhoben werden sollte, ausreichend. Hierbei soll die Atemfrequenz nicht über 35/min liegen und der RSBI nicht über 105/min/L. Scheitert der SBT, wird die Beatmung fortgesetzt. Es sollte die Ursache des Scheiterns des SBT analysiert werden, um Probleme, die zu beheben sind, zu erkennen und zu beseitigen (siehe [Tab. 4]). Die Beatmungsstrategien nach Scheitern des Spontanatemversuchs werden im Kapitel 5.3 beschrieben. Ein erneuter SBT sollte möglichst täglich durchgeführt werden, um den frühest möglichen Zeitpunkt zur Extubation nicht zu verpassen.
E1: Bei vorhandener Weaning-Bereitschaft soll möglichst frühzeitig ein SBT durchgeführt werden.
E2: Der Rapid Shallow Breathing Index sollte am Ende des SBT zur Beurteilung der muskulären Erschöpfung gemessen werden.
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5.1.8 Ultraschall zur Beurteilung des Zwerchfells
Kim et al. [186] untersuchten die Zwerchfellfunktion (bei 88 Patienten) mittels Ultraschall. Zwerchfell-Dysfunktion wurde bei vertikaler Auslenkung des Muskels von weniger als 10 mm oder als paradoxe Bewegung definiert. Vierundzwanzig Patienten (29 %) wiesen eine Zwerchfell-Dysfunktion auf; im Vergleich zu Patienten mit regelrechter Funktion war bei Patienten mit diaphragmaler Dysfunktion die Entwöhnungszeit (17 vs. 4 Tage, p < 0,01) und Gesamtbeatmungsdauer (24 vs. 9 Tagen p < 0,01) signifikant länger. Zu dieser vielversprechenden Methodik werden weitere Untersuchungen zum Stellenwert als Weaning-Prädiktor benötigt. DiNino et al. [187] untersuchten bei 63 beatmeten Patienten den Grad der Verdickung des Zwerchfells, um den Extubationserfolg vorherzusagen. Die prozentuale Veränderung der Zwerchfelldicke während der In- und Exspiration (Δtdi%) in der Appositionszone wurde während assistierter und nichtassistierter Spontanatmung erfasst. Die Sensitivität und Spezifität für ein Δtdi% ≥ 30 % lag bei 88 % und 71 %. Der positive und negative prädiktive Wert betrugen 91 % und 63 %. Die Fläche unter der ROC-Kurve betrug 0,79. Im Vergleich zum Δtdi% ≥ 30 % schnitt der bei 26 Patienten während des SBT ohne Unterstützung gemessene RSBI weniger gut ab (Sensitivität 87 %, Spezifität 33 %, PPV 91 %, NPV 25 %). Soummer et al. [188] berechneten bei 100 Patienten mithilfe der Sonografie die Belüftung der Lunge am Ende eines 60-minütigen SBT und 4 h nach Extubation. Patienten mit respiratorischen Problemen nach Extubation hatten einen signifikant höheren ultrasound score (15 vs. 19, p < 0,01). Der am Ende des SBT erhobene ultrasound score war bei Patienten mit respiratorischen Problemen nach Extubation signifikant höher (19 vs. 10, p < 0,001, ROC von 0,86).
Trotz der insgesamt vielversprechenden Datenlage zum Einsatz des Ultraschalls während der Entwöhnung von der Beatmung ist die Studienlage von einer ausgeprägten methodischen Heterogenität geprägt, wodurch die Vergleichbarkeit der Arbeiten eingeschränkt ist. Die Autoren der Leitlinie gehen davon aus, dass die Sonografie zukünftig einen stärkeren Stellenwert in der Prädiktion des Weaning-Erfolgs sowie zur Überwachung der eigentlichen Entwöhung von der Beatmung spielen wird. Bei der Fertigstellung der Revision dieser Leitlinie konnte allerdings aus der vorliegenden Datenlage keine eindeutige Empfehlung abgeleitet werden (siehe Kapitel 5.3.7).
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5.1.9 Weaning-Protokolle
Standardisierte Protokolle zum Weaning von der Beatmung können im Weaning-Prozess hilfreich sein. Diese Protokolle sind vor allem für das einfache Weaning, d. h. die Planung der Extubation nach kurzzeitiger Beatmung entwickelt worden. Einer der wesentlichen Aspekte ist hierbei die Identifikation des frühest möglichen Zeitpunktes zum Weaning. Hierfür spricht einmal die durch mehrfache Studien belegte Beobachtung, dass ca. 70 – 80 % aller > 24 h beatmeten Patienten schon beim ersten Weaning-Versuch erfolgreich von der Beatmung entwöhnt werden können [17]. Das impliziert, dass viele dieser Patienten schon früher hätten entwöhnt werden können. Diese Annahme wird unterstützt durch die Beobachtung, dass nur ca. 50 % der Patienten nach einer nicht geplanten Selbstextubation erneut beatmet werden müssen [189].
Die Anwendung Protokoll-basierter Algorithmen zur frühzeitigen Beatmungsentwöhnung verkürzt die Gesamtbeatmungszeit, die Zeit der Beatmungsentwöhnung sowie die Zeit des Intensivaufenthaltes. Dies konnten Blackwood et al. in einem 2014 publizierten Systematic Review erneut zeigen. Wie in der vorausgegangenen Analyse von 2011 [190] wurde auch in dem Systematic Review [191] allerdings kein Zusammenhang zwischen der Anwendung Protokoll-basierter Algorithmen zur Beatmungsentwöhnung und der Überlebensrate der Patienten gefunden.
In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass eine solche Protokoll-basierte Standardisierung des Weaning-Prozesses neben der Verkürzung der maschinellen Beatmungsdauer auch zu einer Erhöhung des Anteils erfolgreich entwöhnter Patienten führen kann [192] [193]. Ebenso konnte gezeigt werden, dass bei klinisch als nicht entwöhnbar eingeschätzten Patienten die Verlegung in eine Institution, in der ein Weaning-Protokoll befolgt wurde, bei einem Drittel der Patienten zu einem sofortigen, erfolgreichen Weaning von der Beatmung führte [194]. Kritisch muss allerdings angemerkt werden, dass Protokolle in Institutionen, in denen sehr gute Organisationsformen wie z. B. strukturierte Visiten und maximale Personalausstattung umgesetzt sind, keinen weiteren Vorteil brachten [195]. Bei Traumapatienten konnte durch Weaning-Protokolle eine Reduktion der Komplikationen maschineller Ventilation wie der nosokomialen Pneumonie beobachtet werden, die mit einer Abnahme der Mortalität assoziiert war [196]. Wichtiger Bestandteil von Weaning-Protokollen ist die Wachheit eines Patienten, wenn er einen SBT bestreiten soll. Hier kommt es zu Synergien von Sedierungs- und Weaning-Protokollen. Eine Untersuchung hierzu hat gezeigt, dass eine strikte Organisation der Sedierungsstrategie mit täglichem Aufwachversuch vor dem Weaning-Versuch zu einer Verkürzung der Sedierungsdauer und damit der Dauer der maschinellen Beatmung, dem Aufenthalt auf der Intensivstation und im Krankenhaus führte. Das wichtigste Ergebnis der Studie war aber, dass die strikte Kombination eines Sedierungsprotokolls mit dem Weaning-Protokoll zu einer niedrigeren 1-Jahres-Mortalität führte [158]. Auch wenn die genauen Mechanismen dieses Überlebensunterschiedes diskutiert werden, lässt sich hieraus eine klare Empfehlung zur Durchführung des Vorgehens ableiten [193]. Diese Daten belegen auf eindrückliche Weise, wie unterschiedliche Organisationsformen tatsächlich die medizinischen Ergebnisse beeinflussen können.
Auf der Grundlage dieser Daten empfiehlt die S3-Leitlinie zur „invasiven Beatmung und dem Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ bei „adulten Patienten, die länger als 24 h invasiv beatmet wurden, ein Protokoll zur Entwöhnung von der invasiven Beatmung (Weaning-Protokoll) anzuwenden, um standardisiert die Bewertung der Entwöhnungsbereitschaft (Readiness to Wean) zu evaluieren, die SBTs durchzuführen und die Kriterien zur Beendigung der invasiven Beatmung bzw. Extubation/Dekanülierung zu überprüfen“ [162].
Für Patienten im prolongierten Weaning wurden keine Studien gefunden, die die Wirksamkeit von Weaning-Protokollen z. B. im Hinblick auf Beatmungsdauer, Entwöhnungsdauer und -erfolg explizit untersucht haben. Gemäß der S3-Leitlinie zu Management von Delir, Agitation und Schmerz [146] sowie der S3-Leitlinie zur „invasiven Beatmung und dem Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ [162] ist die wissenschaftliche Evidenz zur Anwendung entsprechender Sedierungsprotokolle wie auch für die Anwendung von Protokollen zur Beatmungsentwöhnung für Patienten der Weaning-Kategorie 1 und 2 hoch.
Die Leitliniengruppe hält es für gerechtfertigt, die wissenschaftliche Evidenz in Teilen auf die Patienten im prolongierten Weaning zu übertragen. Vor diesem Hintergrund gibt die Leitliniengruppe zur Anwendung von Protokollen in der prolongierten Entwöhnung folgende Empfehlung:
E3: In Analogie zu Patienten der Kategorie 1 und 2 (einfaches und schwieriges Weaning) sollte auch bei Patienten im prolongierten Weaning eine Protokoll-basierte Standardisierung des Weaning-Prozesses von Beatmung und Analgosedierung etabliert werden. Dazu sollten einfach gehaltene Protokolle im Hinblick auf Management von Agitation, Delir und Schmerz und Überprüfung der Spontanatmungskapazität zur Anwendung kommen.
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5.1.10 Cuff-Leak-Test
Haben beatmete Patienten einen SBT erfolgreich abgeschlossen, kann nach der Extubation als Komplikation ein Postextubations-Stridor auftreten, insbesondere bei Patienten, die über 36 Stunden intubiert sind. Zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit dieser Komplikation (Häufigkeit zwischen 2 und 16 % [197]) kann ein Cuff-Leak-Test (Messen der Luftleckage nach Entblocken des Endotrachealtubus) vor der geplanten Extubation [197] [198] durchgeführt werden, um die zu erwartende Obstruktion nach der Extubation abschätzen zu können [197] [198] [199]). Hierbei wird zunächst bei geblocktem Cuff im assistiert-kontrollierten Modus das exspiratorische Tidalvolumen bestimmt. Die Messung wird mit entblocktem Cuff wiederholt – erwartet wird ein deutlich niedrigeres exspiratorisches Volumen aufgrund von Leckage. Vor Durchführung des Tests sollte endotracheal und oral abgesaugt und nach Kontrolle und Dokumentation des Cuff-Drucks überprüft werden, ob die in- und exspiratorischen Tidalvolumina übereinstimmen [200]. Danach werden der Cuff entblockt und über 6 Atemzüge die in- und exspiratorischen Tidalvolumina verfolgt, wobei sich die Vt-Differenz stabilisieren sollte. Die gemittelten 3 niedrigsten exspiratorischen Tidalvolumina werden in Beziehung zum inspiratorischen vor Entblockung des Cuffs gesetzt.
Eine geringe Differenz zwischen den beiden Volumina (Cuff-Leak-Volumen) < 130 ml kann Patienten mit Postextubations-Stridor identifizieren [199]. Allerdings muss festgestellt werden, dass der Cut-off in den verschiedenen Untersuchungen variiert. Zwei Studien definierten die Grenze bei < 24 % des Vt, 3 Studien bei < 110 ml und eine bei < 25 % des Vt [201]. Eine Metaanalyse [202] von 9 Studien ergab eine durchschnittliche Sensitivität des Cuff-Leak-Tests von 0,63 und eine Spezifität von 0,86. Patienten mit Obesitas-Hypoventilations-Syndrom und schlafbezogener Atmungsstörung weisen eine vom Schlafstadium und von der Körperlage abhängige dynamische Obstruktion der oberen Atemwege auf. Der Cuff-Leak-Test kann daher besonders bei dieser Personengruppe falsch negativ sein. Lemyze et al. postulierten, dass die anatomische Relevanz eines positiven Cuff-Leak-Test nicht ausreichend untersucht ist und falsch positive Ergebnisse liefern kann [203], z. B. bei Kombination eines endotrachealen Tubus mit großem Durchmesser und einer engen Glottis. Bei 34 Patienten mit positivem Cuff-Leak-Test führten die Autoren eine fiberoptische Kontrolle durch und konnten bei einem Teil der Patienten zeigen, dass die Stimmbänder relativ unauffällig waren, wohingegen eine Schwellung in dem Bereich vorlag, wo Magensonde und Tubus die dazwischen liegenden Gewebe gequetscht hatten (posteriorer Larynx im Bereich der hinteren Kommissur), was allerdings kein Extubationshindernis darstellte. Zukünftig kann möglicherweise die ergänzende laryngeale Ultraschalluntersuchung dazu beitragen, die Vorhersage für ein Postextubations-Versagen zu verbessern [204].
Die 2017 publizierte Leitlinie amerikanischer Fachgesellschaften empfiehlt, basierend auf der Analyse von 14 observationellen Studien, die Durchführung des Cuff-Leak-Test bei Patienten, die die Extubationskriterien erfüllen und bei denen ein hohes Risiko für einen Postextubations-Stridor vorliegt [205]. Diese Empfehlung wird allerdings mit einer hohen Unsicherheit hinsichtlich der Evidenz versehen. Das bedeutet, dass Aussagen zur Relevanz nicht vorgenommen werden können. Insbesondere die Gefahr der unnötigen Verlängerung der Beatmungsdauer bei falsch positivem Test führte vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Großteil der Patienten, die keinen Cuff-Leak-Test erhalten, trotzdem erfolgreich extubiert werden, zu der Einschränkung, den Test nur bei Riskopatienten durchzuführen (traumatische Intubation, Intubationsdauer > 6 Tage, endotrachealer Tubus, weibliches Geschlecht, stattgehabte Reintubation nach ungeplanter Extubation). Der überwiegende Teil der Patienten im prolongierten Weaning erfüllt diese Kriterien.
Bei Risikopatienten mit einem pathologischen Cuff-Leak-Test, bei ansonsten erfüllten Extubationskriterien, empfiehlt die Leitlinie der American Thoracic Society/American College of Chest Physicians [206] mindestens 4 h vor Extubation die systemische Gabe von Steroiden. Die Empfehlung basiert auf einer Metaanalyse [207], in die 7 RCTs einschlossen wurden und die für Risikopatienten mit reduziertem Cuff-Leak-Volumen einen positiven Effekt aufzeigte. Eine weitere Metaanalyse [201], publiziert im Jahr 2017 (11 eingeschlossene RCT), bestätigt die Ergebnisse und zeigt erneut, dass die Gabe von Steroiden bei Risikopatienten mit einer signifikanten Reduktion von Atemwegsereignissen nach Extubation und Reintubationen assoziiert ist (Atemwegsereignisse: RR, 0,34; 95 % CI, 0,24 – 0,48; Reintubation: RR, 0,35; 95 % CI, 0,20 – 0,64). Die sog. number needed to treat ist 5 (Atemwegskomplikationen) bzw. 16 (Reintubation). Weiterhin wurden in dieser Auswertung auch die Dosierung (kumulative Hydrokortison-äquivalente Dosierung zwischen 100 mg und 1000 mg), Therapieintervalle und -häufigkeit (1 – 4 Gaben; innerhalb von 24 h, mit letzter oder 1-maliger Gabe 30 min – 4 h vor Extubation) analysiert, ohne dass hier ein Effekt für Dosierung und Intervall nachgewiesen werden konnte.
Falls eine Extubation nicht möglich ist, dann sollte eine Wiederholung des Tests nach 12 Stunden erfolgen.
Es wurden keine Studien gefunden, die den Stellenwert der Cuff-Leak-Testung im prolongierten Weaning untersucht hätten. Für Patienten im prolongierten Weaning mit einem entsprechenden Risikoprofil für einen Postextubations-Stridor scheint es aber medizinisch sinnvoll, auch bei diesen Patienten einen Cuff-Leak-Test vor der Extubation durchzuführen.
E4: Ein Cuff-Leak-Test soll zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit eines Postextubations-Stridors vor einer Extubation durchgeführt werden.
E5: Bei Patienten mit positivem Cuff-Leak-Test sollte eine ergänzende fiberoptische Diagnostik erwogen werden, um die Ursache für einen positiven Cuff-Leak-Test zu differenzieren.
E6: Bei Patienten mit pathologischem Cuff-Leak-Test sollte die Gabe von Steroiden (spätestens 4 h vor Extubation) erwogen werden.
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5.1.11 Frühmobilisation
Der Begriff Mobilisation umfasst Maßnahmen passiver und/oder aktiver Bewegungsübungen am Patienten mit dem Ziel, Bewegungsfunktionen und damit die funktionelle Unabhängigkeit zu fördern oder zu erhalten. Die Frühmobilisation beschreibt eine frühe Mobilisation kritisch kranker, auch beatmeter Patienten innerhalb von 72 h nach Aufnahme auf der Intensivstation [208]. Eine Lagerung im Bett dagegen beschreibt die Veränderung einer körperlichen Position, sie dient der Einwirkung auf schwerkraftbedingte Effekte [208].
Die Frühmobilisation dient der schnelleren Rehabilitation der Intensivpatienten. Ziel ist es, mithilfe der Frühmobilisation die Bewegungsfunktionen zu erhalten bzw. zu fördern sowie einer schnellen Ermüdbarkeit und Atrophie der muskulären Atempumpe und der Skelettmuskeln, der Entwicklung psycho-kognitiver Defizite sowie der Entstehung von lagerungsbedingten Haut- und Weichteilschäden entgegen zu wirken [209].
Bevor es zur Bewegung in den Sitz oder Stand kommt, muss der Patient auf diesen Prozess durch passive/assistive oder aktive Bewegungsübungen, mit dem Erarbeiten der Muskelfunktionen und Dehnungsübungen vorbereitet werden. Danach startet die passive Mobilisation (z. B. Spezialstuhl) oder der Bettkantensitz mit dem Balancetraining bis hin zur aktiven Mobilisation, dem Stand und Gangübungen und evtl. Gleichgewichts und Koordinationsübungen [208].
Die Frühmobilisation beginnt im zeitlichen Bereich vor dem prolongierten Weaning und kann als adjunktive Maßnahme in der Behandlung des Intensivpatienten verstanden werden, die Langzeitbeatmung und prolongiertes Weaning potenziell verhindern bzw. zu verkürzen kann.
Vorhandene randomisiert-kontrollierte Studien zum Einfluss von Frühmobilisation während der Akutphase der kritischen Erkrankung ergeben ein heterogenes Bild im Hinblick auf den Erhalt von Bewegungs- und Muskelfunktionen und Unabhängigkeit sowie Beatmungsdauer [217]. In [Tab. 8] sind die publizierten randomisierten Studien mit ihren wichtigsten Ergebnissen dargestellt.
Morris [212] (2008, n = 330) |
Burtin [211] (2009, n = 90) |
Schweickert [213] (2009, n = 104) |
Denehy [215] (2013, n = 150) |
Moss [216] (2016, n = 120) |
Morris [218] (2016, n = 300) |
Schaller [214] (2016, n = 200) |
Hodgson [210] (2016, n = 50) |
Wright [219] (2017, n = 308) |
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Intervention |
Protokoll-basierte Physiotherapie |
Individualisierte Physiotherapie inklusive Bett-Ergometrie |
Physio- und Ergotherapie |
stationäre und ambulante Mobilisationstherapie |
Physiotherapie |
Physiotherapie |
Protokoll-basierte Physiotherapie |
Protokoll-basierte Physiotherapie |
Physiotherapie |
Intensität |
7 ×/Woche |
4 ×/Woche |
1 ×/Tag (20 min) |
15 min/Tag bis 2 × 60 min/Tag |
1 ×/Tag (40 min) |
3 ×/Tag |
1 ×/Tag |
20 min/Tag |
23 min/Tag |
Effekt auf Muskelkraft |
keine Angaben |
Verbesserung |
nein |
nein |
nein |
nein |
nein |
nein |
nein |
Effekt auf körperliche Einschränkung |
keine Angaben |
Reduktion |
Reduktion |
Reduktion |
nein |
erhöhte Mobilität |
Reduktion |
Reduktion |
geringfügig |
Gehstrecke |
keine Angaben |
erhöht |
erhöht |
erhöht |
keine Angaben |
keine Angaben |
keine Angaben |
keine Angaben |
unverändert |
Beginn der Intervention |
< 72 Stunden nach Aufnahme bzw. < 48 Stunden nach Beginn der mechanischen Beatmung |
5 Tage nach Aufnahme |
< 72 Stunden nach Beginn der mechanischen Beatmung |
beim ersten Erwachen |
8 Tage nach Beginn der mechanischen Beatmung |
Kontrollgruppe: 7 Tage nach Studieneinschluss Interventions-gruppe: 1 Tag nach Studieneinschluss |
< 72 h nach Beginn der mechanischen Beatmung |
72 h nach Aufnahme auf die Intensivstation |
< 11 Tage nach Aufnahme auf die Intensivstation |
Sedierung |
tägliche SATs |
keine Angaben |
tägliche SATs |
Protokoll-basiert |
Protokoll-basiert |
nicht Protokoll-basiert |
tägliche SATs |
nicht Protokoll-basiert |
SAT vor der Intervention |
weniger Delirium |
keine Angaben |
keine Angaben |
ja |
keine Angaben |
nein |
nein |
ja |
keine Angaben |
nein |
Dauer der mechanischen Beatmung |
Kontrollgruppe: 10,2 Tage |
keine Angaben |
Kontrollgruppe: 6,1 Tage |
Kontrollgruppe: 4,1 Tage |
Kontrollgruppe: 10 Tage |
keine Angaben |
keine Angaben |
Kontrollgruppe: 7,0 Tage |
Kontrollgruppe: 4,0 Tage |
Intensivstationsliegedauer |
Kontrollgruppe: 6,9 Tage |
Kontrollgruppe: 24,0 Tage |
Kontrollgruppe: 24,0 Tage |
Kontrollgruppe: 7,0 Tage |
Kontrollgruppe: 16,0 Tage |
Kontrollgruppe: 8,0 Tage |
Kontrollgruppe: 10 Tage |
Kontrollgruppe: 11,0 Tage |
Kontrollgruppe: 15,0 Tage |
Entlassungsort |
kein Effekt |
kein Effekt |
kein Effekt |
kein Effekt |
kein Effekt |
kein Effekt |
signifikant mehr Patienten nach Hause entlassen |
kein Effekt |
keine Angaben |
Der Stellenwert der neuromuskulären Elektrostimulation im Sinne einer präventiv wirksamen Muskelaktivierung während der Akutphase der kritischen Erkrankung ist in nur wenigen, zum Teil Pilotstudien untersucht [220] [221] [222] [223] [224]. In diesen Studien werden positive Effekte der elektrischen Muskelstimulation auf Muskelmassenerhalt, Muskelkraft und Funktion berichtet.
Trotz der breiten Indikation ist die Implementierung der Frühmobilisation im Klinikalltag noch deutlich eingeschränkt, wie eine Arbeit auf 116 deutschen Intensivstationen von Nydahl und Kollegen zeigt [225]. Lediglich 8 % der endotracheal intubierten Patienten wurden aus dem Bett heraus mobilisiert, während 15 % gar nicht mobilisiert wurden. Vergleichbare Ergebnisse wurden in einer amerikanischen Studie publiziert – Physiotherapie bei 32 % der untersuchten Kohorte, positive Assoziation von Ergotherapie mit dem Fehlen einer Beatmung [226]. In der Subgruppe der Patienten mit prolongierter Beatmung > 14 Tage zeigte sich in einer US-amerikanischen Studie eine Anforderung von Physiotherapie nur bei 45 % der Patienten, v. a. bei Patienten mit Tracheotomie, einem geringen Sedierungsbedarf und eingeschränkter Mobilität bereits vor dem Krankenhausaufenthalt [227]. Der Grad der Intensität der Physiotherapie wurde generell als gering beschrieben und übertraf selten die passive oder aktive Bewegung der Extremitäten.
Eine Analyse möglicher Barrieren für die frühzeitige Implementierung von Frühmobilisation auf Intensivstationen zeigte vielfältige, wie z. B. Patienten-bezogene, strukturelle, kulturelle sowie prozessbezogene Hindernisse [228] (siehe [Tab. 9]).
Patientenbezogen |
Patient ist nicht ausreichend belastbar hämodynamische Instabilität Obesitas Schmerzen Delir |
Strukturell |
geringe Personaldichte fehlendes Mobilisationsprogramm |
Prozessbezogen |
fehlende Planung/Koordination fehlendes tägliches Screening auf Machbarkeit |
Kulturell |
Frühmobilisation wird nicht als wichtig erkannt Fehlen eines multiprofessionellen Therapieansatzes |
Insgesamt konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass die frühe Mobilisation eine hohe Sicherheit hat und insgesamt umsetzbar ist. In der Literatur werden keine definierten Ausschlusskriterien zur Frühmobilisation benannt, beim Auftreten einer akuten Situation muss die Mobilisation adaptiert werden, wie bei: nicht versorgten Frakturen, pulmonaler Instabilität oder palliativen Patienten. Im Durschnitt kam es in < 1 % der Mobilisationsbehandlungen zu einer unerwünschten Nebenwirkung. Diese beschränkten sich mit einzelnen Ausnahmen auf Entsättigung oder kardiale Instabilität und waren durch die Beendigung der Mobilisation zu behandeln.
Hilfreich ist zur Frühmobilisation ein multiprofessioneller Ansatz, um Verantwortungen und Zuständigkeiten oder Zeitpunkt, Intensität und Dauer bestmöglich abzusprechen [229] [230].
Auch strukturelle Probleme können der flächendeckenden Umsetzung einer konsequenten Physiotherapie auf Intensiv- und Weaning-Einheiten entgegenstehen [231]:
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Die Etablierung der Frühmobilisation ist im Zusammenhang mit der Erfassung der intensivmedizinischen Komplexbehandlung eine relevante Prozedur, nach der zwischen einfacher und komplexer Intensivmedizin unterschieden wird. Ein erhöhter Mehraufwand an physiotherapeutischen Leistungen, wie sie im prolongierten Weaning erforderlich sind, wird mit dieser Systematik im OPS-Prozedurenkatalog nur unzureichend abgebildet. Damit sind entsprechende Mehrkosten im Bereich der Physiotherapie im prolongierten Weaning nicht abbildbar. Dies steht einer adäquaten physiotherapeutischen Personalausstattung im prolongierten Weaning entgegen.
-
Es existiert auf vielen Intensivstationen kein festes, der Station längerfristig zugeteiltes Physiotherapie-Personal, sodass kontinuierliches Arbeiten mit dem Patienten vor allem im prolongierten Weaning erschwert wird.
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Schließlich gibt es von Seiten der Berufsverbände unterschiedliche Auffassungen zu den Tätigkeiten der Physiotherapeuten auf der Intensivstation. Aus unserer Sicht gehört das Sekretmanagement, inklusive endotrachealem Absaugen nach Sekretmobilisation, als „invasive“ Maßnahme sinnvollerweise zu den Tätigkeiten von Pflegekräften und von Physiotherapeuten; es erfordert aber momentan für letztere Berufsgruppe noch die Erlaubnis nach Ausbildung und Delegation durch die verantwortlichen Ärzte. Des Weiteren können Logopäden und Atmungstherapeuten (DGP) in den therapeutischen Prozess einbezogen werden.
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5.2 Stellenwert der Physiotherapie und der Messung des Peak Expiratory Flow im prolongierten Weaning
Während die Frühmobilisation auf der Intensivstation als Maßnahme im Sinne der Prävention von Langzeitbeatmung und prolongiertem Weaning verstanden wird, haben intensive Physiotherapie, Logopädie und Ergotheapie einen hohen Stellenwert im ganzheitlichen Rehabilitationskonzept im prolongierten Weaning. Analog zur Definition des Begriffs Frühmobilisation in der Akutphase der kritischen Erkrankung werden auch unter dem Begriff Mobilisation während des prolongierten Weanings passive und/oder aktive Bewegungsübungen zusammengefasst.
5.2.1 Physiotherapie im prolongierten Weaning
Die wissenschaftliche Evidenz bezüglich personeller Ausstattung von Intensiv- und Weaning-Stationen mit Physiotherapeuten oder anderen therapeutischen Berufsgruppen ist gering bis fehlend [232].
Einen Überblick über den Einfluss therapeutisch-rehabilitativer Interventionen gibt die Weaning-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR) [233]. Trotz mangelnder wissenschaftlicher Evidenz sind die Experten vom hohen Stellenwert solcher therapeutischer Interventionen, insbesondere der Physiotherapie, in der Situation des prolongierten Weanings überzeugt: Mobilisation und Sekretmanagement als Hauptbestandteile der Behandlung entscheiden über Erfolg und Misserfolg eines erfolgreichen Weanings vom Ventilator, einer Dekanülierung und Verlegung in eine weiterführende Rehabilitationseinrichtung. Physiotherapie zur Rekonditionierung, Mobilisierung und Sekretelimination ist im komplexen Weaning-Prozess essenziell und muss täglich intensiv durchgeführt werden (siehe Qualitätsindikator 1). Mangels aussagekräftiger Studien in dieser speziellen Situation besitzen die im Folgenden genannten Empfehlungen lediglich den Evidenzgrad einer Expertenmeinung.
Bei Patienten mit fortgeschrittenen Erkrankungen, die ihre Muskeln nicht willentlich kontrahieren können, z. B. bei Rückenmarkschädigung oder ausgeprägter Critical-Illness-assoziierter Polyneuro- und/oder -myopathie, konnte im Rahmen eines integrativen rehabilitativen Konzeptes gezeigt werden, dass durch neuromuskuläre Elektrostimulation eine weitere Muskelatrophie zumindest teilweise verhindert und in Kombination mit aktiver Physiotherapie die Zeitdauer bis zur Mobilisation in den Reha-Stuhl verkürzt werden konnte [234]. Eine hierzu publizierte Metaanalyse [235] von 9 Studien, deren Qualität allerdings inhomogen war, fand deutliche Hinweise auf einen Zuwachs an Muskelmasse, -volumen und -kraft, eine Reduktion von Beatmungs- und Weaning-Zeit. Auch in einer älteren Arbeit [236] wurde eine Vermehrung des Abbaus von Muskelproteinen nachgewiesen. Eine ähnliche Einschätzung ergibt sich aus der 2016 publizierten Cochrane-Analyse: signifikante Zunahme der Kraft des M. quadriceps femoris und Zunahme der Muskelmasse am Oberschenkel [237]. Die Kombination von neuromuskulärer Stimulation v. a. der Oberschenkelmuskulatur und des passiven Bewegens mittels Bettfahrrad ergab einen Trend zu früherer und schnellerer Fähigkeit zu stehen und zu gehen, bei gleichzeitig signifikant verkürzter Delirdauer bei 16 invasiv über mehr als 48 Stunden beatmeten Patienten [238]. Mittels spezieller Trainingsgeräte ist neben aktiven Bewegungsübungen selbst im Liegen sowohl ein passives als auch ein aktives aerobes Training von Arm- und Beinmuskulatur, adaptiert an die individuelle Leistungsfähigkeit, möglich.
Viele Patienten in der Neurorehabilitation bzw. im prolongierten Weaning während der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation weisen eine Besiedelung mit multiresistenten Erregern auf. Dies führt zu weniger Arzt- und Pflegekontakten und hat möglicherweise auch Einfluss auf die Häufigkeit von physiotherapeutischen Übungseinheiten. Trotz der rehabilitativen Behandlung ist der Outcome dieser Patienten verglichen mit einer Gruppe von Patienten ohne Besiedelung mit multiresistenten Erregern schlechter: längere Behandlungsdauer, niedrigerer Barthel-Index bei Aufnahme und Entlassung, niedrigerer Frühreha-Barthel-Index, niedrige Coma-Remissions-Scala (CRS) bei Entlassung [239] (siehe Kapitel 5.1.6).
Voraussetzung für die Umsetzung eines integrativen rehabilitativen Konzepts im prolongierten Weaning ist, dass sowohl die kardiale als auch respiratorische Reserve des Patienten entsprechend den Empfehlungen der European Respiratory Society und European Society of Intensive Care Medicine Task Force on Physiotherapy for Critically Ill Patients [240] beachtet werden, um den Patienten insbesondere im prolongierten Weaning nicht durch eine unphysiologisch hohe Belastung zu gefährden. Bei Beachtung entsprechender Grenzen der Belastung sind physiotherapeutische Behandlungen sicher durchführbar – bei einer prospektiven Beobachtung von insgesamt 1110 Patienten mit durchschnittlich 5 – 6 Behandlungen mussten nur 36 (0,6 %) Therapiesitzungen vorzeitig abgebrochen werden: Gründe hierfür waren überwiegend kardiale Rhythmusstörungen sowie hypertensive oder hypotensive Kreislaufdysregulationen [241]. Empirisch haben sich Maßnahmen der (Früh-)Mobilisation auch in der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation beatmeter Patienten überaus bewährt [233].
E7: Bei Patienten im prolongierten Weaning empfehlen wir die tägliche Mobilisation, sofern keine Ausschlusskriterien vorliegen.
E8: Wir empfehlen, die Mobilisation täglich 20 Minuten mithilfe eines abgestuften Vorgehens (beginnend mit passiver Mobilisation) anhand eines klinikeigenen Algorithmus durchzuführen.
QI1: Tägliche Mobilisation: Anzahl der Patienten, die mobilisiert wurden/Anzahl der Patienten im prolongierten Weaning.
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5.2.2 Messung des Peak Expiratory Flow bei Patienten mit Tubus oder Trachealkanüle
Für Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen ist neben dem erfolgreichen SBT die Fähigkeit, Sekret nach der Extubation abzuhusten, für ein erfolgreiches Weaning von entscheidender Bedeutung. Nach Extubation bzw. Dekanülierung, d. h. bei spontan atmenden Patienten, ist die Messung des Peak Cough Flows (PCF) prädiktiv für das Risiko einer Sekretverlegung der unteren Atemwege. Bei ALS-Patienten korreliert ein PCF ≤ 160 l/min mit dem Outcome [242], d. h. ein schwacher Hustenstoß ist mit einer schlechten Prognose verbunden.
Da der PCF bei intubierten bzw. tracheotomierten Patienten deutlich niedriger ist (fehlende Glottisfunktion für den intrathorakalen Druckaufbau, Behinderung eines effektiven Hustenstoßes durch Tubus oder Kanüle), kann in Analogie zum PCF bei Spontanatmung der Peak Expiratory Flow (PEF) mit einem Inline-Peakflowmeter am Tubus gemessen werden [243] [244]. Werte kleiner 60 l/min bzw. 35 l/min wurden als Prädiktor für ein Scheitern einer Extubation identifiziert [243] [244]. Die semiquantitative Beurteilung der Kraft zum Husten (semiquantitative cough strength score, SCSS) [245], bei der ein Score zwischen 0 und 5 vergeben wird (0 = kein Husten auf Aufforderung, 1 = hörbare Lufbewegung durch den Tubus, aber kein Husten, 2 = schwacher, kaum hörbarer Husten, 3 = klar hörbarer Hustenstoß, 4 = starker Hustenstoß, 5 = multiple sequenzielle, starke Hustenstöße), hatte in einer 2015 durchgeführten Untersuchung für einen Cut-off von 3 eine vergleichbar gute Differenzierung zeigen können wie der gemessene PCF.
Bei der Durchführung eines entsprechenden intensiven physiotherapeutischen Sekretmanagements in der Postextubations-Phase können auch neuromuskuläre Patienten mit niedrigerem PEF erfolgreich extubiert und dann meist auf NIV umgestellt werden.
E9: Der Peak Expiratory Flow soll vor Extubation/Dekanülierung vor allem bei neuromuskulärer Beeinträchtigung gemessen werden. Bei Werten ≤ 60 l/min soll nach Extubation oder Dekanülierung ein intensives nichtinvasives Sekretmanagement durchgeführt werden.
5.2.3 Kombination verschiedener Verfahren
Voraussetzung für eine erfolgreiche Beendigung der invasiven Beatmung sind neben der ausreichenden Resolution des respiratorischen Versagens eine ausreichende Hustenstärke und Schluckreflex, die Durchgängigkeit der Atemwege und Sekretvolumen (keine exzessive Sekretion). Eine quantitative Erfassung der verschiedenen klinischen Kriterien (siehe [Tab. 5]) erscheint deshalb sinnvoll. Smailes et al. [246] konnten bei 125 Verbrennungspatienten in einer prospektiven observationellen Studie zeigen, dass die Kombination der Messung der Häufigkeit der notwendigen Absaugens und des Cough Peak Flow eine hohe Voraussagekraft hat. Lai et al. [247] identifizierten bei 403 Patienten mit Extubationsversagen als unabhängige Risikofaktoren Cuff-Leak-Test, RSBI und maximalen exspiratorischen Druck.
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5.3 Beatmungsformen im Weaning
5.3.1 Einleitung
In der Beatmungsmedizin steht heutzutage eine Vielzahl verschiedener Beatmungsmodi zur Verfügung, die zum Teil auch im prolongierten Weaning eingesetzt werden. Hierbei lassen sich grundsätzlich kontrollierte und assistierte Beatmungsformen unterscheiden, obschon die Übergänge fließend sind. Von der Vielzahl von Beatmungsformen ist nur eine begrenzte Zahl regelhaft im klinischen Alltag etabliert. Nur in wenigen Untersuchungen wurde der Stellenwert eines speziellen Beatmungsverfahrens für Patienten im prolongierten Weaning untersucht, sodass Empfehlungen zur Wahl des Beatmungsverfahrens nur mit großer Zurückhaltung abgegeben werden können. Die folgende [Tab. 10] gibt einen Überblick über die gängigsten Beatmungsmodi.
Bei der Spontanatmung wird die Atemarbeit von der Atemmuskulatur (Zwechfell und Atemhilfsmuskulatur) erbracht. Bei der assistierenden Beatmung wird ein Teil der Atemarbeit vom Beatmungsgerät übernommen. Bei kontrollierter Beatmung wird die Atemarbeit komplett vom Ventilator geleistet, wenn der Patient sich passiv verhält.
Adaptive Beatmungsformen stellen eine eigene Gruppe dar, da hier die Höhe der Unterstützung variabel vom Atemantrieb oder der Atemarbeit des Patienten abhängig ist.
Für assistierende und adaptive Beatmungsverfahren sind grundsätzlich eine stabile Spontanatmung bzw. ein adäquater Atemantrieb erforderlich.
Kontrollierte Beatmung bedeutet, dass die Atemarbeit bei passivem Patienten komplett vom Beatmungsgerät übernommen wird. Die vom Beatmungsgerät kommende Druck- (Pressure Controlled Ventilation, PCV) bzw. Volumenunterstützung (Volume Controlled Ventilation, VCV) wird hierbei durch die Einstellung am Beatmungsgerät kontrolliert, und der Patient kann keinen Einfluss auf diese feste Vorgabe nehmen.
Kontrollierte Beatmung führt beim tief sedierten und oft auch muskelrelaxierten Patienten zu einer Übernahme der gesamten Atemarbeit durch den Ventilator. Ist der Patient nicht relaxiert und nur oberflächlich sediert oder sogar wach, wird auch bei diesen Beatmungsformen nicht zwingend die gesamte Atemarbeit vom Beatmungsgerät übernommen. Insbesondere wenn keine Synchronität zwischen Ventilator und Patient vorliegt, kann dies zu einer erheblichen atemmuskulären Arbeit des Patienten führen. Eine verbesserte Synchronisierung kann durch Implementierung eines inspiratorischen Triggers für den Patienten wie bei assistierten Beatmungsverfahren erreicht werden. Assistiert-kontrollierte Beatmungsmodi (Assist Control Ventilation [ACV] oder Assisted Pressure Controlled Ventilation [APCV]) können zu einer atemmuskulären Entlastung führen, insbesondere wenn die Hintergrundfrequenz oberhalb der Atemfrequenz des Patienten liegt und dieser dann formal kontrolliert beatmet wird. Wenn man der Nomenklatur der S3-Leitlinie zur invasiven Beatmumng und ECMO folgt [162], dann handelt es sich bei diesen Beatmungsverfahren formal nicht um (reine) „kontrollierte“ Beatmungsverfahren, da die Triggerung durch den Patienten erfolgt und damit Spontanatmungsanteil vom Beatmungsgerät zugelassen bzw. berücksichtigt wird, obschon auf diesen Trigger vom Beatmungsgerät z. B. ein definiertes Tidalvolumen appliziert wird (ACV).
Von hybriden Beatmungsverfahren spricht man dann, wenn verschiedene Formen kombiniert werden, z. B. SIMV + PSV.
Da es keine festgelegte Nomenklatur gibt, werden nahezu identische Beatmungsformen von den Beatmungsgeräteherstellern teilweise unterschiedlich bezeichnet. Auf eine eindeutige Beschreibung der Beatmungsform ist gerade auch bei der Verlegung von beatmeten Patienten, z. B. in ein Weaning-Zentrum, zu achten.
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5.3.2 Kontrollierte Beatmung
Generell ist eine muskelentlastende Beatmung, die eine Erholung der Atemmuskulatur ermöglicht, vom pathophysiologischen Standpunkt her im prolongierten Weaning zwischen den Spontanatmungsphasen sinnvoll [248]. Allerdings kann eine kontrollierte bzw. vollentlastende Beatmung auch zu strukturellen Schäden der Atemmuskulatur führen [249] [250]. Dieser Ventilator-induzierte Zwerchfellschaden (VIDD) wurde zunächst im Tierexperiment nachgewiesen [251], konnte in der Folge aber in der Akutphase von Erkrankungen auch für den Menschen bestätigt werden [252] [253]. Schon eine Beatmungsdauer von 18 – 69 Stunden (mittlere Beatmungsdauer 34 ± 16 Stunden) führt zu einer signifikanten Atrophie der Zwerchfellmuskulatur [252]. Die Kraftabnahme des Zwerchfells und die Atrophie korrelieren mit der Dauer der Beatmung [254] möglicherweise in einer logarithmischen Funktion, bei der die Kraftabnahme in den ersten Beatmungsstunden bzw. Tagen am stärksten ausgeprägt ist [255].
Neben der Dauer der Beatmung scheint der Grad der Entlastung für die Entstehung des Zwerchfellschadens von entscheidender Bedeutung zu sein, wie eine vergleichende Studie zwischen assistierter und kontrollierter Beatmung im Tierexperiment zeigen konnte [256]. In dieser Studie war als Zeichen der Muskelatrophie ein für die Apoptose verantwortliches Gen in der kontrollierten Beatmungsgruppe auf 174 % des Ausgangswertes erhöht. Neben der Muskelatrophie werden als weitere mögliche Ursachen einer VIDD oxidativer Stress, ein Strukturschaden der Muskeln sowie Änderungen des Muskelfaseraufbaus diskutiert [66]. Eine längerfristige vollständige Entlastung führt zu einer Atrophie der Atemmuskulatur [252] und erscheint daher im Weaning nicht sinnvoll.
E10: Zwischen den Spontanatmungsphasen im Weaning soll die Atemmuskulatur ausreichend entlastet werden, um sich regenerieren zu können.
E11: Eine dauerhafte vollentlastende Beatmung sollte vermieden werden.
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5.3.3 Assistierte Beatmungsverfahren
Assistiert bedeutet, dass die Inspiration des Patienten die Beatmungsunterstützung am Ventilator auslöst. Dies wird über den Inspirationstrigger gewährleistet. Je nach Beatmungsform kann der Patient auch das Ende der Atemzugunterstützung durch einen Exspirationstrigger steuern. Dabei hat die Einstellung des Inspirationstriggers Einfluss auf die vom Patienten zu leistende Atemarbeit. Das Gleiche gilt für die Wahl des Druckanstieges (Rampe) [257] sowie des passenden Exspirationstriggers (auch „inspiratory cycling“ oder „off-cycling“) [101] [258]. Wechselt man zwischen kontrollierter und assistierter Beatmung, so kann die dabei entstehende Atemarbeit des Patienten mehr als 50 % der Atemarbeit bei Spontanatmung betragen [259].
5.3.3.1 Druckunterstützte Beatmungsverfahren (PSV)
Der am häufigsten eingesetzte assistierte Beatmungsmodus ist die druckunterstützte Beatmung (PSV). Hierbei kann der Patient durch In- und Exspirationstrigger den Atemrhythmus selber steuern. Bei modernen Beatmungsgeräten lassen sich bei assistierter oder druckunterstützter Beatmung sowohl der Inspirationstrigger als auch die Off-cycling-Kriterien variieren. Da fixe Geräteeinstellungen (off-cycling bei 25 % vom Spitzenfluss) insbesondere bei COPD-Patienten zu Exspirationsverzögerungen führen [258] [260] [261], sollten Beatmungsgeräte mit wählbaren Variablen verwendet werden, um eine optimale Beatmung zu ermöglichen. Die Höhe der Druckunterstützung während der Inspirationsphase ist konstant und damit unabhängig vom Atemantrieb des Patienten; in der Exspirationsphase reduziert sich der Atemwegsdruck auf Null bzw. auf ein vorgewähltes PEEP-Niveau. PSV verringert die Atemarbeit, den Sauerstoffverbrauch der Atemmuskeln und wirkt der Zwerchfellermüdung entgegen [262] [263].
E12: Für die druckunterstützende Beatmung sollten Beatmungsgeräte mit einstellbaren In- und Exspirationstriggern zum Einsatz kommen.
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5.3.4 Kombinierte Beatmungsverfahren (Synchronized Intermittent Mandatory Ventilation, SIMV)
Hier kann der Patient zwischen den zeitgesteuerten Atemzügen zusätzliche Atemzüge triggern. Der schnelle Wechsel von unterstützten und nicht unterstützten Atemzügen während der SIMV kann anscheinend vom Atemzentrum nicht in gleicher Geschwindigkeit beantwortet werden [264]. Das führt dazu, dass die Atemmuskulatur auch während der unterstützten Atemzüge aktiv ist, was zu einer Überlastung und Ermüdung der Atemmuskulatur führt [265].
Der Einsatz von SIMV im prolongierten Weaning erscheint aufgrund dieser Ergebnisse nicht sinnvoll (siehe Empfehlung 15).
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5.3.5 Adaptive Beatmungsverfahren
5.3.5.1 Adaptive Support Ventilation (ASV)
Bei diesem Beatmungsverfahren handelt es sich um eine Kombination von druckkontrollierter SIMV und PSV. Vom Anwender einzugeben sind die gewünschte alveoläre Ventilation (V’A), der PEEP sowie die FiO2. Den Grad der Druckunterstützung sowie die Frequenz der mandatorischen Atemzüge ermittelt das System selbst. Das System unterstützt die Spontanatmung und regelt den Support entsprechend, um das vorgegebene V’A zu erreichen. Alle zu dieser Beatmungsform publizierten Studien wurden bei Patienten im einfachen Weaning (Gruppe 1) durchgeführt. Von 8 randomisierten Studien [266] [267] [268] [269] [270] [271] [272] [273] konnten 6 Studien eine schnellere Extubation unter Verwendung von ASV erzielen. Der Zeitvorteil lag dabei bei 4 Stunden [271] bzw. bei weniger als 1 Stunde [270]. Die beiden anderen Studien [272] [273] zeigten lediglich eine Verringerung der erforderlichen Manipulationen an Patient und Beatmungsgerät. Des Weiteren gibt es Hinweise für eine mögliche bessere Entlastung der Atemmuskulatur unter ASV [274]. Einen deutlicheren Vorteil zeigte eine Untersuchung bei 97 COPD-Patienten, die eine Beatmungsdauer von > 24 h vor Einschluss und Randomisierung in die ASV- oder PSV-Gruppe hatten (mediane Beatmungsdauer vor Einschluss 48 bzw. 67 Stunden) und die Voraussetzung für die Beatmungsentwöhnung erfüllten. Hier konnte eine signifikante Reduktion der Entwöhnungszeit (24 h [20 – 62 h] vs. 72 h [24 – 169 h], p = 0,041) gezeigt werden [266]. Insgesamt gibt es keine Daten zur Anwendung der ASV im prolongierten Weaning oder aber Vergleichsstudien zu etablierten Weaning-Ansätzen [35] [275]. Allerdings lässt sich aus den bisherigen Studien auch ableiten, dass für die Kontrollgruppe – i. d. R. PSV – kein wesentlicher Vorteil nachgewiesen werden konnte.
5.3.5.2 Neurally Adjusted Ventilatory Assist (NAVA)
Bei dieser Beatmungsform wird über eine Ösophagussonde zur Messung der elektrischen Aktivität des Zwerchfells die Inspirationsbemühung des Patienten detektiert. Über einen wählbaren Verstärkungsfaktor wird dann eine Druckunterstützung abgegeben, die sich proportional zum elektromyografischen Signal verhält. Das Signal scheint auch bei Patienten mit Critical-Illness-Polyneuropathie/-Myopathie sicher ableitbar und anwendbar zu sein [276] [277] [278]. Steigt bei konstantem Verstärkungsfaktor das Tidalvolumen gemessen am Respirator, nimmt die der Atemmuskulatur selbst zuzuordnende Effektivität zu. Dieser Parameter kann möglicherweise als Zeichen der Erholung der Atemmuskulatur angewendet werden [279]. Ein möglicher Stellenwert, neben dem Einsatz von NAVA, liegt in der Darstellung und Überwachung der elektrischen Aktivität im Rahmen des Weanings [279] [280] [281] [282] [283]. NAVA zeigt im Vergleich zur PSV-Beatmung eine Reduktion der Patienten-Ventilator-Asynchronien [284]. Delisle et al. konnten zeigen, dass durch NAVA- im Vergleich zu PSV-Beatmung nicht nur die Anzahl der frustranen Triggerversuche (ineffective efforts) reduziert wurde, auch die Schlafqualität verbesserte sich unter NAVA mit signifikant erhöhten REM- und Tiefschlafanteilen und einer geringeren Schlaffragmentierung und weniger zentralen Apnoen [285]. Ebenso relevant wie die Triggersensibilität scheint allerdings die Synchronisierung des sog. off-cyclings (Wechsel von Inspirations- zur Exspirationsphase) zu sein, das bei konventioneller druckunterstützter Beatmung häufig deutlich verzögert ist [286] und mittels NAVA signifikant reduziert wird. Der Stellenwert einer synchronisierten Interaktion zwischen Patient und Beatmungsgerät wurde bisher unterschätzt, hat aber möglicherweise einen wesentlichen kausalen Anteil an der Entstehung und Unterhaltung eines prolongierten Weanings [287] [288] [289]. Hinsichtlich des Stellenwertes von NAVA im Weaning gibt es bisher wenige Untersuchungen. Im Vergleich zu PSV sinkt bei Verwendung von NAVA das Risiko einer Overassistance (unnötig hohe Druckunterstützung) [290]. Bei Patienten nach prolongierter kontrollierter Beatmung über 72 Stunden konnte gezeigt werden, dass NAVA im Vergleich zu PSV eine Re-Konditionierung der Zwerchfellaktivität unterstützt [290] [291]. In einer kürzlich publizierten prospektiven randomisierten Studie [292] wurde bei 33 COPD-Patienten im prolongierten Weaning gezeigt, dass alleine der Einsatz des Zwerchfellmonitorings zu einer signifikanten Optimierung der konventionellen Beatmung führt und dass 69 % eine verbesserte Synchronisation, Reduktion der Atemarbeit und erhöhten Komfort nach Umstellung auf NAVA hatten.
Bei COPD-Patienten im prolongierten Weaning können sowohl das Monitoring der Zwerchfellaktivität als auch der Einsatz von NAVA die Interaktion zwischen Patient und Beatmungsgerät verbessern. Für Patienten ohne chronisch obstruktive Lungenerkrankung, die sich im schwierigen oder prolongierten Weaning befinden, wurden keine Studien gefunden.
5.3.5.3 Proportional Assist Ventilation (PAV)
Bei dieser assistierten Beatmungsform misst der Respirator als Maß der Atemanstrengung den aktuellen Fluss und berechnet unter Kenntnis von Elastance und Resistance sowie der aktuellen Respiratorleistung die Atemanstrengung (Pmus) des Patienten. Der Grad der Kompensation (Entlastung der Atemarbeit) lässt sich dann in Prozent einstellen. Die vorliegenden Daten zeigen eine Reduktion der Atemarbeit bei Weaning-Patienten mit zugrunde liegender COPD [293]. Die Entlastung war jedoch effektiver und der intrinsische PEEP reduzierte sich stärker, wenn PAV durch einen positiven Exspirationsdruck ergänzt wurde. In einer weiteren Studie konnte gezeigt werden, dass bei experimenteller Zunahme der thorakalen und abdominellen Restriktion die Unterstützung mit PAV effektiver ist als unter PSV, da sich PAV proportional zur Atemanstrengung des Patienten verhält [294]. Die Be- bzw. Entlastung unter PAV ist daher insgesamt homogener als unter PSV. Veränderungen von Resistance und/oder Compliance während der Beatmung, die bei der Einstellung des Gerätes nicht berücksichtigt werden, können zum sog. „run-away-Phänomen“ führen, einer Über- oder Unterassistenz der Beatmung. Dieses Problem wird bei der neueren sog. „PAV +“-Beatmung (PAV with adjustable gain factors) [295] [296] durch kontinuierliche Messung von Resistance und Compliance umgangen. Aufgrund der direkten Anpassung der Unterstützung an den Bedarf des Patienten kann PAV eine bessere Interaktion zwischen Patient und Beatmungsgerät bewirkten und scheint hierüber auch die Schlafqualität positiv zu beeinflussen [297]. Eine prospektive kontrollierte randomisierte Pilot-Studie, bei der bei 54 überwiegend internistischen Patienten mit einer Beatmungsdauer > 36 Stunden PAV + im Vergleich zu PSV (27 PAV, 23 PSV) untersucht wurde, zeigte keine Unterschiede in der Zeit bis zum erfolgreichen SBT aber eine signifikant verbesserte Patienten-Ventilator-Interaktion [298]. Derzeit gibt es keine Studiendaten, die einen Vorteil von PAV + bei Patienten im prolongierten Weaning aufzeigen, obschon sich eine indirekte Evidenz ableiten lässt, dass PAV einer PSV-Beatmung nicht unterlegen ist. Eine Empfehlung für den Einsatz von PAV kann deshalb nicht ausgesprochen werden.
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5.3.6 Hybride Beatmungsverfahren
Hybride Beatmungsverfahren kombinieren assistierende, das Tidalvolumen unterstützende, mit assistierenden, das Atemminutenvolumen garantierenden Beatmungsverfahren [299]. Moderne Beatmungsgeräte erlauben eine Vielfalt von Kombinationsmöglichkeiten (z. B. IMV + PSV, IMV + ATC, Intermittent Mandatory Pressure Release Ventilation (IMPRV), BIPAP + PSV, BIPAP + ATC, PSV + ATC und PAV + ATC).
Die Integration zweier verschiedener Beatmungsformen zu einem Beatmungsverfahren könnte für Patienten im prolongierten Weaning theoretisch von Bedeutung sein. So lässt sich potenziell durch Ergänzung eines das Atemminutenvolumen unterstützenden Verfahrens (z. B. BIPAP) um ein das Tidalvolumen unterstützende Verfahren (z. B. PSV) gezielt der Grad der muskulären Entlassung beider Verfahren steuern. Im Rahmen des Weanings sind Konzepte mit hybriden Beatmungsverfahren denkbar, bei denen sukzessive die BIPAP-Frequenz reduziert und der Anteil der druckunterstützten Atemzüge gesteigert wird, bevor im weiteren Verlauf und bei zunehmender Belastbarkeit der Atemmuskulatur die Höhe der Druckunterstützung zunächst reduziert und die Beatmung schließlich beendet wird.
Allerdings gibt es keine Untersuchungen, in denen die Vorteile der Kombination dieser Verfahren für Patienten im prolongierten Weaning eindeutig nachgewiesen wurden. Zusätzlich lassen die Ergebnisse der Untersuchungen mit SIMV (siehe Kapitel 5.3.4) vermuten, dass auch der Einsatz hybrider Beatmungsformen durchaus Nachteile mit sich bringen kann. Die dort aufgeführte Hypothese der unzureichenden Reaktionsgeschwindigkeit des Atemzentrums bei schnellem Wechsel unterstützter und nicht unterstützter Atemzüge könnte auch bei hybriden Beatmungsformen Nachteile mit sich bringen, wenn keine Feedbackalgorithmen integriert sind, wie es bei den adaptiven Beatmungsformen der Fall ist.
E13: Aufgrund der fehlenden Evidenz kann der Einsatz hybrider Beatmungsformen im prolongierten Weaning nicht empfohlen werden.
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5.3.7 Monitoring
Zur Beurteilung der atemmuskulären Kraft und Ausdauer stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Die Messung der maximalen in- und exspiratorischen Drücke sowie der Vitalkapazität am spontan über den künstlichen Atemweg atmenden Patienten erfordern die Kooperation des Patienten und sind prädiktiv für die Dauer bis zum erfolgreichen Weaning [300]. Die Zwerchfellsonografie findet zunehmend Beachtung als Prädiktor für die Entwöhnbarkeit (siehe Kapitel 5.1.8). Hierbei kann die Beweglichkeit des Zwerchfells im M-Mode [186] [301] [302] [303] [304] [305] und die Zunahme des diaphragmalen Muskeldiameters in der Appositionszone des Zwerchfells [120] [187] [303] [304] [305] [306] [307] [308] untersucht werden. Die genannten Studien verwenden dabei unterschiedliche Messprotokolle (teilweise am beatmeten bzw. spontan atmenden Patienten). Insgesamt gibt es eine kausale Beziehung zwischen Zwerchfellfunktion und Weaning-Outcome, wobei die Vorhersagewerte der Studien z. T. deutliche Unterschiede aufweisen [301]. Gleichzeitig scheint die Methode längst nicht bei allen Patienten valide durchführbar zu sein [301] [305]. Ein invasives und sehr aufwendiges Verfahren ist die magnetische Stimulation des Nervus Phrenicus bei gleichzeitiger Messung der Ösophagusdrücke mittels eines Katheters [309]. Diese Untersuchung ist unabhängig von der Mitarbeit des Patienten, jedoch abhängig von der Erfahrung des Untersuchers. Darüber hinaus ist das Verfahren selten verfügbar und nicht bei allen Patienten durchführbar. Auch die vergleichende Messung der Sauerstoffaufnahme kann Hinweise für den Sauerstoffverbrauch der Atemmuskulatur bzw. für deren Entlastungsgrad sein [264]. Ein weiteres Tool zur Beurteilung der atemmuskulären Kompetenz stellt die Messung der „neuro-ventilatorischen Effektivität“ dar [253]. Sie lässt sich mit der Elektrode des NAVA-Ventilators messen und ist definiert durch das Verhältnis von Tidalvolumen zur elektrischen Aktivität des Zwerchfells (Vt/EAdi). Die genannte Studie zeigt, dass sich die neuro-ventilatorische Effektivität bei erfolglosen und erfolgreichen SBTs im prolongierten Weaning unterscheidet, ohne hierbei klare Cut-off-Werte zu benennen.
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5.3.8 Konzepte des Weanings von der Beatmung unter Verwendung der verschiedenen Beatmungsverfahren
Ziel des Weaning-Prozesses ist es, die Atemmuskulatur wieder in den Zustand zu versetzen, die Atemlast eigenständig zu bewältigen. Die Verringerung der Last wird hauptsächlich durch die effektive Therapie der Erkrankung/Begleiterkrankungen erreicht, die zum Weaning-Versagen geführt haben. Die Wiederherstellung der atemmuskulären Kapazität ist der zweite wichtige Bestandteil des Weaning-Prozesses.
Das Training der Atemmuskulatur bzw. die graduelle Übernahme der Atemarbeit durch den Patienten kann durch kontinuierliche Reduktion der Unterstützung mithilfe assistierter Beatmungsformen oder durch intermittierende Spontanatmung (komplette Eigenatmung ohne Unterstützung durch ein Beatmungsgerät) erfolgen [310]. Diese Verfahren lassen sich auch kombinieren (Phasen der kontrollierten Beatmung im Wechsel mit vollständiger Entlastung und Phasen der assistierten Beatmung) und in ein individualisiertes Weaning-Konzept einbinden (siehe [Abb. 4]).
Prinzipiell kann in den Spontanatmungsphasen zusätzlich ein inspiratorisches Muskeltraining durchgeführt werden [311], um die atemmuskuläre Kapazität aufzubauen. Hierzu gibt es mittlerweile eine positive kontrollierte Studie, die aber SIMV als Beatmungsmodus verwendet hat [312].
5.3.8.1 Graduelle Reduktion der Unterstützung
Die graduelle Reduktion der Unterstützung wird i. d. R. im PSV-Modus durchgeführt. Das erforderliche Druckniveau wird nach klinischen Kriterien so titriert, dass sich die Atemfrequenz des Patienten in einem Bereich unterhalb von 25 – 30 Atemzügen pro Minute bewegt [35] [275] [313]. Im Weiteren wird die inspiratorische Druckunterstützung stufenweise solange reduziert, bis ein Niveau erreicht ist, bei dem der künstliche Atemweg entfernt werden kann (i. d. R. < 8 cmH2O) [85]. Gegebenenfalls wird im Anschluss eine nichtinvasive Beatmung erforderlich (siehe Kapitel 5.6). Bei der Beatmung mit PSV ist zu beachten, dass ein zu sensibler Exspirationstrigger die Atemarbeit erhöhen kann. Auf der anderen Seite kann aber bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen ein zu unsensibel eingestellter Exspirationstrigger zum Aufbau eines intrinsischen PEEP führen, was die Patienten-Ventilator-Synchronität negativ beeinflusst [101] [314]. Der Grad der Atemarbeitsreduktion kann bei identischer Respirator-Einstellung gerätespezifisch erheblich differieren [315].
5.3.8.2 Automatisierte Anpassung der assistierten Beatmung (Automatisiertes Weaning)
Hierbei sind in einem geschlossenen Regelkreislauf (computerisiertes System [316] [317]) Algorithmen hinterlegt, die darauf abzielen, bestimmte Beatmungsparameter durch Regelung der Druckunterstützung (im PSV-Modus) innerhalb eines Zielkorridors zu halten (Atemfrequenz 12 – 28 Züge/Minute, Vt oberhalb von 300 ml bzw. 250 ml bei einem Körpergewicht kleiner 50 kg und PETCO2 kleiner 55 mmHg bzw. 65 mmHg bei COPD-Patienten). In einer Untersuchung an stark vorselektierten Patienten war dieser Beatmungsmodus häufiger in der Lage, die Atmungsparameter des Patienten im Zielkorridor zu halten, als dies unter Standardtherapie mit PSV der Fall war [316]. In einer randomisierten multizentrischen Studie bei Weaning-Patienten wurde dieser automatisierte Weaning-Modus mit einem standardisierten Weaning-Protokoll mit Spontanatmungsphasen verglichen. Es zeigte sich eine Reduktion der Weaning-Zeit von 5 auf 3 Tage und eine Reduktion der gesamten Beatmungszeit von 12 auf 7,5 Tage [317]. Die Patienten gehörten bei Einschluss in die Studie zu den Weaning-Kategorien 1 und 2 (siehe Kapitel 3), insgesamt wurden nur 15 % der gescreenten Patienten in die Studie eingeschlossen [318]. Demgegenüber konnten Rose et al. keine Überlegenheit des Systems gegenüber dem konventionellen Vorgehen eines erfahrenen Weaning-Zentrums finden [319]. Eine weitere Studie bei Patienten der Kategorie 1 und 2, in der ein automatisiertes System mit einem Weaning-Protokoll verglichen wurde, konnte eine Verkürzung der Zeit bis zur Extubation zeigen (4 vs. 5 Tage) [320]. Das System sollte nicht eingesetzt werden, wenn neurologische Erkrankungen die Atmungskontrolle beeinflussen [321], bei stark sedierten Patienten [322], bei starker Agitation des Patienten bzw. bei schwergradiger Neuro- oder Myopathie [321]. Des Weiteren scheint es eine höhere Versagerquote bei Patienten mit COPD zu geben [322]. Mittlerweile liegt eine Cochrane-Analyse zum automatisierten Weaning vor, in der die Gesamtdauer der Beatmung bei 96 h lag, was nicht dem prolongierten Weaning entspricht. Die Analyse kommt zum Schluss, dass automatisierte Systeme für gemischte und internistische Patientengruppen der Weaning-Kategorie 1 und 2, nicht aber für chirurgische Patienten, von Vorteil ist [323].
Unberücksichtigt in der oben erwähnten Cochrane-Analyse, weil später publiziert, ist die Studie von Taniguchi et al. [324]. Die Autoren fanden bei Patienten im einfachen Weaning heraus, dass ein individuell gesteuertes Weaning-Konzept dem automatisierten System in Bezug auf die Weaning-Dauer überlegen ist. Bei einem Vergleich von automatischem Weaning und Protokoll-basiertem Weaning bei Weaning-Patienten der Kategorie 1 und 2 zeigte sich eine kürzere Weaning-Dauer im automatischen Verfahren, allerdings kam es im Protokoll-Arm der Studie zu vielfältigen Protokoll-Verletzungen an über 25 % der Studientage.
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5.3.9 Intermittierende Belastung mittels Diskonnektion von der Beatmung (Spontanatmung) oder Reduktion der Druckunterstützung
Während die Last bei der graduellen Reduktion der Druckunterstützung relativ gleichförmig gehalten wird, bedient man sich beim Weaning mittels Spontanatmung einer zyklischen Belastung, vergleichbar dem Training im Ausdauersport [325]. Das letztgenannte Verfahren ist möglicherweise im prolongierten Weaning überlegen.
Anders als in Kapitel 5.1.7 haben diese Phasen der Spontanatmung also nicht das Ziel zu diskriminieren, bei welchen Patienten der künstliche Atemweg entfernt werden kann, sondern sie dienen der Rekonditionierung der Atemmuskulatur. Die Länge der Spontanatemphasen geht daher i. d. R. weit über die in Kapitel 5.1.7 beschriebenen Zeiträume von 30 bzw. 120 Minuten hinaus [326]. Sind die Spontanatemphasen dabei ausreichend lang, können die invasive Beatmung beendet und die künstlichen Atemwege entfernt werden, wenn keine anderweitigen Kontraindikationen vorliegen. Gegebenenfalls wird im Anschluss eine nichtinvasive Beatmung erforderlich (siehe Kapitel 5.4, 5.6 und 6.6). Welche Dauer der Spontanatemphase in diesem Zusammenhang im prolongierten Weaning zu fordern ist, wurde bisher nicht systematisch untersucht; publizierte Daten geben Zeiträume von bis zu 18 Stunden an [12]. Diese Spontanatemphasen sollten täglich durchgeführt werden. Wird die Spontanatemphase mit Musik unterstützt, verringert dies die Herz- und Atemfrequenz und verlängert die Dauer der Spontanatemphase in einer Studie von Liang et al. [327]. Dieser Effekt konnte in einer zweiten, wesentlich größeren Studie nicht reproduziert werden [328]. Wenn die muskuläre Kraft für eine herkömmliche Spontanatemphase mit Diskonnektion von der Beatmung nicht ausreicht, kann eine zyklische Belastung auch an der Beatmung durch deutliche Reduktion der Druckunterstützung durchgeführt werden. Spontanatemphasen mit jeweils unterschiedlicher Druckunterstützung führen dabei zu einer wechselnden Belastung der Atemmuskulatur bzw. zu unterschiedlichen Trainingsintensitäten [263]. Hierbei ist zu beachten, dass sowohl Art und Größe des Beatmungszuganges [72] [76] [262] [329] und neben der Wahl der Beatmungseinstellung auch die Charakteristika des Ventilators [330] [331] die Atemarbeit des Patienten beeinflussen. Wird die Spontanatmung mit inspiratorischer Druckunterstützung durchgeführt [35] [332] [333] [334], so kann dies nur bei geblocktem Cuff erfolgen. Die Entblockung des Cuffs während der Spontanatmung hat jedoch Vorteile, da sie der Sekretelemination dient und spätere Komplikationen der oberen Atemwege möglicherweise reduziert [329] [335] [336]. Erfolgt die Spontanatmung ohne Druckunterstützung vom Ventilator, können verschiedene Tracheostoma-/Tubusaufsätze zum Einsatz kommen, deren inspiratorische und exspiratorische Resistance erheblich differieren können [337] [338], was die Atemarbeit des Patienten wiederum beeinflusst. Aufsätze mit exspiratorischer Resistance (PEP-Ventile, Positive Expiratory Pressure oder Sprechventile) dürfen nur bei entblocktem Cuff verwendet werden.
Die Beatmung zwischen den Spontanatemphasen hat die Entlastung der Atemmuskulatur zum Ziel.
Welcher Entlastungsgrad in dieser Zeit die beste Wirkung erzielt, ist bisher nicht untersucht worden. Den verschiedenen assistierten Beatmungsformen ist gemeinsam, dass ein relevanter Teil der Atemarbeit trotz der maschinellen Unterstützung vom Patienten geleistet wird. Wie hoch dieser Anteil ist, hängt zum einen vom Grad der maschinellen Unterstützung und dem Atemantrieb, aber auch von der individuellen Atemmechanik (Resistance und Compliance) des Patienten ab [313]. Eine zu starke Belastung der Atemmuskulatur kann einen strukturellen Schaden hervorrufen [339].
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5.3.10 Vergleich der unterschiedlichen Beatmungsansätze und Weaning-Konzepte
Zwei große Studien haben das Weaning-Outcome von PSV gegenüber SIMV (Synchronized Intermittent Mandatory Ventilation) und dem Weaning durch Spontanatmung verglichen [35] [275]. Die Mehrheit der Patienten beider Studien befand sich im prolongierten Weaning. Brochard [275] zeigte dabei eine Reduktion der mittleren Weaning-Dauer für PSV (5,7 Tage), die gegenüber dem Vorgehen mittels Spontanatmung (8,5 Tage) und SIMV (9,9 Tage) signifikant reduziert war. Esteban [35] dagegen konnte eine verkürzte mittlere Weaning-Dauer bei täglichen bzw. mehrfachen täglichen Spontanatemphasen (3 Tage) gegenüber PSV (4 Tage) und SIMV (5 Tage) nachweisen. Eine weitere Studie, welche die Verfahren PSV und Spontanatmung vergleicht, konnte keine Überlegenheit einer Vorgehensweise feststellen [293]. In dieser Studie wurde aber mittels PSV, also nur teilentlastend zwischen den Spontanatemphasen beatmet; es zeigte sich immerhin ein Trend hin zur einer kürzeren Beatmungsdauer in der Spontanatmungsgruppe (130 vs. 181 Stunden). Die unterschiedlichen Ergebnisse der beiden ersten oben genannten Studien sind wahrscheinlich durch die unterschiedliche Anwendung der Weaning-Methoden begründet. In der Studie von Brochard wurden in der Spontanatmungsgruppe bis zu drei 2-stündige Spontanatemphasen durchgeführt, bevor die Extubation durchgeführt wurde. Dies bedeutet eine erhebliche Anforderung an die Atemmuskulatur und hat möglicherweise die Weaning-Dauer verlängert. In der Studie von Esteban [35] wurden die Patienten dagegen bereits nach dem ersten erfolgreichen 2-stündigen Versuch extubiert.
Patienten, die eine maschinelle Langzeit-Beatmung (> 21 Tage) benötigten und in einer Long-Term Care Facility, vergleichbar einem Weaning-Zentrum, behandelt wurden, konnten nach einem erfolglosen Weaning-Versuch mit einem intermittierenden Wechsel zwischen nichtassistierter Spontanatmung und ACV über ein Tracheostoma rascher als mit PSV entwöhnt werden. Eine unterschiedliche Letalität nach 6 und 12 Monaten wurde nicht beobachtet [340]. Insgesamt kann PSV als Methode des Weanings angewendet werden. Das Vorgehen mittels Spontanatmung ist jedoch möglicherweise überlegen, wenn die Anzahl der Spontanatemphasen anfänglich auf 1 – 2 Episoden von maximal 2 Stunden pro Tag begrenzt wird, um die Atemmuskulatur vor drohender Erschöpfung zu bewahren. Im weiteren Verlauf des Weanings können diese Zeiten natürlich unter Kontrolle von Klinik und Blutgasen (Hyperkapnie als Hinweis auf Überlastung der Atemmuskulatur) ausgedehnt werden, bis der Transfer auf nichtinvasive Beatmung oder komplette Spontanatmung möglich ist.
E14: Sowohl eine graduelle Reduktion der assistierten Beatmung als auch intermittierende assistierte oder nichtassistierte Spontanatemphasen können im Weaning eingesetzt werden.
E15: SIMV soll im prolongierten Weaning nicht zum Einsatz kommen, da es bei diesem Modus zu inakzeptabel hoher Atemarbeit kommen kann.
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5.3.11 Stellenwert eines kontinuierlichen positiven Atemwegsdrucks im Weaning
Die Anwendung eines kontinuierlichen positiven Atemwegsdrucks (Continuous Positive Airway Pressure; CPAP) ist keine mechanische Druckunterstützung und damit keine Beatmungsform im engeren Sinne, spielt jedoch im Weaning eine gewisse Rolle. Der Einsatz von CPAP setzt die Spontanatmung des Patienten voraus und kann sowohl während der SBTs zur Prüfung der Extubationsbereitschaft (Kapitel 5.1.7) als auch während der SBTs zur Rekonditionierung der Atemmuskulatur (Kapitel 5.3.9) eingesetzt werden.
CPAP bei obstruktiver Lungenerkrankung: CPAP erhöht den intrathorakalen Druck und verringert die inspiratorische Atemarbeit durch Verlagerung der Last auf die Exspirationsmuskulatur [341]. Unter Spontanatmung fällt die Atemarbeit mit steigendem CPAP-Niveau [342], gleichzeitig wird die Dyspnoe verringert. Der Einsatz von CPAP ist bei obstruktiven Atemwegserkrankungen ggf. sinnvoll, da CPAP die Mechanik der durch den künstlichen Atemweg ausgeschalteten „Lippenbremse“ ersetzt. Auch die Triggerarbeit nimmt hierdurch deutlich ab [343]. Durch Anwendung von CPAP kann der intrinsische PEEP bei obstruktiven Atemwegserkrankungen verringert werden, hierdurch verlängert sich die SBT-Zeit signifikant [344] [345].
CPAP vor geplanter Extubation: CPAP verringert den Rapid Shallow Breathing Index während eines SBT [174]. Trotzdem scheint, wie in Kapitel 5.1.7 beschrieben, die Druckunterstützung während dieser SBTs keinen Einfluss auf die Versagerquote nach Extubation zu haben [174] [184] [185].
CPAP bei Atelektasen: CPAP wurde bereits sehr früh nach abdominellen chirurgischen Eingriffen eingesetzt [346]. Durch die CPAP-Therapie wird in dieser Phase das Risiko für Atelektasen und Pneumonien signifikant reduziert und damit die Re-Intubationsrate gesenkt [347].
CPAP bei Herzinsuffizienz: CPAP hat positive Auswirkungen auf die Vor- und Nachlast des linken Ventrikels, sodass insbesondere bei schwerer Linksherzinsuffizienz die Spontanatmung nur mit CPAP möglich sein kann [84]. Generell ist der Einsatz von CPAP während der SBTs zur Rekonditionierung der Atemmuskulatur möglich. Ein Studie gibt konkret einen Druckbereich von bis zu 5 cmH2O an [35]. Da die Entblockung des Tubus-/Tracheostoma-Cuffs während der Spontanatmungsphase [329] [335] [336] im prolongierten Weaning mehrere Vorteile hat, ist eine Anwendung von CPAP während dieser Zeit ausgeschlossen.
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5.4 Der Beatmungszugang
Die invasive Beatmung mit Endotrachealtubus bzw. Trachealkanüle und die nichtinvasive Beatmung mit verschiedenen Masken haben ihre eigenen Indikationsbereiche und weisen spezifische Vor- und Nachteile auf ([Tab. 11]).
Translaryngealer Endotrachealtubus |
Tracheotomie |
Nichtinvasiver Atemwegszugang |
|
Vorteile |
|
|
|
Nachteile |
|
Frühkomplikationen:
Spätkomplikationen:
|
|
5.4.1 Nichtinvasiver Beatmungszugang
Die Vor- und Nachteile verschiedener Beatmungszugänge der nichtinvasiven Beatmung sind in [Tab. 12] dargestellt. Für weiterführende, detaillierte Ausführungen zu den nichtinvasiven Beatmungszugängen sei auf die entsprechenden Abschnitte der S3-Leitlinie „NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ verwiesen [16].
Aspekt |
Nasenmaske |
Full-Face-Maske |
Helm |
Mundleckage |
– |
+ |
+ |
Volumen-Monitoring |
– |
+ |
– |
initiales Ansprechen der Blutgase |
0 |
+ |
0 |
Sprechen |
+ |
– |
– |
Expektoration |
+ |
– |
– |
Aspirationsrisiko |
+ |
0 |
+ |
Aerophagie |
+ |
0 |
0 |
Klaustrophobie |
+ |
0 |
0 |
Totraum (kompressibles Volumen) |
+ |
0 |
– |
Lärm und Irritation des Gehörs |
+ |
+ |
– |
Anwendungsdauer |
0 |
0 |
+ |
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5.4.2 Invasiver Beatmungszugang
5.4.2.1 Endotrachealtubus
Endotrachealtuben werden fast immer als primärer invasiver orotrachealer Beatmungszugang in der Intensivmedizin verwendet. Im prolongierten Weaning weisen sie aber im Vergleich zu Trachealkanülen und nichtinvasiver Beatmung zahlreiche Nachteile auf ([Tab. 11]). Eine Entblockung des Tubus während der Phasen der Spontanatmung kann in Analogie zur Situation bei Trachealkanülen zu einer weiteren Senkung der Atemarbeit führen [359], ist aber wegen des fehlenden Aspirationsschutzes problematisch.
Oropharyngeales Sekret kann sich, insbesondere bei gleichzeitig vorliegender Schluckstörung, subglottisch oberhalb des Cuffs ansammeln und von dort aus in die tiefen Atemwege gelangen. Einige neuere Endotrachealtuben und Trachealkanülen bieten die Möglichkeit einer subglottischen Sekretabsaugung. Die Evidenz der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) des Robert Koch-Instituts aus dem Jahre 2013, eine subglottische Absaugung bei einer zu erwartenden invasiven Beatmungsdauer von > 72 Stunden zur Vermeidung von Ventilator- (bzw. Tubus-)assoziierten Pneumonien (VAP) zu verwenden [360], ist schwach. Die Ergebnisse von 2 Metaanalysen aus dem Jahr 2016 an translaryngeal intubierten Patienten konnten zwar eine vergleichsweise geringere VAP-Rate zeigen, jedoch war der Einsatz der subglottischen Absaugung ohne Effekt auf die Dauer der mechanischen Beatmung, die Länge von Intensiv- und Krankenhausaufenthalt und die Mortalität [361] [362]. Zudem handelte es sich bei den Studienpatienten dieser Metaanalysen nicht primär um Patienten im prolongierten Weaning. Vor diesem Hintergrund kann daher zum jetzigen Zeitpunkt für Patienten im (erwarteten) prolongierten Weaning keine allgemeine Empfehlung zur Verwendung von Endotrachealtuben mit subglottischer Absaugung abgegeben werden (siehe Kapitel 5.4.3).
Da der Wert anderer präventiver Maßnahmen zur Senkung der Inzidenz der Tubus-assoziierten Pneumonie (z. B. selektive orale/supraglottische Dekontamination und antiseptisch imprägnierte Tuben zur Reduktion der Biofilmformation im Tubus) für das Setting des prolongierten Weanings nicht allgemeingültig belegt ist, können hierzu derzeit keine Empfehlungen ausgesprochen werden.
E16: Zur Reduktion der tubusbedingten Atemarbeit sollte bei prolongierter Beatmung ein möglichst großlumiger Tubus verwendet werden.
5.4.2.2 Tracheotomie
Um die mit invasiver Langzeitbeatmung über einen Endotrachealtubus verbundenen Komplikationen zu minimieren und die Entwöhnung von der invasiven Beatmung zu erleichtern [363], kann bei Notwendigkeit einer länger dauernden invasiven Beatmung ohne Option einer frühen Extubation mit nachfolgender NIV eine Tracheotomie mit Umstellung auf eine Trachealkanüle als Beatmungszugang erwogen werden ([Tab. 11]). Dies entspricht weltweit der intensivmedizinischen Routinepraxis, in der die meisten Beatmungspatienten ab einer invasiven Beatmungsdauer von mehr als 10 Tagen tracheotomiert werden [364] [365] [366]. Neben der Vermeidung Endotrachealtubus-assoziierter Nebenwirkungen ermöglicht die Anlage eines Tracheostomas eine Verkürzung der täglichen Aufwachphasen für intermittierende Spontanatemversuche [35], welche bis zu 50 % der gesamten Beatmungszeit einnehmen [6]. Zudem ist jede orotracheale Re-Intubation nach Extubationsversagen mit einem eigenen erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko verbunden [20].
Weiterhin ermöglicht das meist subjektiv gut tolerierte Tracheostoma einen verminderten Sedierungsbedarf mit dem Ziel eines wachen und kooperativen Patienten und damit auch Erleichterung intermittierender Spontanatmungsphasen, ohne dabei den gesicherten Atemweg aufgeben zu müssen.
Weitere pathophysiologische Vorteile für die Trachealkanüle gegenüber einem translaryngealen Tubus ergeben sich aus einer Reduktion des Totraumvolumens, des Atemwegswiderstands und konsekutiv der damit verbundenen Atemarbeit [71] [72] [350] [367]. Weiterhin führt der niedrigere Sedierungsbedarf zu besseren Mobilisations- und Kommunikationsmöglichkeiten, zur erleichterten Mund-, Rachen- und Trachealpflege und einer früheren enteralen oder sogar oralen Ernährung [348] [368] [369].
Den genannten Vorteilen der Tracheotomie stehen die Tracheotomie-assoziierten kurzfristigen Komplikationen wie Blutung und das lokale Infektionsrisiko gegenüber [370] [371]. Das Tracheotomie-assoziierte Letalitätsrisiko ist aufgrund einer anzunehmenden Dunkelziffer schwer abzuschätzen, liegt jedoch in 2 systematischen Übersichtsarbeiten in einer relevanten Größenordnung von 1:600 – 1:300 [372] [373]. Als Langzeitkomplikation wurden symptomatische Trachealstenosen nach perkutanen und operativen Tracheotomien mit Inzidenzen von 0,6 – 2,6 % beschrieben, wobei eine Unterschätzung der Inzidenz infolge relevanter Dunkelziffern wahrscheinlich ist [374]. Auch Schluckstörungen werden als Kurz- und Langzeitkomplikationen der Tracheotomie beschrieben [375] [376] (siehe Kapitel 5.6.1.5).
Andererseits führt auch eine lang andauernde translaryngeale Intubation zu einem höherem Risiko von laryngealen und trachealen Schäden [358] und einem höheren Infektionsrisiko der unteren Atemwege [377]. Auch wird für ein Extubationsversagen eine Erhöhung der Sterblichkeit beschrieben [20], wobei auch hier ein erhöhte Dunkelziffer anzunehmen ist.
5.4.2.2.1 Technik der Tracheotomie
Neben der chirurgischen Tracheotomie (surgical tracheotomy, ST) etablierten sich in den letzten 30 Jahren verschiedene perkutane Dilatationsverfahren, die durch Intensivmediziner bettseitig durchführt werden können [378] [379] [380]. Bisher existieren keine einheitlichen allgemeinen Empfehlungen hinsichtlich einer spezifischen Methode. Der Anteil an chirurgischen Tracheotomien in der Intensivmedizin wird vor allem bei neurologischen Erkrankungen mit 33 – 50 % angegeben [381] [382].
Gegenüber älteren vergleichenden Komplikationsanalysen zwischen offener chirurgischer und perkutaner dilatativer Tracheotomie werden in neueren Untersuchungen für die PDT insgesamt weniger Komplikationen beschrieben [383] [384] [385] [386] [387]: Im Vergleich zur chirurgischen Tracheotomie kommt es bei der PDT zu weniger Wundinfektionen und Blutungskomplikationen sowie zur geringeren Narbenbildung. Vorteile bestehen auch in der kürzeren Operationszeit und den geringeren Kosten [383]. Bei den chirurgischen Tracheotomien fanden sich weniger Komplikationen im Rahmen der De-/Rekanülierung sowie weniger Kanülenobstruktionen.
In den ersten 7 – 10 Tagen nach perkutaner dilatativer Tracheotomie sind akzidentelle Dislokationen und geplante Kanülenwechsel unbedingt zu vermeiden, da beim Versuch der Rekanülierung infolge eines Kulissenphänomens eine paratracheale Kanülenfehllage („via falsa“) zum Verlust des Atemweges mit lebensbedrohlichen Konsequenzen führen kann. Aus diesem Grund stellt der schwierige Atemweg eine Kontraindikation für eine perkutane dilatative Tracheotomie bzw. eine Indikation für eine chirurgische Tracheotomie dar.
5.4.2.2.2 Perkutane Dilatationstracheotomie (PDT)
Mittlerweile haben sich die minimalinvasiven Techniken gegenüber dem chirurgisch angelegten Tracheostoma durchgesetzt [385]. Derzeit existieren 6 unterschiediche Methoden der PDT, die in [Tab. 13] dargestellt sind.
Jahr |
Autor |
Beschreibung der Methode |
1985 |
Ciaglia |
Bougierung mit im Durchmesser zunehmenden Kunststoffdilatatoren über Seldinger-Draht (multiple dilatation tracheotomy, MDT) |
1989 |
Schachner |
Dilatation mit einer Spreizzange (guide wire dilatation forceps, GWDF) |
1997 |
Fantoni |
retrograde Dilatation und Einführung der Trachealkanüle mit Wendemanöver (translaryngeal trachetomy, TLT) |
2000 |
Byhahn |
konisch geformter Einschrittdilatator (Blue RhinoTM, single-step dilatation tracheotomy, SSDT) |
2002 |
Frova |
selbstschneidende Dilatationsschraube (PercuTwistTM, rotational dilatation tracheotomy, RDT) |
2005 |
Zgoda |
Dilatationsballon (Blue DolphinTM, balloon dilatation tracheotomy, BDT) |
Wenn auch die Einschritt-Dilatationstechnik die in Deutschland am häufigsten angewendete Technik ist und in 2 Metaanalysen leichte Vorteile im Vergleich zu den anderen Techniken gezeigt werden konnten [384] [395], so lässt die derzeitige Datenlage keine allgemeine Empfehlung einer bestimmten Methode zu.
Bereits seit Beginn der 90er-Jahren wird eine (video-)bronchoskopische Kontrolle der PDT unabhängig von der Methode gefordert [396] [397] [398]. Aber auch unter diesem Monitoring können Komplikationen nicht vollständig verhindert werden. Bronchoskop-bedingte Atemwegsobstruktionen mit erhöhtem Auto-PEEP, Air-Trapping, hohen Beatmungsdrücken sowie Hyperkapnien und Hypoxämien wurden beschrieben [399]. Auch der Atemwegsverlust und Nadelperforationen des Bronchoskops sind möglich und bedürfen der besonderen Vorsicht [372] [400] [401].
Seit der Erstbeschreibung einer Ultraschall-geführten PDT 1999 [402] folgten weitere Publikationen, die in einem Review von Alansari et al. zusammengefasst wurden [403]. Hier wird die Sonografie als Alternativmethode zur Bronchoskopie beschrieben. Sowohl diese Analyse als auch die Ergebnisse eines RCT von Gobatta et al. [404] zeigen eine Gleichwertigkeit der Sonografie verglichen mit der Bronchoskopie hinsichtlich Effektivität und Sicherheit bei der Anlage einer PDT. Einige Autoren haben auch modifizierte Techniken mit beiden bildgebenden Methoden beschrieben, wie bspw. die Arbeit von Sangwan et al. zeigt [405].
In Deutschland gilt derzeit in der klinischen Praxis die bronchoskopisch kontrollierte PDT als Goldstandard, während die US-gesteuerte PDT die Ausnahme darstellt. Wegen der direkten Visualisierung des Eingriffs für den Operateur bietet die Video-Bronchoskopie mehr Sicherheit als die einfache Bronchoskopie [406] [407]. Eine routinemäßige Voruntersuchung des Halses mittels Ultraschall zur Höhenlokalisation und zum Ausschluss größerer prätrachealer Gefäßverläufe erscheint zusätzlich klinisch sinnvoll.
Aufgrund der hohen Schrumpfungstendenz schließt sich das in minimalinvasiver Technik angelegte dilatative Tracheostoma nach Entfernung der Trachealkanüle häufig binnen kurzer Zeit spontan, was in den meisten Fällen erwünscht ist. Bei Unsicherheit über den Erfolg einer Dekanülierung, zur Unterstützung des Sekretmanagements oder zur Erzielung einer effektiven nichtinvasiven Ventilation kann ein Platzhalter in das Tracheostoma eingelegt werden, um dessen vorzeitigen Verschluss zu verhindern (siehe Kapitel 5.4.5).
Das Punktionstracheostoma kann, insbesondere wenn es lange besteht, durchaus stabil sein und dann auch als langfristiger Beatmungszugang in der außerklinischen Beatmung verwandt werden. Ein Tracheostoma wird klinisch als stabil angesehen, wenn ein Trachealkanülenwechsel ohne Verlegungsstrukturen oder Kollapsneigung problemlos und sicher möglich ist. Wir kennen derzeit keine Untersuchungen, die eine zeitliche Definition zulassen. Trotz der offensichtlichen Vorteile der Tracheotomie entwickeln ca. 40 % aller über Trachealkanüle beatmeten Patienten auch ohne zugrundeliegende neurologische Erkrankung Schluckstörungen, die ihrerseits die Beatmungszeit bzw. den Dekanülierungsprozess und somit auch den Weaning-Prozess verlängern [375].
E17: Die Punktionstracheotomie sollte aufgrund der Schrumpfungstendenz vor allem dort durchgeführt werden, wo die definitive Respiratorentwöhnung in Aussicht steht.
5.4.2.2.3 Chirurgische Tracheotomie
Prinzipiell besteht beim chirurgischen Vorgehen die Alternative zwischen nichtplastischer Tracheotomie und dem plastischen, epithelialisierten Tracheostoma [408] [409]. Bei der chirurgischen Tracheotomie sollte wegen des höheren Risikos der Entwicklung einer Stenose auf nicht-epithelialisierte Tracheostomata verzichtet werden. Stattdessen sollte ein primär epithelialisiertes Tracheostoma (z. B. Björkscher Lappen [410] oder Vertikalinzision mit Einnaht in den Hautschnittrand) angelegt werden.
Führt das erfolglose Weaning zur invasiven Langzeitbeatmung mit dauerhafter außerklinischer Beatmung im häuslichen Umfeld oder in Pflegeeinrichtungen, ist für das sichere Kanülenmanagement ein stabiles, operativ oder dilatativ angelegtes Tracheostoma notwendig. An dieser Stelle sei auf die entsprechende Leitlinie zu Indikation, Organisation und Durchführung einer außerklinischen Beatmung verwiesen [3].
5.4.2.2.4 Zeitpunkt der Tracheotomie
Der optimale Zeitpunkt zur Durchführung einer Tracheotomie wird sehr kontrovers diskutiert. Es war lange klinische Praxis, Patienten mit prolongierter Beatmung erst nach einer Beatmungsdauer von etwa 10 – 14 Tagen oder sogar noch später zu tracheotomieren [411]. Vor allem mit der zunehmenden Verbreitung der Punktionstracheotomie hat sich der Zeitraum zwischen Intubation und Tracheotomie verkürzt [366] [412] [413] [414] [415] [416]. Indirekt ergibt sich aus der Literatur, dass spätestens nach 14 – 21 Tagen invasiver Beatmung eine Tracheotomie erwogen werden sollte [363] [417] [418], da ein noch späterer Zeitpunkt mit einer erhöhten Mortalitätsrate assoziiert ist. In der Literatur wird zwischen der sog. Früh- und Spättracheotomie unterschieden, jedoch ohne eine einheitliche zeitliche Definition. In den entsprechenden Studien wurde die Frühtracheotomie bis zu einem Zeitraum von 7 Tagen nach Intubation definiert, während Spättracheotomien schon ab 8 – 10 Tagen nach Intubation operationalisiert wurden. In dieser Leitlinie definiert sich die Frühtracheotomie über den Zeitraum der Durchführung an Tag 4 – 8 nach Intubation.
In den 3 größten und qualitativ hochwertigsten randomisierten Studien wurde die Frühtracheotomie innerhalb von 4 Tagen [419] [420] bzw. 6 – 8 Tage nach Intubation durchgeführt [421]. Keine dieser 3 Studien mit insgesamt 1667 Patienten zeigte einen kurz- oder langfristigen Überlebensvorteil einer der beiden Tracheotomiezeitpunkte in einem gemischten Patientenkollektiv. In der mit Abstand größten Tracheotomiestudie von Young et al. wurden nur 44 % der Patienten der Spättracheotomiegruppe de facto tracheotomiert, d. h. statistisch wurde jeder 2. Patient der Frühtracheotomiegruppe unnötig einer Tracheotomie unterzogen [420].
Zahlreiche Metaanalysen zum Zeitpunkt der Tracheotomie haben bei unterschiedlichen Patientenkollektiven sehr heterogene Ergebnisse geliefert [422] [423] [424] [425] [426] [427] [428] [429]. Zwei Metaanalysen aus dem Jahr 2015 kamen bezüglich der Langzeitmortalität zu kontroversen Ergebnissen [430] [431]. Während die Metaanalyse von Hosokawa et al. nach Analyse von 12 RCTs mit insgesamt 2689 Patienten für die Frühtracheotomie signifikante Vorteile bezüglich beatmungsfreier Tage, Intensivbehandlungsdauer, Sedierungsdauer und 2-Monats-Mortalität nachweisen konnte [431], kam die Metaanalyse von Siempos et al. bei gleichem Studieneinschluss hingegen zu dem Ergebnis, dass nur die Beatmungsdauer durch eine Frühtracheotomie signifikant günstig beeinflusst wurde, nicht aber die 3-Monats- und Einjahres-Mortalität [430].
Trotz der Evidenz, dass eine Tracheotomie potenziell die Beatmungszeit verkürzen bzw. ein prolongiertes Weaning vermeiden kann, kann derzeit wegen der inkonsistenten Studienlage hinsichtlich eines eindeutigen klinischen Gesamtbenefits, den potenziellen Tracheotomie-assoziierten Komplikationen und der Gefahr einer Übertherapie keine Empfehlung zur routinemäßigen Frühtracheotomie gegeben werden. Ein zu erwartendes prolongiertes Weaning stellt damit derzeit keine zwingende Indikation für eine (Früh-)Tracheotomie dar. Entsprechend besteht hier weiterer Forschungsbedarf zum optimalen Tracheotomiezeitpunkt bei speziellen Subgruppen mit einem hohen Risiko der prolongierten Beatmung. Die Entscheidung über den Zeitpunkt der Tracheotomie bleibt somit immer individuell, und nach 4 – 7 Tagen invasiver Beatmung sollte stets kritisch geprüft werden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer prolongierten Beatmung ist und ob alternativ eine Extubation mit anschließender NIV möglich ist (siehe Algorithmus in [Abb. 5]).
E18: Für die dauerhafte außerklinische invasive Beatmung soll ein stabiles Tracheostoma vorhanden sein.
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5.4.3 Kanülenmanagement
Nach der Anlage eines Dilatationstracheostomas sollte wegen der initialen Instabilität des Zugangs und möglicher Blutungskomplikationen nicht vor dem 7. – 10. postoperativen Tag ein Wechsel oder eine Entfernung der Trachealkanüle erfolgen. Bei einer ungewollten Trachealkanülendislokation vor diesem Zeitraum sollte im Notfall der orotracheale Atemwegszugang bevorzugt werden und wenn notwendig eine Blutungstamponade der Tracheotomieöffnung erfolgen. Ggf. kann nach orotrachealer Sicherung des Atemwegs eine zweizeitige Rekanalisierung des Tracheostomas erfolgen und eine neue Trachealkanüle positioniert werden.
Ausgewählte Trachealkanülen mit subglottischer Absaugung sind verfügbar [432], klinische Studien, die einen klinisch relevanten Vorteil bei tracheal kanülierten Patienten im prolongierten Weaning belegen, fehlen jedoch derzeit. Die unterschiedliche Anatomie der via Tracheostoma beatmeten Patienten erfordert stets auch eine, über die Funktion der subglottischen Absaugung hinausgehende, individualisierte Trachealkanülen-Auswahl, um eine optimale Kanülenlage zu erzielen und dadurch Langzeitkomplikationen an der Trachea wie Granulationsgewebe oder Blutungen beim endotrachealen Absaugen zu verhindern. Wie schon im Kapitel 5.4.2.1 für Endotrachealtuben diskutiert, kann daher auf dem Boden der aktuellen Evidenz für Patienten im prolongierten Weaning derzeit keine allgemeine Empfehlung zur Verwendung von Trachealkanülen mit subglottischer Absaugung ausgesprochen werden.
Kumulative Sekretablagerungen an der Innenwand der Trachealkanüle sind nicht sicher vorhersagbar und führen während der Spontanatmung zur Erhöhung des Atemwegswiderstandes und damit der Atemarbeit [367]. Die Kanüle muss daher fortlaufend visuell kontrolliert und entweder gereinigt oder ausgewechselt werden. Gegebenenfalls kann eine Trachealkanüle mit einer leicht zu reinigenden Innenkanüle eingesetzt werden, wobei die potenzielle Erhöhung der Atemarbeit durch das geringere Innenlumen zu berücksichtigen ist. Um eine vorhandene Sprechfunktion zu unterstützen, sind Kanülen mit Fenestrierungen sinnvoll, da sie zusätzlich zur an der Kanüle vorbeiströmenden Luft bei korrekter Lage in der Trachea ein Entweichen von Luft auch durch die Fenestrierungen in Richtung Larynx erlauben und das Sprechen ermöglichen oder erleichtern. Eine neu entwickelte Kanüle, die sog. Blom®-Kanüle, ist fenestriert, mit Cuff ausgerüstet und ermöglicht auch bei geblockter Kanüle durch eine spezielle Anordnung eines Druck- und eines Klapp-Ventils das Sprechen [433]. Während der Inspirationsphase des Beatmungsgeräts öffnet sich das Klappventil, bei gleichzeitigem Schluss des Druckventils – somit ist die Phonationsöffnung der Kanüle verschlossen und eine effektive Beatmung möglich. In der Exspirationsphase schließt sich das Klappventil und das Druckventil kollabiert, sodass das Phonationsfenster freigegeben wird, womit Sprechen auch unter Beatmung ermöglicht wird. Eine Studie über den Vergleich einer Blom®-Kanüle mit einer Kanüle ohne Innenkanüle und einer nicht geblockten Kanüle mit Verwendung eines Passy-Muir®-Ventils zeigte keine Unterschiede bezüglich des Aspirationsrisikos zwischen den 3 Varianten [433]. Auch bezüglich des Sprechens zeigten sich in einer Studie keine relevanten Vorteile für diesen Kanülentyp im Vergleich zu einer nicht geblockten Kanüle mit Verwendung eines Passy-Muir®-Ventils [434].
Grundsätzlich existieren verschiedene Möglichkeiten, die Sprechfunktion bei tracheotomierten Patienten im prolongierten Weaning sowohl unter Beatmung als auch unter Spontanatmung zu fördern. Diese sind in [Tab. 14] aufgeführt. Die Entblockung des Cuffs setzt dabei stets voraus, dass keine schwere Aspirationsneigung vorliegt.
a) Während laufender Beatmung |
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b) unter Spontanatmung |
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Bei der Verwendung von Sprechventilen im Weaning-Prozess müssen die Auswirkungen auf die Atemarbeit bedacht werden, die sich je nach verwendetem Sprechventil um den Faktor 4 unterscheiden kann [436]. Auch eine suboptimale Konditionierung der Inspirationsluft sollte bei gleichzeitigen Sekretproblemen berücksichtigt werden. Lösungen können hier die Verwendung einer Kombination aus HME-Filter und Sprechventil – Anfeuchtungsfunktion funktioniert während des Sprechens nicht – [437], aber auch eine Begrenzung der Zeit der Verwendung des Sprechventils mit anschließendem Wechsel auf einen HME-Filter sein.
Sofern kein Aspirationsrisiko besteht, kann die Trachealkanüle während der Spontanatmungsphasen entblockt werden, um die Atemarbeit abzusenken [359]. Außerdem erleichtert eine entblockte Trachealkanüle die aus psychologischen Gründen wichtige verbale Kommunikation im Weaning-Prozess.
Der Hustenstoß und damit die bronchiale Sekretclearance können ebenfalls durch Entblockung des Trachealkanülencuffs verbessert werden. Erlaubt es die klinische Situation des Patienten, die Trachealkanüle während der Spontanatmungsphasen zu entfernen, kann hierdurch die Effektivität des Hustenstoßes bei gleichzeitiger Abdichtung des Tracheostomas im Vergleich zur entblockten Trachealkanüle weiter gesteigert werden.
Im Rahmen des Kanülen- und Sekretmanagements mit Einschätzung und Verbesserung der Sprech- und Schluckfunktion nimmt die Logopädie einen zentralen Stellenwert ein. Nach Möglichkeit sollte in diesen Behandlungsprozess bis hin zur Dekanülierung ([Abb. 6]) konsiliarisch logopädische Fachexpertise eingebunden werden.
E19: Während der Spontanatmungsphasen soll die Trachealkanüle zur Senkung der Atemarbeit und Verbesserung des Sprechvermögens entblockt werden, sofern keine Aspirationsneigung vorliegt.
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5.4.4 Dekanülierung
Für eine definitive Dekanülierung sind folgende Voraussetzungen notwendig:
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Klinische Stabilität
-
Ausreichende Spontanatmungskapazität bzw. Fähigkeit zur NIV
-
Fehlen einer relevanten Schluckstörung bzw. Aspirationsneigung
-
Ausreichender Hustenstoß, alternativ nichtinvasives Sekretmanagement
-
Kooperation des Patienten (z. B. kein Delir)
-
Ausschluss einer Obstruktion im Bereich Glottis/Kehlkopf/Trachea
-
Ggf. positiver Cuff-Leak-Test (vgl. Kapitel 5.1.10)
Zur Technik der Dekanülierung und des Übergangs zu Spontanatmung bzw. nachfolgender nichtinvasiver Beatmung besteht kein übereinstimmender Konsens. Ohne dass sich hieraus allgemeingültige Empfehlungen ableiten lassen, werden nach einer Umfrage – neben dem spontanen Schrumpfen des Tracheostomas nach Entfernung der Kanüle – Platzhalter bzw. Einsetzen einer Trachealkanüle mit jeweils geringerem Durchmesser angewandt [438].
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5.4.5 Verwendung von Platzhaltern
Bestehen Bedenken, vom Respirator entwöhnte Patienten zu dekanülieren, oder weisen diese eine ventilatorische Insuffizienz mit vorübergehender oder bleibender Indikation zur NIV auf (siehe Kapitel 5.5.1), dann besteht die Option, das Tracheostoma mithilfe eines Platzhalters [329] [439], eines Buttons oder sehr dünnkalibriger Trachealkanülen (siehe auch „Minitracheotomie“; Kapitel 5.6.1.4) noch für einige Tage während der Spontanatmung offenzuhalten ([Abb. 6]). Neben der zusätzlichen Möglichkeit einer Sekretabsaugung über den korrekt einliegenden Platzhalter bleibt der Tracheostomakanal im Falle einer erneuten Notwendigkeit der invasiven Beatmung rekanülierbar. Nach Anlage eines Verschlussdevices ist zur frühzeitigen Erkennung von Komplikationen (d. h. Stenose, Malazie, Ödem, Vorwölbung des Devices in die Trachea) eine endoskopische Lagekontrolle sinnvoll. Im Einzelfall kann bei Patienten im fortgeschrittenen Weaning mit stabilen Tracheostomata und fehlender relevanter Schluckstörung ein Wechsel zwischen Platzhalter am Tage und nächtlicher Einlage einer Trachealkanüle zur invasiven Beatmung erwogen werden, wenn eine zeitlich begrenzte Beatmung bei Intoleranz einer NIV absehbar ist.
Unabhängig von der verwandten Technik der Dekanülierung können sich nach Verschluss des Tracheostomas der Widerstand der oberen Atemwege und die Atemarbeit in Abhängigkeit von den anatomischen Verhältnissen sowohl verringern als auch erhöhen. Gerade lokale Komplikationen an der Tracheostomaöffnung (z. B. rupturierte Knorpelspangen oder Granulationsgewebe), aber auch Ödeme im Larynxbereich, können zum Misserfolg der Dekanülierung führen [329].
E20: Bei Unsicherheit über den Erfolg der Dekanülierung sollten Platzhalter verwendet werden, um eine Rekanülierung des Tracheostomas zu ermöglichen.
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5.4.6 Verschluss des Tracheostomas
5.4.6.1 Spontaner Verschluss
Ist eine suffiziente Spontanatmung (bzw. nichtinvasive Beatmung bei persistierender ventilatorischer Insuffizienz) beim tracheotomierten Patienten nach erfolgreicher Respiratorentwöhnung gesichert, werden die Trachealkanüle bzw. der Platzhalter entfernt. Die PDT verschließen sich binnen kurzer Zeit (meistens ohne weiteren Interventionsbedarf) komplett. Die chirurgisch angelegten, primär epithelialisierten Stomata bedürfen häufig eines plastischen Verschlusses.
5.4.6.2 Chirurgischer Verschluss, plastische Deckung
Schrumpft das Tracheostoma nicht binnen 14 Tagen nach Entfernung der Kanüle, ist eine bronchoskopische Untersuchung von Larynx und Trachea erforderlich, um eine subglottische Stenose als Ursache des verzögerten oder fehlenden Tracheostoma-Verschlusses auszuschließen. Nach einem Zeitraum von ca. 21 Tagen ist der Verschluss durch einen plastisch-chirurgischen Eingriff zu erwägen, falls es durch unzureichende Schrumpfung des Tracheostomas zu ineffektivem Husten und gestörter Sprachbildung kommt. Bei Patienten mit persistierender ventilatorischer Insuffizienz und Indikation zur Fortführung einer NIV im außerklinischen Bereich sollte ein früherer Verschluss in Betracht gezogen werden, sofern kein erhöhtes OP-Risiko dagegen spricht. Ob nach dem Verschluss des Tracheostomas eine mehrtägige NIV-Pause eingelegt wird, um Komplikationen wie z. B. Nahtdehiszenz, Mediastinal- oder Hautemphysem zu verhindern, ist abhängig vom klinischen Zustand und von der ventilatorischen Situation und damit eine individuelle Entscheidung. Ein Algorithmus für die definitive Dekanülierung ist in [Abb. 6] dargestellt. Bei dem Verdacht oder Vorliegen einer Dysphagie sei auf das entsprechende Kapitel „Dysphagiemanagement“ verwiesen (Kapitel 5.6.1.5).
E21: Kommt es nach Kanülenentfernung innerhalb von 2 – 3 Wochen nicht zu einer Schrumpfung des Tracheostomas, kann nach Ausschluss zugrundeliegender Komplikationen der plastisch-chirurgische Verschluss erwogen werden.
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5.4.7 Komplikationen nach Dekanülierung
Die Entwicklung einer Trachealstenose nach Langzeitintubation oder Tracheotomie ist eine Komplikation, die mit einer Häufigkeit von ca. 10 – 20 % relevanter Stenosen (> 20 % Lumeneinengung) zu erwarten ist [417]. Dabei kann es sich um fixierte Narbenstenosen, aber auch um tracheale Instabilitäten im Sinne einer Tracheomalazie handeln. Endoskopisch findet man häufig auch sog. komplexe Stenosen. Diese Stenosierungen sind nicht selten Ursache für ein Weaning-Versagen bzw. die Notwendigkeit einer Rekanülierung. Zusätzlich können vorbestehende, klinisch bisher asymptomatische Stenosen der Trachea, z. B. infolge intrathorakaler Struma, im Weaning-Prozess zum eigenständigen Problem werden.
Bei kooperativen Patienten kann die Durchführung einer Spirometrie (ggf. Taschenspirometrie am Bett) zur Evaluation einer Stenose und zur Verlaufskontrolle hilfreich sein.
5.4.8 Bronchoskopische Kontrolle nach Dekanülierung
Trachealverletzungen nach Tracheotomie sind keine Seltenheit. Knorpelspangenbrüche, Entwicklung einer Tracheomalazie oder von Trachealstenosen sowie Schwellungen im Larynxbereich können eine erfolgreiche Dekanülierung und z. B. Umstellung auf eine nichtinvasive Beatmung erschweren bzw. verhindern. Häufig sind zu hoch angelegte Tracheostomata die Ursache, v. a. wenn eine Dilatationstracheotomie ohne bronchoskopische sorgfältige Identifizierung der korrekten Punktionsstelle unterhalb des 1., besser 2. Trachealrings angelegt wird. Ein erster Test auf das Vorliegen einer Tachealstenose nach Kanülenentfernung ist der Verschluss des Tracheostomas mit dem behandschuhten Finger – bei Auftreten eines Stridors sollte vor definitiver Entfernung der Kanüle eine bronchoskopische Inspektion der Trachea erfolgen. Dabei ist ein translaryngealer Zugang auch zur Beurteilung des laryngotrachealen Übergangs einem Zugang zur Trachea ausschließlich über das Tracheostoma überlegen. Bei Feststellen einer entsprechenden Pathologie muss das weitere Vorgehen gemeinsam zwischen Intensivmediziner, Thoraxchirurgen und interventionellem Pneumologen individuell unter Berücksichtigung der Grund- und Begleiterkrankungen und der Prognose des Patienten abgesprochen werden.
Zur Frage, ob eine Routine-Bronchoskopie vor oder unmittelbar nach Dekanülierung indiziert ist, existieren keine nenneswerten Studien. Dennoch wird als Expertenmeinung in dieser Leitlinie die Empfehlung zur Endoskopie nach Dekanülierung ausgesprochen (s. u.).
Eine Kontroll-Bronchoskopie ist zwingend erforderlich, wenn es 14 Tage nach Dekanülierung nicht zu einem vollständigen spontanen Verschluss des Tracheostomas kommt. Hier könnte sich eine oberhalb des Tracheostomas gelegene Trachealstenose entwickelt haben, die durch Druckerhöhung in den distalen Atemwegen mit konsekutivem Luftentweichen über das Tracheostoma den spontanen Verschluss des Tracheostomas verhindert.
E22: Nach Einbringen eines Platzhalters soll eine endoskopische Kontrolle stattfinden.
E23: Nach Dekanülierung soll (auch ohne klinischen Verdacht) eine endoskopische Kontrolle auf das Vorliegen einer Trachealstenose erfolgen.
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5.5 NIV und High-Flow-Sauerstoff-Gabe bei schwierigem Weaning vom Respirator und in der Postextubations-Phase
Bei dem Thema „NIV bei schwierigem Weaning vom Respirator und in der Postextubations-Phase“ sei auf die entsprechenden Abschnitte der S3-Leitlinie „NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ verwiesen [16]. Einschränkend bleibt allerdings festzustellen, dass sich diese Leitlinie auf den Einsatz von NIV nach ein- bis mehrtägiger invasiver Beatmung (d. h. der „Gruppe 2“ entsprechend der Definition der internationalen Konsensuskonferenz [17]) bezieht. Allerdings lassen sich die Empfehlungen aufgrund der klinischen Erfahrung im Wesentlichen im Analogieschluss auf die Situation des prolongierten Weaning übertragen. Da keine höherwertigen wissenschaftlichen Studien zum Stellenwert von NIV im prolongierten Weaning-Prozess existieren, basieren die hierzu ausgesprochenen Empfehlungen auf der klinischen Erfahrung der Experten.
5.5.1 Kriterien zu der „NIV-Fähigkeit“ im Weaning-Prozess
Um im Sinne einer Weaning-Prädiktion die Fähigkeit beatmeter Patienten zur suffizienten Spontanatmung nach Extubation abzuschätzen, werden üblicherweise neben der klinischen Beurteilung die „klassischen“ Extubationskriterien [175] verwendet (siehe [Tab. 5] in Kapitel 5.1.1).
Diese herkömmlichen Weaning-Prädiktoren sind beim Einsatz von NIV im Anschluss an invasive Beatmung allenfalls orientierend brauchbar, weil hierbei die maschinelle Beatmung infolge anhaltender respiratorischer Insuffizienz fortgesetzt werden muss und sich lediglich der Beatmungszugang ändert. Eine weitere wichtige klinische Voraussetzung für die „NIV-Fähigkeit“ im Anschluss an eine invasive Beatmung ist die Kooperationsfähigkeit eines Patienten.
Wird erwogen, unmittelbar nach Extubation die Beatmung in Form von NIV fortzusetzen, ist zuvor kritisch zu prüfen, ob hierfür die wesentlichen Voraussetzungen gegeben sind. Als absolute Kontraindikationen für den Einsatz von NIV sind zu beachten [16]:
-
fehlende Spontanatmung, Schnappatmung
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fixierte oder funktionelle Verlegung der Atemwege
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gastrointestinale Blutung oder Ileus
-
Aspirationsrisiko bei Dysphagie
5.5.1.1 NIV nach hyperkapnischer akuter respiratorischer Insuffizienz (ARI)
Ist die NIV-Fähigkeit eines Patienten nach invasiver Langzeitbeatmung gegeben, sollten Patienten mit hyperkapnischer ARI (z. B. nach Exazerbation einer schwergradigen COPD) extubiert bzw. im Falle einer vorausgegangenen Tracheotomie dekanüliert und auf NIV umgestellt werden. Allerdings sollte aufgrund der klinischen Situation absehbar sein, dass keine Indikation zu einer Respiratorpflichtigkeit mit Notwendigkeit einer täglichen Nutzung der NIV von > 12 (im individuellen Einzelfall bis zu 16) h besteht. Eine hohe tägliche NIV-Abhängigkeit würde zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität führen. In diesem Zusammenhang ist mit dem Patienten zu klären, welche Lebenssituation besteht und welche Ansprüche seinerseits an eine Fortführung einer invasiven bzw. nichtinvasiven Beatmung bestehen. Hierzu sei auf das Kapitel zur Ethik (Kapitel 7) verwiesen.
Ansonsten verbessert NIV nach invasiver Beatmung die Weaning-Erfolgsrate, senkt die Letalitätsrate und Re-Intubations-, Tracheotomie- und Komplikationsrate [28] [440] [441] [442] NIV wurde auch im schwierigen Weaning-Prozess bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen [443] [444] und Zwerchfellparese erfolgreich eingesetzt [445].
E24: Ist eine NIV-Fähigkeit auch im Rahmen der invasiven Langzeitbeatmung gegeben, sollten Patienten mit hyperkapnischer ARI extubiert bzw. dekanüliert und auf NIV umgestellt werden, wenn aufgrund der klinischen Situation absehbar ist, dass keine längerdauernde kontinuierliche Respiratorpflichtigkeit besteht.
5.5.1.2 NIV nach hypoxämischer akuter respiratorischer Insuffizienz (ARI)
Analog zu den Empfehlungen zu NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz [16] kann NIV im prolongierten Weaning bei Patienten mit hypoxämischer akuter respiratorischer Insuffizienz nicht generell empfohlen werden.
5.5.1.3 NIV bei persistierender chronisch ventilatorischer Insuffizienz (CVI) nach Weaning von invasiver prolongierter Beatmung
Bei Patienten mit fortbestehender chronisch ventilatorischer Insuffizienz, d. h. weiterhin nachweisbarer Hyperkapnie während der kontinuierlichen Spontanatmung, ist auch nach formell erfolgreich abgeschlossenem Weaning zu prüfen, ob eine außerklinische Beatmung indiziert ist. Entsprechend der im 3. Kapitel eingeführten Definitionen handelt es sich hierbei um die Patientengruppe „3b“. Auch wenn die Datenlage hierzu bisher auf Observationsstudien beruht, werden bis zu 30 % der entwöhnten Patienten im weiteren Verlauf effektiv mit NIV in häuslicher Umgebung versorgt [12] [446]. Angesichts der in der von Murphy et al. [447] publizierten Studie gemachten Aussagen zur Rehospitalisationsreduktion durch NIV bei Patienten mit persistierender Hyperkapnie nach akuter COPD-Exazerbation sowie der in der Deutschen Multizenter-Studie [448] zur NIV bei chronisch hyperkapnischer COPD beschriebenen Mortalitätsreduktion durch NIV ist mittlerweile eine klare NIV-Indikation für hyperkapnische COPD-Patienten nach prolongiertem Weaning gegeben. Weitere Krankheitsgruppen, die von außerklinischer Beatmung nach Weaning profitieren, sind die in der S2-Leitlinie „Nichtinvasive und invasive außerklinische Beatmung bei chronischer respiratorischer Insuffizienz“ [3] genannten Indikationen Obesitas-Hypoventilations-Syndrom, thorakal-restriktive Erkrankungen und neuromuskuläre Erkrankungen mit symptomatischer Hyperkapnie.
E25: Bei fortbestehender CVI nach Extubation/Dekanülierung sollen Patienten auch nach formell erfolgreich abgeschlossenem Weaning außerklinisch beatmet werden.
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5.5.2 High-Flow-Sauerstoff als Prävention des Postextubversagens und im Weaning
Bisher wurde Sauerstofftherapie vor allem zur Behandlung der akuten und chronischen respiratorischen Insuffizienz angewandt; sie kommt auch in der Therapie bei Patienten mit Schock, Sepsis, Trauma oder Herzversagen zum Einsatz.
Seit langem stehen verschiedene Verfahren zur Sauerstoffapplikation bei spontan atmenden Patienten mit akutem Lungenversagen zur Verfügung.
In den vergangenen Jahren wurde die High-Flow-Sauerstoff-Gabe via Nasenkanüle alternativ zur NIV oder Sauerstofftherapie mit niedrigen Flüssen über eine Gesichtsmaske eingesetzt [449]. Diese Applikationsform liefert erwärmten und befeuchteten Sauerstoff in hoher Konzentration über eine Nasenkanüle mit Flussraten von 40 – 60 l pro Minute. Subjektiv wird die High-Flow-Sauerstoff-Gabe von Patienten gut vertragen.
Durch High-Flow-Sauerstoff-Gabe lässt sich einerseits ein gewisser positiver endexspiratorischer Druck erzeugen, anderseits wird die Atemarbeit über Auswaschung von CO2 und die assoziierte Verkleinerung des Totraums reduziert [449] [450] [451]. Die Reduktion der Atemarbeit über Auswaschung von CO2 mit konsekutiver Verkleinerung des Totraumes wurde bereits früher in Studien zur transtrachealen Gabe von Sauerstoff nachgewiesen [452] [453] [454].
Es besteht offensichtlich bei hypoxämischer ARI ein Zusammenhang zwischen Totraum und Prognose. So wurde in einer früheren Studie gezeigt, dass erhöhter Totraum bei schwerer Hypoxämie infolge ARDS mit einer erhöhten Mortalität einhergeht [455].
Neben retrospektiven Studien und Observationsstudien bei Patienten mit Hypoxämie, u. a. auch im Rahmen der Extubation, postoperativ und bei immunkompromitierten Patenten, wurden in jüngerer Vergangenheit auch randomisierte, multizentrische Studien mit Vergleich von NIV mit High-Flow-Sauerstoff-Therapie bei Patienten mit akutem nicht-hyperkapnischen, hypoxämischen Lungenversagen publiziert [456] [457] [458] [459] [460].
Zusammengefasst erweist sich High-Flow-O2 nach mehreren Metaanalysen [461] [462] [463] [464] [465] [466] [467] [468] [469] beim leicht bis mittelgradigem ARDS als eine alternative Therapieform zu NIV und konventioneller Sauerstofftherapie.
Unter praktischen Aspekten besteht der wesentliche Vorteil von High-Flow-Sauerstoff-Therapie in der Einfachheit der Applikation und der guten Akzeptanz durch die Patienten.
Im Vergleich hierzu ist bei NIV die Adaptation des wachen Patienten an die Maske (bzw. den Helm) und den Beatmungsmodus aufwendiger. Zusätzlich kommt es bei längerer Anwendungsdauer von NIV nicht selten zu Masken-bedingten Druckstellen im Gesicht, auch wenn sich diese Nebenwirkungen durch Auswahl einer passenden Maske und ggf. Abpolstern der Aufliegeflächen in vielen Fällen vermeiden lassen.
Im Gegensatz zum hypoxämischen Atemversagen wurden derzeit keine Studien zum Stellenwert von High-Flow-Sauerstoff-Therapie im prolongierten Weaning gefunden, die eine Beurteilung ihres Stellenwertes im Weaning erlauben. Deshalb wird hierzu auch keine weitere Stellungnahme in der vorliegenden Leitlinie bezogen.
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5.6 Strategien im prolongierten Weaning
5.6.1 Adjunktive Maßnahmen
Neben Beatmungstechniken und Umgang mit verschiedenen Interfaces (Masken, Trachealkanülen, etc.) ist beim prolongierten Weaning eine rehabilitative Strategie mit einer Reihe von adjunktiven Maßnahmen von zentraler Bedeutung. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden im Folgenden wichtige adjunktive Therapiemaßnahmen tabellarisch ([Tab. 15]) erläutert. Einige pathophysiologische und therapeutische Betrachtungen speziell zum Thema „Hoher Atemantrieb“ finden sich zusätzlich im Text (siehe Kapitel 5.6.1.1).
5.6.1.1 Beeinflussung des Atemantriebs
5.6.1.1.1 Reduktion des Atemantriebs
Ein erhöhter Atemantrieb mit Zunahme der Atemarbeit kann bei Patienten im prolongierten Weaning zu einer Überlastung und ggf. Unterhaltung des Weaning-Versagens führen. In diesem Fall kann die Reduktion des Atemantiebs sinnvoll sein, um konsekutiv die Atemarbeit zu beeinflussen. Häufige kausale Ursachen wie z. B. Schmerzen, Angst und Entzugssymptomatik, Delir oder Infektion, aber auch eine suboptimale Beatmungseinstellung, die zur Erhöhung des Atemantriebs führen, sind effektiv zu behandeln (siehe Kapitel 5.1.2). So kann ein Hypermetabolismus mit Anstieg von Atemfrequenz, Tidalvolumen, Sauerstoffverbrauch, CO2-Produktion und Ruheenergieumsatz nach Beendigung der Analgosedierung erfolgreich mit Clonidin therapiert werden und das Weaning erleichtern [470]. Bei Oxygenierungsstörungen z. B. infolge COPD/Emphysem werden der Atemantrieb bzw. das Atemminutenvolumen durch Zufuhr von Sauerstoff reduziert, was letztlich zur erwünschten Abnahme der Atemarbeit führt. Im begründeten Einzelfall lässt sich der gesteigerte Atemantrieb durch Gabe von Opiaten unter engmaschigem Monitoring der Ventilation bzw. Blutgase dämpfen. So konnte bei 14 schwierig zu entwöhnenden Patienten mit Tachypnoe und rapid shallow breathing gezeigt werden, dass die Gabe von Opiaten eine Reduktion der Inspirationsbemühung und Verbesserung des Atemmusters bewirken kann, ohne wesentlichen Einfluss auf Oxygenierung und Sedierungsgrad zu haben [471]. Ein engmaschiges Monitoring ist aber Voraussetzung. Ein konsekutiver Anstieg des PCO2 im Sinne einer milden „permissiven Hyperkapnie“ (bei gleichzeitiger metabolischer Kompensation der Azidose durch Retention von Bikarbonat) kann unter diesen Umständen akzeptiert werden.
E26: Liegt im prolongierten Weaning eine primäre Erhöhung der Atemarbeit vor, die sich nicht durch das respiratorische oder Weaning-Versagen erklären lässt, sollten andere Ursachen für eine erhöhte Atemarbeit wie Schmerz, Stress oder das Vorliegen eines Delirs ausgeschlossen werden.
E27: Die Gabe von Opiaten kann, nach Ausschluss anderer Ursachen, im Einzelfall indiziert sein, mit dem Ziel, die Atemarbeit zu senken.
5.6.1.1.2 Steigerung des Atemantriebs
Ein eingeschränkter Atemantrieb ist eine unwahrscheinliche Ursache für ein Weaning-Versagen, sollte aber in Erwägung gezogen werden, wenn kein anderer Grund gefunden werden kann [472]. Der Einfluss verschiedener Stimulantien wurde bisher untersucht [473] [474] [475] [476] [477], teilweise mit positiven Ergebnissen. Kürzlich wurde der Effekt von Acetazolamid, einem Hemmstoff der Carboanhydrasen, in einer prospektiven randomisierten Studie bei Patienten mit COPD und metabolischer Alkalose mit dem Ziel eingesetzt [478], durch Reduktion des Bikarbonats eine Stimulation des Atemantriebs zu erreichen [479]. Von 382 Patienten wurden 187 in die Therapiegruppe eingeschlossen. Ein signifikanter Unterschied in Bezug auf die Beatmungs- und Intensivliegedauer, den Weaning-Erfolg oder die Überlebensrate konnte nicht nachgewiesen werden. Zusammenfassend gibt es derzeitig keine ausreichende Evidenz für den Einsatz von atemstimulierenden Medikamenten bei Patienten im prolongierten Weaning.
E28: Der Einsatz von den Atemantrieb direkt oder indirekt stimulierenden Medikamenten zur Verkürzung der Weaning-Zeit von der Beatmung bei Patienten im prolongierten Weaning wird nicht empfohlen.
5.6.1.2 Transfusion und prolongiertes Weaning
Patienten im prolongierten Weaning haben häufig Hämoglobinwerte unterhalb des Normbereichs. Eine Anämie ist bei Intensivpatienten, insbesondere aber auch bei Patienten im prolongierten Weaning, mit einem schlechteren Outcome assoziiert [480] [481] [482] [483] [484] [485] [486]. Transfusionen von Erythrozytenkonzentraten erfolgen mit dem Ziel, das Sauerstoffangebot und damit die Gewebeoxygenierung zu verbessern [487] [488]. Ein Transfusionstrigger definiert hierbei den Bereich, ab dem positive Effekte einer Anhebung des Hämoglobinwertes gegenüber den Risiken transfusionsassoziierter ungünstiger Effekte überwiegen.
In großen randomisierten und kontrollierten Studien, u. a. zu Sepsis [489], perioperativ [490] [491] bei Herzinfarkt [492] und gastrointestinaler Blutung [493], konnten bisher keine Nachteile bzw. sogar Vorteile einer restriktiven (meist ca. Hb < 7 mg/dl) vs. liberalen (meist Hb < 9 g/dl) Transfusionsgrenze nachgewiesen werden. Obschon eine Anämie sowohl bei präoperativen Patienten als auch bei nicht-chirurgischen Patienten mit kardialen Erkrankungen einen unabhängigen Risikofaktor darstellt, führte selbst bei älteren Patienten mit Myokardinfarkt eine Transfusion bei Vorliegen eines Hämatokrit von 30 % zu keiner Verbesserung des Outcomes [484]. Potenzielle Nachteile von Bluttransfusionen sind u. a. transfusionsassoziierte Infektionen, transiente Verschlechterung des Gasaustausches [494], erhöhte Rate an Ventilator-assoziierten Pneumonien und transfusionsinduzierter akuter Lungeninsuffizienz (Transfusion Related Acute Lung Injury, TRALI) [495] [496] [497] [498] [499]. Entsprechend empfehlen nationale und internationale Leitlinien allgemein eher restriktive Transfusionsgrenzen [162] [500] [501] [502] [503] [504].
Für die Patientengruppe im prolongierten Weaning mit deutlicher Anämie existieren keine kontrollieren Vergleichsstudien, die die Effekte und Komplikationen einer liberalen im Vergleich zur restriktiven Transfusion von Erythrozytenkonzentraten untersucht haben.
Beim prolongierten Weaning ist während der Phasen der Beatmung i. d. R. der Gasaustausch ausreichend, sodass auch keine Gewebehypoxie vorliegt. Während der Spontanatmungsphasen dagegen ändert sich das teilweise deutlich. Da bei den Patienten im prolongierten Weaning häufig eine Kombination aus Insuffizienz der Atempumpe (siehe Kapitel 4.3) und Herzinsuffizienz vorliegt, kann bei einer Anämie über die Zunahme der Herzleistung eine zusätzliche Belastung der Atempumpe resultieren. Die Entlastung der Atem- und Herzpumpe durch Ausgleich einer Anämie kann zu einer Abnahme des gesamten Sauerstoffverbrauchs führen, da beide Organe bei Insuffizienz einen erhöhten autochthonen Sauerstoffbedarf haben [489].
Bei Patienten mit fortgeschrittener Lungenerkrankung (wie z. B. COPD) und schwergradiger Anämie konnte im Vergleich zu lungengesunden anämischen Patienten mit onkologischen Erkrankungen nachgewiesen werden, dass sich durch Transfusionen die erhöhte Atemarbeit signifikant senken lässt [104], was im individuellen Einzelfall zur Therapiestrategie im prolongierten Weaning gehören kann. Weitere Untersuchungen stützen einen weniger restriktiven Transfusionstrigger im prolongierten Weaning. In einer kleinen Fallserie von Patienten im prolongierten Weaning mit schwergradiger Anämie konnte gezeigt werden, dass Transfusionen mit einer erfolgreichen Respiratorentwöhnung einhergingen [505]. Eine retrospektive Untersuchung bei 138 schwierig zu entwöhnenden Patienten zeigte, dass Hämoglobinwerte von 8 – 10 g/dL mit einem besseren Weaning-Outcome assoziiert waren als Hb-Werte kleiner 8 g/dL [103]. Allerdings waren Transfusionen bei Patienten mit einen Hb > 10 g/dL signifikant mit einem Weaning-Versagen assoziiert. Auch waren die verschiedenen Hb-Niveaus nicht auf Transfusionen zurückzuführen und reflektieren damit eher den zugrundeliegenden Patientenzustand [103].
Die Indikation zur Erythrozytentransfusion ergibt sich aus der Beurteilung des klinischen Gesamtbildes und wird nicht allein anhand von Laborwerten (Hämoglobin, Hämatokrit, Erythrozytenzahl) gestellt, da eine unzureichende Gewebeoxygenierung bei verschiedenen Hb-Konzentrationen auftreten kann [488] [506] [507] [508] [509] [510] [511]. Die Empfehlung für den Einsatz physiologischer Transfusionstrigger ([Tab. 16]) erfolgt mit dem Ziel, bei Patienten mit eingeschränkter Kompensationsfähigkeit eine Abweichung vom restriktiven Transfusionstrigger individuell unter Berücksichtigung des klinischen Gesamtbildes zu ermöglichen. Hier ist insbesondere zu beachten, dass sich die vorliegende Leitlinie auf Patienten im prolongierten Weaning bezieht, bei denen unter Spontanatmung eine deutlich erhöhte Atemarbeit einem erfolgreichen Weaning entgegensteht. Diese ist deshalb im prolongierten Weaning den physiologischen Transfusionstriggern hinzuzufügen.
Physiologische Transfusionstrigger |
|
Kardio-pulmonale Symptome |
Tachykardie |
Ischämietypische EKG-Veränderungen |
neu auftretende ST-Senkungen oder -Hebungen |
Neu auftretende regionale myokardiale Kontraktionsstörungen im Echokardiogramm |
Anstieg der globalen O2-Extraktion > 50 % |
Weitere zu berücksichtigende Kriterien sind [502]:
-
Ursache, Dauer, und Schweregrad der Anämie
-
Ausmaß und Geschwindigkeit des Blutverlusts
-
die Einschätzung der individuellen physiologischen Fähigkeit, den verminderten O2-Gehalt des arteriellen Blutes zu kompensieren
-
vorbestehende Erkrankungen des Patienten, welche die Kompensationsfähigkeit bei akuter Anämie limitieren (z. B. kardiale, vaskuläre, pulmonale Erkrankungen)
-
der aktuelle klinische Zustand des Patienten
-
Symptome, die auf das Vorliegen einer anämischen Hypoxie hinweisen können (physiologische Transfusionstrigger)
-
der intravasale Volumenstatus, da bei vermindertem Plasmavolumen (Hypovolämie) das Erythrozytendefizit nicht zuverlässig erkennbar ist und hohe Hämatokrit-Werte gemessen werden (siehe akuter Blutverlust)
Die Anlage eines zentralvenösen Katheters zur begleitenden Bestimmung der zentralvenösen Sauerstoffsättigung (ScvO2) kann erwogen werden. Mit Hilfe der ScvO2 kann das Verhältnis von Sauerstoffaufnahme und -abgabe beurteilt werden. Hierdurch lässt sich feststellen, ob ein Patient von einer Transfusion profitiert. Dieser Ansatz der differenzierten Indikationsstellung wird durch neuere Untersuchungen bestätigt [507]. Kürzlich wurde bei kardio-, thorax- und gefäßchirurgischen Intensivpatienten ein Schwellenwert von ≤ 65 % für eine Verbesserung der ScVO2 beschrieben [512]. Experimentelle Ansätze mit direkter Messung der Gewebeoxygenierung auf intrazellulärer Ebene (mitochondrialer PO2) müssen sich noch klinisch bestätigen [513].
Bei Patienten mit eingeschränkter Kompensation, bei denen klinische Symptome (physiologische Transfusionstrigger; siehe [Tab. 16]) auf eine anämische Hypoxie hinweisen, kann ein Hb von > 8 – 10 g/dl angestrebt werden. Eine Anhebung des Hb-Wertes auf > 10 g/dl kann in Einzelfällen indiziert sein, wird allerdings nicht grundsätzlich empfohlen.
E29: Bei Patienten im prolongierten Weaning von der Beatmung soll keine grundsätzliche Anhebung des Hb-Werts auf > 10 g/dl genommen werden, ein Ziel-Hb zwischen 7 und 9 g/dl (4,34 – 5,59 mmol/l) sollte angestrebt werden.
E30: Physiologische Transfusionstrigger sollen bei der Indikationsstellung für eine Transfusion berücksichtigt werden.
E31: Bei Patienten im prolongierten Weaning, bei denen klinische Symptome auf eine unzureichende Kompensation niedriger Hb-Werte hinweisen oder deutlich erhöhte Atemarbeit (bei schwergradiger Lungenkrankheit) dem Weaning-Erfolg entgegen steht, sollte der Hb-Wert angehoben werden (Hb > 8 g/dl).
5.6.1.3 Verbesserung des Ernährungszustandes und Metabolismus
Sowohl Unter- als auch Überernährung können die Weaning-Phase verlängern. Patienten mit prolongiertem Weaning sind jedoch oftmals bereits initial durch eine vorbestehende pulmonale Erkrankung mangelernährt („pulmonale Kachexie“) oder werden es während der kritischen Krankheit durch die in Relation zur schweren Katabolie inadäquate Kalorien- und Proteinzufuhr [514] [515]. Somit ist eine Mangelernährung beim chronisch kritisch Kranken auch bei vorbestehender Adipositas häufig. Eine gezielte Ernährungstherapie wirkt sich auch parenteral gerade bei vorbestehendem Ernährungsdefizit günstig auf das Gesamtkörperprotein, die Muskelkraft und respiratorische Funktionsparameter aus [516]. Beim kritisch Kranken können Eiweißverluste jedoch selbst durch eine positive Nicht-Protein-Energiebilanz nicht verhindert werden [517]. Eine total parenterale Ernährung erhöht über die Glukosezufuhr bei beatmeten Patienten die CO2-Produktion (VCO2) bis hin zur hyperkapnischen Azidose [518]. Dies kann gerade in einer prolongierten Weaning-Phase zu einer zusätzlichen und vermeidbaren Erhöhung der Atemarbeit führen und spricht für eine enterale Ernährung [519] [520].
In einer Doppelblind-PRCT (N = 20) wurde von al-Saady et al. [521] bei im Weaning befindlichen Patienten mit einer fettreichen enteralen Ernährung mit verringerter Menge an Kohlenhydraten („High Fat, Low Carb“) eine gegenüber der Standardgruppe signifikant kürzere Beatmungszeit gezeigt. In einer weiteren PRCT (N = 32) fanden van den Berg et al. [522], dass eine solche fettreiche enterale Diät beim Weaning-Patienten die CO2-Abgabe signifikant vermindert, während für den PaCO2-Wert jedoch keine Veränderung festgestellt wurde. Nach der Bewertung dieser Studien durch die Leitliniengruppe der Society of Critical Care Medicine (SCCM) und der American Society for Parenteral and Enteral Nutrition (ASPEN) 2016 [519] sollten diese Effekte in der Makronährstoffzusammensetzung jedoch nicht überschätzt werden, sofern die Energiezufuhr den Energiebedarf nicht überschreitet [523].
Bei gestörtem Schluckakt besteht die Gefahr, dass die Aspirationsneigung durch eine nasogastrale Sonde als Zugangsweg für die enterale Ernährung verstärkt wird. So kann bei einer erwarteten künstlichen enteralen Ernährung von mehr als 3 – 6 Wochen frühzeitig die Indikation zur PEG (Perkutane Endoskopische Gastrostomie)- bzw. PEJ (Perkutane Endoskopische Jejunostomie)-Anlage gestellt werden [524] [525]. Peterson et al. [526] haben bei Patienten, die über 5 Tage beatmet waren, in den ersten 7 Tagen nach der Extubation eine orale Kalorienzufuhr von maximal 50 % des Bedarfs gemessen. In der nach der Weaning-Periode folgenden anabolen Phase der Rehabilitation sollte die Energiezufuhr möglichst das 1,2 – 1,5-Fache des errechneten Energiebedarfs betragen, wobei hier kontrollierte Studien fehlen [525] [527]. Zur genauen Bestimmung des Energiebedarfs kann bei diesen Problempatienten die Durchführung einer indirekten Kalorimetrie hilfreich sein [525] [528] [529]. Orale Zusatznahrungen (Trinknahrungen) sowie die Fortführung einer Sondenernährung kommen vor allem für die Patienten in Betracht, welche mit der oralen Zufuhr ihren Kalorienbedarf nicht adäquat decken [529]. Hierbei richtet sich die Dauer der Supplementierung nach dem Ernährungsstatus. Zur Annäherung an den Ruheenergiebedarf kann, wie von der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) empfohlen [525], der Energiebedarf bei nicht adipösen Intensivpatienten (BMI < 30 kg/m2) mit 24 kcal/kg aktuelles Körpergewicht/Tag geschätzt werden.
Mehrere kontrollierte Studien haben die Auswirkungen der Gabe einer mit Omega-3-Fettsäuren (Eikosapentaensäure = EPA) und Gamma-Linolensäure (GLA) angereicherten enteralen Ernährung bei beatmeten Patienten mit Lungenversagen, Lungenschädigung und/oder Sepsis [530] [531] [532] [533] untersucht. Hierbei ist die Weaning-Phase jedoch nicht separat betrachtet worden. In den Studien konnte für die supplementiert ernährten Patienten sowohl eine signifikant kürzere Beatmungs- und Intensivliegedauer [530], signifikant günstigere Beatmungsparameter im Horowitz-Quotienten [531] und bei septischen Patienten sogar eine signifikant höhere Überlebensrate [533] gezeigt werden. In zwei Metaanalysen wurden die Vorteile der Gabe von Eikosapentaensäure und Gamma-Linolensäure für eine signifikant niedrigere Letalität [533] sowie die Oxygenierung und eine längere Zeit ohne Ventilatorunterstützung bestätigt [534]. Gegen diese Daten standen Ergebnisse einer randomisierten doppelblind-placebokontrollierten Multizenter-Studie [535]. Hier wurden 272 Patienten mit Lungenschädigung innerhalb von 48 Stunden eingeschlossen und in 44 Krankenhäusern des US National Heart, Lung, and Blood Institute ARDS Clinical Trials Network behandelt. Wiederum wurde ein enterales Supplement mit Omega-3-Fettsäuren, Gamma-Linolensäure und Antioxidanzien mit einer isokalorischen Kontrolllösung verglichen, die separat von der enteralen Ernährung 2-mal täglich verabreicht wurden. Primärer Endpunkt war die Zahl der ventilatorfreien Tage. Der Plasma-Eikosapentaensäurespiegel stieg signifikant in der Interventionsgruppe an. Die Studie wurde vorzeitig beendet, da sich die Patienten der Interventionsgruppe signifikant länger am Respirator (14,0 vs. 17,2 Tage; p = ,02) und auf der Intensivstation befanden (14,0 vs. 16,7 Tage; p = ,04) als der Kontrollarm. Die 60-Tage-Letalität war in der Omega-3-Gruppe nicht signifikant höher. Diese Patienten hatten jedoch signifikant mehr Diarrhoen. Die Autoren schlossen aus ihren Ergebnissen, dass das Omega-3-Supplement das Behandlungsergebnis dieser Patientengruppe nicht verbessert, sondern möglicherweise sogar beeinträchtigt [535]. Es muss zudem kritisiert werden, dass die hypokalorische Nahrung in beiden Gruppen nur 400 bzw. 800 kcal/d beinhaltete. Deswegen können die Negativeffekte auch Folge einer zu niedrigen Proteinzufuhr sein. Zwei Metaanalysen von 6 bzw. 7 kontrollierten Studien [536] [537] konnten keine eindeutigen klinischen Vorteile für die Omega-3-Fettsäuren enthaltenden Diäten bei den Patienten mit Lungenversagen/ARDS zeigen. Aufgrund der kontroversen Datenlage wird in den SCCM/ASPEN-Leitlinien 2016 keine Empfehlung zur Gabe einer mit Omega-3-Fettsäuren angereicherten enteralen Ernährung gegeben [519]. In der aktuellen DGEM-Leitlinie wird hiervon abgeraten [525]. In der aktuellen ESPEN-Leitlinie gilt dies nur für die hochdosierte Gabe [529].
Betont wird in den Empfehlungen eines internationalen Expertengipfels für den Intensivpatienten sowie den SCCM/ASPEN-Leitlinien eine eher hypokalorische (80 – 90 %), jedoch sehr proteinreiche Ernährung 1,2 – 2,5 g/kg Körpergewicht [538], möglichst in Kombination mit Muskeltraining [539]. Die aktuellen DGEM-Leitlinien empfehlen individualisiert 1,0 g/kg Körpergewicht/Tag Protein bzw. 1,2 g Aminosäuren [525].
E32: Während eines prolongierten Weanings sollte die künstliche Ernährung möglichst oral oder enteral erfolgen. Bei einer erwarteten künstlichen enteralen Sondenernährung von mehr als 6 Wochen sollte frühzeitig die Indikation zur PEG- bzw. PEJ-Anlage gestellt werden.
E33: Die Energiezufuhr sollte in der Weaning-Phase nicht höher als der Energiebedarf liegen. Auf eine ausreichend hohe Zufuhr von Protein (1,0 g/kg Körpergewicht/Tag Protein bzw. 1,2 g Aminosäuren) sowie Zufuhr von Elektrolyten, Vitaminen und Spurenelementen ist zu achten.
5.6.1.4 Sekretmanagement
Eine Sekretretention in den Atemwegen ist gerade im prolongierten Weaning eine besondere Herausforderung – dennoch ist die Datenlage für das Sekretmanagement speziell für diese Patientengruppe bisher unzureichend. Die verfügbare Literatur umfasst physiotherapeutische Arbeiten mit kurzfristigen Untersuchungen und Expertenempfehlungen, beruhend auf den physiologischen Mechanismen von Sekretolyse und Sekretexpektoration.
Trotz mangelnder Evidenz weist diese Leitlinie dem Sekretmanagement im prolongierten Weaning eine wichtige Rolle zu, wobei dieses immer individuell nach Sekretmenge und Ursache der Sekretretention angepasst werden muss.
Unterschiedliche Ursachen, die in [Tab. 17] aufgeführt sind, sind für eine Sekretakkumulation in den tiefen Atemwegen verantwortlich. Die Folgen einer solchen Sekretretention sind in [Tab. 18] dargestellt.
Ursachen für Sekretretention im prolongierten Weaning |
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Vermehrte Sekretbildung in den Atemwegen |
erhöhte MUC-Gen-Produktion [540], z. B. im Rahmen von Infekten oder durch Irritation der Schleimhaut der Atemwege durch Fremdkörper wie z. B. Trachealkanülen |
Vermehrung von Becherzellen und/oder submukösen Drüsen bei chronisch-entzündlichen Atemwegserkrankungen bzw. akuten Exazerbationen chronischer Lungenerkrankungen |
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Absaugverletzungen durch zu tiefes, endobronchiales anstelle endotrachealen Absaugens |
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Ineffiziente mukoziliäre Clearance |
angeborene Zyliendysfunktion |
Ersatz des Zilien-tragenden Epithels durch z. B. Plattenepithel (sog. Plattenepithel-Metaplasie) |
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Störung der Zilien-Funktion durch Endotrachealtubus bzw. Trachealkanüle, zu hohe inspiratorische Sauerstoffkonzentrationen oder unzureichende Konditionierung der Atemgase |
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Ineffektiver Hustenstoß |
muskuläre Schwäche der In- und/oder Exspirationsmuskulatur, z. B. im Rahmen einer ICU-acquired weakness (Critical-Illness-Polyneuropathie/-Myopathie) oder anderer neurologischer Grunderkrankungen |
Fehlen eines effektiven Glottisschlusses, z. B. bei liegendem Endotrachealtubus oder geblockter Trachealkanüle |
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instabiler Thorax bzw. postoperativ nach Thorakotomie/Sternotomie unzureichend behandelte Schmerzen |
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Aspiration von Speichel/Nahrung |
siehe Kapitel 5.6.1.5 |
Es existieren 2 unterschiedliche Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Sekretclearance im prolongierten Weaning: Maßnahmen zur Sekretolyse bzw. Sekretmobilisation und Maßnahmen zur Verbesserung der Sekretentfernung aus den Atemwegen. Eine klare Identifizierung der Ursachen der Sekretakkumulation – vermehrte Sekretbildung, spezifische Eigenschaften des Sekrets wie hohe Viskosität oder Abhustschwäche – ist für einen effizienten Einsatz verschiedener Techniken des Sekretmanagements wichtig.
Von der Physiologie her existieren zusätzlich zur Pharmakotherapie 5 Prinzipien (siehe [Tab. 19]), mit denen eine Sekreteliminierung aus den Atemwegen erreicht bzw. gefördert werden kann [240].
Physiologische Mechanismen zur Behandlung der Sekretretention |
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Bei der Indikationsstellung zur begleitenden Pharmakotherapie ist es wichtig, abhängig von der jeweiligen Grunderkrankung die unterschiedliche Zusammensetzung des Bronchialsekretes zu beachten, so z. B. beim Einsatz von rekombinanter humaner DNAse [541].
Für die medikamentöse Sekretolyse stellt eine klinische Praxis-Leitlinie der American Association for Respiratory Care [542] Folgendes fest:
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rhDNA sollte bei Patienten ohne zugrundeliegende zystische Fibrose nicht verwendet werden.
-
Routinemäßige Bronchospasmolytika-Therapie und die Gabe von N-Acetyl-Cystein zur Verbesserung der Sekretclearance sind nicht indiziert.
Neben invasiven Techniken wie der Bronchoskopie und dem endotrachealen Absaugen (Tätigkeit von Pflegekräften bzw. Atmungstherapeuten, ggf. mit schriftlicher Erlaubnis auch von Physiotherapeuten und Logopäden) hat die Physiotherapie im Weaning-Prozess eine wichtige Bedeutung: Sie unterstützt den Rehabilitationsprozess mit der Wiederherstellung von unterschiedlichen Funktionen. Der Schwerpunkt liegt in der Mobilisation von Patienten und den dazugehörigen Maßnahmen wie der passiven und aktiven Atemtherapie inklusive des Sekretmanagements. Besonders wichtig ist, dass durch die Dekanülierung bei leichten bis mittelschweren Schluckstörungen trotz Penetration oder Aspiration unter Einsatz eines effektiven Sekretmanagements eine Verlegung des Patienten in die außerklinische Intensivpflege mit Tracheostoma (Gruppe 3aII nach der neuen Klassifikation) vermieden werden kann. Hierfür ist eine intensive Zusammenarbeit zwischen Physiotherapeuten, Atmungstherapeuten und Logopäden Voraussetzung. Im Sekretmanagement kommen neben der Atemtherapie spezielle Techniken zur Sekretolyse zum Einsatz [543] z. B. mittels endobronchial oder transthorakal oszillierender Systeme [544] [545] [546] oder Inhalationstherapie z. B. mit hochosmolaren Kochsalz-Lösungen [547]. Die Sekretentfernung kann anschließend z. B. mittels Lagerungstherapie, Huffing, PEP-System [548] [549], manuell assistiertem Husten [550] oder Anwendung von mechanischen Hustenhilfen wie dem Mechanical Insufflator-Exsufflator [551] [552] [553] erfolgen, deren Indikation nur bei neuromuskulären Erkrankungen und gesunden Lungen besteht. Allerdings ist einschränkend zu der letzten Technik zu vermerken, dass eine Cochrane-Analyse keine überzeugende Evidenz für den Einsatz der mechanischen Hustenhilfen u. a. beim Weaning von invasiver Beatmung fand [554]. Der fehlende Wirksamkeitsnachweis ist praktisch jedoch der Heterogenität der inkludierten Patienten geschuldet. Betont wird, dass der Einsatz der mechanischen Hustenhilfen nebenwirkungsarm ist.
Allen physiotherapeutischen Maßnahmen, die Sekretexpektoration fördern, liegt das Prinzip zugrunde, zunächst Luft hinter das Sekret zu bekommen und dieses anschließend durch intrathorakale Druckerhöhung während der Exspirationsphase bzw. dem Husten in die zentralen Atemwege zu befördern. Eine z. B. bei COPD gleichzeitig vorliegende bronchiale Instabilität kann durch Anwendung eines positiven Drucks während der Exspiration zu einer Verschiebung des sog. „Equal Pressure Points“ zu den großen Atemwegen hin und damit zu einer Verbesserung der Sekretclearance führen. Je nach zugrundeliegender Pathophysiologie der Sekretretention ist nach ausführlicher Untersuchung eine spezifisch auf die jeweilige Situation adaptierte physiotherapeutische Behandlung notwendig, die in [Abb. 7] schematisch in Anlehnung an die Empfehlungen der ERS- und ESICM-Task Force [240] dargestellt wird.
Bei Abhustschwäche stellt die Minitracheotomie eine Alternative zum Platzhalter nach Dekanülierung dar. Aufgrund des relativ geringen Kalibers (Innendurchmesser: 4,0 mm plus Wandstärke) ermöglicht sie ein weitgehendes Schrumpfen des Tracheostomas, wobei mittels Absaugkatheter weiterhin Sekret aus der Trachea abgesaugt werden kann. Dies gilt insbesondere bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen, die unmittelbar nach Dekanülierung NIV benötigen, aber einen abgeschwächten Hustenstoß aufweisen. Die Minitracheotomie ermöglicht hierbei gleichzeitig NIV und effektives Sekretmanagement.
Bezüglich praktischer Aspekte, insbesondere für die Behandlung von Patienten mit NME und COPD, wird auf das Kapitel „Sekretmanagement“ in der S2k-Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung zur Therapie der chronisch respiratorischen Insuffizienz“ [3] verwiesen.
Wie für die Mobilisation gilt hier genauso die absolute Notwendigkeit, die Sekretolyse und Sekretentfernung an 7 Tagen in der Woche regelmäßig, bei Bedarf mehrfach täglich, durchzuführen.
E34: Sekretmanagement soll im prolongierten Weaning aufgrund des zentralen Stellenwerts täglich, auch an Wochenenden, durchgeführt werden.
E35: Insbesondere bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen und NIV, bei denen eine ansonsten therapierefraktäre Hypersekretion besteht, kann eine „Minitracheotomie“ hilfreich sein, um Sekret effektiv absaugen zu können.
QI2: Sekretmanagement wird täglich, auch am Wochenende, im Weaning-Prozess durchgeführt (Anzahl der Patienten, die täglich ein Sekretmanagement erhalten haben/Anzahl der Patienten, bei denen ein Sekretmanagement hätte durchgeführt werden soll).
5.6.1.5 Dysphagiemanagement
Dysphagien mit nachfolgender Aspiration stellen im prolongierten Weaning nicht selten die Ursache für eine erfolglose Dekanülierung bzw. rezidivierende Infektionen der unteren Atemwege dar. Die Ursachen hierfür sind vielfältig (siehe [Tab. 20]).
Mögliche Ursachen von Dysphagien im Weaning-Prozess |
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Ob eine Trachealkanüle an sich einen unabhängigen Risikofaktor für eine Aspiration darstellt, ist umstritten: Einige Arbeiten verneinen dies [561] [562], insbesondere da mit vorhandener Trachealkanüle der Larynx während des Schluckens adäquat angehoben werden kann [563]. Auf der anderen Seite beschrieben Romero et al. in einer prospektiven Studie bei Patienten mit Dilatationstracheotomie nach einer Beatmungszeit von 20 ± 11 Tagen eine mittels FEES (Fiberendoscopic Evaluation of Swallowing) nachgewiesene Schluckstörung bei 38 % der Patienten [375]. Klar ist, dass auch mit einer geblockten Trachealkanüle eine Aspiration nicht vollständig verhindert werden kann, da beim Schluckakt Drücke entstehen können, die den Cuff-Druck übersteigen [564].
Vor allem bei neurologischen Patienten im prolongierten Weaning ist es wichtig, grundsätzlich an die Möglichkeit einer Dysphagie zu denken und sie durch entsprechende Untersuchungen auszuschließen bzw. zu bestätigen, in erster Linie klinisch, aber auch apparativ mittels FEES. Logopädische Kompetenz sollte beim Dysphagiemanagement sowohl im Hinblick auf Diagnostik als auch Therapie eingebunden sein.
Über die Häufigkeit von Schluckstörungen im prolongierten Weaning und die Auswirkungen auf den Weaning-Verlauf existieren keine prospektiven Studien. In einem Patientengut mit a priori hoher Wahrscheinlichkeit einer Schluckstörung wegen der Grunderkrankungen sind in der neurologischen Frührehabilitation Schluckstörungen in bis zu 87 % der aufgenommenen Patienten beschrieben [565].
Aufgrund der hohen Prävalenz einer Schluckstörung sollte im Weaning-Prozess routinemäßig eine Evaluation der oberen Atemwege mit der spezifischen Fragestellung nach Vorliegen einer Dysphagie stattfinden.
Eine Aspirationsneigung kann häufig bereits klinisch, z. B. durch Absaugen von Aspirat, aber auch nach Anfärben des Speichels bzw. der Nahrung durch z. B. Lebensmittelfarbe bei entblockter Kanüle nachgewiesen werden. Mittels flexibler Endoskopie bei liegender Trachealkanüle können Verletzungen wie Ary-Knorpel-Dislokationen, Schleimhautschwellungen im Aditus laryngis und als Ausdruck einer Schluckstörung auch ein Speichelsee am Larynxeingang gesehen werden. Gleichzeitig kann beim wachen Patienten die Sensibilität des Larynx überprüft werden.
Bei kooperativen, wachen Patienten existieren 2 zusätzliche Verfahren:
-
modifizierter Evanʼs Blue Dye-Test [566]: nach Anfärbung von Speichel oder Nahrung zeigt ein Austritt von Farbe um die geblockte Kanüle aus dem Tracheostoma sicher eine Aspiration an, bei entblockter Kanüle kann zusätzlich farbiges Aspirat abgesaugt werden. Der prädiktive Wert für eine Aspiration ist hoch [567]. Einschränkend können Penetrationen mit dieser Methode nicht diagnostiziert werden, und ebenso kann keine Quantifizierung des Grades der Schluckstörung stattfinden.
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endoskopische transnasale Evaluation des Schluckaktes (FEES). Diese wird als Goldstandard der Schluckdiagnostik angesehen [568], nicht nur bei erwachsenen Patienten [569]. Hierbei wird ohne Lokalanästhesie ein dünnes Bronchoskop, ideal Videobronchoskop, durch die rechte oder linke Nase in den Mesopharynx/Hypopharynx eingeführt. Somit kann das Vorliegen eines Speichelsees im Hypopharynx überprüft und gleichzeitig das Abschlucken von mit Lebensmittelfarbe angefärbten Speisen verschiedener Konsistenzen (flüssig, breiig, fest, bröselig) untersucht werden. Hiermit kann der Übertritt von Speise in den Eingangsbereich des Kehlkopfes (Penetration) und Durchtritt durch die Stimmbänder (Aspiration) sicher nachgewiesen werden. Auch Residuen im Hypopharynxbereich, die häufig Ausdruck einer gestörten Sensibilität sind und bei Lagewechsel sekundär aspiriert werden können, werden mit dieser Methode dargestellt. Für die Graduierung der Schwere der Schluckstörung, insbesondere auch zur Beurteilung und Vergleichbarkeit von sequentiellen Untersuchungen, hat sich die Penetrations-Aspirations-Skala nach Rosenbek (siehe [Tab. 21]) [570] durchgesetzt.
Grad |
Charakteristika |
1 |
keine Penetration |
2 |
laryngeale Penetration oberhalb der Stimmlippen mit vollständiger Reinigung |
3 |
laryngeale Penetration oberhalb der Stimmlippen, keine Reinigung |
4 |
laryngeale Penetration bis zu den Stimmlippen mit vollständiger Reinigung |
5 |
laryngeale Penetration bis zu den Stimmlippen, keine Reinigung |
6 |
Aspiration mit Reinigung der Trachea (Abhusten in Aditus laryngis und außerhalb) |
7 |
Aspiration, keine Reinigung der Trachea bei zu schwachem Hustenstoß |
8 |
Aspiration, kein Husten |
Über das Vorgehen bei neurologischen Frührehabilitanden sei auf einschlägige Fachliteratur verwiesen [571].
Die oben beschriebenen Verfahren ergänzen sich in ihrer Aussage und geben genauere Informationen über die orale, pharyngeale und oesophageale Phase des Schluckaktes. Auf den Erkenntnissen des diagnostischen Verfahrens, mit dem das Behandlungsteam die meiste Erfahrung hat, basiert dann eine problemorientierte und individualisierte Strategie, bei der logopädischer Sachverstand engmaschig eingebunden sein sollte. Bei großen Speichelseen oberhalb des Larynx können Anticholinergika (z. B. Scopolamin-Pflaster), als individueller Heilversuch auch Botulinumtoxin-Injektionen in die Speicheldrüsen [572], zur Verminderung der Speichelproduktion eingesetzt werden. Hierdurch werden das passagere Entblocken der Trachealkanüle, die Zunahme des physiologischen Luftflusses und die Verbesserung der Propriozeption der oberen Atemwege ermöglicht. Wichtig ist es, bei Patienten, die mit einer geblockten Trachealkanüle versorgt sind, grundsätzlich Systeme zu verwenden, die über eine subglottische Absaugung verfügen [564].
Die spezifische Dysphagietherapie hat als Ziel, Aspirationen zu vermeiden und eine orale Nahrungsaufnahme zu ermöglichen. Diese Therapie sollte stets interdisziplinär durchgeführt werden, u. a. stehen im prolongierten Weaning logopädische Maßnahmen nach Langzeitintubation oder Tracheostomie zur Verfügung. Schluckübungen und -versuche durch Logopäden oder Ergo- oder Atmungstherapeuten unterstützen die Wiederherstellung der üblichen motorischen Abläufe des Schluckaktes bzw. das Erlernen von kompensatorischen Schlucktechniken. Isolierte Penetrationen sind keine Kontraindikationen für eine orale Nahrungsaufnahme, auch Aspirationen mit Selbstreinigung des Larynx können toleriert werden. Ein Entblocken der Kanüle, unter Umständen bei Spontanatmung in Kombination mit einem Sprechventil zur Förderung des Hustenstoßes, ist teilweise hilfreich in diesem Prozess [573]. Für eine definitive Dekanülierung sollte eine Aspiration sicher, z. B. über FEES, ausgeschlossen werden. Aus Gründen der Lebensqualität und Kommunikationsverbesserung kann eine Dekanülierung nach Aufklärung über das Aspirationsrisiko und dessen Konsequenzen auch früher erfolgen, insbesondere wenn der tatsächliche bzw. mutmaßliche Wille des Patienten die zu erreichende Lebenszeit nicht als primäres Therapieziel ansieht.
E36: Vor Beginn der oralen Nahrungsaufnahme nach invasiver Langzeitbeatmung soll ein Test auf Vorliegen einer Dysphagie frühzeitig durchgeführt werden.
E37: Bei Vorliegen einer Schluckstörung soll ein logopädisch begleitetes Schlucktraining regelmäßig durchgeführt werden.
E38: Vor einer Dekanülierung sollte eine Aspiration klinisch, möglichst auch apparativ, ausgeschlossen werden.
QI3: Screening auf Dysphagie: Anzahl der Patienten, bei denen ein Dysphagie-Screening im prolongierten Weaning vor Beginn der oralen Ernährung durchgeführt wurde/Anzahl der Patienten im prolongierten Weaning mit oraler Ernährung.
5.6.1.6 Maßnahmen zur Verbesserung der Zwerchfellfunktion im prolongierten Weaning
5.6.1.6.1 Inspiratorisches Muskeltraining (IMT)
Es ist möglich, mittels spezifischer Verfahren ein inspiratorisches Atemmuskeltraining (IMT) bei Patienten mit Zwerchfellschwäche durchzuführen.
Von den verfügbaren Methoden des IMT bieten sich bei Patienten mit Zwerchfellschwäche prinzipiell alle 3 anerkannten Methoden an: 1. Inspiratory Threshold Loading, 2. Kontrollierte Stenoseatmung, 3. Normokapnische Hyperpnoe [574].
Zum Thema Training der Inspirationsmuskultur wurden kürzlich ein systematisches Review [575] und eine randomisierte Studie veröffentlicht [576].
Das Review analysiert 10 Studien und kommt zur Schlussfolgerung, dass sich durch Training der Inspirationsmuskulatur in einem selektierten Patientengut und in variabler Effektivität der Weaning-Prozess und die Anwendungsdauer von NIV nach Extubation verkürzen lassen [575]. Die randomisierte Studie untersucht den Effekt des Trainings der Inspirationsmuskultur nach erfolgreichem Weaning [576]. Das Training der Inspirationsmuskultur führte zur erhöhten inspiratorischen Muskelkraft und Lebensqualität; ein Effekt auf die Hospitalmortalität ließ sich nicht zeigen. Vor dem Hintergrund dieses Artikels muss in zukünftigen Studien geprüft werden, ob sich durch Training der Inspirationsmuskultur bei selektierten Patienten die Rate des Postextubationsversagen reduzieren lässt.
Inspiratorisches Atemmuskeltraining beeinflusst bei invasiv beatmeten Patienten im Weaning die Atemmuskelfunktion sowie den Weaning-Erfolg günstig [312] [577] und ist (bei entsprechender Patientenselektion) ohne Patientengefährdung anwendbar [576]. Ob hierbei auch ein protektiver „Anti-VIDD“-Effekt erreicht werden kann, bleibt trotz indirekter Hinweise wie einer reduzierten postoperativen pulmonalen Komplikationsrate und einer verkürzten Krankenhausaufenthaltsdauer bei Hochrisiko-Patienten vor arterio-venösen Bypass-Operationen aktuell noch offen [578].
5.6.1.6.2 Atemmuskelunterstützung durch indirekte und direkte Stimulation des Zwerchfells
Die chirurgische Implantation von Systemen zur Stimulation des N. phrenicus wurde schon in den 40er-Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts beschrieben und seither in der Therapie von Rückenmarksschäden eingesetzt [579] [580]. Die unzureichende Zwerchfellkraft oder Zwerchfelldysfunktion ist eine zentrale Ursache für ein Weaning-Versagen. Einen relativ neuen, potenziell therapeutischen, Ansatz stellt die passagere Stimulation des Zwerchfells zur Unterstützung des Atemmuskeltrainings dar. Hiermit soll die Regeneration des Zwerchfells und damit das Weaning von der Beatmung beschleunigt werden. Erste klinische Daten gibt es sowohl für diaphragmal implantierte Sonden als auch für transvenöse Katheter, die über die Stimulation des N. phrenicus eine Zwerchfelkontraktion auslösen [581] [582] [583] [584] [585]. Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass eine reine kontrollierte Beatmung zu einer signifikannten Zwerchfellatrophy führt und mittels intermittierender Stimulation des N. phrenicus reduziert werden kann [583].
In einer klinischen Untersuchung bei 22 Patienten, die sich elektiven chirurgischen Eingriffen unterzogen (Korrektur Vorhofseptumdefekt), konnten sowohl die grundsätzliche Anwendbarkeit der Methode als auch die effektive Auslösung von Zwerchfellkontraktionen aufgezeigt werden und damit die grundsätzliche Machbarkeit im klinischen Setting [584].
Derzeit wird in Europa eine prospektive kontrollierte randomisierte klinische Studie durchgeführt (Percutaneous Temporary Placement of a Phrenic Nerve Stimulator for Diaphragm Pacing [RESCUE2]) [585]. Eingeschlossen werden 88 erwachsene Patienten mit einer Beatmungsdauer > 96 Stunden, bei denen mindestens 2 Weaning-Versuche nicht erfolgreich waren.
Ob die Effekte einer temporären Zwerchfellstimulation den Einsatz dieser invasiven Methoden letztlich gerechtfertigt erscheinen lassen, kann bisher nicht abschließend bewertet werden.
Die Ergebnisse laufender und zukünftiger prospektiver klinischer Studien müssen, auch im Hinblick auf mögliche Komplikationen, abgewartet werden. Aufgrund der eingeschränkten Datenlage ist aktuell somit keine abschließende Bewertung dieses Verfahrens möglich.
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5.6.2 Extrakorporale Lungenersatzverfahren
Bei einem extrakorporalen Lungenersatzverfahren wird Blut zur Aufsättigung mit Sauerstoff und Elimination von Kohlendioxid über eine (i. d. R.) venöse Kanüle und ein Schlauchsystem durch einen Membranoxygenator gepumpt und im Anschluss in den Kreislauf zurückgeleitet. Alternativ kann eine CO2-Elimination auch über spezielle Dialyseverfahren, z. B. durch Bikarbonatelimination, erfolgen. Wichtige Determinanten der Effektivität eines extrakorporalen Lungenersatzverfahrens sind der Blut- oder Pumpenfluss, bzw. der Frischgasfluss über die gasaustauschende Membran. Je nach System und Durchmesser der Kanülen sind Blutflussraten von bis > 5 L/min möglich. Während für eine effiziente Oxygenierung des Blutes ein ausreichender Blutfluss (i. d. R. > 1,5 L/min) über den Oxygenator erforderlich ist, werden für eine effiziente CO2-Elimination niedrigere Flussraten benötigt, die entscheidend über die Höhe des Frischgasflusses definiert sind [586] [587]. Die potenziellen Indikationen und Einsatzgebiete für den Einsatz extrakorporaler Lungenersatzverfahren umfassen theoretisch fast alle Formen des akuten, aber auch des chronischen Lungenversagens und sind abhängig von der Effizienz und Invasivität der Systeme.
Derzeit werden 2 verfügbare Systemgruppen unterschieden:
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„High-Flow-Systeme“ ermöglichen eine extrakorporale Membranoxygenierung (extracorporeal membrane oxygenation, ECMO) und kommen primär bei Patienten mit schwerem Lungenversagen zum Einsatz, wenn alle konservativen Strategien ausgereizt sind und keine ausreichende Oxygenierung sichergestellt werden kann. Der S3-Leitlinie „Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ folgend, ist ihr Einsatz an Strukturmerkmale gebunden und sollte in Zentren erfolgen, die eine Expertise in der Behandlung dieser Patienten haben [162].
-
„Low-Flow-Systeme“ haben aufgrund der deutlich geringeren extrakorporalen Blutflüsse keinen wesentlichen Effekt auf die Oxygenierung. Sie sind fast ausschließlich auf die extrakorporale CO2-Elimination (extracorporeal carbon dioxide removal, ECCO2R) beschränkt und haben ihren Einsatz hauptsächlich bei Patienten mit akutem hyperkapnischem Atemversagen gefunden. Die extrakorporale CO2-Elimination ist mittels pumpenloser arterio-venöser (pECLA) oder pumpenbetriebener veno-venöser extrakorporaler Verfahren möglich. In diese Kategorie fallen auch die Systeme, bei denen Nierenersatzverfahren mit ECCO2R über eine Membranlunge kombiniert werden oder die CO2-Elimination über Bikarbonat-Ultrafiltration oder Elektrodialyse erfolgt [588] [589] [590] [591].
Je nachdem, wie hoch während der ECCO2R der Anteil des extrakorporal eliminierten CO2 im Verhältnis zur CO2-Produktion des Patienten ist, kann mittels ECCO2R ein Teil oder die gesamte für die CO2-Elimination erforderliche Atemarbeit übernommen werden. In einer Reihe von prospektiven und retrospektiven Fallkontrollstudien konnte gezeigt werden, dass mit diesen Verfahren eine signifikante Reduktion des arteriellen Kohlendioxidpartialdrucks und eine Anhebung des pH erzielt wird [592] [593] [594] [595] [596]. Bei Patienten im prolongierten Weaning erscheint es damit theoretisch möglich, durch den Einsatz einer ECCO2R das Weaning von der Beatmung zu erleichtern oder die Beatmung zu ersetzen. Die wesentlichen potenziellen Vorteile einer ECCO2R im Vergleich zur fortgesetzten maschinellen Beatmung liegen in der Vermeidung beatmungsassoziierter Komplikation und dem höheren Komfort für den Patienten. Allerdings müssen die potenziellen Vorteile mit den Komplikationen des Verfahrens (Gefäßverletzung, Notwendigkeit der therapeutischen Antikoagulation, Blutungen und thrombembolische Ereignisse) ins Verhältnis gesetzt werden.
Es wurden keine prospektiven randomisierten klinischen Studie gefunden, in denen bei Patienten im prolongierten Weaning der Effekt eines ECCO2R-basierten Weanings im Vergleich zum konventionellen Weaning untersucht wurde. Obschon die ECCO2R seit Jahren in Deutschland zur Anwendung kommt [597], sollte das Verfahren aus diesem Grund zunächst in kontrollierten prospektiven Studien untersucht werden. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt als „experimentelles“ Verfahren zu bewerten. Eine Empfehlung für oder gegen den Einsatz der ECCO2R im prolongierten Weaning kann auf der Basis vorliegender Daten nicht abgegeben werden.
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5.6.3 Schlaf auf der Intensivstation
Sowohl Schlaf als auch der zirkadiane Rhythmus von Patienten sind während des Aufenthalts auf Intensivstationen teilweise erheblich gestört – häufige Arousals, Verlust an Tief- und REM-Schlaf sowie eine abnormale Verteilung von Schlaf- und Wachperioden auch am Tag sind in verschiedenen Studien beschrieben [598] [599] [600] [601]. Die Schlafdeprivation hat negative Auswirkungen auf das Immunsystem, das Herz-Kreislauf-System und die kognitiven Fähigkeiten, die Atemmuskelkraft [602], sie ist Risikofaktor für die Entwicklung eines Delirs und kann die Länge des Aufenthalts auf einer Intensivstation und die Mortalität erhöhen.
Huttmann et al. untersuchten polysomnografisch und mittels Fragebögen die Schlafqualität bei 19 tracheotomierten Patienten im Weaning-Prozess auf einer Intensivstation: Sie fanden eine verringerte Schlafqualität bei erhaltener Länge der Tiefschlafphasen und einem Arousal-Index von 18,7 ± 12,4/Stunde [603]. Ein Unterschied zwischen Patienten mit erfolgreichem Weaning im Vergleich zu Patienten mit Weaning-Versagen konnte nicht gefunden werden. Erhöhte Bikarbonat-Werte korrelierten negativ mit Schlaf-Effizienz und -qualität.
Folgende Faktoren können für die gestörte Schlafarchitektur verantwortlich sein
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Laute Umgebung (v. a. durch Pflegepersonal verursacht)
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Beatmung
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Inflammation
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Nicht ausreichend behandelte Schmerzen
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Medikamenten-Wirkungen und -Nebenwirkungen
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Therapeutische und pflegerische Maßnahmen
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Monitoring
Die Studie von Bihari und Kollegen [604] identifizierte den Lärm auf Intensivstationen, verursacht vor allem durch Gespräche und Unterhaltungen von Ärzten und Pflegekräften, als Hauptursache für den gestörten Schlaf.
Für den Weaning-Prozess v. a. bei Patienten im prolongierten Weaning erscheint eine Förderung des normalen Tag-Nacht-Rhythmus trotz der negativen Ergebnisse der Studie von Huttmann und Kollegen aus physiologischen Gesichtspunkten sinnvoll. Deswegen wurde die Schaffung einer Atmosphäre, die einen normalen Tag-Nacht-Rhythmus auf Intensiv- und Weaning-Stationen fördert, als ein strukturelles Kriterium für Weaning-Stationen benannt (siehe Kriterienkatalog zum Zertifizierungsverfahren im WeanNet [605]). Ganz besonders im Vordergrund stehen hierbei Bemühungen, Asynchronien zwischen Beatmungsgerät und Atmung des Patienten und pflegebedingte Irritationen, die den physiologischen zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus stören, deutlich zu reduzieren oder ganz aufzuheben. Mit Maßnahmen unterschiedlicher Art gelingt es, den Patienten tagsüber wach zu halten, um so den Schlafdruck für die Nacht zu erhöhen. Wenn immer möglich, müssen nächtliche Störungen durch Lärm und Licht auf der Intensivstation vermieden werden. Auch Störungen des Schlafes der Patienten durch nicht unbedingt erforderlich pflegerische Maßnahmen gehören hierzu.
Konzepte zur Verbesserung der Schlafqualität auf der Intensivstation beinhalten darüber hinaus schlaffördernde Maßnahmen wie Licht- und Lärmreduktion sowie das Angebot von Ohrstöpseln und Schlafbrillen [146] [606]. Spezifisch pharmakologische Aspekte bzgl. der Analgesie und Sedierung treten im Vergleich zu den nichtpharmakologischen Maßnahmen in den Hintergrund, da sie nach Studien [607] [608] eine normale Schlafarchitektur verhindern.
5.6.3.1 Bedeutung von Melatonin
Die US-amerikanischen Leitlinien zum Thema Analgesie, Sedierung und Delirmanagement geben keine Empfehlung bezüglich der Verwendung von Melatonin zur Verbesserung des Schlafes bei Intensivpatienten [609].
Drei RCTS mit einer Gesamtstudienpopulation von 60 Patienten zeigten hinsichtlich Schlafdauer oder Schlafqualität keine eindeutige Wirksmkeit bei der Verwendung von Melatonin [610] [611] [612].
Für den im US-amerikanischen Bereich zugelassenen Melatonin-Rezeptoragonisten Ramalteon sind günstige Effekte auf das Auftreten eines Delirs beschrieben worden, nicht aber für die Schlafqualität [613] [614].
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5.7 Besonderheiten bei Querschnittlähmung
Das Weaning hochquerschnittgelähmter Patienten ist aus vielen Gründen eine Herausforderung für die Spezialzentren. Da es sich hier im Regelfall um ein prolongiertes, diskontinuierliches Weaning bei tracheotomierten Patienten handelt [615] [616], beträgt die in der Literatur angegebene Liegezeit auf den spezialisierten Stationen zwischen 40 und 292 Tagen [617]. Prolongierte Weaning-Verläufe sind somit die Regel, da u. a. rezidivierende pulmonale Infekte den Weaning-Prozess verzögern [618] [619]. Die Versagerquote nach Langzeit-Weaning wird einvernehmlich mit rund 30 % angegeben [615] [616]. Parallel dazu können vielfältige vegetative Dysregulationen wie Hypotonien, Bradykardien, Temperaturregulationsstörungen und autonome Dysreflexien den Behandlungsverlauf erheblich erschweren [618] [620] und erfordern in ihrer Behandlung einen erfahrenen Paraplegiologen. Seit ca. 15 Jahren wird bei Hochquerschnittgelähmten in den deutschen Querschnittgelähmtenzentren Respiratorentwöhnung durchgeführt.
5.7.1 Pathophysiologische Aspekte
Alle hochquerschnittgelähmten Patienten sind in ihrer Atmung eingeschränkt [621]. Dies liegt seltener an (vor-)bestehenden Lungenerkrankungen, sondern hauptsächlich an der Beeinträchtigung der muskulären Atempumpe nach teilweiser oder totaler spinaler Denervation der Atem(-hilfs-)muskulatur. An erster Stelle ist hier das Zwerchfell zu nennen, das bei diesen Patienten nahezu 100 % der verbliebenen aktiven Atemarbeit leistet [622] [623]. Es gilt, diesen Muskel und seine (Rest-)Funktionen behutsam, methodisch und vor allem ohne Ermüdung zu trainieren. Dieses Training bewirkt, dass bestimmte Muskelfasertypen, welche zunächst schnell ermüden, nun eine ausdauernde Leistung erbringen können [623] [624]. Dieses Phänomen ist bei Querschnittgelähmten zunächst nach Stimulation des Phrenikusnerven eingehend untersucht worden [625], kann jedoch auch für den Ausbau der respiratorfreien Zeiten bei spontan atmenden Patienten genutzt werden. Wichtig ist, den Ermüdungspunkt des Zwerchfells (sog. fatigue-point) nicht zu erreichen, da sonst das Weaning nachhaltig verzögert wird oder überhaupt nicht möglich ist [626] [627] [628].
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5.7.2 Charakteristika von Patienten mit Querschnittlähmung
Die Mehrzahl der Patienten sind Tetraplegiker oder -paretiker mit einer Querschnittlähmung (QSL) unterhalb C0 – C8, Abbreviated Injury Scale (AIS) Typ A, B oder C ([Tab. 22]) [629]. Seltener finden sich auch Paraplegiker mit zusätzlichen Begleitverletzungen und/oder -erkrankungen, welche die Atemleistung beeinträchtigen.
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5.7.3 Ergänzende Ausschlusskriterien für den Beginn des Weaning-Prozesses
Zusätzlich zu den bekannten allgemeinen Ausschlusskriterien gibt es querschnittlähmungstypische medizinische Gegebenheiten, unter denen ein Weaning nicht begonnen bzw. fortgesetzt werden kann:
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persistierende komplette Zwerchfelllähmung ohne Hustenstoß
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unbehandelte, hochgradig ausgeprägte autonome Dysreflexie
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nicht kompensierte, die Atmung signifikant beeinträchtigende Spastik
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Dekubitalgeschwüre mit begleitender Sepsis
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5.7.4 Praktischer Ablauf des Weaning-Prozesses
Das Weaning wird tagsüber meist in liegender Position begonnen. Die Gründe dafür sind, dass querschnittgelähmte Patienten in dieser Position sowohl stabilere Blutdruckverhältnisse als auch ein höheres Atemzugvolumen vorweisen [629] [630]. Ab einer Spontanatmungszeit von 20 min/h kann das Weaning aufgrund des trainierten Zwerchfelles im Regelfall auch in sitzender Position durchgeführt werden (z. B. im Rollstuhl) [616] [624]. Eine spirometrische Überwachung der Atemzugvolumina und eine Kapnometrie sind trotzdem jederzeit zu gewährleisten.
Während der Nacht wird die Atemmuskulatur des Patienten bis zum nächsten täglichen Trainingszyklus durch einen kontrollierten Beatmungsmodus möglichst komplett entlastet.
Das Weaning-Konzept wird tagsüber wie folgt durchgeführt: Ein Weaning-Zyklus wird über 12 Stunden geplant (z. B. 8 – 20 Uhr). Da es für jede Stunde einen Anteil Spontanatmung und einen Anteil Entlastungszeit am Respirator gibt, handelt es sich um ein diskontinuierliches Weaning. Pro Tag ergeben sich somit bis zu 12 Trainingseinheiten. Für die Bestimmung der Steigerung des Anteils der Spontanatmung spielt vor allem das sog. gemittelte Atemzugvolumen (spirometrisch gemessenes durchschnittliches Atemzugvolumen über 20 Spontanatemzüge) eine tragende Rolle. Weitere Einflussgrößen sind Vitalkapazität, Atemfrequenz, Ausmaß der Zwerchfellbeweglichkeit (Sonografie) und Prüfung des Hustenstoßes.
Wichtige Abbruchkriterien der Spontanatmung sind Abnahme des Atemzugvolumens (mittleres AZV minus 30 %) sowie die Entwicklung vegetativer Symptomatik (Spastik, Dysreflexie). Die Steigerungseinheiten sind mittels dieser Parameter und aufgrund der klinischen Erfahrung der Behandler jeden Tag zu überprüfen und ggf. zu korrigieren.
Ist das Weaning am Tage erfolgreich abgeschlossen (d. h. der Patient für ca. eine Woche tagsüber respiratorisch stabil), wird das Weaning in der Nacht wie folgt begonnen: Pro Tag wird die Spontanatmungszeit hier um eine Stunde verlängert. Dabei hat der Patient die Wahl, ob die Zeiten in die Nacht hinein verlängert werden oder ob er in den frühen Morgenstunden früher vom Respirator diskonnektiert werden möchte.
Für den Weaning-Prozess haben sich standardisierte Protokolle als hilfreich erwiesen und sollten im Rahmen der Dokumentation verwendet werden [616].
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5.8 Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten
Es gibt wenige Studien zum Weaning, Weaning-Bereitschaft und zur Extubation im Kindesalter. Im Folgenden wird sich auf Weaning von pädiatrischen Patienten bezogen, Studien an Früh- und Neugeborenen wurden nicht eingeschlossen.
5.8.1 Weaning-Protokolle
Zwei prospektiv randomisierte Studien [631] [632] und retrospektive Analysen [633] [634] belegen die Verkürzung der Weaning-Dauer bei Verwendung eines Weaning-Protokolls, eine randomisierte Studie konnte dies nicht bestätigen [635]. Eine kleine retrospektive Studie beschreibt ein Entwöhnungsprotokoll für Patienten mit SMA1: u. a. Verwendung eines In-/Exsufflators (auch [554] [636]); Extubation war möglich, wenn SO2 > 94 % bei FiO2 0,21, vorgegebene Intervalle beim Absaugen erreicht wurden und der Extubation die NIV folgte [637]. Dieses Vorgehen erhöhte in dieser Studie die Extubationsrate. Erste Daten zu closed loop-automatisiertem Weaning stehen auch für Kinder zur Verfügung [638] [639]. Bisher wurde aber kein Vorteil bewiesen [640]. Auch wenn der Benefit von Weaning-Protokollen im Kindesalter wahrscheinlich ist, reicht zum jetzigen Zeitpunkt die vorliegende Studienlage nicht als Basis für eine eindeutige Empfehlung zu deren Anwendung.
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5.8.2 Beurteilung der Entwöhnbarkeit
Die standardisierte Beurteilung der Entwöhnbarkeit von kurzzeitbeatmen Kindern wurde in einer randomisierten Studie untersucht. Täglich wurden folgende Parameter evaluiert (FiO2 ≤ 0,5, PEEP ≤ 8 cm H2O, keine neuen Infiltrate im Röntgenthorax, keine Dauersedierung oder Paralyse, normwertige Elektroyte, hämodynamische Stabilität und Hb ≥ 8 g/dl) und dann ggf. ein SBT durchgeführt. Dieses Vorgehen verkürzte die Beatmungsdauer signifikant [632]. Eine tägliche standardisierte Beurteilung der Entwöhnbarkeit wird von Expertengruppen empfohlen [641]. Weaning-Readiness setzt bei Kindern nach allgemeiner Meinung neben den auch für Erwachsene geltenden Faktoren einen ausreichenden Hydratationszustand voraus [642] [643]. Ob ein restriktives Flüssigkeitsmanagement gegenüber einem liberalen die Extubation begünstigt, ist unbewiesen [644] [645] [646].
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5.8.3 Sedierung und Sedierungsprotokolle
Aufgrund der niedrigen Toleranz von Beatmung ist bei Kindern meist Sedierung während invasiver Beatmung notwendig. Eine Studie beschreibt die Assoziation von Extubationsversagen und tiefer Sedierung [635]. Mit Sedierungsprotokollen für Kinder kann die Sedierungstiefe quantifiziert [647] [648] und besser gesteuert werden [649] [650] [651] [652]. Tägliches Unterbrechen der Sedierung (Einschlusskriterien: mechanische Beatmung > 48 h, Peak Inspiratory Pressure [PIP] < 29 mmHg) verkürzte die Beatmungsdauer in einer randomisierten Studie [653]. In einer anderen Studie verkürzten die Verwendung eines Sedierungsprotokolls sowie standardierte Beurteilung der Entwöhnbarkeit die Beatmungszeit nicht [649].
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5.8.4 Spontanatemversuch und Prädiktion der erfolgreichen Extubation
Eine Studie konnte bei Kindern keine Unterschiede in der Vorhersage eines Extubationsversagens durch SBT über T-Stück oder Beatmung mit PSV 2 h vor Extubation nachweisen [654]. Weitere klassische Parameter für Extubationsversagen wie Vt, Atemfrequenz, P(imax) und f/Vt im SBT sagten auch im Verlauf das Extubationsversagen unzureichend vorher [655] [656] [657]. In einer Studie hatte die Durchführung eines 15-minütigen SBT eine gute Prädiktion (92 %) der erfolgreichen Extubation [658]. Die Rate an Extubationsversagen war aber nicht niedriger als in einem historischen Kontrollkollektiv mit Extubation nach klinischer Einschätzung. Die tägliche Beurteilung der Weaning-Fähigkeit gefolgt von einem SBT verkürzte die Beatmungsdauer bei kurzzeitbeatmeten Patienten, jedoch ohne Auswirkung auf die Reintubationsrate [632]. In einer großen Kohorte hatte ein täglich durchgeführter „RESTORE Extubation Readiness-Test“, der neben anderen Parametern eine 2 h-Spontanatemphase einschließt, einen PPV für erfolgreiche Extubation von 92 (89 – 95) [659]. Andere Prädiktoren für erfolgreiche Extubation wie rapid shallow breathing index < 8 (bzw. < 11) AZ/min/ml/kg und CROP (Compliance, Respiratory Rate, Arterial Oxygenation und Pimax)-Index > 0,15 (bzw. > 0,1) ml/kg/AZ/min, Vd/Vt erbrachten kontroverse Ergebnisse [660] [661] [662] [663] [664] [665] [666] [667] [668]. Eine neuere prospektive Studie beobachtet eine hohe Prädiktion des Tension-Time-Index für den Weaning-Erfolg [669]. Ein Problem bei der Bewertung der respiratorischen Stabilität am CPAP/T-Stück besteht in der Verwendung der dünnen pädiatrischen Tuben und der mit der 4. Potenz des Radius einhergehenden Erhöhung des Widerstandes. Oft kommt es durch Extubation zur Abnahme des Atemwegswiderstandes, sodass die Extubation trotz negativem SBT erfolgreich sein kann. Aus dem gleichen Grund erschöpfen sich Kinder oft bereits im SBT. Andererseites überschätzt eine Tubuskompensation durch höhere PSV-Drücke im SBT bei kleinen Tuben die Extubations-Readiness möglicherweise [670]. Zusammenfassend konnte mit der standardisierten Durchführung von SBTs bei Kindern keine Reduktion an Extubationsversagen erreicht werden, sodass diese nicht regelhaft angewendet werden müssen.
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5.8.5 Beatmungsformen im Weaning
Eine randomisierte Studie konnte keinen Unterschied zwischen Weaning über PSV, VC oder Weaning ohne Protokoll finden [635]. Eine weitere Studie findet bei 70 Kindern keinen Unterschied in der Beatmungsdauer bei Verwendung von PCV vs. SIMV mit PSV [671]. In einer Pilotstudie beschleunigte die Verwendung von NAVA das Weaning [672]. Eine Empfehlung zum Entwöhnmodus im Kindesalter kann derzeit nicht gegeben werden. Allerdings ist in Analogie zur Erwachsenenmedizin von SIMV als Modus der Respiratorentwöhnung bei prolongiertem Weaning eher abzuraten.
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5.8.6 Postextubations-Stridor
Aufgrund der engen Atemwege ist Postextubations-Stridor (Upper Airway Obstruction, UAO) ein häufiger Grund für Extubationsversagen bei Kindern [129] [673] [674] [675]. Der Nutzen des Cuff-Leak-Tests [198] [676] bzw. die Analyse des Tubuslecks bei ungeblockten Tuben zur Abschätzung des Risikos für eine UAO nach Extubation ist umstritten [676] [677] [678]. Eine Metaanalyse belegt mit der Einschränkung niedriger Fallzahlen, dass die prophylaktische Anwendung von Steroiden die Häufigkeit von Postextubations-Stridor und möglicherweise Extubationsversagen reduziert [679] [680]. Möglicherweise profitieren Patienten mit erhöhtem Risiko (u. a. lange Beatmungszeit [681], multiple Atemwegsmanipulation, Laryngotracheitis/Epiglotitis, negativer Cuff-Leak-Test) von Steroiden vor Extubation [682]. Die Verwendung von Helium-Sauerstoff-Mischungen ist ein weiterer Ansatz, um bei Kindern die Reintubationsrate zu senken [683] [684] [685]. Randomisierte kontrollierte Studien fehlen hierzu bisher.
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5.8.7 Tracheotomie
Eine Tracheostomie ist oft indiziert bei Stenosen oder Malazien der Atemwege des Säuglings oder Kleinkindes, um das Weaning zu ermöglichen [132] [133] [686]. Ein Stomaverschluss ist aufgrund der engen Atemwege erst bei ausreichender Größe des Kindes wieder möglich und bei Besserung der zugrunde liegenden Erkrankung [136] [687] [688]. Bei neurologischer Grunderkrankung ist die Weaning-Rate vom Stoma gering [689]. Frühzeitige Tracheotomie als Weaning-Strategie bei schwerem Atemversagen wie z. B. bei ARDS des Kindes ist wenig beachtet. Sie wird meist nur bei Nichtentwöhnbarkeit als Überleitung zur außerklinischen Beatmung eingesetzt und häufig erst nach > 60 Beatmungstagen etabliert [690] [691] [692] [693]. Möglicherweise könnten ältere Kinder und Adoleszenten von einer früheren Tracheotomie als Weaning-Strategie in Analogie zu den Erwachsenen profitieren [417] [694]. Eine kleine retrospektive Analyse belegt dies aber nicht [693]. Derzeit kann hier keine allgemeine Empfehlung abgeleitet werden. Aufgrund der engen Atemwege und der kleinen, kurzen Kanülen ist das Risiko für Kanülendislokation erhöht. Leichte Rekanulierbarkeit und stabiler Atemweg ohne Kanüle ist lebensrettend [695]. Deshalb müssen Tracheotomien bei Kindern chirurgisch epithelialisiert angelegt werden. Die Kanülenlage muss regelmäßig endoskopisch kontrolliert werden, um Granulationen [696], Malazien und Dilatation der Tracheahinterwand frühzeitig zu behandeln und um eine Rückverlagerung nicht zu verzögern. Bei der Langzeitbeatmung sind wegen der Sprechfähigkeit, der Belüftung des Nasenrachenraumes und dem besseren Schlucken ungeblockte Kanülen unbedingt vorzuziehen. Ggf. kann bei hoher Leckage und damit vielen Gerätealarmen nachts die Kanüle geblockt werden und tags entblockt werden. Bei der definitiven Entwöhung von der Trachealkanüle hat sich die Verwendung sukzessiv kleinerer Kanülen über Wochen oder bei älteren Kindern die Verwendung eines konfektionierten oder plastisch angepassten Platzhalters bewährt, bevor das Stoma letztendlich mit Kolloidverband ganz abgeklebt und letztendlich chirurgisch verschlossen wird. Aufgrund der kleinen Trachea ist ein Stomaverschluss selten vor dem 2. Lebensjahr erfolgreich.
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5.8.8 Nichtinvasive Beatmung
NIV wird im Kindesalter im Respirator-Weaning erfolgreich angewendet [687] [697] [698] [699]. NIV im Langzeit-Weaning wurde an einer kleinen Kohorte beschrieben [687]. Es sind aber keine randomisierten Studien zu NIV im Weaning-Prozess im Kindesalter außerhalb der Neugeborenenperiode verfügbar, sodass derzeit keine allgemeine Empfehlung abgeleitet werden kann, auch wenn NIV in Analogie zu den Studien bei Erwachsenen einen festen Bestandteil des Weanings darstellt. Sofortige Extubation auf NIV scheint vorteilhafter als ein Rescue bei Extubationsversagen und wird bei Antizipation einer schwierigen Extubation empfohlen [698] [700].
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5.8.9 High-flow Nasal Cannula (HFNC)
Neuerdings kommt auch die High-flow nasal cannula häufiger in der Postextubations-Phase zum Einsatz. In randomisierten Studien bei Erwachsenen war die HFNC vorteilhafter als Low-Flow-Sauerstoff bzw. ähnlich wirksam wie NIV [457] [458] [459] [464]. Bei Kindern nach kardiochirurgischen Operationen konnte kein Vorteil in Bezug auf die Reintubationsrate gefunden werden [701]. Bisher ist die Datenlage noch zu unsicher, um den Stellenwert der HFNC im Weaning von Kindern abzuschätzen.
E39: Kinder mit erhöhtem Risiko für Postextubations-Stridor sollten vor Extubation prophylakatisch Steroide erhalten.
E40: Tracheotomien bei Kindern sollten chirurgisch epithelialisiert angelegt werden, und die Kanülenlage sollte regelmäßig endoskopisch kontrolliert werden.
E41: Eine tägliche Unterbrechung der Sedierung sollte bei Kindern durchgeführt werden, um die Beatmungsdauer zu verkürzen.
E42: Die Entwöhnbarkeit sollte täglich beurteilt werden.
E43: Im prolongierten Weaning sollte unmittelbar nach Beendigung der invasiven Beatmung die NIV begonnen werden.
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6 Infrastruktur und Prozessorganisation in der Versorgung von Patienten im prolongierten Weaning im Sinne eines kontinuierlichen Behandlungskonzeptes
6.1 Einleitung
Die Zahl der Patienten mit prolongierter Beatmung, definiert über mindestens 96 Stunden Beatmung, nimmt kontinuierlich zu [702]. Hieraus resultiert auch eine zunehmende Anzahl von Patienten, die ein prolongiertes Weaning mit all seinen personellen und finanziellen Implikationen für das Gesundheitssystem [9] benötigen. In Deutschland existieren ca. 27 500 Intensivbetten [703] in 1177 Krankenhäusern mit dem Angebot einer Intensivbehandlung, d. h. ca. 34 Betten/1000 Einwohner. Auch wenn Patienten im prolongierten Weaning auf den Intensivstationen quantitativ eher eine geringere Rolle spielen (ca. 10 – 20 %) [9] [32] [38] [704] [705] [706] [707], sind sowohl die Anforderungen an die fachliche Qualifikation von Medizin und Pflege als auch an die Infrastruktur und vorhandene Ressourcen zur Behandlung dieser Patienten hoch. Aufgrund der unterschiedlichen klinischen Ursachen, die zu einem prolongierten Weaning führen können, und der damit verbundenen Heterogenität der Bereiche, aus denen sich Patienten im prolongierten Weaning rekrutieren, sind die Anforderungen an Infrastruktur und Organisation der Behandlung von Patienten im prolongierten Weaning in den entsprechenden Stationen oder Einrichtungen, sei es im Akutkrankenhaus, spezialisierten Weaning-Einheiten oder in der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation mit Beatmung, verschieden. Vor dem Hintergrund dieser pluralistischen Strukturen ist die Entwicklung von Qualitätskriterien erforderlich, die eine Behandlung von Patienten im prolongierten Weaning mit der erforderlichen Behandlungsqualität sicherstellen, unabhängig davon, in welchem dieser Bereiche prolongiertes Weaning durchgeführt wird. In der Versorgung der Patienten im prolongierten Weaning kommt es aus klinischer Indikation, mangelnder Kapazität, oder weil die für das prolongierte Weaning notwendigen Ressourcen in der Akutmedizin häufig nicht ausreichend abgebildet sind, teilweise zu einem Transfer dieser Patienten in entsprechende spezialisierte Stationen, Einheiten oder Zentren. Allerdings wird eine steigende Anzahl von Patienten mit außerklinischer invasiver Beatmung, ohne dass eine Überprüfung der Indikation zur außerklinischen Beatmung durch entsprechend ausgewiesene Experten für prolongiertes Weaning stattgefunden hat, unter Umgehung dieser spezialisierten Einheiten oder Zentren direkt von den Intensivstationen in die außerklinische Intensivpflege verlegt (ca. 85 %) [708]. Für den Aufbau bzw. die Aufrechterhaltung einer hohen Versorgungsqualität ist die Verlegung entlang eines definierten Überleit- und Entlassmanagements mit definierten Qualitätskriterien zwingend erforderlich, wobei nicht nur außerklinische Strukturen, sondern auch spezialisierte Kliniken oder Zentren für Weaning hierbei inkludiert sein müssen [709]. Beispielhaft sei hier die Empfehlung der S2-Leitlinie „Invasive und nichtinvasive Beatmung bei chronisch respiratorischer Insuffizienz“ genannt, die eine Begrenzung der Finanzierung einer außerklinischen Beatmung auf maximal 3 Monate vorschlägt, falls nicht von einem Expertenzentrum die Notwendigkeit der außerklinischen invasiven Beatmung bestätigt worden ist [3].
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6.2 Akutkrankenhaus
Die Behandlung der Patienten stellt in der Intensivmedizin häufig ein Kontinuum dar, an dessen Beginn nicht selten die invasive Beatmung und ein Mehrorganversagen stehen. Mit der Restitution einzelner Organfunktionen tritt dann im Verlauf die Entwöhnung von der invasiven Beatmung zunehmend ins Zentrum der intensivmedizinischen Behandlung, begleitet von den (rehabilitativen) Maßnahmen, mit denen eine Funktionalität wiederhergestellt wird. Damit ist die Entwöhnung von der invasiven Beatmung, wie bereits erwähnt (Kapitel 5.1), von Beginn an Teil therapeutischer Überlegungen und die erfolgreiche Entwöhnung von der Beatmung in der Akutintensivmedizin integraler Bestandteil umfassender Therapiekonzepte. Darüberhinaus kommt der Akutintensivmedizin im Sinne der Prävention von Langzeitbeatmung und prolongierter Entwöhnung ein wesentlicher Stellenwert in der Repiratorentwöhnung zu. Nach Kastrup et al. [709] werden hier in der Prozesskette des Weanings die Weichen für ein erfolgreiches Weaning gestellt. Die Behandlung entlang definierter Qualitätsindikatoren [709] erhöht die Chancen einer erfolgreichen prolongierten Entwöhnung noch im Bereich der Akutintensivmedizin (siehe Kapitel 5.1). Dennoch ist es aufgrund der aktuellen Entwicklung mit einer deutlichen Zunahme der Patienten mit invasiver außerklinischer Beatmung notwendig, neben der Strategie der Vermeidung des prolongierten Weanings auch ausreichend entsprechend spezialisierte Einheiten zu schaffen, in denen die primär als nicht entwöhnbar erklärten Patienten vor der Verlegung in die außerklinische Intensivpflege nochmals eine Chance auf Beatmungsentwöhnung erhalten. Entsprechende Konzepte existieren bereits z. B. im Bereich der Pneumologie, der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation oder derjenigen akutintensivmedizinischen Weaning-Einheiten, die sich auf diese Versorgung besonders spezialisiert haben.
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6.3 Weaning-Einheiten – Weaning-Zentren
Für die Patienten im prolongierten Weaning insbesondere der Kategorie 3b und 3c (siehe Kapitel 3.4), die neben der Weaning-Problematik häufig eine hohe Zahl von Komorbiditäten aufweisen [710] oder chronisch kritisch krank sind [711], ist die Behandlung in spezialisierten Einheiten oder Zentren mit entsprechender interdisziplinärer fachlicher Kompetenz aller beteiligten Berufsgruppen und den erforderlichen strukturellen Vorraussetzungen geboten. Aufgrund der Heterogenität der Krankheitsbilder, der unterschiedlichen Organisationsstrukturen der Krankenhäuser und assoziierten wissenschaftlichen Gesellschaften ergibt sich, dass keine Fachdisziplin für sich eine Alleinvertretung für Weaning-Einheiten beanspruchen kann.
Die Erfolge von spezialisierten Weaning-Zentren sind naturgemäß nicht prospektiv randomisiert untersucht, sondern beruhen auf Analysen von einzelnen Zentren bzw. Datenbanken von Netzwerken. So konnte anhand von Auswertungen der WeanNet-Datenbank gezeigt werden, dass 34 % der von extern in die WeanNet-zertifizierten Zentren übernommenen Patienten aus internistischen Intensivstationen, 22 % aus anästhesiologischen und 11 % aus chirurgischen Intensivstationen verlegt wurden [38].
Es wurde gezeigt, dass ca. 60 % der Patienten nach prolongiertem Weaning erfolgreich von der invasiven Beatmung entwöhnt werden können [38]. Zudem kann ein relevanter Anteil pneumologischer Patienten im prolongierten Weaning, die an einer chronisch ventilatorischen Insuffizienz leiden, nach Umstellung von invasiver Beatmung auf eine nichtinvasive Beatmung im Weaning-Zentrum [12] außerklinisch weiter betreut werden.
Vor diesem Hintergrund definiert die unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie erarbeitete S2k-Leitlinie zur „außerklinischen Beatmung“ [3] ein Weaning-Zentrum als ein Beatmungszentrum, das auf das Weaning von prolongierter Beatmung spezialisiert ist und folgende Einheiten beinhaltet:
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Intensiveinheit
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Weaning-Einheit
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Einheit für außerklinische Beatmung
Allerdings sind diese Vorgaben nicht für alle Bereiche, in denen prolongiertes Weaning erfolgt, gleichermaßen passend. Die Versorgungsstruktur ist innerhalb der Akutintensivmedizin bspw. in intensivmedizinischen Bereichen der DGAI eher in einem modular aufgebauten Entwöhnungskonzept abgebildet, in dem die in Abhängigkeit der verschiedenen Versorgungsstufen jeweilige erforderliche spezielle intensivmedizinische und beatmungstherapeutische Kompetenz für das prolongierte Weaning integriert in eine Intensivstation oder auf einer separaten Weaning-Station definiert und vorgehalten wird [712] [713].
Aufgrund übergeordneter Organisationsstrukturen innerhalb der verschiedenen Kliniken können spezifische Leistungen durch interdisziplinäre fach- und ggf. krankenhausübergreifende Kooperationen erbracht werden.
6.3.1 Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten
Weaning oder Überleitung in Langzeitbeatmung findet meist auf den pädiatrischen Intensivstationen der großen Kinderkliniken statt. Eine Spezialisierung für diesen Bereich ist gewünscht. Intermediate Care mit kindgerechterer Umgebung wäre gerade bei Überleitung in die außerklinische Beatmung wünschenswert.
Kennzeichen einer Spezialisierung für pädiatrisches Entwöhnen und Überleitung sollte sein:
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Ausstattung und Expertise in der pädiatrischen Intensivmedizin, in der Beatmung und außerklinischen Beatmung, in der Behandlung neuromuskulärer Erkrankungen, in der Überleitung zur ambulanten Behandlung
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Erfahrung mit nichtinvasiver Beatmung bei Kindern
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Erfahrung im Management von Trachealkanülen inklusive Möglichkeit zur Bronchoskopie
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konsiliarische Betreuung durch HNO-Heilkunde
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pädiatrische Thoraxchirurgie, Radiologie sowie Gastroenterologie
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fakultativ: die Möglichkeit zur Polysomnografie sowie eine Nachsorgeambulanz für die Weiterbetreuung nach Entlassung
Strukturelle Voraussetzungen sind:
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kindgerechte Umgebung
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dauernde Anwesenheit bzw. unmittelbare Erreichbarkeit von Pflegepersonal (Ängste der Kinder)
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Erzieher/Spielzimmer
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Schule für Kranke
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Physiotherapie
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Elternwohnung sowie Möglichkeit für „Rooming in“
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psychologische Begleitung der Eltern
Die Spezialisierung im prolongierten Weaning von Kindern sollte sich in entsprechenden Fallzahlen abbilden (mindestens 10 Fälle von prolongiertem Weaning von Kindern/Jahr und 5 Fälle von Überleitung in außerklinische Beatmung von Kindern/Jahr). Im Folgenden gegebene Empfehlungen stützen sich v. a. auf Ansichten der Expertengruppe:
E44: Für Spezialisierung auf das Weaning und die Überleitung auf außerklinische Beatmung im Kindesalter soll Expertise in diversen pädiatrischen Subdisziplinen vorhanden sein.
E45: Strukturelle Vorraussetzungen sollten kindgerechte Umgebung und auf Kinder spezialisierte Personalstrukturen umfassen.
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6.4 Frührehabilitation
Entsprechend des Positionspapiers zur fachübergreifenden Frührehabilitation beginnt die Frührehabilitation bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Akutmedizin im Krankenhaus: „Frührehabilitation ist dabei als erstes Glied einer nahtlosen Rehabilitationskette zu verstehen, gleichzeitig integraler und gesetzlich geforderter Bestandteil der Krankenhausbehandlung“ [714]. Damit beginnt Frührehabilitation im prolongierten Weaning unter optimalen Bedingungen schon während der akutintensivmedizinischen Behandlung und wird in spezialisierten Frührehabilitations-Einrichtungen fortgesetzt, wenn die akutintensivmedizinische Behandlung abgeschlossen ist.
Unter dem gemeinsamen Begriff der Frührehabilitation haben sich in den Bereichen Neurologie und Pneumologie zwei unterschiedliche Systeme entwickelt. Diese Entwicklung trägt der Tatsache Rechnung, dass die zugrunde liegenden neurologischen und pneumologischen Krankheitsbilder unterschiedliche Therapieschwerpunkte benötigen und mit unterschiedlichen Zeitfenstern arbeiten. So ist die neurologische Frührehabilitation der Ort, an dem Patienten oftmals noch von der Beatmung entwöhnt werden, während die pneumologische Frührehabilitation vorwiegend bereits entwöhnte Patienten zur weiteren Rehabilitation betreut.
6.4.1 Besonderheiten der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation
In der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation wird seit Jahrzehnten die Versorgung kritisch kranker Patienten gewährleistet, indem neurologische, neurochirurgische, intensivmedizinische und neurorehabilitative Kompetenz gebündelt werden. Bei den hier behandelten Frührehabilitanden bestehen nicht nur intensivmedizinische, sondern vielmehr auch neurologische oder neurochirurgische Komplikationsrisiken, z. B. Hirndruckanstieg oder epileptische Anfälle, welche die permanente Einbindung des neurologisch-neurochirurgischen Sachverstands in den Frührehabilitationsprozess erforderlich machen [233]. Durch das auf die spezifischen Probleme abgestimmte Behandlungskonzept gewährleistet ein multiprofessionelles Behandlungssteam eine an den Aktivitäts- und Teilhabestörungen ausgerichtete Therapie. Die Wiederherstellung der Atmungsfunktion sowie ein erfolgreiches prolongiertes Weaning stellen dabei ein wichtiges Behandlungsziel dar.
Da das Outcome neurologischer Patienten, z. B. nach einem Schlaganfall, durch eine frühe Verlegung in eine neurorehabilitative Einrichtung verbessert werden kann [715], wurde in der S2k-Leitlinie „Prolongiertes Weaning in der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation“ mit starkem Konsens die Empfehlung ausgesprochen, dass „beatmete Patienten mit Erkrankungen des zentralen und/oder peripheren Nervensystems und/oder (neuro-)muskulären Erkrankungen so früh wie möglich in eine neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitations-Einrichtung mit intensivmedizinischer und Weaning-Kompetenz verlegt werden“ sollten [233].
Dabei ist die neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation im Phasenmodell der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) der Phase B zugeordnet (siehe [Tab. 23]), d. h. sie folgt unmittelbar nach der Akutbehandlung (Phase A) [716], ist aber leistungsrechtlich Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V und im DRG-System (Diagnosis Related Groups) mit einer eigenen Prozedur (Operationen- und Prozedurenschlüssel OPS 8-552) hinterlegt [717].
Mittlerweile gibt es einige Studien, die „real life data“ zum Weaning in der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation liefern. So lässt sich sagen, dass die Entwöhnung von der Beatmung in 70 – 92 % der Fälle erfolgreich ist [565] [718] [719] [720], und zwar nach im Mittel 2 – 3 Wochen [718] [719]. Die Mortalität schwankt zwischen 6 und 23 %, wobei ⅔ der Patienten unter einer Therapiezieländerung (Palliation) versterben [565]. Die bisher vorliegenden Daten sprechen dafür, dass die Morbiditätslast einen erheblichen Einfluss auf die Beatmungsentwöhnung hat [720]. Auch wenn es keinen Dosis-Wirkungs-Effekt im Hinblick auf die Wirksamkeit frührehabilitativer Interventionen gibt, legen Studien von primär nicht-neurologischen Intensivstationen nahe, dass diese zu empfehlen sind [233].
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6.4.2 Besonderheiten der pneumologischen Frührehabilitation
Bei der pneumologischen Rehabilitation handelt es sich ebenfalls um eine Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V. Sie entspricht im DRG System dem OPS-Code 8-559. Im Allgemeinen werden hier Patienten nach akuter Beatmung sowie mit oder nach chronischer Beatmung behandelt. I. d. R. besteht eine chronische pulmonale oder atemmuskuläre Grunderkrankung oder ein Folgezustand nach komplikativer Beatmung oder prolongiertem Weaning.
6.4.2.1 Patientenkollektiv
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin empfiehlt primär eine Durchführung des prolongierten Weanings in spezialisierten Weaning-Zentren. Eine pneumologische Frührehabilitation schließt sich dieser Phase dann an. Während fast alle (über 96 %) neurologischen Patienten, die in eine neurologische Frürehabilitation aufgenommen wurden, invasiv beatmet sind [719], ist diese Quote in der pneumologischen Frührehabilitation deutlich geringer, wie [Tab. 24] zeigt.
Beatmungsstatus |
Bei Aufnahme |
Bei Entlassung |
Invasiv beatmet |
11 % |
5 % |
Nichtinvasiv beatmet |
38 % |
44 % |
Ohne Beatmung |
51 % |
51 % |
In der Studie von Dellweg et al. [721] waren insgesamt 94 % der Patienten zuvor invasiv beatmet, in 29 % aller Fälle kam es zu einem Wechsel des Beatmungsstatus während der Frührehabilitationsphase. Die zur Beatmung führenden Diagnosen verteilten sich dabei wie folgt: Infektionen und Sepsis (31,1 %), COPD-Exazerbationen (24,2 %), elektiv geplante operative Eingriffe (22,1 %), Notfalloperationen (8,9 %), kardiale Erkrankungen (6,3 %), neurologische Erkrankungen (4,2 %) und anderweitige pulmonale Erkrankungen (nicht COPD, 3,2 %). Eine Gesamtsterblichkeit von 4,2 % während der Rehabilitation zeigt dabei die Schwere der Erkrankung an.
Generell erfahren Patienten mit prolongiertem Weaning in der langen Phase ihrer akuten Erkrankung sowie in der Phase des prolongierten Weanings vielfältige Funktionseinschränkungen, die lange über den Zeitraum des Intensivaufenthaltes persistieren können. Hierbei stehen motorische und sensorische Funktionsaufälle sowie neurokognitive Defizite im Vordergrund. Eine auf der Intensivstation erworbene Muskelschwäche (ICU aquired weakness, ICU-AW) verschlechtert die Langzeit-Morbidität, erhöht das 1-Jahres-Mortalitätsrisiko und geht einher mit einem erhöhten Ressourcenverbrauch [67] [116] (siehe Kapitel 4.5). Patienten mit durchgemachtem Delir auf der Intensivstation (ICU-Delirium) haben signifikant niedrigere ADL-Scores (Activity of Daily Living) und eine schlechtere motorische und sensorische Funktion nach einem Jahr als Patienten ohne durchgemachtes Delirium [722]. Wichtig aus pneumologischer Sicht ist, dass sich die motorische Schwäche nicht nur auf die Rumpfmuskulatur beschränkt, sondern in mindestens gleichem Maße die Atemmuskeln betrifft [120]. Dellweg et al. konnten dabei zeigen, dass das Outcome nach pneumologischer Frührehabilitation in Bezug auf Mobilität (Wegstrecke) und ADL-Scores (Fam/Barthel-Index) für Patienten ohne Beatmung mit nichtinvasiver und invasiver Beatmung vergleichbar gut ist [721]. Ein weiter wichtiger Baustein in prognostischer wie therapeutischer Sicht ist die Wahrnehmung und Behandlung der Dysphagie (siehe Kapitel 5.6.1.5) [723].
6.4.2.2 Neuromuskuläre Spontanatmungskapazität in der Frührehabilitation
Die persistierende Schwäche der Atemmuskulatur kommt nach prolongiertem Weaning häufiger vor als die periphere Muskelschwäche. M. Dres et al. fanden bei 92 % der Patienten im schwierigen Weaning eine diaphragmale Dysfunktion, eine ICU aquired weakness bestand dagegen nur bei 46 % der Patienten [120]. Im prolongierten Weaning lagen die entsprechenden Zahlen sogar bei 100 % und 50 % [120]. Von daher ist es wichtig, die respiratorische Muskelfunktion getrennt zu betrachten, zu diagnostizieren und zu behandeln. Wie im Weaning ist auch in der pneumologischen Frührehabilitation weiter das Ziel, die atemmuskuläre Kompetenz zu verbessern und die atemmuskuläre Last zu verringern. In diesem Kontext kann sich die Art der Beatmungsunterstützung während der Rehabilitationsphase durchaus ändern, was anhand der [Tab. 24] ersichtlich ist. Ob eine nichtinvasive Beatmung im Rahmen der Rekonvaleszenz des Patienten weiterhin notwendig ist, kann nur durch einen Auslassversuch bestimmt werden. Dieser Auslassversuch sollte frühestens nach 7, besser nach 14 Tagen eines beatmungsfreien Intervalls bewertet werden, da nach effektiv durchgeführter nichtinvasiver Beatmung die erneute Dekompensation entsprechend lange dauern kann [724]. An einem Kollektiv von hyperkapnischen COPD-Patienten, die während der Frührehabilitation mit einer NIV behandelt wurden, konnte gezeigt werden, dass es neben einem Zuwachs der Wegstrecke auch eine auch eine Reduktion der CO2-Werte gab, was für eine Besserung der Ausdauerleistung der Atempumpe spricht. In dieser Untersuchung konnte aber auch dargestellt werden, dass ein zusätzliches inspiratorisches Muskeltraining (IMT) die atemmuskuläre Kraft und Ausdauer sowie die Wegstrecken noch einmal signifikant steigern kann [725] (siehe auch Kapitel 5.6.1.6.1). IMT kann auch bei liegender Trachealkanüle durchgeführt werden. Bisset et al. konnten an einem Kollektiv von geweanten aber noch tracheotomierten Patienten zeigen, dass die Kraft der Atemmuskeln und die Lebensqualität in der IMT-Gruppe signifkant zunahmen [576].
6.4.2.3 Überleitung aus der pneumologischen Frührehabilitation
Das Ergebnisspektrum nach pneumologischer Frührehabilitation ist sehr breit und reicht von der weiteren Abhängigkeit von einer invasiven Beatmung mit hohem Pflegeaufwand bis hin zur beruflichen Wiedereingliederung.
Während der Phase-B-Rehabilitation ist daher fortwährend zu prüfen, welche weiteren rehabilitativen Verfahren für den jeweiligen Patienten indiziert sind. Entsprechende Anträge sind rechtzeitig bei den Kostenträgern zu stellen. Bezüglich der Struktur des Überleitmanagements invasiv beatmeter Patienten sei hier auf die S2k-Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“ verwiesen [3]. Insbesondere bei Patienten mit isolationspflichtigen Keimen ist die Organisation der weiteren Disposition bzw. Rehabilitationsmaßnahme problematisch und langwierig. Gleiches gilt für Patienten mit nichtinvasiver und vor allem invasiver Beatmung. Hier sollten die Kostenträger frühzeitig in die weitere Planung miteinbezogen werden [721].
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6.5 Überleit- und Entlassmanagement
Der Überleitprozess ist schematisch in [Abb. 8] dargestellt.
In der Prozesskette des prolongierten Weanings sind generell ein adäquates Entlassmanagement und die Verlaufsbeobachtung mit Evaluation zur Wiederaufnahme zum erneuten Weaning-Versuch bei Besserung prinzipiell reversibler Ursachen eines Weaning-Versagens essentiell [3] [709], um die Zahl der nicht (mehr) indizierten außerklinischen invasiven Beatmungen zu reduzieren.
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Beatmungsexpertise oder Erfahrung im Umgang mit Trachealkanülen bei niedergelassenen Ärzten nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden können [3], ist ein solches Vorgehen unabdingbar. Die Kompetenz in der nichtinvasiven Beatmung ist für ein Weaning-Zentrum/eine Weaning-Einheit essentiell. Sollte diese Expertise im Zentrum selbst nicht vorhanden sein, stellt eine Krankenhaus-übergreifende Zusammenarbeit mit einem Zentrum mit entsprechender Expertise eine Alternative dar. Wichtig dabei ist, dass die Indikationsstellung, die Einleitung auf NIV und das Entlassmanagement in die außerklinische Beatmung im zeitlichen Zusammenhang mit dem Weaning-Prozess funktionieren. Die Erfahrungen zeigen, dass bei räumlicher Distanz häufig Probleme an diesen Schnittstellen auftreten. Bezüglich der Indikationsstellung, der Einleitung, technischer Aspekte und der Überleitung in die außerklinische Beatmung wird auch auf die S2k-Leitlinie verwiesen [3].
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6.6 Außerklinische Beatmung und Nachsorge nach prolongiertem Weaning
Ein nicht unerheblicher Anteil von Patienten mit prolongiertem Weaning benötigt nach Krankenhausentlassung eine intensive medizinische Nachsorge und ggf. auch eine langfristige pflegerische Betreuung wegen persistierender ventilatorischer Insuffizienz mit der Notwendigkeit zur außerklinischen Beatmung oder wegen fortgesetzter Notwendigkeit für eine Trachealkanüle. Die Anforderungen an das Entlassmanagement dieser Patienten sind hoch, da nicht nur eine korrekte Hilfsmittelverordnung vorliegen muss, sondern auch die Anbindung an geeignete medizinische, therapeutische und pflegerische Nachsorgestrukturen zum Entlassungszeitpunkt gegeben sein muss. Der entlassende Krankenhausarzt ist hierfür verantwortlich [3].
Auf dem Ärztetag 2018 wurde die Liberalisierung der Fernbehandlung beschlossen [726]. Mithilfe telemedizinischer Anwendungen wie bspw. Televisiten und geeigneten vertraglichen Lösungen zur intersektoralen Zusammenarbeit könnten so künftig Experten für außerklinische Beatmung aus den Beatmungs- und Weaning-Zentren niedergelassene Ärzte, Pflegedienste und Patienten im ambulanten Bereich unterstützen. Auch Patienten nach prolongiertem Weaning können hiervon profitieren. Regelmäßige Televisten durch ein Beatmungszentrum könnten Patienten mit Weaning-Potenzial identifizieren und zeitgerecht einem erneuten Weaning-Versuch zuführen. Darüber hinaus könnten Televisiten zwischen Intensivstationen, Rehabilitationskliniken und spezialisierten Weaning-Zentren den Prozess der Indikationsstellung zur invasiven außerklinischen Beatmung unterstützen und interdisziplinäre Konferenzen zu einem verbindlichen Element des Entlassmanagements werden lassen.
6.6.1 Kategorie 3a I: erfolgreiches Weaning mit Dekanülierung
Viele Patienten dieser Kategorie leiden an multiplen schweren Erkrankungen, die auch nach erfolgreichem Weaning einer intensiven ärztlichen Betreuung bedürfen, sodass eine ambulante medizinische Versorgung sichergestellt sein sollte. Bei Autonomieverlust und Pflegebedürftigkeit ist eine ambulante oder auch stationäre pflegerische Betreuung zu organisieren, wenn keine Rehabilitationsbehandlung indiziert ist.
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6.6.2 Kategorie 3a II: erfolgreiches Weaning ohne Dekanülierung
Patienten dieser Kategorie haben oftmals ein schweres neuropsychologisches Defizit z. B. nach Hirnschädigung, bei Demenz oder Morbus Parkinson. Die bleibende Notwendigkeit einer Trachealkanüle ergibt sich zumeist aus einer Dysphagie mit Aspirationsneigung und einer begleitenden Husteninsuffizienz. Die Betroffenen sind durch einen ausgeprägten Autonomieverlust mit hoher Pflegebedürftigkeit gekennzeichnet, sodass eine selbständige Versorgung selten möglich ist. Neben Absaugen, Trachealkanülenwechsel und Tracheostomapflege sind häufig auch Gastrostomapflege und enterale Ernährung sowie die Ausscheidungskontrolle sicherzustellen. Der Grad des Autonomieverlustes bestimmt die Pflegeintensität, die notwendige pflegerische Qualifikation und die Ausstattung mit Hilfsmitteln und Instrumenten für das Monitoring. Fortgesetzte Physio- und Ergotherapie sowie logopädische Therapie können bei einem Teil dieser Patienten langfristig doch noch eine Dekanülierung ermöglichen, sodass diese Patienten zur weiteren Therapieplanung an ärztliche Spezialisten und geeignete Therapeuten anzubinden sind.
Eine andere Patientengruppe dieser Kategorie ist von einer Obstruktion der oberen Atemwege, der Glottis oder der Trachea betroffen. Bei erhaltener Autonomie können diese Patienten die Kanülenversorgung u. U. selbst erlernen, alternativ auch deren Bezugspersonen (analog einer Kanülenversorgung nach Laryngektomie). Bei Autonomieverlust durch motorische Funktionseinschränkungen oder kognitives Defizit sind auch bei diesen Patienten neben der fachärztlichen Betreuung der ursächlichen Störung die geeignete Hilfsmittelausstattung und eine pflegerische Versorgung sicherzustellen, zudem ein stabiles Tracheostoma.
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6.6.3 Kategorie 3b I: erfolgreiches Weaning mit nichtinvasiver Langzeitbeatmung ohne zusätzlichen Pflegebedarf
Patienten mit persistierender ventilatorischer Insuffizienz nach invasiver Langzeitbeatmung können mithilfe einer zumeist intermittierenden nichtinvasiven Beatmung langfristig stabilisiert werden, sodass vor Krankenhausentlassung die Einleitung einer nichtinvasiven außerklinischen Beatmung indiziert ist. Die Auswahl der Hilfsmittel liegt in der Verantwortung des verordnenden Arztes. Auswahl und Anpassung von Beatmungszubehör ausschließlich durch Hilfsmittellieferanten ist abzulehnen. Betroffene ohne Autonomieverlust können die Anwendung der notwendigen Hilfsmittel und Geräte nach intensiver Schulung in der Klinik erlernen und somit die Beatmung zu Hause selbständig durchführen. Zur medizinischen Nachsorge der nichtinvasiven außerklinischen Beatmung sind diese Patienten langfristig an geeignete Beatmungszentren anzubinden. Für weitere Details sei an dieser Stelle auf die S2k-Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung zur Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“ verwiesen [3].
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6.6.4 Kategorie 3b II: erfolgreiches Weaning mit nichtinvasiver Langzeitbeatmung und zusätzlichem Pflegebedarf
Patienten mit motorischen Funktionseinschränkungen oder kognitiven Defiziten sind bei der Durchführung einer nichtinvasiven Beatmung u. U. auf Hilfe angewiesen. Bei gering ausgeprägtem Autonomieverlust und intermittierender, nicht lebenserhaltender nichtinvasiver Beatmung kann diese Hilfe durch Bezugspersonen oder Pflegende ohne besondere Zusatzausbildung nach entsprechender Schulung geleistet werden (z. B. An- und Ablegen der Maske, Bedienung des Beatmungsgerätes, Reinigung des Zubehörs). Bei hochgradigem Autonomieverlust mit der Notwendigkeit zur ständigen Anwesenheit einer Hilfsperson während der nichtinvasiven Beatmung sind Betroffene auf die Unterstützung und permanente Einsatzbereitschaft speziell geschulter Personen angewiesen (z. B. Abnehmen der Maske beim Husten, bei Dyspnoe oder Erbrechen). Bei lebenserhaltender nichtinvasiver Beatmung ist die ständige Anwesenheit einer speziell geschulten Person oder fachkundiger Pflege notwendige Voraussetzung für die Durchführung im außerklinischen Bereich. Die Beurteilung der Betreuungsintensität und der Notwendigkeit für speziell geschultes (Fach-)Personal sowie ggf. die Schulung der außerklinisch betreuenden Personen obliegen dem verordnenden Arzt, sodass die Indikationsstellung und die Initiierung einer nichtinvasiven außerklinischen Beatmung mit hohem pflegerischen Betreuungsbedarf von einem Weaning-Zentrum oder einem Zentrum für außerklinische Beatmung mit entsprechender Expertise erfolgen sollte. In keinem Fall ist eine nichtinvasive außerklinische Beatmung als Fortsetzung einer intensivmedizinischen Behandlung anzusehen. Regelmäßige oder häufige Anwesenheiten eines Arztes, apparative Untersuchungen oder invasive Therapieverfahren sind im außerklinischen Bereich nicht zu gewährleisten. Die Voraussetzungen zur Entlassung, die Anforderungen an weiterbetreuende Ärzte, Assistenz- bzw. Pflegedienste und Therapeuten sind bei hohem Betreuungsbedarf und ausgeprägter ventilatorischer Insuffizienz analog zu denen bei invasiver außerklinischer Beatmung. Sie werden ausführlich in der S2k-Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“ beschrieben [3].
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6.6.5 Kategorie 3c I: Erfolgloses Weaning mit außerklinischer Fortsetzung der invasiven Beatmung
Die Voraussetzungen, der Ablauf und die Nachsorge bei invasiver außerklinischer Beatmung werden ausführlich in der S2k-Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“ dargestellt [3].
Aufgrund der weitreichenden Konsequenzen für den Patienten, die Angehörigen und auch die Solidargemeinschaft sollte die Diagnose eines Weaning-Versagens durch einen in Beatmung und Weaning erfahrenen Arzt gestellt werden, bevor erstmals eine invasive außerklinische Beatmung initiiert wird. Bei der Indikationsstellung sind neben medizinischen Fakten auch ethische Aspekte und der Patientenwille nach umfassender Aufklärung zu berücksichtigen [709] (siehe auch Kapitel 7). Der pflegerische Betreuungsumfang ist sehr hoch. Mangels Pflegekapazitäten ist in vielen Regionen nur selten eine häusliche Betreuung zu realisieren. Die Betreuung in einer spezialisierten Pflegeeinrichtung ist aufgrund des reduzierten Personalschlüssels mit einem zusätzlichen Autonomieverlust verbunden, der bei der Patientenaufklärung Berücksichtigung finden sollte. Aufgrund der hohen Anforderungen an Transporte invasiv beatmeter Patienten sind ärztliche Hausbesuche zur adäquaten medizinischen Versorgung erforderlich, diese sind vor einer Entlassung aus dem Krankenhaus zu vereinbaren. Wegen dieser komplexen Versorgungssituation und der unterschiedlichen medizinischen und pflegerischen Anforderungen bei verschiedenen Krankheitsbildern oder Multimorbidität sollte eine invasive außerklinische Beatmung daher, wenn möglich, in einem Weaning-Zentrum oder einem Zentrum für außerklinische Beatmung eingeleitet werden. Ein solches Zentrum kann die Machbarkeit einer Versorgung beurteilen, übernimmt die regelmäßige medizinische Nachsorge dieser Patienten und steht niedergelassenen Ärzten beratend zur Verfügung. Nicht wenige der betroffenen Patienten können im weiteren Verlauf doch noch Weaning-Potenzial entwickeln, insbesondere bei zugrundeliegender Muskelschwäche nach Langzeitintensivtherapie, Ventilator-induzierter Zwerchfelldysfunktion, Stabilisierung von Komorbiditäten oder Regredienz einer Dysphagie. Um dieses Potenzial zu erkennen, ist die regelmäßige Evaluation durch Experten unabdingbar, auch zur zielgerichteten Verordnung unterstützender Physiotherapie oder Logopädie. Eine Beatmungsentwöhnung im außerklinischen Bereich ist mangels wissenschaftlicher Evidenz und aus Gründen der Patientensicherheit jedoch obsolet [13] [727], da ein Weaning-Prozess oftmals invasive diagnostische und therapeutische Maßnahmen erfordert, die im außerklinischen Bereich i. d. R. nicht zur Verfügung stehen.
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6.6.6 Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten
Bei definitivem Weaning-Versagen sollte die weitere Perspektive in Bezug auf Langzeitbeatmung inderdizsiplinär im besten Sinne für das Kind und in enger Abstimmung mit den Eltern festgelegt werden [728]. Oft ist auch bei jungen Kindern und Säuglingen eine nichtinvasive häusliche Beatmung ausreichend [729]. Bei Beginn einer Langzeitbeatmung sollte die Behandlungszeit auf der Intensivstation begrenzt [730] und frühzeitig die Pflege in der Familie angestrebt werden. Details der Überleitung finden sich in [3]. Neben der medizinischen Versorgung sind die Belastbarkeit der Familie und deren räumliche Möglichkeiten zu bedenken. Für die Beatmungszeit muss die außerklinische Versorgung durch einen spezialisierten Pflegedienst oder ggf. durch geschulte Laienhelfer gewährleistet sein. Kinder sollten bei lebenserhaltender Beatmung mit mindestens 2 Beatmungsgeräten, die an die Physiologie von Kindern angepasst sind, ausgestattet werden sowie mit mindestens 2 Absauggeräten. Zur Überwachung während der Beatmung ist eine Pulsoxymetrie indiziert, eine EKG-Überwachung erfolgt nur bei kardiologischer Indikation, eine endexspiratorische CO2-Messung kann bei schnell wechselnden ventilatorischen Bedingungen erforderlich sein, wie z. B. bei häufigen Krampfanfällen oder Temperaturlabilität [731] [732]. Auch zu medizinisch-pflegerischen und technischen Details in der außerklinischen Versorgung langzeitbeatmeter Kinder sei auf hierzu publizierte Ausführungen [3] verwiesen.
Neben der medizinischen Versorgung sollte bei der Pflege außerklinisch beatmeter Kinder auch die Gesamtentwicklung der Kinder im Fokus stehen [733] [734] [735]. Bereits bei der Überleitung müssen entsprechende Maßnahmen Teil der Entlassungsmanagements sein. Teilnahme an Sonder- oder Regelkindergärten und Schule ist auch bei beatmeten Kindern anzustreben, dies kann nur mit individueller Betreuung erreicht werden. Der Personalaufwand ist durch die Verknüpfung pflegerischer und heilpädagogischer Maßnahmen hoch. Weitere notwendige Fördermaßnahmen wie Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie müssen durch die entsprechenden Förderstellen oder sozialpädiatrischen Zentren festgestellt werden [733] [736].
Kann die Pflege des Kindes nicht innerhalb der Familie gewährleistet werden, treten spezialisierte Pflegeeinrichtungen an deren Stelle. Diese sollten neben der medizinischen Versorgung die Förderung der Kinder auf verschiedenen Ebenen sicherstellen. Kindgemäße Umgebung, stabile Bezugspersonen und entsprechendes Förderangebot sind Vorraussetzungen. Dies können meist nur sowohl auf Kinderbetreuung als auch auf Langzeitbeatmung spezialisierte Einrichtungen mit entsprechend geschulten Mitarbeitern leisten [3]. Nach der Entlassung in die außerklinische Beatmung sollten Kinder regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen in einem pädiatrisch erfahrenen Beatmungszentren vorgestellt werden, um aufgrund des Wachstums die Beatmungseinstellungen an die veränderten physiologischen Veränderungen anzupassen und ggf. das Weaning-Potenzial zu überprüfen [734]. Vorwiegend ambulantes Weaning von invasiver Beatmung ist in enger Anbindung an das Weaning-Zentrum beschrieben [737] [738]. Langzeit-Weaning ist oft ein Prozess über Jahre [688].
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6.7 Strukturelle und prozessuale Qualitätsanforderungen im prolongierten Weaning
Für die strukturellen und prozessualen Qualitätsanforderungen derartiger auf Weaning spezialisierter Einheiten existieren unterschiedliche Anforderungskataloge und Zertifizierungen (DGAI-Zertifikat und WeanNet-Zertifikat) [605] [712] [713] [739]. Zudem müssen die Besonderheiten neurologisch-neurochirurgischer Frührehabilitanden beachtet werden, welche die Einbindung neurologischer bzw. neurochirurgischer Expertise unerlässlich machen [233] (geregelt durch OPS 8-552, DIMDI OPS-Version 2018).
Obwohl die Leitlinie aufgrund der unterschiedlichen Konzepte bewusst darauf verzichtet, nähere Vorgaben zu der strukturellen Organisation der Weaning-Einheit zu machen, sollen doch einige im Folgenden erwähnte Anforderungen von einer Weaning-Einheit oder einem Weaning-Zentrum für Patienten im prolongierten Weaning erfüllt sein.
6.7.1 Anforderungen an Weaning-Einheiten oder Weaning-Zentren
Folgende generelle Anforderungen sollten von spezialisierten Stationen, die Patienten im prolongierten Weaning behandeln, erfüllt sein
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Eine ausreichende Fallzahl behandelter Patienten im Weaning
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Eine personelle Ausstattung mit ausreichender ärztlicher und pflegerischer Besetzung, die den Anforderungen an Intensivstationen entspricht. Abweichungen können sich für Patienten mit beatmungspflichtiger Querschnittlähmung ergeben.
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Intensivmedizinische Kompetenz, insbesondere während der Beatmung im Weaning-Prozess sowie bei den häufig zu beobachtenden Komplikationen im Verlauf des Weaning-Prozesses
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Kompetenz in der Diagnostik und Behandlung von Grund- und Begleiterkrankungen, was aufgrund der häufigen und vielfachen Komorbiditäten notwendig ist
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Kompetenz in der Beatmungsmedizin und in den adjunktiven Maßnahmen im Weaning, um den Patienten die beste Chance auf ein Weaning zumindest von invasiver Beatmung zu geben
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Frühzeitiges Hinzuziehen von am Weaning mitbeteiligten Berufsgruppen wie z. B. Physiotherapie, Logopädie, Atmungstherapie und Ergotherapie
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Kompetenz in der Diagnostik einer chronisch ventilatorischen Insuffizienz mit ggf. Einleitung einer nichtinvasiven Beatmung nach formal erfolgreich abgeschlossenem Weaning.
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Etablierung von Strukturen für eine fach- und bereichsübergreifende, interdisziplinäre Versorgung von Patienten im prolongierten Weaning.
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6.7.2 Fallzahl behandelter Patienten
Voraussetzung der Aufrechterhaltung einer ausreichenden Kompetenz in der Behandlung dieses häufig sehr komplexen Patientenkollektives ist eine ausreichende Routine und Erfahrung, weshalb eine Mindestanzahl von 20 Patienten pro Jahr der Gruppe 3 zu behandeln sind (DGAI-Anforderung) (Gruppeneinteilung siehe [Tab. 1]). Entsprechend dem Kriterienkatalog sind für die Zertifizierung im WeanNet 40 Patienten pro Jahr erforderlich [605].
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6.7.3 Personelle Ausstattung
Bezüglich der Anzahl der Pflegekräfte sind von verschiedenen Fachgesellschaften Empfehlungen für Intensiv- und Weaning-Stationen veröffentlicht (siehe die offiziellen Empfehlungen hierzu bei den entsprechenden Fachgesellschaften). Diese variiert entsprechend der spezifischen Gegebenheiten der verschiedenen Bereiche, in denen prolongiertes Weaning durchgeführt wird. Arbeitsumschichtungen auf assoziierte Berufsgruppen (Physiotherapie, Atmungstherapie und Logopädie) sind dabei zu berücksichtigen.
Seitens der DIVI und der DGAI sollte im Bereich der Akutintensivmedizin ein Facharzt mit Expertise in der Intensivmedizin respektive in der Kernarbeitszeit ein Facharzt mit Zusatzbezeichnung Intensivmedizin präsent sein.
Im Bereich der Weaning-Einheiten ist im Gegensatz zur Akutmedizin ein ärztliches 3-Schicht-Modell nicht zwingend erforderlich. Allerdings muss bei hohem intensivmedizinischem Aufwand (z. B. bei höherer Patientenzahl) ein ärztliches Schichtmodell realisiert werden.
Die Vorgaben zum Pflegeschlüssel pro Patient sind in den jeweiligen Kriterien zur Zertifizierung der Weaning-Einheit durch DGP bzw. DGAI geregelt [605] [713] [739].
Ein interdisziplinärer Ansatz im prolongierten Weaning unter Einbindung z. B. von Physio- und ggf. Ergotherapie, ggf. Logopädie, aber auch Atmungstherapie und auch psychologischer Betreuung ist sinnvoll. Deswegen empfehlen sich zudem Fachkräfte dieser verschiedenen Professionen.
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6.7.4 Ärztliche Kompetenz
Die ärztliche Kompetenz einer Weaning-Einheit oder eines Weaning-Zentrums benötigt aufgrund der Polymorbidität und des Schweregrads der Erkrankung der beatmeten Patienten hohe intensivmedizinische Kenntnis, darüber hinaus auch hohe Expertise in Behandlung von Grund- und Begleiterkrankungen sowie Kenntnisse über den Verlauf und die Prognose dieser Erkrankungen (vergleiche Kapitel 7). Diese Expertise ist naturgemäß nur in einem interdisziplinären Team garantiert. Mindeststandard von Weaning-Zentren unter verschiedener Leitung sollte die Qualifikation des fachlichen Leiters als Facharzt mit Zusatzbezeichnung Intensivmedizin sein[1].
Bezüglich der besonderen Anforderungen im Bereich Querschnitt und neurologisch-neurochirurgischer Frührehabilitation wird auf die entsprechende Literatur verwiesen [233] [740].
Darüber hinaus muss die Präsenz in der Versorgungseinheit von intensivmedizinisch erfahrenem ärztlichem und pflegerischem Personal über 24 Stunden gegeben sein. Bezüglich der Qualifikation der Pflegekräfte auf der Intensivstation ist eine ausreichende Zahl von Mitarbeitern mit Fachweiterbildung anzustreben [38] [605] [712] [713].
Nach Erhebung im WeanNet beträgt die Letalität im Weaning-Prozess 14,9 %, d. h. insgesamt 1027 von 6899 Patienten [38]. Viele, oft ältere, multimorbide Patienten mit häufigen Komplikationen, u. a. durch Infektionen oder die Komorbiditäten, stellen das Team des Entwöhnungszentrums daher auch vor palliativmedizinische Probleme. Eine entsprechende Kompetenz im Umgang mit sterbenden Patienten muss vorhanden sein (siehe Kapitel 7.1.2).
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6.7.5 Apparative Ausstattung
Die apparative Ausstattung entspricht strukturell der einer Intensivstation, allerdings mit spezifischen Anforderungen, z. B. der Förderung eines Tag-Nacht-Rhythmus sowie ausreichend Platz und Ausstattung für frühe und intensive Physiotherapie. Ein besonderer Schwerpunkt ist darüber hinaus die NIV, zu deren Stellenwert im Weaning auf die S3-Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ [16] verwiesen wird. Auch im prolongierten Weaning mit häufig vorliegender persistierender Schwäche der Atempumpe spielt sie eine entscheidende Rolle, um die Anzahl der Patienten, die invasiv beatmet in die außerklinische Beatmung entlassen werden, sowohl aus humanitären aber auch aus finanziellen Gründen zu reduzieren. Nach den Daten aus WeanNet [38] werden ca. 19,4 % der in pneumologischen Zentren entwöhnten Patienten mit einer nichtinvasiven außerklinischen Beatmung entlassen. Deswegen müssen Respiratoren für Maskenbeatmung bzw. außerklinische Beatmung zur Verfügung stehen, um die Patienten hieran adaptieren zu können. Ein entsprechendes Armentarium an Masken (Nasen-, Nasen-/Mund- sowie Gesichtsmasken), Geräten, ggf. aktiver oder passiver Befeuchtung, ist unbedingt erforderlich, um die NIV sachgerecht durchführen zu können. Bezüglich Einzelheiten der Anforderungen an Technik und Einstellung auf eine außerklinische nichtinvasive Beatmung, aber auch invasive Beatmung, wird auf die S2k-Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung zur Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“ [3] verwiesen. Darüber hinaus sind die Anforderungskataloge in den Zertifizierungsvorgaben der DGAI und DGP hinterlegt [38] [605] [712] [712].
Aufgrund der Epidemiologie der Bevölkerung und eines hohen Anteils an deutlich übergewichtigen Patienten in der Gruppe mit prolongiertem Weaning müssen Spezialbetten und -stühle für adipöse Patienten (Tragkraft bis 220 kg, bei Spezialisierung auf schwer adipöse Patienten auch höher) vorhanden sein. Im Einzelfall müssen spezielle Betten mit höherer Tragkraft – meist über Tagesmiete – verfügbar sein. Wünschenswert sind speziell für diese Gewichtsklasse zugelassene Gehwagen und Rolatoren. Eine Ausstattung mit Hilfsmitteln für frühe Mobilisation ist nicht nur für neuro-rehabilitative Einheiten und Querschnittzentren notwendig, sondern auch für andere Weaning-Einheiten, da die Mobilisation durch diese Hilfsmittel wie Bettfahrrad, Vibrationsplatten o. a. unterstützt bzw. überhaupt erst ermöglicht werden kann.
Bezüglich Sekretmanagement sollen verschiedene Devices wie oszillierende und nicht-oszillierende PEP-Syteme, mechanische Insufflatoren-Exsufflatoren und Bronchoskopie entsprechend den Empfehlungen des entsprechenden Kapitels dieser Leitlinie (siehe Kapitel 5.6.1.4) vorgehalten werden.
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6.7.6 Räumliche Ausstattung
Bezüglich der räumlichen Ausstattung der Patientenzimmer, insbesondere für die Planung neuer Weaning-Einheiten, sind zwei Aspekte wesentlich:
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Größe der Zimmer
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Einhaltung eines Tag-Nacht-Ryhthmus
Ausreichend groß dimensionierte Einzelzimmer sind aus verschiedenen Gründen vorteilhaft:
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Ein Großteil der Patienten im prolongierten Weaning ist mit multiresistenen Keimen besiedelt, wenn auch genaue Zahlen hierzu fehlen – aus diesem Grunde ist häufig eine Isolierpflege der Patienten erforderlich (siehe Kapitel 5.1.6).
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Auch wird für die teilweise aufwendige Pflege und für die Mobilisation der Patienten (u. a. Bettfahrrad, Rolator, Mobilisierung an der invasiven Beatmung etc.) entsprechend Platz benötigt.
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Zudem leiden Patienten nicht selten an einem Delir bzw. sind psychisch durch den Krankheitsverlauf erheblich alteriert, sodass die Belegung eines Zimmers mit mehreren Patienten ungünstig ist.
Da der Tag-Nacht-Rhythmus eine wichtige adjunktive Maßnahme in der Behandlung der Patienten darstellt, kann durch Einbau spezieller Licht-Systeme hier eine deutliche Unterstützung der in Kapitel 5.6.3. genannten therapeutischen Maßnahmen erreicht werden [741] [742].
Sektorenübergreifende Outcome-Daten zum prolongierten Weaning fehlen in aller Regel. Bisherige Studien zeigen, dass es relativ einfach ist, Outcome-Daten vor allen Dingen über die Erfolgsrate des Weaning-Prozesses in Abhängigkeit von der Grunderkrankung und der Vorbeatmungszeit zu erstellen. Dem Weaning-Zentrum/der Weaning-Einheit wird dringend empfohlen, solche Outcome-Analysen möglichst im Verbund durchzuführen. Modelle liegen hierzu vor [743]. Daten von WeanNet z. B. zeigen, dass bei ca. 60 % der in ein pneumologisches Weaning-Zentrum verlegten Patienten im prolongierten Weaning ein erfolgreiches Weaning unter Vermeidung weiterer invasiver Beatmung möglich ist; ca. 20 % dieser Patienten wurden bei persistierender ventilatorischer Insuffizienz mit einer außerklinischen nichtinvasiven Beatmung entlassen [38].
E46: Nach abgeschlossenem Weaning soll bei entsprechenden Grund- oder Begleiterkrankungen (z. B. COPD, ICUAW) eine Diagnostik auf das Vorliegen einer chronisch ventilatorischen Insuffizienz während des intensivstationären Aufenthaltes erfolgen. Folgemessungen werden bei entsprechender Indikation empfohlen.
E47: Bei Vorliegen einer chronisch ventilatorischen Insuffizienz soll dem Patienten nach primär erfolgreichem prolongierten Weaning eine NIV angeboten und bei Einverständnis eingeleitet werden.
QI4: Bei Patienten mit entsprechenden Grund- bzw. Begleiterkrankungen mit Risiko einer ventilatorischen Insuffizienz werden nach abgeschlossenem Weaning bei Entlassung aus der intensivstationären Behandlung oder der/dem Weaning-Einheit/-Zentrum eine Diagnostik auf das Vorliegen einer chronisch ventilatorischen Insuffizienz durchgeführt und eine erneute Evaluation dem weiterbetreuendem Arzt empfohlen. (Anzahl der Patienten, bei denen eine Diagnostik auf das Vorliegen einer chronisch ventilatorischen Insuffizienz durchgeführt wurde/Anzahl der Patienten, bei denen eine Diagnostik auf das Vorliegen einer chronisch ventilatorischen Insuffizienz indiziert gewesen wäre × 100).
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7 Therapieentscheidungen am Lebensende
7.1 Problemstellung
Zunehmend überleben Patienten eine intensivmedizinische Behandlung nur mit irreversibler Abhängigkeit von lebensunterstützenden Apparaturen wie dem Respirator. In anderen Fällen wird die intensivmedizinische Behandlung nur mit schweren seelischen und körperlichen Defiziten überlebt, die für den Patienten eine erhebliche Einschränkung seiner Lebensqualität und für die Angehörigen eine große und anhaltende Belastung bedeuten können [744].
Angesichts einer kurzfristig aber auch langfristig außerordentlich schlechten Prognose muss die Indikation zur Fortsetzung der Langzeitbeatmung in diesem speziellen Patientenkollektiv immer konsequent auch mit dem Blick auf die zu erwartende patientenindividuelle Lebensqualität geprüft werden.
Unter Berücksichtigung ethischer Aspekte und kritischer Prüfung der Voraussetzungen der zulässigen Behandlungsmaßnahme ist die Entscheidung zur Therapiezieländerung, wie z. B. Beendigung der Beatmungstherapie, begründbar.
7.1.1 Ethische Grundlagen
Eine zulässige Behandlungsmaßnahme muss 2 Voraussetzungen erfüllen:
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Für den Beginn oder die Fortführung besteht nach Einschätzung der behandelnden Ärzte eine medizinische Indikation.
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Die Durchführung entspricht dem Patientenwillen.
Erfüllt die jeweils geprüfte Behandlungsmaßnahme beide Voraussetzungen, muss die Behandlung eingeleitet oder fortgeführt werden. Liegt eine der beiden Voraussetzungen nicht vor, ist eine Therapiezieländerung und Begrenzung der Therapie nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten [745].
Die medizinische Indikation stellt die fachlich begründete Einschätzung dar, dass eine Therapiemaßnahme (z. B. eine prolongierte Beatmungstherapie) dazu geeignet ist, ein bestimmtes Therapieziel mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erreichen. Eine Indikation kann also nur gestellt werden, wenn zuvor ein Therapieziel definiert wurde [745].
In einem ersten Schritt wird möglichst evidenzbasiert geprüft, ob die geplante Maßnahme (d. h. eine prolongierte Beatmungstherapie) prinzipiell geeignet ist, das angestrebte Therapieziel zu erreichen. Es stellt sich hier die Frage: Ist diese Krankheit mit der vorgesehenen Therapie erfolgreich zu behandeln?
In einem zweiten Schritt wird geprüft, ob die geplante Maßnahme auch geeignet ist, dem individuellen Patienten in seiner konkreten Situation zu helfen. Es stellt sich hier die Frage: Profitiert dieser Patient mit dieser Erkrankung, ihrem Schweregrad, der Prognose und den vorliegenden Begleiterkrankungen von dieser Therapie [745]?
Indizierte Therapiemaßnahmen werden dem Patienten angeboten. Bei zweifelhafter Indikation wird das Angebot kritisch und ergebnisoffen mit dem Patienten oder seinem rechtlichen Stellvertreter diskutiert. Nicht indizierte oder kontraindizierte Maßnahmen dürfen weder angeboten noch durchgeführt werden [745].
Die Vereinbarung von Therapiezielen ist ein wesentlicher Bestandteil der Patient-Arzt-Beziehung. Der Intensivmediziner verschafft sich ein möglichst umfassendes Bild vom Patienten. Hierbei werden neben Anamnese und Befunden das anerkannte Fachwissen und patientenbezogene, individuelle Faktoren (z. B.: bekannte Behandlungspräferenzen, persönliche Wertvorstellungen, religiöse Einstellung, Alter) berücksichtigt. Daraus ergeben sich bei Patienten mit zweifelhafter Prognose i. d. R. unterschiedliche Therapieziele. Diese können in der Tendenz eher kurativ oder eher palliativ ausgerichtet sein. Alle an der Behandlung Beteiligten müssen gemeinsam klären, ob die Therapieziele glaubhaft erreicht werden können. Die (interdisziplinär und mulitprofessionell) erarbeiteten Therapieziele müssen jetzt dem Patienten oder seinem Stellvertreter mitgeteilt werden, um eine gemeinsame Entscheidung zu ermöglichen. Alle Therapieziele sollen ausführlich dargelegt und besprochen werden. Die letztverbindliche Entscheidung über das anzustrebende Therapieziel trifft der Patient oder sein Stellvertreter [745].
Um eine adäquate Entscheidung treffen zu können, wird möglichst unverzüglich ein Betreuer bestellt. Für den nichteinwilligungsfähigen Patienten mit juristischem Stellvertreter trifft der juristische Stellvertreter (Vorsorgebevollmächtigter oder bestellter Betreuer) die Entscheidung.
Der Patientenwille wird wie folgt ermittelt und dokumentiert:
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Der direkt vom Patienten geäußerte Wille
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Der schriftlich vorausverfügte Patientenwille
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Der mutmaßliche Patientenwille
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7.1.2 Die Frage nach dem Sinn der Behandlung
Im Rahmen von Behandlungsprozessen muss immer wieder die Frage nach dem Sinn der Behandlung gestellt werden. Dies bezieht sich auf den Sinn eines Therapieziels und die davon abhängenden diagnostischen, therapeutischen oder pflegerischen Maßnahmen. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit ist nicht objektiv zu klären, sondern bedarf des Rückgriffs auf individuelle und subjektive Bewertungen, etwa zur Bedeutung von Leben, Sterben und Leid, zur Einschätzung von Lebensqualität oder zu Lebenszielen und Lebensentwürfen. Dieser Rückgriff erfolgt sowohl intuitiv als auch in Form eines reflektiert rationalen Prozesses [744].
Sinn erhalten Handlungen oder Zustände dadurch, dass ihnen eine Bedeutung zum Erreichen von (Lebens-)Zielen beigemessen wird. Als Fundament ethischen Handelns gilt der Grundsatz „Primum nil nocere“ – zuerst einmal nicht schaden.
Was aus Sicht einer Person als sinnvolle Lebenserhaltung erscheint, kann von einer anderen Person als qualvolle Verlängerung des Sterbens bewertet werden. Die Prüfung der Sinnhaftigkeit einer Maßnahme lässt also als Ergebnis zu, dass dieselbe Maßnahme abhängig vom jeweiligen Blickwinkel als „sinnvoll“ oder „sinnlos“ bewertet wird.
Die Frage nach der Sinnhaftigkeit enthält 2 Komponenten: die Zweckrationalität und die Wertrationalität. Beide können getrennt voneinander betrachtet und diskutiert werden.
Zweckrationalität beschreibt die Eignung einer Maßnahme, ein bestimmtes Ziel erreichen zu können (Beispiel: eine Infektion mit Antibiotika behandeln). Sinnvoll in diesem Sinne ist eine ärztliche oder pflegerische Maßnahme dann, wenn ausreichend Erfahrung oder Evidenz vorliegt, dass diese Maßnahme mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit einen Behandlungserfolg herbeiführen kann.
Wertrational ist eine Maßnahme hingegen, wenn sie in geeigneter Weise bestimmte moralische Grundwerte ausdrückt oder zur Geltung bringt (Beispiel: einem infektiös erkrankten Patienten helfen).
Wenn die Sinnhaftigkeit einer Maßnahme geprüft werden soll, müssen also unter anderem Fragen nach dem Wert der angestrebten Behandlungsziele, der Bedeutung von Leid und Krankheit, den subjektiven Faktoren der Lebensqualität und dem Stellenwert von professioneller Hilfe bzw. familiärer Unterstützung geklärt werden. Deshalb enthält die Behauptung, dass eine Maßnahme sinnvoll sei, sowohl eine Bewertung ihrer Zweckrationalität (es ist fachlich sinnvoll) als auch ihrer Wertrationalität (es ist menschlich angemessen) [744].
Zur Prüfung der Sinnhaftigkeit von Behandlungskonzepten oder Behandlungsmaßnahmen ist zu klären:
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Kann das angestrebte Therapieziel nach professioneller Einschätzung erreicht werden?
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Wird dieses Therapieziel vom Patienten gewünscht?
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Sind die Belastungen während der Behandlung durch die erreichbare Lebensqualität/Lebensperspektive aus Patientensicht gerechtfertigt?
Behandlungskonzepte oder -maßnahmen sind daher in Frage zu stellen, falls
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das angestrebte Therapieziel nicht erreicht werden kann
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oder dieses Therapieziel vom Patientenwillen nicht gedeckt ist
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oder die dadurch erreichbare Lebensqualität/Lebensperspektive die Belastungen während der Behandlung aus Patientensicht nicht rechtfertigt.
In diesem Zusammenhang wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Patienten nach erfolgloser Respiratorentwöhnung, d. h. weiterhin in hoher Abhängigkeit von der Beatmung befindlich, soweit es möglich ist, ausdrücklich einer Überleitung in die außerklinische Beatmung zustimmen müssen. Daher ist es in jedem Fall erforderlich, den Patientenwillen zu ermitteln. Eine Bewertung des Patientenwillens auf Grundlage der eigenen Wertmaßstäbe des Behandlungsteams darf hingegen nicht handlungsleitend sein. Bei einwilligungsunfähigen Patienten ist es i. d. R. die Aufgabe des Bevollmächtigten oder des Betreuers, den Patientenwillen zu ermitteln und zur Geltung zu bringen. Entspricht dieses Vorgehen nicht dem Willen des Patienten, sind im Sinne des Willens des Patienten Überlegungen zur Beendigung der Beatmung anzustellen.
Es kommt vor, dass aus ärztlicher Sicht erreichbare Therapieziele vom Patienten nicht mitgetragen werden, da sie seiner Vorstellung von einem guten Leben nicht entsprechen. Es kann auch sein, dass ein Therapieziel vom Patienten deshalb nicht angestrebt wird, da er die Belastungen durch die notwendige Behandlung nicht auf sich nehmen möchte. In beiden Fällen erscheint die Behandlung aus Sicht des Patienten als sinnlos und ist daher nicht durchzuführen.
Das Behandlungsteam muss sich bewusst machen, dass jenseits medizinischer Befunde und Kriterien patienteneigene Bewertungen existieren, die die Sinnhaftigkeit einer ärztlich indizierten Therapie in Frage stellen. Dazu gehören z. B. die Vorstellung eines gelingenden Lebens und guten Sterbens, die Bedeutung des Todes, individuelle Lebensziele und Aspekte der Lebensqualität.
In jedem Fall ist vor Beendigung lebensverlängernder Maßnahmen aufgrund einer solchen Patientenselbsteinschätzung sicherzustellen, dass diese Entscheidung nicht auf einer krankheitsbedingten und vorübergehenden Stimmungslage beruht. Bei jedwedem Zweifel sollte eine unabhängige, professionelle Einschätzung (z. B. durch einen Psychiater) erfolgen [744].
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7.1.3 Gesetzliche Vorschriften
Schriftlich niedergelegte Patientenverfügungen sind – unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung – in Deutschland seit 1. September 2009 gesetzlich verbindlich, wenn die darin enthaltenen Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Betroffene seine Entscheidung zwischenzeitlich geändert hat [746]. Der Betreuer prüft, ob die Festlegungen der Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Patienten Ausdruck und Geltung zu verschaffen [746].
Der behandelnde Arzt prüft, welche Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist. Gemeinsam mit dem Betreuer des Patienten erörtert er diese Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die zu treffende Entscheidung.
Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden [746]. An dieser Stelle spielen die vom Patienten geäußerten Behandlungswünsche eine wichtige Rolle. Ebenso sind ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige Wertvorstellungen des Betreuten zu berücksichtigen. Obwohl gesetzlich verankert, wird diesen zuvor geäußerten Behandlungswünschen im aktuellen/derzeitigen klinischen Alltag zu wenig Beachtung geschenkt [746].
Nahen Angehörigen und Vertrauenspersonen des Betreuten soll bei der Feststellung des mutmaßlichen Patientenwillens Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, sofern dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist [746].
Der sog. ärztliche Paternalismus wurde in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zu Gunsten einer partizipativen Entscheidungsfindung nach Aufklärung (Informed Consent) verlassen. Juristische Stellvertreter sind häufig mit den Entscheidungen am Lebensende überfordert, da sie die medizinische Sachlage nur schwer bewerten können und gegebenenfalls Schwierigkeiten bei der Übernahme der Verantwortung für den (mutmaßlichen) Patientenwillen haben. Daher ist eine ausführliche, nachvollziehbare und ehrliche Aufklärung der juristischen Stellvertreter und Angehörigen unverzichtbar.
In einer zunehmend multikulturell geprägten Gesellschaft sind auch die unterschiedlichen religiösen und kulturellen Haltungen der Patienten und ihrer Angehörigen zu berücksichtigen.
Die Möglichkeit, eine Patientenverfügung zu verfassen, ist inzwischen nahezu allen Bürgern bekannt: Laut einer Umfrage eines deutschen Meinungsforschungsinstituts (Institut für Demoskopie Allensbach) aus dem Jahr 2014 besaßen 28 % der Bundesbürger eine Patientenverfügung [747], die Anzahl ist seit 2009 stetig gestiegen. Die Sensibilität für das Thema Patientenverfügung nimmt mit dem Alter deutlich zu: Von den über 60-Jährigen hat jeder Zweite eine Patientenverfügung, weitere 34 Prozent planen eine solche für sich. Auch bei Intensivpatienten liegen Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen immer häufiger vor. Von 998 Patienten einer großen deutschen Intensivklinik hatten 512 (51,3 %) angegeben, eine Vorsorgevollmacht bzw. eine Patientenverfügung (eines oder beide Dokumente), erstellt zu haben [748]. Es wurde die Erstellung von insgesamt 385 (38,6 %) Vorsorgevollmachten und 293 (29,4 %) Patientenverfügungen genannt; 486 (48,7 %) Patienten hatten kein Dokument verfasst.
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7.1.4 Ethische Fallberatung
Therapieentscheidungen am Ende des Lebens verlangen vom Arzt neben der intensivmedizinischen auch eine ethische und palliativmedizinische Kompetenz [749]. Beratungen oder Konsile durch klinische Ethikkomitees sind v. a. in Situationen divergierender Sichtweisen hilfreich [750] und können auch generell zu einer Verbesserung der Kommunikation über den Entscheidungsprozess beitragen [751]. Derartige Komitees sollen interdisziplinär und multiprofessionell zusammengesetzt sein, um zu medizinischen, ethischen, psychosozialen, spirituellen und juristischen Fragen Stellung nehmen zu können.
Eine ethische Fallberatung kann nicht nur vom Behandlungsteam, sondern auch vom Patienten, vom Betreuer oder von den Angehörigen angefordert werden [745].
In der ethischen Fallbesprechung werden die unterschiedlichen Positionen dargestellt, um im Konsens eine aus Sicht aller Betroffenen tragfähige Lösung zu finden.
Zu Beginn einer ethischen Fallbesprechung wird allen Beteiligten stets das Prozedere erläutert und dabei hervorgehoben, dass ihr Resultat eine Empfehlung darstellt, während die Entscheidungen nur von den gegenüber dem Patienten Verantwortlichen zu treffen sind.
Der Beratungsschwerpunkt liegt auf den Bewertungen von Erfolgschancen, Therapiezielen, Lebensqualität und Belastungen. Dies trägt dazu bei, dass sich das weitere Vorgehen sowohl am medizinisch Machbaren als auch an den individuellen Behandlungspräferenzen, Lebensplänen und Wertvorstellungen des Patienten orientiert.
Die qualifizierte Durchführung und Organisation von ethischen Fallberatungen liegt in den meisten Kliniken in Händen eines klinischen Ethikkomitees, es gibt aber auch andere Implementierungsmodelle. Da die ethische Fallberatung eine Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung darstellt, sind entsprechende Strukturen in allen Krankenhäusern der Akut- und Notfallversorgung einzurichten [745].
E48: Die ärztliche Indikation und die Berücksichtigung des Patientenwillens sind zentrale ethische Prinzipien und sollen bei Entscheidungen am Lebensende beachtet werden. Eine Möglichkeit der Willensäußerung ist die frühzeitige Erstellung einer Patientenverfügung.
E49: Entscheidungen am Lebensende sollen gemeinsam im Gespräch zwischen Behandlungsteam, Patienten und/oder deren juristischem Stellvertreter getroffen werden.
E50: In Konfliktfällen bei Entscheidungen am Lebensende, z. B. innerhalb der Patientenfamilie oder zwischen Familie und Behandlungsteam, soll eine ethische Fallberatung erfolgen.
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7.2 Kommunikation
Entscheidungen zum medizinischen Vorgehen wie Maximaltherapie, Therapieverzicht, Therapiebegrenzung oder Therapiezieländerung müssen verständlich kommuniziert werden [745].
Möglichst frühzeitig sollte im Behandlungsverlauf ein strukturiertes Gespräch mit den Angehörigen oder anderen vertrauten Bezugspersonen des Patienten erfolgen. Dies gilt zwingend gegenüber Betreuern oder Bevollmächtigten, auch wenn sie keine Angehörigen sind. Die Angehörigenbesprechung dient der wechselseitigen Information über die Situation, Behandlung und Präferenzen des Patienten. Wesentliche Inhalte einer Angehörigenbesprechung sollten sein [745]:
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Einholen medizinischer und persönlicher Informationen zum Patienten
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Aufklärung über die Erkrankung, Therapieziele und Therapie sowie zur Prognose des Patienten, soweit dies dem (mutmaßlichen) Willen des Patienten entspricht und der ärztlichen Schweigepflicht Rechnung trägt
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Betreuung und Beratung der Angehörigen in der akuten Krisensituation
Das Gespräch sollte in einem ruhigen Raum ohne den Lärm und die Hektik der Intensivstation stattfinden.
Eine Angehörigenbesprechung sollte im Team gut vorbereitet sein. Sie erfordert eine klare zeitliche Planung und die Festlegung der teilnehmenden Personen. Die Mitglieder des Behandlungsteams sollten repräsentativ vertreten, d. h. vor allem das Pflegepersonal muss als zentrale Schnittstelle bei diesen Gesprächen anwesend sein. Bleiben im Prozess der Angehörigenbesprechungen unterschiedliche Einschätzungen zum Patientenwillen oder über den Sinn des Weiteren medizinischen Vorgehens bestehen, ist eine Ethik-Fallberatung angeraten.
Anmerkung: Dabei kann das Behandlungsteam den Dokumentationsbogen Therapiebegrenzung der Sektion Ethik der DIVI verwenden [752].
Bei langzeitbeatmeten Patienten ohne Analgosedierung ist eine Kommunikation häufig auch während der Beatmungstherapie möglich. Der Arzt muss den Patienten empathisch über seine Prognose aufklären und die aktuelle ärztliche Indikation für die weitere Behandlung verbunden mit einem realistischen Therapieziel (siehe oben) erläutern. Dabei ist der zu ermittelnde Patientenwille von entscheidender Bedeutung. Die Beurteilung, ob ein Therapieziel erreicht werden kann oder nicht, ist eine ärztliche Aufgabe. Ob die erreichbaren Therapieziele auch gewünscht oder angestrebt werden, kann nur der Patient oder sein Stellvertreter entscheiden [752]. Es ist immer sinnvoll, Hinweise des Pflegeteams und der Angehörigen mit einzubeziehen.
Weitere Details zu praktischen Aspekten sind der Leitlinie für die familienzentrierte Betreuung auf neonatologischen, pädiatrischen Intensivstationen sowie Erwachsenen-Intensivstationen zu entnehmen [753].
E51: Die Dokumentation der Planung, Durchführung und der Ergebnisse eines Angehörigengesprächs soll gründlich erfolgen. Dabei sollten die Entscheidungen zu einer Therapiezieländerung mit Bezug auf die medizinische Indikation und den Patientenwillen und die sich daraus ableitenden Maßnahmen schriftlich niedergelegt werden.
7.2.1 Gesprächsführung
Strukturiert geführte Gespräche mit Patienten, Familienangehörigen und den Teammitgliedern verbessern die Betreuungsqualität.
An Stelle des Begriffs „Abbruch ärztlich therapeutischer Maßnahmen“ soll „Therapiezieländerung“ verwendet werden. Die Möglichkeiten und die Bedeutung einer Symptomlinderung für die Aufrechterhaltung der bestmöglichen Lebensqualität werden hervorgehoben. Die wesentlichen Elemente einer gelingenden Kommunikation sind:
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Wertschätzung
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Gefühle zugestehen
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Zuhören
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Fragen zur Biografie und zum Wesen des Patienten stellen
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Ermunterung der Angehörigen, Fragen zu stellen
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7.3 Beenden einer Beatmungstherapie
Entsprechend den bisherigen Ausführungen und auch den Grundsätzen der Bundesärztekammer folgend, muss bei (beatmeten) Intensivpatienten die Indikation zur Therapiezieländerung in den folgenden Situationen zeitnah überprüft werden:
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Der Patient befindet sich im unmittelbaren Sterbeprozess.
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Der Patient oder sein Stellvertreter wünscht eine Therapiezieländerung.
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Es haben sich relevante medizinische Veränderungen ergeben, die eine Therapiezieländerung erforderlich machen.
Auch wenn das Alter kein alleiniges Entscheidungskriterium darstellt, spielen eine gebrechliche Konstitution und eine Multimorbidität eine herausragende Rolle für die Prognose von Intensivpatienten [754] und sollten bei Entscheidungen berücksichtigt werden.
Wird die kurative Zielsetzung verlassen, müssen sämtliche diagnostischen, therapeutischen und pflegerischen Maßnahmen überprüft werden. Eine zusätzliche Belastung Sterbender durch Vernachlässigung symptomorientierter Maßnahmen muss allerdings unbedingt vermieden werden [745].
Wird erkannt, dass ein kurativer Ansatz nicht mehr möglich ist, muss der Einsatz intensivmedizinischer Maßnahmen besonders kritisch hinterfragt werden, um Patienten nicht der Gefahr einer „Übertherapie am Lebensende“ auszusetzen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sind Aspekte der Palliativmedizin in die Intensivmedizin zu integrieren [755]. Hierbei sollte die Palliativmedizin als ergänzende, besondere Expertise in Schmerztherapie, Symptomkontrolle v. a. von Dyspnoe sowie einer respektvollen, fürsorglichen Begleitung des Patienten und seiner Familie in der letzten Lebensphase und im Sterbeprozess gesehen werden [755]. Ein mitmenschlicher Umgang mit Leben, Sterben und Tod sowie der Erhalt von Autonomie und Respekt vor der Würde Schwerstkranker und Sterbender waren und sind zentrale Themen der modernen Hospizbewegung und Palliativmedizin. Die palliativmedizinische Versorgung basiert dabei auf der hohen Fachkompetenz sowie auf inter- und multidisziplinärer Zusammenarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen, ergänzt durch ehrenamtliche Mitarbeiter [755]. Daher sollte ein in der Palliativmedizin erfahrener Arzt frühzeitig in die Betreuung der Patienten mit einbezogen werden.
7.3.1 Methoden der Beendigung einer Beatmungstherapie
Die Beatmungstherapie kann entweder abrupt beendet, langsam im Umfang reduziert (Rücknahme der Invasivität der Beatmung, wie Reduktion von PEEP oder FiO2) oder auch primär vorenthalten werden (z. B. Verzicht auf Beatmung bzw. auf ihre Eskalation bei Verschlechterung der respiratorischen Insuffizienz). Auf Intensivstationen werden Therapieverzicht oder -abbruch sehr unterschiedlich gehandhabt: Eine Umfrage auf europäischen Respiratory Intermediate Care-Stationen im Jahr 2005 ergab, dass bei 21,5 % der erfassten Patienten mit chronisch pulmonalen Erkrankungen, von denen 68 % verstarben, eine therapieeinschränkende Entscheidung am Lebensende erfolgte. Bei 11 % dieser Patienten wurde ein Therapieabbruch durchgeführt [756].
Asch et al. beobachteten, dass lebenserhaltende Therapien gehäuft in einer bestimmten Reihenfolge beendet wurden: zunächst wurden die Gabe von Blutprodukten, Hämodialyse und Vasopressoren eingestellt, danach die Beatmung und zuletzt eine Volumensubstitution bzw. Ernährung [757].
Campbell et al. beschrieben in einer kleinen Fallserie die Patientenreaktionen auf den Vorgang des sog. „terminalen Weanings“ [749]. Der Begriff des „terminalen Weanings“ ist prinzipiell jedoch irreführend, da eine Entwöhnung mit dem Ziel suffizienter Spontanatmung nicht beabsichtigt ist [758]. Der Vorgang wird im angloamerikanischen Raum mit dem Begriff der „compassionate extubation“ („mitfühlende Extubation“) besser beschrieben [759]. Es handelt sich dabei um eine schrittweise Reduktion der Invasivität der Beatmung durch Rücknahme des positiv endexspiratorischen Druckes oder der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration unter Belassen des Beatmungszuganges. Im Gegensatz dazu wird bei der terminalen Extubation die Beatmung abrupt beendet und der Beatmungszugang entfernt. Hierbei müssen Opioide oder Sedativa prophylaktisch wegen zu erwartender Symptome oder erst nach Eintritt beeinträchtigender Symptome verabreicht werden [760].
Die schrittweise Therapiebegrenzung erscheint weniger eingreifend und belastend. Allerdings kann dieses Vorgehen in einigen Fällen eine nicht zu rechtfertigende Verlängerung des Sterbeprozesses bedeuten [745].
Die unmittelbare Beendigung der Beatmung kann zu einer deutlichen Verkürzung des Sterbeprozesses führen [760]. Dabei können kurzfristig körperliche Reaktionen hervorgerufen werden (wie z. B. Schnappatmung, Rasselgeräusche beim Atmen, siehe Kapitel 7.3.2). Diese Reaktionen können eine Belastung für die begleitenden Angehörigen und das Behandlungsteam darstellen [745].
Es gibt keine eindeutigen und evidenzbasierten Empfehlungen für das Vorgehen nach Entscheidungen zum Therapieabbruch bei beatmeten Patienten. Sowohl die terminale Extubation als auch das Belassen des Tubus sind hierbei möglich. Die terminale Extubation wird in Europa aber selten praktiziert. Die Entscheidung für das jeweilige Vorgehen sollte auf einer rechtzeitigen Abstimmung innerhalb des Behandlungsteams, mit den Angehörigen und, wenn möglich, mit dem Patienten beruhen [761].
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7.3.2 Präfinale Rasselatmung
Nach Beendigung der Beatmung kann eine in- und exspiratorische Rasselatmung (sog. „Todesrasseln“) auftreten, die durch vermehrte pharyngo-tracheale Sekretbildung oder ein (terminales) Lungenödem bedingt ist. Dieses Rasseln ist ein Hinweis auf den eintretenden Sterbeprozess und beeinträchtigt die in ihrem Wachbewusstsein eingeschränkten Patienten gemessen an den erlöschenden Schutzreflexen des Hustens und Würgens nicht. Für Angehörige kann das akustische Phänomen des Rasselns jedoch eine erhebliche psychische Belastung darstellen. Mit der adäquaten Information über die Ursache der präfinalen Rasselgeräusche lässt sich oft die psychische Belastung der Angehörigen reduzieren. Zusätzlich soll dieses Symptom nach Möglichkeit pharmakologisch gelindert werden [762]. Zur Sekretionsminderung soll zunächst auf eine Volumenzufuhr verzichtet werden.
Absaugmanöver, die lediglich Pharynx oder Trachea erreichen, sollten in Kombination mit anticholinergen Medikamenten wie Butylscopolaminiumbromid oder Glycopyrroniumbromid erfolgen.
E52: Zur Verhinderung von Stress und Leiden durch Atemnot soll eine in der Dosis individuell angepasste Anxiolyse und Sedierung durchgeführt und exakt dokumentiert werden. Eine eventuelle Lebenszeitverkürzung durch unvermeidbare Nebenwirkungen darf dabei in Kauf genommen werden.
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7.4 Dokumentation
Es liegt mittlerweile ein Dokumentationsbogen zur Therapiebegrenzung vor [752]. Die standardisierte Dokumentation der getroffenen Entscheidungen am Lebensende und die Sichtbarkeit in der Patientenkurve sind für eine transparente und nachvollziehbare Behandlung auch unter medicolegalen Gesichtspunkten unverzichtbar. Therapiezielvereinbarungen und -änderungen bei einem Patienten müssen in allen Versorgungsbereichen einer Klinik bekannt sein, da sie vom gesamten behandelnden Team beachtet werden sollen. Die rasch überschaubare Dokumentation der getroffenen Vereinbarungen sorgt für Klarheit in den unterschiedlichen Versorgungsstrukturen einer Klinik und verhindert die Einleitung bzw. die Fortführung nicht (mehr) indizierter oder nicht (mehr) gewollter Maßnahmen. Zu diesem Zwecke sollte ein standardisierter Dokumentationsbogen zur Therapiebegrenzung Verwendung finden. Die dokumentierten Entscheidungen sollen die Ergebnisse eines multiprofessionellen und interdisziplinären Dialogs sein. Die wesentlichen Entscheidungsgrundlagen sollen in der Krankenakte klar und nachvollziehbar hinterlegt sein. Die Dokumentation einer strukturierten Patienten- und Angehörigenkommunikation, wie in den DIVI-Qualitätsindikatoren beschrieben, kann als Grundlage einer Entscheidung hilfreich sein [763]. Der Dokumentationsbogen fasst diesen Entscheidungsprozess an zentraler Stelle in übersichtlicher Form zusammen. Er bietet eine verlässliche Entscheidungsgrundlage, sofern keine Anhaltspunkte für eventuelle Veränderungen erkennbar sind. Insoweit entbindet er aber das behandelnde Team nicht von seiner Verantwortung für die zu treffenden Entscheidungen in der konkreten Situation. Es wird empfohlen, das vorliegende Dokument an die lokalen Gegebenheiten der jeweiligen Klinik anzupassen, um die getroffenen Entscheidungen klar und nachvollziehbar in Papierform und/oder elektronisch zu dokumentieren. Es sollte Teil der Patientenakte sein und den Patienten durch alle Funktionsbereiche des Krankenhauses begleiten.
E 53: Alle Entscheidungen zur Therapiebegrenzung sollen auf einem standardisierten Bogen dokumentiert werden. Die wesentlichen Entscheidungsgrundlagen sollen darüber hinaus in der Krankenakte dokumentiert werden.
QI5: Anzahl dokumentierter Entscheidungen zur Therapiebegrenzung auf standardisiertem Bogen/Anzahl aller Entscheidungen zur Therapiebegrenzung im prolongierten Weaning.
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7.5 Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten
Bei Säuglingen und Kindern ist Therapielimitierung oder -beendigung in Deutschland aus 2 Situationen heraus notwendig und derzeit ethisch akzeptiert. 1) Bei Aussichtslosigkeit der Therapie bedeutet deren Fortführung nur Verlängerung von Leiden. Aussichtslosigkeit bedeutet hier: Gewinn von nur kurzer Lebenszeit, die nicht im Verhältnis zu dem Leiden steht, das der Patient dafür erdulden muss. 2) Die Lebensqualität des Kindes bei Überleben wird als unzumutbares Leiden ohne Möglichkeit zur Besserung eingeschätzt [764] [765]. Häufiger erfolgt die Therapiebeendigung aufgrund der Aussichtslosigkeit der Therapie [766]. Auch schwere geistige oder körperliche Behinderung oder außerklinische Beatmung müssen die subjektive Lebensqualität eines Kindes nicht maßgeblich beeinträchtigen [767] [768] [769] [770]. Die Prognose einer unerträglichen Lebensqualität ist dadurch schwierig vorhersehbar. Manchmal kann eine unerträgliche Lebensqualität auch langsam im ambulanten Verlauf der Erkrankung entstehen, z. B. bei progredienten neurodegenerativen oder auch neuromuskulären Erkrankungen. In diesen Fällen ist es Aufgabe des Arztes, das bestmögliche Kindesinteresse (manche Juristen reden hier auch von dem mutmaßlichen Willen des Kindes) auf Leben oder Sterben nach ethischen Gesichtspunkten zu ermitteln. Die Notwendigkeit einer Therapieeinschränkung im Kindesalter sollte im Rahmen eines formalen ethischen Konsils festgestellt werden. Das Ergebnis wird mit den Eltern/Sorgeberechtigten diskutiert, und die Eltern/Sorgeberechtigten werden auch über alle sonstigen Behandlungsmöglichkeiten und Konsequenzen beraten. Die Entscheidung über die Intensität der weiteren Therapie wird gemeinsam mit den Sorgeberechtigten getroffen [764] [771] [772] [773] [774].
Eltern benötigen unterschiedlich viel Zeit, um die Situation zu verstehen, zu akzeptieren und eine Entscheidung zur Therapielimitierung oder -beendigung mittragen zu können [774]. Enge Führung ohne Drängen und psychologische Unterstützung der Eltern ist notwendig. Die meisten Eltern möchten bei einer Therapiebeendigung anwesend sein und eventuell das Kind im Arm halten. Durch Analgetika oder Sedative soll Leiden des Patienten bestmöglich vermieden werden [775].
E54: Bei Aussichtslosigkeit der Therapie oder nicht zumutbarem Leiden ohne Möglichkeit zur Besserung bei Überleben sollte das bestmögliche Kindesinteresse auf Leben oder Sterben ermittelt weden.
E55: Entscheidungen über Fortführung oder Beendigung von Therapie sollten bei Kindern im Rahmen eines ethischen Konsils und im Einvernehmen mit den Eltern getroffen werden.
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Interessenkonflikt
Eine Übersicht der Interessenkonflikte findet sich im Internet unter http://awmf.org; AWMF-Registriernummer: 020-015.
* Verabschiedet von den Vorständen der beteiligten Fachgesellschaften am 09. 07. 2019.
# Teilnehmer der Leitungs- bzw. Redaktionsgruppe der Leitlinie
1 Das Thema der fachlichen Qualifikation des Leiters der Weaning-Einheit bzgl. der Intensivmedizin wurde von allen Teilnehmern der 2. Konsensuskonferenz am 31.01.2018 ausführlich diskutiert. Die Mehrheit der Deligierten der an der Revision der Leitlinie beteiligten Fachgesellschaften sprach sich dafür aus, dass die fachliche Leitung einer Weaning-Einheit oder eines Weaning-Zentrums als Facharzt mit Zusatzbezeichnung Intensivmedizin qualifiziert sein sollte. Die Deutsche Gesellschaft für Neurorehabilitation widerspricht dieser Forderung mit Verweis auf die Leitlinie „Prolongiertes Weaning in der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation“ [232]. Nach Abschluss der Diskussion stimmten mit einer Gegenstimme 17 von 18 Stimmberechtigten dafür, dass die fachliche Leitung einer Weaning-Einheit oder eines Weaning-Zentrums als Facharzt mit Zusatzbezeichnung Intensivmedizin qualifiziert sein sollte.
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