Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 2019; 13(04): 281-284
DOI: 10.1055/a-0953-5448
SOP / Arbeitsablauf
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

SOP Postoperatives Fieber

Wolfgang Schwenk
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Wolfgang Schwenk
Chefarzt
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie
Städtisches Klinikum Solingen gGmbH
Gotenstraße 1
42653 Solingen

Publication History

Publication Date:
31 July 2019 (online)

 

Aufgrund der postoperativen neuroendokrinen Stressreaktion kann es auch bei unkompliziertem Verlauf zu einer Erhöhung der Körpertemperatur kommen. Daher treten subfebrile Temperaturen (37,5 – 38,0 °C) oder geringes Fieber (38,1 – 38,5 °C) in den ersten Stunden nach einer Operation nicht selten auf und können per se nicht als Zeichen einer frühen Komplikation gewertet werden. Spätere Temperaturanstiege, anhaltendes Fieber und vor allem Fieber > 38,5 °C müssen jedoch als Alarmsignal gewertet werden und sollten zu einer standardisierten Diagnostik und Therapie führen.


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Einleitung

Eine Erhöhung der Körpertemperatur über 37,5 °C auf bis zu 38,0 °C wird als subfebrile Temperatur bezeichnet. Dagegen bedeutet Fieber, das die Körpertemperatur auf mehr als 38,0 °C angestiegen ist. Jeder postoperative Temperaturanstieg auf mehr als 38,0 °C muss zu einer genaueren Beachtung des Patienten führen, um chirurgische und allgemeine Komplikationen rasch zu erkennen und zu behandeln. Prinzipiell sollte postoperatives Fieber immer zu einer standardisierten und sorgfältigen Fokussuche führen. Dabei stehen zunächst Wundinfektionen oder andere infektiöse Komplikationen im Operationsgebiet im Zentrum der diagnostischen Bemühungen. Allgemeine Komplikationen sollten nach Ausschluss einer lokalen Fieberursache beachtet werden.

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Abb. 1 SOP Postoperatives Fieber.

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Erläuterungen

  1. Temperaturanstiege > 38,0 °C können als Folge der neuroendokrinen Reaktion des Organismus auf das operative Trauma auch bei komplikationslosem Verlauf und regelgerechter Heilung auftreten. Dennoch sollte auch geringes Fieber nach Bauchoperationen immer zu einer genauen Betrachtung der Wunde und einer sorgfältigen klinischen Untersuchung des Abdomens führen.

  2. Die abdominelle Untersuchung umfasst die Palpation und Auskultation des Abdomens. Dabei muss zwischen einem unauffälligen Abdomen, das durchaus etwas druckschmerzhaft oder geschwollen sein kann, und einem auffälligen Befund mit ungewöhnlich starkem Schmerz und lokaler oder generalisierter Abwehrspannung unterschieden werden. Diese Differenzierung ist auch für erfahrene Chirurgen schwierig. Der Allgemeinzustand des Patienten, Durchblutung und Feuchtigkeit der Schleimhäute (z. B. der Zunge), auffällige Drainagesekrete und der Auskultationsbefund (Vorhandensein und Art der peristaltischen Geräusche) werden selbstverständlich in die Beurteilung mit einbezogen.

  3. Ein auffälliger abdomineller Untersuchungsbefund zieht zwangsläufig eine Kontrolle der Laborparameter und der sogenannten Entzündungswerte nach sich. Dabei spielen die Leukozytenzahl und das C-reaktive Protein eine besondere Rolle. Wobei zu beachten ist, das vor allem das CrP auch nach unkomplizierten Operationen für 2 – 3 Tage ansteigt und dann erst wieder abfällt. Andererseits kann das CrP aufgrund des verzögerten Anstiegs in der frühen Phase einer infektiösen Komplikation noch unauffällig sein, während die Leukozyten relativ rasch reagieren. Neben der Leukozytose ist auch eine Leukopenie als Alarmsignal zu werten.

  4. Fieber und ein auffälliger abdomineller Befund in Kombination mit pathologischen Entzündungswerten sollten zu einer weiteren Bildgebung führen. Dabei muss individuell entschieden werden, ob eine Sonografie sinnvoll ist oder sofort eine computertomografische Schnittbildgebung erfolgen muss.

  5. Bei bildgebendem Verdacht oder Nachweis einer intraabdominellen Komplikation als Ursache des Fiebers sollte unverzüglich eine konsequente Behandlung durch Intervention (z. B. bei V. a. intraabdominellen Abszess) oder eine Re-Operation erfolgen. Gleichzeitig muss die Indikation zur Antibiotikatherapie und intensivmedizinischen Weiterbehandlung geprüft werden.

  6. Sollte die bildgebende Diagnostik als mögliche Ursache für das Fieber auf einen tiefen Wundinfekt (tief subkutan bei sehr adipösen Patienten oder subfaszial) hinweisen, muss ebenfalls eine rasche und zielgerichtete Intervention oder Re-Operation erfolgen.

  7. Bei abdominellen Eingriffen beinhaltet die klinische Untersuchung des Abdomens selbstverständlich auch die Beurteilung der Wunden. Dabei wird vor allem auf Zeichen einer Infektion wie Rötung, Schwellung, Fluktuation und ungewöhnlich starken Druckschmerz geachtet.

  8. Wenn aus einer Wunde Sekret austritt, muss eine Wundheilungsstörung oder sogar eine Wundinfektion ausgeschlossen werden. Bei Austritt von putridem Sekret sollte so rasch wie möglich eine Revision der Wunde unter ausreichender Analgesie des Patienten erfolgen. Oberflächliche Wundinfektionen sind durch das Entfernen des Hautnahtmaterials, Spülung und regelmäßige Verbandswechsel adäquat behandelt. Nach intraabdominellen Eingriffen sollte eine Fasziendeshizenz durch sorgfältige Palpation unter sterilen Kautelen ausgeschlossen werden. Bei ausgedehnten Wundinfektionen und besonderen Wundbedingungen kann eine weitergehende Bildgebung indiziert sein. Bei oberflächlichen Wundinfektionen ist eine Antibiotikatherapie nicht zwingend indiziert.

  9. Das Auftreten von Schüttelfrost ist für Patienten und Angehörige ein besonders beunruhigendes und belastendes Ereignis. Typischerweise ist Schüttelfrost als Hinweis auf einen katheterassoziierten Infekt zu werten.

  10. Vor allem Infektionen zentralvenöser Venenkatheter führen häufig zu Schüttelfrost. Daher sollten zentrale Venenkatheter ebenso wie alle anderen Fremdkörper (Sonden, Drainagen) entweder vermieden oder so rasch wie möglich nach einer Operation entfernt werden. Das Gleiche gilt für Blasenkatheter, die nicht nur zu einer deutlich erhöhten Inzidenz von Harnwegsinfekten führen, sondern auch mit pathologischen Veränderungen der Harnröhre (Strikturen etc.) einhergehen.

  11. Neben zentralen Venenkathetern und Blasenkathetern können auch einfache Venenverweilkanülen oder andere Fremdmaterialien zu einer Infektion mit Fieber und Schüttelfrost führen. Daher sollte jedes im Patienten befindliche Fremdmaterial als potenzielle Fieber- und Infektionsquelle betrachtet werden.

  12. Wenn das postoperative Fieber durch Fremdmaterial hervorgerufen wurde, kann die Entfernung des Fremdkörpers als Therapie bereits ausreichend sein. Allerdings muss in Abhängigkeit von der Art des Fremdmaterials, dem Risikoprofil des Patienten und seinem Allgemeinzustand individuell entschieden werden, ob eine zusätzliche antibiotische Therapie indiziert ist.

  13. Sollte eine Antibiotikatherapie erfolgen, muss diese natürlich die besonderen infektiologischen Gegebenheiten des Patienten, seiner Erkrankung und der Klinik berücksichtigen. Kenntnisse über die Resistenzlage auf der Normal- oder Intensivstation sind dabei unverzichtbar.

  14. Da Schüttelfrost den Patienten in erheblichem Maße kardiovaskulär belasten kann und auch subjektiv als sehr unangenehm empfunden wird, sollte zeitgleich mit der Diagnostik auch eine symptomatische Therapie erfolgen. Die Gabe eines Opioids unter Umständen kombiniert mit einer niedrigen Kortikosteroidgabe unterbricht den Schüttelfrost durch Dämpfung der zentralen Temperaturrezeptoren. Metamizol bekämpft das in Folge des Schüttelfrosts auftretende Fieber.

  15. Bei unauffälligem Lokalbefund und fehlendem Hinweis auf eine katheterassoziierte Infektion müssen andere nosokomiale Infektionen als Fieberursache ausgeschlossen werden. Eine Harnwegsinfektion oder eine Pneumonie sollten durch Untersuchung einer Urinprobe und – bei klinischen Zeichen (produktiver Husten, Dyspnoe) mit pathologischem Auskultationsbefund (Bronchialatmen oder Rasselgeräusche) – durch eine Röntgenthoraxaufnahme in zwei Ebenen ausgeschlossen bzw. nachgewiesen werden. Neben der antibiotischen Therapie darf bei der Pneumoniebehandlung die adäquate Mobilisation und Physiotherapie nicht unterlassen werden.

  16. Wenn die gesamte Diagnostik keine Fieberursache nachweisen kann, sollte eine antipyretische Therapie (z. B. Metamizol 1 g) erfolgen und der Patient engmaschig beobachtet und untersucht werden.

Fazit

Postoperatives Fieber ist nicht zwangsläufig ein Hinweis auf eine postoperative Komplikation, da es vor allem nach größeren Operationen auch bei regelgerechtem Verlauf vorübergehend auftreten kann. Vor allem anhaltendes und höheres Fieber muss aber Anlass zu einer sofortigen, zielgerichteten und standardisierten Diagnostik und Therapie sein.


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Autorinnen/Autoren

Wolfgang Schwenk

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Prof. Dr. med. 1982 – 1989 Studium der Humanmedizin, Heinrich-Heine Universität Düsseldorf; 1989 – 1995 Weiterbildung Facharzt für Chirurgie; 2001 Gefäßchirurg; 2002 Viszeralchirurg; 2002 – 2009 Stellvertretender Klinikdirektor, Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie Charité – Universitätsmedizin Berlin; 2009 – 2017 Chefarzt Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Asklepios Klinik Altona; seit 2017 Chefarzt Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Städtisches Klinikum Solingen gGmbH; seit 2018 Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, Städtisches Klinikum Solingen gGmbH. Schwerpunkte: minimalinvasive und onkologische Chirurgie, perioperative Medizin.

Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie
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Abb. 1 SOP Postoperatives Fieber.