Hebamme 2019; 32(02): 69
DOI: 10.1055/a-0861-0571
Kolumne
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Schweigen der Männer

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Publication Date:
23 April 2019 (online)

Mir wird selten vorgeworfen, sprachlos zu sein. Beruflich bedingt spreche ich oft mehrere Stunden. Oder wollen Sie mit mir über Autos, Fußball, Kaffeemaschinen, die große oder die kleine Politik, das Leben im Allgemeinen oder im Besonderen diskutieren? Nur zu! Ich bin bereit. Doch geht es um idiopathische Störungen oder Kinderlosigkeit wegen Problemen im männlichen Lendenbereich, versiegt mein Redefluss, verkümmert zu einem kleinen Rinnsal, tröpfeln die einzelnen Buchstaben und Silben nur mühsam zu Worten und Sätzen zusammen. Wenn es ums emotionale Eingemachte geht, trocknet mir gerne der Mund aus. Und ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage: So geht es vielen meiner Artgenossen, also uns Männern. Wir können großartige Schweiger sein.

So war es auch, als unserem Kinderwunsch keine Kinder folgten und meine Frau und ich in die Mühlen der Reproduktionsmedizinmaschinerie gerieten. Meine Jungs, so nannte ich meinen „Spermmüll“, waren zu wenige, die wenigen zu wenig mobil und nur wenige nicht verkümmert. Ein trauriger Dreiklang.

Verbockt hatte es also ich. Auszubaden die Frau mit den Spitzenwerten – meine Frau – und zwar mit Hormontherapie, Spritzen und regelmäßigen Zyklusüberwachungen. Mein Beitrag bestand lediglich in der Bereitstellung einer meist mittelmäßigen Probe, aus der mit medizinischem Sachverstand unterm Mikroskop ein paar funktionsfähige Spermien herausgepuhlt werden konnten.

Meine Frau hätte sich sehr gewünscht, wenn ich ihr in dieser Zeit wenigstens ein guter Gesprächspartner gewesen wäre. Ich war aber ähnlich schweigsam wie meine Spermien marode. Sehr schweigsam. Was hätte ich auch sagen sollen? Ursache des Problems zu sein und nicht in der Lage, zur Lösung beizutragen, ist keine gute Kombi.

Dann kam dieser Moment: Wir hatten es geschafft. Meine Frau war schwanger, Freude und Erleichterung waren riesengroß. Hin und wieder saßen wir von nun an in einer dieser stilsicher eingerichteten Gewinnerpraxen – alles neu und weiß. Auf dem Schreibtisch des selbstverständlich netten Arztes lachten seine zwei blonden, süßen Mädchen aus einem Silberrahmen. „Ihre Werte sind super. Mit ganz großer Wahrscheinlichkeit wird es ein Mädchen“, sagte der Arzt siegesgewiss. „Aber deswegen lässt man es ja trotzdem nicht wegmachen“, sagte ich augenzwinkernd, um ein bisschen witzig zu sein.

Die Stille, die darauf folgte, machte mir eines deutlich: Schweigen ist wirklich manchmal Gold.

Zur Person
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Felix Wegener (Pseudonym) beschreibt in seinem Buch Nichtschwimmer, wie sich ein Mann fühlt, dessen Kinderwunsch nur im Labor erfüllt werden kann. Zusammen mit seiner Frau hat er mittlerweile drei Kinder. Das mittlere entstand „in freier Wildbahn“. Da war nicht nur er sprachlos. (Foto: Ullstein)