CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2019; 79(11): 1208-1215
DOI: 10.1055/a-0859-0826
GebFra Science
Original Article/Originalarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Einfluss des maternalen Alters auf ausgewählte geburtshilfliche Parameter

Article in several languages: English | deutsch
Barbara Schildberger
1   FH Gesundheitsberufe OÖ, Linz, Austria
,
Doris Linzner
1   FH Gesundheitsberufe OÖ, Linz, Austria
,
Luise Hehenberger
1   FH Gesundheitsberufe OÖ, Linz, Austria
,
Hermann Leitner
2   IET – Institut für klinische Epidemiologie der Tirol Kliniken GmbH, Innsbruck, Austria
,
Christian Pfeifer
2   IET – Institut für klinische Epidemiologie der Tirol Kliniken GmbH, Innsbruck, Austria
› Author Affiliations
Further Information

Correspondence/Korrespondenzadresse

Dr. Barbara Schildberger
University of Applied Sciences
Department of Midwivery
Krankenhausstraße 26 – 30
4020 Linz
Austria   

Publication History

received 27 August 2018
revised 21 December 2018

accepted 17 February 2019

Publication Date:
12 April 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Einleitung Das durchschnittliche Alter Gebärender in Österreich ist in den letzten Jahrzehnten deutlich angestiegen. Ein mütterliches Alter ab 35 wird aufgrund einer höheren Interventionsrate als unabhängiger Risikofaktor für Schwangerschaft und Geburt diskutiert. In dieser Arbeit wird der Einfluss mütterlichen Alters auf den Geburtsmodus, die Schwangerschaftsdauer und die Interventionsrate während der Geburt untersucht. Zudem wird der Einfluss der mütterlichen Parität analysiert.

Material und Methoden Als Methode wurde eine retrospektive Datenerhebung und Auswertung aus dem Geburtenregister Österreich gewählt. Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf Daten aller Einlings-Lebendgeburten in Österreich im Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2016 (n = 686 272). Ausgeschlossen wurden Mehrlings- und Totgeburten. Das Alter und die Parität der Mutter wurden mit vorab definierten Variablen (Entbindungsmodus, Schwangerschaftswoche, Episiotomie bei Vaginalgeburt, Periduralanästhesie bei Vaginalgeburt oder Sectio sowie Mikroblutuntersuchung) untersucht. Die statistische Datenauswertung erfolgte mittels (1) deskriptiver Abbildung der Häufigkeiten, (2) bivariater Analyse sowie (3) der Anwendung multinomialer Regressionsmodelle.

Ergebnisse Die Raten an Sectiones und vaginal-operativen Geburtsbeendigungen steigen mit zunehmendem Alter der Mutter vor allem bei Erstgebärenden an, dementsprechend sinkt die Rate an Spontangeburten mit Anstieg des maternalen Alters. Eine Parität von ≥ 2 hat einen protektiven Einfluss auf die Sectiorate. Ebenso erhöht ist vor allem bei Erstgebärenden die Rate an Frühgeburtlichkeit mit zunehmendem mütterlichen Alter.

Diskussion Wenngleich erhöhtes mütterliches Alter diverse geburtshilfliche Parameter negativ beeinflusst, ist ein Kausalzusammenhang nicht verifizierbar. Das Alter der Mutter kann nicht als unabhängiger Risikofaktor gewertet werden, vielmehr muss neben Faktoren wie Lifestyle oder chronische Vorerkrankungen die Parität in die Betreuungsplanung einbezogen werden.


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Einleitung

Der in den letzten Jahrzehnten aufgekommene Trend zu später Mutterschaft hält weiter an. In Österreich lag das Durchschnittsalter von erstgebärenden Frauen im Jahr 2016 bei 29,4 Jahren. Im Vergleich dazu lag das Durchschnittsalter der Erstgebärenden im Jahr 1984 in Österreich noch bei 23,8 Jahren [1] ([Abb. 1]).

Ausschlaggebende Faktoren für das zunehmende durchschnittliche Alter der Mutter bei der Geburt des ersten Kindes sind unter anderem eine erhöhte Lebenserwartung, höhere Bildung und Karrierechancen für Frauen, Möglichkeiten der Empfängnisregelung und Reproduktionsmedizin, veränderte Haltungen zu Sexualität und Partnerschaft, späte Heirat und auch höhere Scheidungsraten [2], [3]. Der Anteil der Frauen, die erst ab einem Alter von 35 Jahren die Kinderplanung einleiten, ist vor allem in den letzten 3 Jahrzehnten angestiegen. Der Trend für den Aufschub des Kinderwunsches trifft im Besonderen für Länder mit hohem Pro-Kopf-Einkommen zu [4], [5].

Geburtshilflich relevante Definitionen von erhöhtem mütterlichen Alter fallen in der Literatur unterschiedlich aus. Einerseits wird ein maternales Alter von ≥ 35 Jahren als unabhängiger Risikofaktor für diverse geburtshilfliche Interventionen und Komplikationen erkannt [3], [6], andererseits wird ein Cut-off-Wert von ≥ 40 Jahren als Grenzwert signifikanter Risikoerhöhung angegeben [4], [5], [7]. Dieser Argumentation folgend ist auch die Definition von später Mutterschaft ab einem mütterlichen Alter von ≥ 35 Jahren durch die International Federation of Gynecology and Obstetrics aus dem Jahre 1958 [2] zu überdenken.

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Abb. 1 Anstieg der Geburtenzahlen von Müttern ab einem Alter von 35 Jahren.(Quelle: Statistik Austria, eigene Darstellung [1] )

Mit steigendem Alter der Mutter nimmt die Anzahl an chromosomal bedingten Fehlbildungen zu. Dies gilt vor allem für das Down-Syndrom, aber auch für das Patau- und Edwards-Syndrom [4]. Das Risiko für ein Kind mit Trisomie liegt bei Frauen im Alter von 25 bei 1 : 1250, mit 30 Jahren bei 1 : 800, mit 35 bei 1 : 340, mit 40 bei 1 : 100 und mit 45 Jahren bei 1 : 25. Da insgesamt die Anzahl an Kindern mit Aneuploidien mit zunehmendem Alter der Mutter ansteigt, wurde in den 1970er-Jahren ein Alter von 35 Jahren als Grenzwert für die Rechtfertigung einer pränatalen Abklärung aufgrund erhöhten Risikos festgelegt [8]. Ein Zusammenhang zwischen erhöhtem mütterlichem Alter und nicht chromosomalen Fehlbildungen ist nicht bekannt [9].

Aufgrund chromosomaler Störungen des Embryos steigt die Fehlgeburtenrate ebenfalls mit zunehmendem mütterlichen Alter [2], [4].

Das Risiko von Frühgeburtlichkeit ist bei jungen Frauen ≤ 19 Jahren und bei Frauen ≥ 40 Jahren signifikant erhöht [10], [11]. Ob das Alter der Mutter ein unabhängiger Risikofaktor für eine erhöhte Frühgeburtenrate ist oder vor allem altersabhängige Faktoren Frühgeburtsbestrebungen triggern, ist nicht eindeutig geklärt [4].

Die Dauer der Geburt, insbesondere die Dauer der Austreibungsperiode und das Risiko für eine vaginal-operative Geburtsbeendigung, steigen mit mütterlichem Alter an. Die Kaiserschnittrate, vor allem die Rate der primären Sectiones nimmt mit erhöhtem mütterlichen Alter deutlich zu [12], [13], [14], [15], [16], [17], [18].

Erhöhtes mütterliches Alter hat neben den genannten Parametern weiters Einfluss auf die Rate von Mehrlingsschwangerschaften, Placenta praevia [19], vorzeitige Plazentalösung [3], die Episiotomierate [20] sowie auf die Inzidenz von schwangerschaftsbedingter Hypertonie und Gestationsdiabetes [21]. Eine altersabhängig schlechtere plazentare Perfusion gilt als Begründung für die höhere Rate an Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht bzw. an von intrauteriner Wachstumsretardierung betroffenen Neugeborenen [3]. Insgesamt zeigt die Studienlage zum Einfluss des maternalen Alters auf relevante geburtshilfliche Parameter unterschiedliche Ergebnisse, Evidenzen zur geburtshilflichen Pathophysiologie aufgrund der biologischen Alterungsprozesse sowie zur Rolle der Parität sind limitiert [22].


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Zielsetzung und Forschungsfragen

Ziel dieser Arbeit ist es, den Einfluss des erhöhten mütterlichen Alters auf ausgewählte geburtshilfliche Parameter wie Geburtsmodus, Schwangerschaftsdauer und geburtshilfliche Interventionen mithilfe epidemiologischer Basisdaten darzustellen. Weiters soll untersucht werden, ob und inwiefern Parität auf die Konstellation mütterlichen Alters und ausgewählter geburtshilflicher Parameter einen Einfluss ausübt. Daraus ergeben sich folgende forschungsleitende Fragestellungen: Welchen Einfluss hat mütterliches Alter von Erstgebärenden auf den Geburtsmodus, die Schwangerschaftsdauer und die Interventionsrate während der Geburt? Welcher Einfluss kommt in diesem Kontext der Parität zu?


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Material und Methoden

Ein positives Votum der Ethikkommission Oberösterreich für die Publikation sowie eine Genehmigung des Geburtenregister Österreich–Beirat des Instituts für klinische Epidemiologie der Tirol Kliniken in Innsbruck für die Datenanalyse liegt vor.

Das Geburtenregister Österreich erfasst auf epidemiologischer Basis Daten von allen stationären Geburten in Österreich. Als Methode wurde eine retrospektive Datenerhebung und Auswertung gewählt.

Stichprobe und Variablen

Die vorliegende retrospektive Arbeit bezieht sich auf Daten aller Einlingsgeburten in Österreich im Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2016 (n = 686 272).

Die Grundgesamtheit wird in 7 Alterskohorten (< 20 Jahre, 20 – 24 Jahre, 25 – 29 Jahre, 30 – 34 Jahre, 35 – 39 Jahre, 40 – 44 Jahre, ≥ 45 Jahre) sowie Parität (Erstgebärende n = 336 967, Zweitgebärende n = 236 103, Dritt/Mehrgebärende n = 113 202) unterteilt. Das Alter und die Parität der Mutter wurden mit vorab definierten Variablen in Relation gesetzt: Entbindungsmodus (Spontangeburt, Vakuumextraktion, Forcepsextraktion, primäre und sekundäre Sectio), Schwangerschaftswoche, geburtshilfliche Interventionen (Episiotomie, Epidural- und Spinalanästhesie bei Vaginalgeburt, primärer und sekundärer Sectio sowie Mikroblutuntersuchung in der Eröffnungsperiode.

Ausgeschlossen von der Auswertung wurden Mehrlings- und Totgeburten.

Zunächst erfolgt eine deskriptive Analyse der Daten durch Abbildung der Häufigkeiten entsprechend der definierten Alterskohorten der Mütter. Im Weiteren wird der Einfluss des maternalen Alters auf die ausgewählten Variablen mittels Spalten- und Zeilenprozente der Kontingenztabellen untersucht, wobei die χ2-Statistik als Zusammenhangsmaß für die Zeilen- und Spaltenvariable angegeben wird.

Schließlich kommen zur weiteren Auswertung des Datensatzes multinomiale Modelle [23] zur Anwendung, wobei das maternale Alter als erklärende Variable und die unterschiedlichen geburtshilflich relevanten Parameter als abhängige Variable gelten. Die geschätzten Koeffizienten lassen sich so als Odds Ratio zwischen der gewählten Kategorie und der Referenzkategorie interpretieren. Basieren die abhängigen Variablen nur auf 2 Kategorien, so ergibt das Modell den Spezialfall einer logistischen Regression.

Als Referenzkategorie zur Berechnung der Odds Ratio wurden jeweils 20 – 24-jährige Gebärende unterschiedlicher Parität mit physiologischer Geburt (abhängig von Untersuchungsvariable Spontanentbindung, Termingeburt oder ohne geburtshilfliche Intervention) zugrunde gelegt.


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Ergebnisdarstellung

Entbindungsmodus

Die Rate der spontanen Entbindungen nimmt bei den Erstgebärenden mit zunehmendem mütterlichen Alter kontinuierlich ab. Die prozentuelle Häufigkeit von Spontangeburten beträgt bei Erstgebärenden durchschnittlich 58,3%, in der Gruppe der Erstgebärenden unter 20-Jährigen 70,9%, bei der Gruppe der über 45-Jährigen 18,9%.

Eine umgekehrte Beobachtung lässt sich für die primären Sectiones darstellen: Hier steigt die Rate von durchschnittlich 7,3% (OR 0,87) bei den Erstgebärenden unter 20 Jahre auf 49,6% (OR 22,12) bei den Erstgebärenden über 45 Jahren an.

Ebenso steigt die Rate der sekundären Sectiones bei Erstgebärenden von 13,5% (OR 0,79) bei den Müttern unter 20 Jahren auf 25,1% (OR 5,52) bei den Müttern über 45 Jahren an.

Bei den vaginal-operativen Geburtsbeendigungen mittels Vakuumextraktion steigt das Risiko bei Erstgebärenden ebenso mit steigendem Alter an und liegt in der Gruppe der < 20-Jährigen bei 8,1% (OR 0,75) und bei der Gruppe der ≥ 45-Jährigen bei 6,23% (OR 2,19).

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Abb. 2 Entbindungsmodus nach Alter und Parität in %.(eigene Darstellung)

Bei den Zweitgebärenden zeigt sich bei den Spontangeburten ein ähnliches Bild. Auch hier sinkt die prozentuelle Rate von 79,9% bei den < 20-Jährigen auf 38,8% bei den ≥ 45-Jährigen. Demgegenüber steigt das Risiko einer primären Sectio bei den genannten Alterskohorten von 12,27% (OR 0,89) auf 39,95% (OR 5,99), das Risiko einer sekundären Sectio von 6,7% (OR 0,81) auf 16,36% (OR 4,07) und das Risiko einer Vakuumextraktion von 1,13% (OR 0,66) auf 4,67% (OR 5,63).

Die Kohorte der Dritt- und Mehrgebärenden weist in allen Altersgruppen > 20 Jahren die höchsten Raten an Spontangeburten und die niedrigsten Raten an vaginal und abdominal-operativen Geburten auf.

Das Risiko einer primären Sectio nimmt mit steigender Parität bei Gebärenden über 35 Jahren ab. So weist die Gruppe der 35 – 39-Jährigen bei den Erstgebärenden noch eine OR von 3,04 auf, bei Drittgebärenden reduziert sich das Risiko auf OR 1,33. In der Altersgruppe der 40 – 44-Jährigen reduziert sich das Risiko von OR 5,646 auf OR 1,58 und in der Gruppe der ≥ 45-Jährigen von OR 22,12 auf OR 2,32.

Ähnliche Ergebnisse sind bei sekundären Sectiones zu verzeichnen. Auch hier sinkt bei allen Alterskohorten über 35 das Risiko mit steigender Parität. In der Gruppe der 35 – 39-Jährigen sinkt das Risiko von OR 2,16 bei den Erstgebärenden auf OR 1,33 bei den Dritt- und Mehrgebärenden, in der Gruppe der 40 – 44-Jährigen von OR 2,98 auf OR 1,815 und bei den ≥ 45-Jährigen von OR 5,52 auf OR 2,82 ([Abb. 2] und [Tab. 1]).

Tab. 1 Odds Ratio (OR) Entbindungsmodus nach Parität und Alter (eigene Darstellung).

Alter Mutter

Vakuum

Forceps

BEL Manualhilfe

primäre Sectio

sekundäre Sectio

OR

OR

OR

OR

OR

Referenzkategorie: 20 – 24-jährige Gebärende, Spontangeburt; *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05

1 Para

< 20

0,75***

0,69

1,19

0,87***

0,79***

25 – 29

1,23***

1,25

2,23***

1,29***

1,21***

30 – 34

1,45***

1,08

3,76***

1,8***

1,54***

35 – 39

1,72***

1,8***

3,5***

3,04***

2,16***

40 – 44

1,89***

1,44

3,84***

5,65***

2,98***

≥ 45

2,19***

3,74

0

22,12***

5,52***

2 Para

< 20

0,67

0

0

0,89

0,81

25 – 29

1,53***

0,93

1,15

1,12***

1,12***

30 – 34

1,86***

1,06

1,8**

1,34***

1,34***

35 – 39

2,35***

1,08

2,12***

1,85***

1,76***

40 – 44

3,07***

2,6

1,91*

2,83***

2,36***

≥ 45

5,63***

12,1*

0

5,99***

4,07***

3+ Para

< 20

0

0

0

1,34

1,66

25 – 29

1,32

0,41

1,52

1,11*

0,96

30 – 34

1,9**

0,54

2,08

1,2***

1,1

35 – 39

2,55***

0,67

2,18

1,33***

1,33***

40 – 44

3,08***

1,42

2,37

1,58***

1,81***

≥ 45

5,41***

4,06

4,87*

2,32***

2,82***


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Schwangerschaftsdauer

Insgesamt haben 91,8% der Erstgebärenden im Erhebungszeitraum ihre Kinder am Termin zwischen vollendeter 37. und 41. SSW entbunden. Durchschnittlich 0,7% der Erstgebärenden haben jenseits der 42. Schwangerschaftswoche entbunden.

Das Risiko einer Frühgeburt ist bei Erstgebärenden der Gruppe der < 20-Jährigen erhöht und sinkt in Folge in allen Alterskohorten bis zu einem Alter von 35 Jahren. Ab 35 Jahren steigt das Risiko frühgeborener Kinder sowohl bei den Extremely preterm Infants, als auch bei den Very preterm Infants und Late preterm Infants mit mütterlichem Alter kontinuierlich an.

Ähnliche Trends zeigen sich auch in den Kohorten der Zweitgebärenden bzw. der Dritt- und Mehrgebärenden.

Der Einfluss der Parität lässt sich in Bezug auf das Risiko einer Frühgeburtlichkeit ebenfalls abbilden. Erstgebärende weisen in allen Alterskohorten sowohl bei den Extremely preterm Infants als auch bei den Very preterm Infants und Late preterm Infants ein höheres Risiko als Zweit-, Dritt- oder Mehrgebärende auf, wobei bei Erstgebärenden signifikantere Ergebnisse erzielt werden.

Zweit-, dritt- und mehrgebärende Frauen zwischen 25 und 44 Jahren weisen ein niedrigeres Risiko der Terminüberschreitung (ab 42 + 0 SSW) auf als Erstgebärende ([Tab. 2]).

Tab. 2 Odds Ratio (OR) Schwangerschaftswoche bei Entbindung nach Parität und Alter (eigene Darstellung).

Alter Mutter

SSW < 27 + 6

SSW 28 – 31

SSW 32 – 36

SSW > 42 + 0

OR

OR

OR

OR

Referenzkategorie: 20 – 24-jährige Gebärende, vollendete 37 – 41. SSW; *** p < 0,001, ** p < 0,01 * p < 0,05

1 Para

< 20

1,26

1,27*

1,22***

1,13

25 – 29

0,91

1,15*

1,15***

1,01

30 – 34

1,04

1,40***

1,31***

1,15*

35 – 39

1,61***

1,78***

1,40***

1,36***

40 – 44

2,37***

2,36***

1,68***

1,24

≥ 45

3,29**

3,83***

2,75***

0,88

2 Para

< 20

1,19

0,44

2,09***

1,62

25 – 29

0,55***

0,8

0,92*

1

30 – 34

0,63**

0,89

0,99

1,06

35 – 39

0,87

1,08

1,24***

1,07

40 – 44

1,13

1,62**

1,50***

1

≥ 45

0

4,23***

2,50***

0,74

3+ Para

< 20

4,13

0

0,95

0

25 – 29

0,85

1,05

0,67***

0,9

30 – 34

0,8

1,06

0,68***

0,97

35 – 39

1,08

1,25

0,81**

1,04

40 – 44

1,33

1,64*

1,07

1,08

≥ 45

2,57

3,37**

1,52**

1,84


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Interventionen

Die durchschnittliche Episiotomierate bei vaginalen Geburten aller Erstgebärenden liegt bei 28,88%, bei Zweitgebärenden bei 9,3% und bei Dritt- und Mehrgebärenden bei 3%. Unabhängig von der Parität kann bei steigendem Alter der Mutter ein Anstieg der Episiotomierate festgestellt werden.

Insgesamt wurde bei 20,71% der Erstgebärenden bei Vaginalgeburten eine Epidural- oder Spinalanästhesie angewendet, bei Zweitgebärenden liegt die durchschnittliche Rate bei 8,22% und bei Dritt- und Mehrgebärenden 4,76% In Zusammenhang mit dem Alter der Mutter ist zu beobachten, dass die Rate an durchgeführten Epidural- und Spinalanästhesien bei Vaginalgeburten unabhängig der Parität mit steigendem Alter der Mutter zunimmt.

Bei durchschnittlich 84,52% der erstgebärenden Frauen, 84,81% der Zweitgebärenden und 79,33% der Dritt- und Mehrgebärenden kam bei einer Sectio caesarea eine Epidural- oder Spinalanästhesie zur Anwendung. Auch hier steigt die Rate mit steigendem Alter der Mutter unabhängig von der Parität an.

Die Mikroblutgasanalyse zur Beurteilung der fetalen Sauerstoffversorgung sub partu wurde unabhängig vom Alter der Mutter bei 3,45% der Erstgebärenden, 10,50% der Zweitgebärenden und 0,92% der Dritt- und Mehrgebärenden durchgeführt. Während bei Erst- und Zweitgebärenden die Interventionsrate mit steigendem Alter sinkt, steigt die Odds Ratio mit zunehmendem Alter der Mutter bei Drittgebärenden von OR 1,02 in der Kohorte der 25 – 29-Jährigen auf OR 2,64 in der Kohorte der ≥ 45-Jährigen ([Tab. 3]).

Tab. 3 Odds Ratio (OR) Interventionen nach Parität und Alter (eigene Darstellung).

Alter Mutter

Episiotomie

PDA + Spinalanästhesie bei vaginaler Geburt

PDA + Spinalanästhesie bei Sectio caesarea

MBU

OR

OR

OR

OR

Referenzkategorie: 20 – 24-jährige Gebärende (1: ohne Episiotomie bei Spontangeburt; 2: ohne PDA und Spinalanästhesie bei vaginaler Geburt; 3: ohne PDA und Spinalanästhesie bei Sectio, 4: ohne MBU); *** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05

1 Para

< 20

0,84***

1,06***

0,84

0,94

25 – 29

1,15***

0,96**

1,23***

0,94*

30 – 34

1,17***

1,05**

1,49***

0,91**

35 – 39

1,24***

1,24***

1,66***

0,97

40 – 44

1,22***

1,30***

1,78***

0,91

≥ 45

1,45*

2,01***

2,26***

0,33**

2. Para

< 20

0,68*

0,95

0,87

1,01

25 – 29

1,47***

1,09*

1,18***

1,02

30 – 34

1,82***

1,30***

1,44***

0,99

35 – 39

2,15***

1,77***

1,53***

1,04

40 – 44

2,36***

2,11***

1,51***

1,16

≥ 45

2,89***

2,26***

1,69*

0,83

3+ Para

< 20

1,18

1,93

0,54

0,00

25 – 29

1,29

1,25*

1,34**

1,02

30 – 34

1,89***

1,51***

1,41***

1,15

35 – 39

2,45***

2,01***

1,45***

1,28

40 – 44

2,77***

2,12***

1,41***

1,67**

≥ 45

3,34***

2,62***

1,67**

2,64**


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Diskussion

Die Analyse der Daten des Geburtenregisters Österreich zeigt, dass mit steigendem mütterlichen Alter der Entbindungsmodus der Sectio ansteigt. Wenngleich bei Erstgebärenden der Anstieg am deutlichsten erkennbar ist, erhöht sich auch bei Zweitgebärenden sowie bei Dritt- bzw. Mehrgebärenden die Kaiserschnittrate mit steigendem Alter der Mutter.

Mit Blick auf Entbindungsmodi nach Parität und Alter liegt der Schluss nahe, dass zunehmende Parität trotz steigenden Alters als protektiver Faktor angesehen werden kann: Erstgebärende 25 – 29-Jährige im österreichischen Mittel entbinden etwa gleich häufig (61,13%) spontan vaginal wie Dritt- und Mehrgebärende ab 45 (59,16%).

In der Literatur wird ein mütterliches Alter von über 40 Jahren als unabhängiger Risikofaktor für eine Entbindung per Sectio caesarea erachtet [4]. Smith et al. (2008) gehen in ihrer Studie davon aus, dass 37,6% der Kaiserschnitte zwischen 1980 und 2005 nicht hätten durchgeführt werden müssen, wäre das Durchschnittsalter der Mutter bei der Geburt ihres ersten Kindes über die Jahre nicht angestiegen [24].

Als Begründung für den Anstieg der Sectiorate wird eine verminderte Uterusaktivität [12], eine geringere Effizienz des Myometriums und eine geringere Anzahl an Oxytocinrezeptoren [3] mit steigendem Alter diskutiert. Ritzinger et al. merken in ihrer Publikation an, dass bei älteren Gebärenden auch ohne medizinisch gerechtfertigte Indikation vor allem aus Angst um die Gesundheit des Kindes häufiger eine primäre Sectio durchgeführt [4].

So wie von Kalogiannidis et al. (2011) beschrieben [6], kann auch die Analyse des Datensatzes des Geburtenregisters Österreich zeigen, dass vorangegangene Geburten einen vorteilhaften Einfluss auf die Sectiorate haben.

Ebenso verweisen die Ergebnisse des Geburtenregisters auf eine steigende Rate an Frühgeburtlichkeit ab einem Alter von 35 Jahren besonders für Erstgebärende. Wenngleich auch andere Studien dieses Ergebnis aufzeigen konnten [22], wurde ein kausaler Zusammenhang bislang nicht verifiziert. Allerdings wird in diesem Zusammenhang in der Literatur ein mittlerer bis höhergradiger Bildungsstatus als protektiver Faktor diskutiert [3], [4], [22].

So wie bei Wu et al. (2013) kann auch bei der Analyse des Datensatzes des Geburtenregisters Österreich ein Anstieg der Episiotomierate bei Erstgebärenden aufgezeigt werden. Als Begründung für ein erhöhtes Risiko für eine Episiotomie wird bei Wu et al. die verringerte Elastizität des Gewebes mit steigendem maternalen Alter angeführt [20].

Da die Registerdaten keine Rückschlüsse auf Diagnosestellungen zulassen, kann die sinkende MBU-Rate bei gleichzeitig ansteigender Sectiorate bei Erst- und Zweitgebärenden einerseits auf mütterlich ausgerichtete Indikationsstellungen hinweisen oder andererseits die immer wieder geäußerte Vermutung untermauern, dass ohne valide Risikoabwägung eine abdominal-operative Geburtsbeendigung durchgeführt wird [25].

Im Zusammenhang mit den nachweislich hohen Interventionsraten während der Schwangerschaft und Geburt mit steigendem mütterlichen Alter wird die altersbedingt zunehmend vulnerable Grundkonstitution des weiblichen Organismus diskutiert. Da mit dem Alter die Inzidenz für chronische Erkrankungen ansteigt und diese wiederum Einfluss auf den Verlauf von Schwangerschaft und Geburt haben können, ist oft nicht eindeutig belegbar, ob das erhöhte Alter der Mutter per se als unabhängiger Risikofaktor einzustufen ist. Die normalen hämodynamischen Veränderungen der Schwangerschaft verlaufen gegenteilig zu den Entwicklungen, die durch den natürlichen Alterungsprozess entstehen. Diese Tatsache erschwert bei älteren Gebärenden eine Anpassung an die hämodynamische Situation der Schwangerschaft [3]. Ein gehäuftes Auftreten von Gestationshypertonie bei später Mutterschaft ist die Folge [7]. Aber auch chronischer Bluthochdruck ist bei älteren schwangeren Frauen häufiger zu verzeichnen als bei jüngeren. Ältere Mehrgebärende scheinen davon noch öfter betroffen zu sein als ältere Erstgebärende [3]. Für die Entwicklung einer Präeklampsie steigt das Risiko besonders ab einem Alter von 40 Jahren exponentiell an [5]. Da die Pankreas-B-Zellfunktion und die Insulinsensitivität mit zunehmendem Alter reduziert sind, steigt ab etwa 35 Jahren das Risiko, an einem Gestationsdiabetes zu erkranken, an. Vor allem unzureichend therapierter Diabetes kann zahlreiche Probleme für Mutter und Kind bereiten, darunter Polyhydramnion, Makrosomie, Plazentainsuffizienz, IUFT oder eine fetale Hypoglykämie post partum [4].

Entscheidend sind somit neben dem Alter der Mutter vor allem auch individuelle, patientinnenspezifische Risikofaktoren [4]. Der vorliegende Datensatz gibt weder Aufschluss über das Bestehen diverser Vorerkrankungen wie z. B. Hypertonie oder Diabetes noch über peripartale Regelwidrigkeiten oder Komplikationen. Somit fehlen wesentliche Informationen zur Indikation für die durchgeführten Interventionen, was die Interpretation der Ergebnisse limitiert.


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Conclusio

Anhand der vorliegenden Arbeit wurde versucht, den Einfluss des erhöhten mütterlichen Alters auf ausgewählte geburtshilfliche Parameter wie Geburtsmodus, Schwangerschaftsdauer, geburtshilfliche Interventionen und Parität darzustellen. Der Geburtsmodus Sectio und vaginal-operative Geburtsbeendigung steigt mit zunehmendem Alter der Mutter vor allem bei Erstgebärenden. Dahingehend sinkt die durchschnittliche Rate an Spontangeburten mit Anstieg des maternalen Alters. Eine Parität von ≥ 2 hingegen scheint einen protektiven Einfluss zu haben.

Ebenso ist die Rate an Frühgeburtlichkeit mit zunehmendem mütterlichen Alter vor allem bei Erstgebärenden erhöht.

Um der limitierten Datenlage hinsichtlich Indikationsstellung und Interventionsplanung in Relation mit dem mütterlichen Alter zu begegnen, ist es ein Desiderat zukünftiger Forschungsaktivitäten, die Rolle mütterlichen Alters und Parität in Bezug auf das geburtshilfliche Outcome vor dem Hintergrund der zugrunde liegenden Indikationen zu untersuchen.


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Fazit für die Praxis

Die Studienlage verweist darauf, erhöhtes maternales Alter per se nicht weiter als Risikovariable während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zu definieren [4]. Die gewonnenen Daten legen zwar nahe, dass die Definition von später Mutterschaft der International Federation of Gynecology (1958) folgend nach wie vor Relevanz besitzt, in die Interventions- und Betreuungsplanung jedoch additive Einflussfaktoren wie chronische Vorerkrankungen, Lifestyleaspekte und in besonderem Maß die Parität einzubeziehen sind, zumal sich das mütterliche Alter am stärksten für Erstgebärende auf das geburtshilfliche Outcome auswirkt. Demgemäß ist es sinnvoll, über Risiken, die mit erhöhtem mütterlichen Alter assoziiert sind, zu informieren und aufzuklären, um damit ein adäquates Management nicht erst in Schwangerschaft und Geburt zu ermöglichen [3], sondern um dies bereits zuvor in der Familienplanung und Wahl des Zeitpunkts zur Familiengründung zu berücksichtigen.


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Conflict of Interest/Interessenkonflikt

The authors declare that they have no conflict of interest./Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Correspondence/Korrespondenzadresse

Dr. Barbara Schildberger
University of Applied Sciences
Department of Midwivery
Krankenhausstraße 26 – 30
4020 Linz
Austria   


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Fig. 1 Increased numbers of births to mothers aged 35 years and above.(Source: Statistik Austria, own research [1] )
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Fig. 2 Correlation between mode of delivery and age and parity, in %.(own research)
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Abb. 1 Anstieg der Geburtenzahlen von Müttern ab einem Alter von 35 Jahren.(Quelle: Statistik Austria, eigene Darstellung [1] )
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Abb. 2 Entbindungsmodus nach Alter und Parität in %.(eigene Darstellung)