Neurologie up2date 2019; 2(03): 243-263
DOI: 10.1055/a-0829-8928
Zerebrovaskuläre Erkrankungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neues beim Schlaganfall unter besonderer Berücksichtigung älterer Patienten

Hans-Christoph Diener
,
Christian Gerloff
,
Martin Grond
,
Karl Georg Häusler
,
Peter Heuschmann
,
Hagen B. Huttner
,
Joachim Röther
,
Stefan Schwab
,
Maximilian I. Sprügel
,
Götz Thomalla
,
Christian Weimar
Further Information

Publication History

Publication Date:
08 August 2019 (online)

Die Prävention, Diagnostik und Therapie zerebraler Durchblutungsstörungen hat in den letzten 30 Jahren immense Fortschritte gemacht. Dazu beigetragen haben die modernen Methoden der zerebralen Bildgebung und die Versorgung der Patienten auf Stroke Units. Diese Übersicht fasst die wichtigsten wissenschaftlichen und klinischen Erkenntnisse der letzten beiden Jahre zusammen.

Kernaussagen
  • Schlaganfälle sind medizinische Notfälle. Die Patienten sollen in Stroke Units behandelt werden.

  • Etwa 80% aller Schlaganfälle sind durch eine zerebrale Ischämie, ca. 20% durch eine intrazerebrale oder subarachnoidale Blutung bedingt; beiden liegt eine Vielzahl modifizierbarer und nicht modifizierbarer Risikofaktoren zugrunde.

  • Die Symptomatik des Schlaganfalls ist mannigfaltig.

  • Eine zerebrale Bildgebung ist für eine Diagnosesicherung und Einleitung einer Akuttherapie zwingend erforderlich:

    • zerebrale Bildgebung mit Darstellung der hirnversorgenden Arterien,

    • Laboruntersuchung,

    • EKG-Ableitung in der Akutphase des Schlaganfalls.

  • Akuttherapie des ischämischen Insults:

    • Basistherapie auf der Stroke Unit.

    • Der Nutzen einer Thrombolyse bei Patienten mit mildem Schlaganfall und nicht behinderndem Schlaganfall ist nicht erwiesen, hingegen sollte bei mildem Schlaganfall und behindernden Symptomen eine Thrombolyse erwogen werden.

    • Bei Schlaganfall mit unbekanntem Symptombeginn und MRT-Muster eines DWI-FLAIR-Mismatch führt eine Behandlung mit Alteplase zu besserem funktionellem Outcome als Placebo.

    • Die Thrombektomie ist hocheffektiv bei kleinem Infarktkern und großem Perfusionsdefizit oder schwerem klinischem Defizit auch im erweiterten oder unbekannten Zeitfenster (etwa bei „Wake-up-Schlaganfall“).

  • Prävention des ischämischen Insults:

    • Die Primärprävention des Schlaganfalls nach TIA oder ischämischem Insult erfolgt mit 100 mg Azetylsalizylsäure.

    • Die Kombination aus Azetylsalizylsäure und Clopidogrel wird zur frühen Sekundärprävention eingesetzt.

  • Akuttherapie der intrazerebralen Blutung:

    • Aufnahme auf der Stroke Unit oder Intensivstation.

    • So lange Andexanet alfa in der EU noch nicht verfügbar ist, ist bei intrazerebralen Blutungen unter Faktor-Xa-Inhibitoren die hochdosierte Gabe von Prothrombinkomplexkonzentrat (PPSB) zu empfehlen.

    • Minimalinvasive chirurgische Verfahren können derzeit nicht als Standardtherapie empfohlen werden.

  • Zur Prävention thrombembolischer Ereignisse nach intrazerebraler Blutung kann die Wiederaufnahme einer Antikoagulation gemäß individueller Risiko-Nutzen-Abwägung 4 – 8 Wochen nach stattgehabter ICB von Vorteil sein.

  • Zum Vorgehen bei offenem Foramen ovale liegt eine neue Leitlinie vor. Der PFO-Verschluss ist ein probates Mittel zur Verhinderung eines Schlaganfalls bei jungen, gefäßgesunden Patienten mit einem PFO und kryptogenem Schlaganfall.

  • Bei Dissektion der Halsgefäße ist die Thrombozytenfunktionshemmung in der Regel zur Sekundärprävention ausreichend.

  • Ohne Vorliegen der „klassischen“ zerebrovaskulären Risikofaktoren muss differenzialdiagnostisch bei Schlaganfällen von Patienten im mittleren Lebensalter immer auch an eine Vaskulitis gedacht werden. Hingegen ist die Riesenzellarteriitis typischerweise eine Erkrankung des älteren Menschen.