Frauenheilkunde up2date 2020; 14(04): 315-326
DOI: 10.1055/a-0821-7944
Gynäkologische Onkologie

Das Lynch-Syndrom als bedeutendes erbliches Tumorsyndrom

Günter Emons

Neben dem hereditären Brust- und Eierstockkrebssyndrom ist das Lynch-Syndrom das häufigste erbliche Tumorsyndrom mit kolorektalen, gynäkologischen sowie Manifestationen an weiteren Organsystemen. Die sorgfältige ärztliche (Familien-) Anamnese ist vor allem im Hinblick auf die Früherkennung der prognostisch ungünstigen Kolorektalkarzinome sehr wichtig. Für assoziierte gynäkologische Tumoren sind Checkpoint-Inhibitoren vielversprechende Therapeutika.

Kernaussagen
  • Das Lynch-Syndrom (LS) ist neben dem erblichen Brust- und Eierstockkrebssyndrom das häufigste hereditäre Tumorsyndrom.

  • Bei Frauen ist mit einem Lebenszeitrisiko von bis zu 60% das Endometriumkarzinom (EC) neben dem kolorektalen Karzinom das häufigste LS-assoziierte Malignom.

  • Bei Frauen gehört auch das Ovarialkarzinom zu den häufigen LS-assoziierten Malignomen.

  • LS-assoziierte EC und OC treten in deutlich jüngerem Lebensalter auf als die entsprechenden sporadischen Malignome.

  • LS-assoziierte EC und OC haben in der Regel eine hervorragende Prognose.

  • Das Mammakarzinomrisiko ist bei Frauen mit LS gegenüber der Allgemeinbevölkerung nicht erhöht.

  • LS-assoziierte EC sind „Sentinelkarzinome“ für das LS und sollten Anlass für eine weitergehende Diagnostik im Hinblick auf ein LS sein, um ggf. eine intensivierte Früherkennung hinsichtlich kolorektaler Karzinome (ist hier lebensverlängernd) und eine Beratung und Testung von Familienangehörigen (Kaskadentestung) einzuleiten.

  • Eine sorgfältig erhobene ärztliche Anamnese (Amsterdam-, Bethesda-Kriterien) ist nach wie vor von zentraler diagnostischer Bedeutung.

  • Molekularpathologische Untersuchungen am Tumormaterial (immunhistochemischer Nachweis von Defekten der MMR-Proteine, Mikrosatelliteninstabilität) sind meist nicht mit entsprechenden Keimbahnmutationen korreliert, sondern Ausdruck eines Lynch-like-Syndroms.

  • Mit der zunehmenden preisgünstigen Verfügbarkeit von Next-Generation-Sequencing sowie der Einführung molekularer Prognosefaktoren für EC und OC unterliegt diese Thematik einer großen Dynamik.

  • Für fortgeschrittene EC und OC mit MSI sind Checkpoint-Inhibitoren ein erfolgversprechender neuer therapeutischer Ansatz.

  • Der lebensverlängernde Effekt von intensivierter gynäkologischer Früherkennung und von prophylaktischen Operationen (Hysterektomie und beidseitige Adnexexstirpation) bei Frauen mit LS ist nicht belegt. Diese Maßnahmen sollten aber angeboten werden.

  • Durch kombinierte orale Kontrazeptiva wird bei LS-Trägerinnen das EC- und OC-Risiko deutlich vermindert.



Publication History

Article published online:
03 August 2020

Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York