PiD - Psychotherapie im Dialog 2019; 20(02): 114
DOI: 10.1055/a-0771-5369
Resümee
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Traumatherapie – es bleibt spannend!

Volker Köllner
,
Maria Borcsa
,
Henning Schauenburg
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Publication Date:
12 June 2019 (online)

102 Heftseiten zum Thema Trauma und Traumatherapie liegen nun hinter uns – für Sie als LeserInnen und für uns als HerausgeberInnen. Unser Eindruck ist, dass dieses Feld nach wie vor ebenso lebendig wie konfliktreich ist. Das erste Mal seit längerer Zeit haben wir in einem PiD-Heft wieder drei Standpunkte-Artikel, die das alte Spannungsverhältnis zwischen der Realität der Traumatisierung, deren Begegnung mit Lebensgeschichten und den manchmal aus diesen folgenden Verarbeitungsformen deutlich werden lässt. Unter den Heftherausgebern sorgte der Artikel von Ilka Quindeau für Kontroversen: Eine Seite (wenn es denn nach Schulen gesehen werden sollte, die verhaltenstherapeutische) erlebte die Ausführungen als Opferpathologisierung und kann insofern den Inhalt und auch die Sprache nicht mittragen. Die andere Seite kann zwar die Kritik am distanziert, von außen beobachtenden Gestus des Artikels nachvollziehen. Sie begrüßt aber, dass der Text das im klinischen Alltag manchmal sehr auf das reine Ereignis eingeengte Traumaverständnis erweitert und auch soziologische Perspektiven aufwirft. Wir sind neugierig, wie unsere LeserInnen das sehen…

Am Ende des Heftes steht der Beitrag von Wöller zur therapeutischen Beziehung in der psychodynamischen Behandlung komplex traumatisierter Patienten. Dieser wird wahrscheinlich weniger Abwehrreflexe auslösen, sondern kann hoffentlich schulenübergreifend als bereichernd für die eigene therapeutische Arbeit erlebt werden. Bei Meiser-Storck geht es hingegen aus verhaltenstherapeutischer Sicht um den Umgang mit der „Ahnung einer Traumatisierung“ im Spannungsfeld zwischen einer äußeren Realität, die die Patientin zu rekonstruieren versucht, und der nachträglichen Interpretation und Ausgestaltung von Erinnerungsfragmenten.

Innerhalb dieses Spannungsbogens wird deutlich, was sich auf dem Feld der Traumatherapie in den letzten 20 Jahren verändert hat. Im diagnostischen Bereich führt die ICD-11 zur Einführung der von PraktikerInnen schon lange geforderten Diagnose „komplexe PTBS“. Das wegen seiner unscharfen Definition bei Klinikern beliebte und bei Forschenden unterschätze Störungsbild der Anpassungsstörung wurde mit eigenen Symptomkriterien neu konzeptualisiert. In der Therapieforschung kam es zu zahlreichen therapeutischen Modifikationen für unterschiedliche Patientengruppen. Eine besondere Herausforderung stellt die Traumatherapie bei Geflüchteten dar, auch weil die Therapie oft nur mit Hilfe von Sprachmittlung möglich ist. Besser erforscht und verstanden wurden sowohl die biologischen Grundlagen der PTBS als auch die körperlichen Folgen einer psychischen Traumatisierung.

Wir sind gespannt auf Ihre Reaktion auf dieses Heft und würden uns über Zuschriften und einen kritischen Diskurs sehr freuen.

Prof. Volker Köllner
Prof. Maria Borcsa
Prof. Henning Schauenburg