PPH 2018; 24(04): 206
DOI: 10.1055/a-0620-4279
Rund um die Psychiatrie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Für Sie gelesen: Aktuelle Studien: Kushlev K, Heintzelman SJ, Oishi S, Diener E. The declining marginal utility of social time for subjective well-being. Journal of Research in Personality 2018; 74: 124–140

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Publication Date:
24 July 2018 (online)

Hintergrund: Bisherige Forschungen haben bewiesen, dass soziale Aktivitäten und Beziehungen ein notwendiger Bestandteil eines glücklichen Lebens sind. Die Formel „Je mehr Zeit wir uns mit sozialer Geselligkeit beschäftigen, desto größer ist unser Glück.“ wird bis heute als eine feststehende Tatsache in der psychologischen Literatur geführt. Ist dies der Schlüssel zum dauerhaften Glücklichsein? Aristoteles hatte bereits darauf hingewiesen, dass das wahre Glück in der „goldenen Mitte“ zwischen Mangel und Überfluss liegt. Nur wenige Studien haben untersucht, ob und zu welchem Zeitpunkt ein Plateau für das Glücksgefühl mithilfe sozialer Aktivitäten erreicht wird. Diese Überlegung führt zur Fragestellung diese Studie: Sind Menschen, die mehr Zeit mit anderen verbringen, immer glücklicher als diejenigen, die weniger Zeit mit sozialen Aktivitäten verbringen und inwieweit lässt sich das Glücksempfinden steigern?

Methode: Es wurden die Datensätze vom Gallup World Poll und der American Time Use Survey mit über 250 000 Probanden untersucht. Die Experience-Sampling-Methode (ESM) wurde angewandt, um Nachweise sowohl für die intradomänen (Prinzip der abnehmenden Zufriedenheit) als auch für die interdomänen Mechanismen (Prinzip der Zufriedenheitsgrenzen) zu finden.

Ergebnis: Unglücklichen Menschen wird häufig empfohlen, ihre sozialen Aktivitäten zu intensivieren. Statt solche generellen Empfehlungen zu geben, legen die Ergebnisse dieser Studien nahe, zuerst herauszufinden, ob das Gleichgewicht zwischen sozialen und anderen Aktivitäten im Leben der Menschen im Einklang steht. In allen Untersuchungsvarianten dieser Studie wurden nämlich übereinstimmende Beweise dafür gefunden, dass soziale Aktivtäten nur bis zu einem gewissen Grad für das subjektive Glücksempfinden förderlich sind. Jenseits dieses Punkts entsteht demnach kein Zugewinn mehr. Einen maximalen Punkt können auch diejenigen Menschen erreichen, die bereits ihre gesamte Freizeit mit sozialen Aktivitäten verbringen.

Fazit: Ein aktives soziales Umfeld kann sich förderlich auf das Glücksempfinden von Menschen auswirken. Für Menschen, die bereits sehr aktiv in ihrem sozialen Umfeld sind, hat die Intensivierung jedoch keinen zusätzlichen positiven Effekt mehr auf das Glücksempfinden. Es besteht aber die Möglichkeit, andere alternative Aktivitäten und Beschäftigungen ins Leben zu integrieren und dadurch neue Glücks- und Wohlgefühle zu empfinden.

Jörg Kußmaul