PPH 2018; 24(04): 206
DOI: 10.1055/a-0620-4205
Rund um die Psychiatrie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Für Sie gelesen: Aktuelle Studien: Knotter MH, Spruit A, De Swart JJW, Wissink IB, Moonen XMH, Stams GJM. Training direct care staff working with persons with intellectual disabilities and challenging behaviour: A meta-analytic review study. Aggression and Violent Behavior 2018; 40: 60–72

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Publication Date:
24 July 2018 (online)

Hintergrund: Die Begleitung und Förderung von Menschen mit kognitiven Einschränkungen (Intellectual Disabilities, ID) sowie herausforderndem Verhalten (vorwiegend aggressives und gewalttätiges Verhalten) ist für das Betreuungspersonal oftmals eine schwierige Aufgabe. Es muss häufig zwischen Präventions- und Schutzmaßnahmen und dem Angebot von Wachstumschancen abwägen, damit herausforderndes Verhalten kompensiert und nach Möglichkeit reduziert werden kann. Zum Schutz von allen Beteiligten kann es zur Anwendung von restriktiven Interventionen durch das Betreuungspersonal kommen, wenn eine Situation durch physische Aggression zu eskalieren droht. Diese Maßnahmen können sich jedoch längerfristig negativ auf die Menschen mit kognitiven Einschränkungen auswirken. Sie fühlen sich dann unsicher, sind frustriert, verärgert, ängstlich und gestresst. Diese Gefühle können dann wiederum eine neue Konfliktsituation fördern. Um diesem Phänomen zu begegnen, wurden spezielle Trainingsprogramme für das Betreuungspersonal entwickelt, basierend auf Wissen, Fähigkeiten und Verhalten. Dadurch soll das Betreuungspersonal Situationen mit herausforderndem Verhalten im besten Fall verhindern, bestmöglich bewältigen und für sich im Nachhinein verarbeiten können. Das Ziel dieser Studie ist, die Effektivität dieser Fortbildungsmaßnahmen zu bewerten.

Methode: Es wurden zwei verschiedene literaturbasierte Metaanalysen von insgesamt 16 Studien durchgeführt, um die Effekte der Trainingsprogramme an dem Betreuungspersonal und den Menschen mit kognitiver Behinderung zu messen. Ein dreistufiges Zufallseffektmodell wurde für beide Metaanalysen verwendet, um die Varianz sowohl innerhalb der Studien als auch zwischen den Studien festzustellen.

Ergebnis: Die Trainingsprogramme sind moderat wirksam, um die geschulten Kompetenzen beim Betreuungspersonal so zu fördern, dass diese zu Veränderungen in der Praxis führen. Es wurden keine überzeugenden Beweise für einen positiven Effekt gefunden, der das herausfordernde Verhalten bei Menschen mit kognitiver Behinderung reduziert. Die Ursache für die Ergebnisse kann darin begründet sein, dass der Wissenstransfer in die tägliche Praxis nicht gelingt. Deshalb sollte nach vielversprechenderen Methoden gesucht werden, wie zum Beispiel die Begleitung des Betreuungspersonals und Coaching direkt während der Arbeit. Weiterhin sollten Aspekte wie die Organisationsveränderung und teamorientierte Ansätze als Brücken für den Wissenstransfer in die Praxis in Betracht gezogen werden.

Fazit: Für einen erfolgreichen Wissenstransfer in die Praxis scheint die Art und Weise, in der das Trainingsprogramm für das Betreuungspersonal bereitgestellt wird, sogar wichtiger zu sein als die tatsächlichen Inhalte.

Jörg Kußmaul