OP-Journal 2018; 34(03): 201-206
DOI: 10.1055/a-0607-8097
Fachwissen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prinzipien der Frakturbehandlung beim Kind

Principles of Fracture Treatment in the Child
Francisco F. Fernandez
,
Oliver Eberhardt
Further Information

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Francisco F. Fernandez
Kinder- und Jugendtraumatologie
Olgahospital/Klinikum Stuttgart
Kriegsbergstraße 62
70174 Stuttgart
Phone: 07 11/27 87 30 17   

Publication History

Publication Date:
09 November 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Die Behandlungsprinzipien von Frakturen beim Kind richten sich nach den besonderen Eigenschaften der Frakturheilung am wachsenden Skelett. Das Skelett des Kindes stellt ein vom Alter abhängiges dynamisch wachsendes Organ dar, mit der Fähigkeit, schnell knöcherne Verletzungen zu heilen, mit hoher Toleranz gegen Weichteilverletzung, geringen Immobilitätsschäden und altersabhängig möglicher Korrektur von posttraumatische Fehlstellungen. Diese Fähigkeiten sind am Skelett des Kindes nicht überall gleich, sie sind direkt abhängig von Potenz der angrenzenden Wachstumsfuge bzw. ihrem Anteil an der Gesamtlänge der Extremität und dem Alter des Kindes. Der Behandler von Frakturen und Verletzungen des Kindes benötigt spezielle Kenntnisse über die Besonderheiten des wachsende Organs „Skelett“, muss aber auch über die Bedürfnisse des Kindes und seiner Bezugspersonen reflektieren können. Bestehen Ungereimtheiten hinsichtlich des Unfallmechanismus und der Verletzung, eine verzögerte Vorstellung nach Fraktur oder spezielle Frakturen, dann muss an eine Kindesmisshandlung gedacht werden. Es gilt, die Balance zu halten zwischen den Polen „bei Kindern wächst sich alles aus“ und der apodiktischen Entscheidung einer primären definitiven Versorgung, die überspannt in jedem Lebensalter zu einer operativen Versorgung führt.


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Abstract

The treatment principles of fractures in children depend on the particular characteristics of fracture healing on the growing skeleton. The childʼs skeleton is an age-dependent dynamically growing organ with the ability to heal bony injury quickly, high tolerance to soft tissue injury, minor immobility damage, and age-related potential correction of posttraumatic misalignment. These abilities are not the same everywhere on the skeleton of the child, they are directly dependent on the potency of the adjacent growth joint or their proportion of the total length of the limb and the age of the child. The treatment of fractures and injuries to the child requires specific knowledge of the specificities of the growing skeletal organ, but it must also be able to reflect on the needs of the child and its caregivers. If there are inconsistencies regarding the accident mechanism and the injury, a delayed presentation after a fracture or special fractures then a child abuse must be considered. It is important to keep the balance between the poles “in children, everything grows out” and the apodictic decision of a primary definitive care that leads to an operative care at any age.


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Einleitung

Warum sollten bei Kindern andere Behandlungsprinzipien gelten als beim Erwachsenen? Der viel zitierte Satz, dass „Kinder keine kleinen Erwachsenen sind“ hat seine Berechtigung aus den unterschiedlichsten Gründen. Kinder haben häufiger Frakturen als Erwachsene, sie sind meist schlechter in der Lage, Risiken adäquat einzuschätzen. Zudem sind Charakteristika des wachsenden Knochens wie hohe Flexibilität und geringere Stabilität zu berücksichtigen, die zu einer höheren Inzidenz an knöchernen Verletzungen führen.

Die besonderen Eigenschaften der Frakturheilung am wachsenden Skelett sind bekannt [1], [8], [14]. Das Skelett stellt ein vom Alter abhängiges, dynamisch wachsendes Organ dar mit der Fähigkeit, schnell knöcherne Verletzungen zu heilen, mit einer hohen Toleranz gegenüber Weichteilverletzung, geringen Immobilitätsschäden und der altersabhängigen Korrekturfähigkeit für posttraumatische Fehlstellungen [1], [8]. Für eine kindgerechte Frakturbehandlung bedarf es spezieller Kenntnisse der Wachstumseigenschaften gesunder und verletzter Knochen sowie der Röntgenanatomie in den Altersgruppen.

Das Wissen über die Wachstumsphänomene und die Chance zur spontanen Korrektur sollte in den Behandlungsalgorithmus einbezogen werden.

Im Einzelnen soll hier auf den Unfallhergang, Diagnostik, Klassifikation, Wachstumsprognose, Spontankorrekturpotenzial und Therapieoptionen eingegangen werden.


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Unfallhergang

Im ersten Schritt sollte geklärte werden, ob ein adäquates Ereignis mit entsprechendem Unfallmechanismus zur Fraktur geführt hat. Die Abgrenzung zwischen adäquat und inadäquat kann durchaus schwierig sein, denn hier spielt das Alter bereits eine große Rolle. Kleinkinder können durch ein bloßes Hinfallen bereits eine Fraktur der Tibia erleiden im Sinne einer „Toddler“-Fraktur, Kinder unter dem 6. Lebensjahr können durch Bagatellstürze traumatische Hüftluxationen erleiden oder Bagatellbelastungen können bei Kindern unter dem 10. Lebensjahr zu Kalkaneusfrakturen führen ([Abb. 1]). Die Beurteilung des Unfallherganges und des Unfallmechanismus kann Aufschluss und Hinweise geben über mögliche Knochenveränderungen bzw. andere Verletzungsursachen (Osteogenesis imperfecta, pathologische Fraktur, Kindesmisshandlung). Im Kindes- und Jugendalter können Knochenläsionen wie juvenile Knochenzysten, fibröse Dysplasien und andere Läsionen sich erstmalig mit einem Knochenbruch manifestieren ([Abb. 2]). Die Dunkelziffer von primär nicht festgestellten Frakturen kann sehr hoch sein, z. B. Kuboidfrakturen oder Kalkaneusfrakturen. Aufgrund einer nur sehr geringen Weichteilschwellung und häufig unbedeutendem Unfallmechanismus werden diese in bis zu 50% nicht erkannt [1].

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Abb. 1 Zehnjähriges Mädchen mit Bagatellstauchungstrauma und geringer Schwellung des Rückfußes. Radiologisch kein Hinweis für eine Kalkaneusfraktur. Im NMR-Bild extraartikuläre nicht dislozierte Kalkaneusfraktur.

Besonderes Augenmerk besteht bei zeitlicher Verzögerung zwischen Verletzungszeitpunkt und Vorstellung beim Arzt, wechselnden, unklaren oder widersprüchlichen Erklärungen zur Verletzungsursache, wenn der beschriebene Verletzungsmechanismus in keiner Weise zur Verletzung passt oder bei Schaftfrakturen bei Säuglingen, die noch nicht laufen können. Hier muss zwingend an eine Kindesmisshandlung gedacht werden. Dabei sind typische Verletzungsmuster eine Vielzahl unterschiedlicher Läsionen in unterschiedlichem Heilungsstadium, atypische Lokalisationen und Verletzungen in unterschiedlichen Körperregionen [5], [11].

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Abb. 2 Sechsjähriger Junge mit pathologischer subtrochantärer Femurfraktur ohne adäquates Trauma. Bis zu diesen Bruch keine Beschwerden an der Hüfte gehabt.

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Untersuchung und Diagnostik

Besonders bei Erstkontakt sollte sich die klinische Untersuchung zunächst auf die visuelle und verbale Kontaktaufnahme beschränken, die Inspektion gibt bereits deutliche Hinweise, wo das Kind seine Verletzung haben könnte. Die Untersuchung nach primären Frakturzeichen wie Knochenkrepitation oder abnorme Beweglichkeit sollte primär unterbleiben, sie fügt dem Kind unnötige Schmerzen zu. Nach einer Bildgebung ohne richtungsweisenden Befund kann eine Wiederholung sinnvoll sein, um dann die weitere Diagnostik zielgerichteter durchführen zu können.

Die Interpretation des Röntgenbildes kann durchaus schwierig sein. Durch das Wachstum ändern sich auf den konventionellen Röntgenbildern die knöchernen Strukturen ständig. Die Knochenkerne kommen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und verschmelzen dann, insbesondere am Ellenbogen, bzw. es existiert eine Vielzahl an akzessorischen Kernen, was die Beurteilung erheblich erschwert.

Bei Frakturen muss der neurologische Status und Gefäßstatus untersucht und dokumentiert werden. Es kann beim Kind durchaus schwierig sein, einen neurologischen Status zu erheben, mitunter braucht es Geduld und Zeit. Postoperative neurologische Defizite sind insbesondere dann eine besondere Herausforderung, wenn bei der primären Untersuchung neurologische Defizite nicht ausgeschlossen wurden, wie z. B. bei suprakondylären Frakturen.

In der Kindertraumatologie kommen die Sonografie, das konventionelle Röntgen, Computertomografie und Magnetresonanztomografie zum Einsatz [1], [8], [14]. Nach wie vor stellt aber das konventionelle Röntgen das Hauptdiagnostikum dar. Prinzipiell sollten Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen mit Abbildung der angrenzenden Gelenke angefertigt werden, ist jedoch in einer Ebene die Indikation zur Operation gestellt worden, sollte auf die 2. Ebene verzichtet werden ([Abb. 3]). Ein Verzicht auf die Darstellung des Ellenbogengelenkes bei einer Ulna- oder Unterarmfraktur kann dazu führen, dass die offensichtliche Ulnaschaftfraktur gesehen und behandelt wird, aber der luxierte Radiuskopf nicht zur Darstellung kommt und damit übersehen wird. Damit nimmt eine mögliche Prognose dieser übersehenen Monteggia-Läsion ihren unheilvollen Lauf. Die Sonografie hat ihren Stellenwert bei Strukturen, die noch knorpelig angelegt sind, wie z. B. der Radiuskopf, und es können mit ihrer Hilfe zuverlässig Wulst- und Stauchungsfrakturen diagnostiziert werden. Computertomografie und Magnetresonanztomografie (NMR) haben in der Akutdiagnostik an den Extremitäten einen untergeordneten Stellenwert, nicht so bei der Diagnostik von Wirbelsäulenverletzungen. Auch bei Gelenkläsionen, insbesondere am Kniegelenk, hat das NMR eine zunehmende Bedeutung. Wenn keine Fraktur erkennbar ist, so kann das NMR ligamentäre Verletzungen wie vordere Kreuzbandrupturen oder bei Patellaluxationen Begleitverletzungen wie osteochondrale Flakes nachweisen.

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Abb. 3 Grob dislozierte suprakondyläre Humerusfraktur Typ IV nach AO. Indikation zur Operation ist eindeutig gegeben, weitere Röntgenaufnahmen führen zu Beschwerden ohne Änderung der Indikation.

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Wachstumsphänomene, Spontankorrektur und Wachstumsstörungen

Die Entstehung von Knochenwachstum ist bekannt [1], [8], [14]. Das Dickenwachstum findet durch periostalen Knochenanbau und gleichzeitigen endostalen Knochenabbau statt. Der Knochen folgt dabei dem von Roux formulierten Gesetz: mit einem Minimum an Material ein Optimum an Belastbarkeit zu erreichen. Für das Längenwachstum ist die Wachstumsfuge in unterschiedlichem Ausmaß, je nach Lokalisation und Alter, verantwortlich ([Abb. 4]). Die regionale spontane Korrektur von posttraumatischen Fehlstellungen ist abhängig von der Wachstumsbeteiligung der angrenzenden Fuge an der Gesamtlänge des Knochens. Im Bereich der oberen Extremität ist die Wachstumsbeteiligung an der proximalen Humerusepiphyse und an der distalen Radiusepiphyse mit ca. 80% für die Gesamtlänge verantwortlich [1], [8], [14]. Im Bereich der unteren Extremität erfolgt anteilsmäßig das größte Längenwachstum um das Kniegelenk herum mit der distalen Femurepiphyse bzw. der proximalen Tibiaepiphyse von ca. 60%. Achsknicke an diesen hochprozentigen Wachstumsfugen werden erheblich besser korrigiert als bei niedrigprozentigen.

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Abb. 4 An den Enden der 4 langen Röhrenknochen ist je eine Epiphysenfuge. Der Anteil der einzelnen Fugen am Längenwachstum der einzelnen Röhrenknochen ist sehr unterschiedlich.

Die Spontankorrektur ist jedoch auch von der funktionellen Beanspruchung abhängig, so werden Achsabweichungen in der Hauptbewegungsrichtung positiv beeinflusst [1].

Die spontanen Korrekturmechanismen von Achsabweichung und Seit-zu-Seit-Verschiebung kann der Knochen durch Knochenabbau auf der Zugseite und Knochenanbau auf der Druckseite remodellieren. Inwieweit sich die physiologischen Rotationsvorgänge auf einen Rotationsfehler auswirken, ist nicht abschließend beurteilbar, wenn, dann laufen sie ungezielt ab. Die Spontankorrekturpotenz und das Risiko für Wachstumsstörungen treten nur bei ausreichend verbleibender Zeit für das Restwachstum auf und hängen ab von: Alter, Entwicklungsstadium, Geschlecht, Dislokationsrichtung- und -ausmaß [1], [8], [14].

Bei der Planung der Behandlungsstrategie muss abgeschätzt werden, ob man das Potenzial der Wachstumsfuge in die Therapie mit einbaut. Eine hochpotente Fuge erhöht das Potenzial zur Spontankorrektur posttraumatischer Fehlstellungen, aber gleichermaßen auch die Anfälligkeit gegenüber Wachstumsstörungen. Wird eine Fehlstellung kalkuliert belassen, so müssen besondere Kenntnisse zur Abschätzung der Remodellierung vorliegen.


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Behandlungsprinzipien

In der Primärversorgung des verletzten Kindes sollte das erste Therapieziel die Schmerzfreiheit sein. Noch vor Beginn von diagnostischen Maßnahmen sollte nach der Inspektion eine provisorische Ruhigstellung durchgeführt und bei Bedarf mit Analgetika kombiniert werden. Nach der Diagnostik muss festgelegt werden, welcher Behandlungsstrategie man folgt. Ungeplante Verfahrenswechsel und Wiederholungseingriffe sollten möglichst unterbleiben, außer, sie werden gezielt in die Therapiestrategie mit eingeplant. Schmerzhafte Manipulationen wie Reposition, Redression und redressierende Verbände sollten in einer adäquaten Analgosedierung oder Narkose durchgeführt werden. Liegt jedoch ein Kind in Narkose, sollte eine definitive Versorgung angestrebt werden. Problematisch ist diese Philosophie, da bei Kleinkindern und jüngeren Kindern dann eventuell eine Ostosynthese erfolgt, nur um einen Korrekturverlust zu vermeiden, was einem „Overtreatment“ entsprechen kann. Dabei muss berücksichtigt werden, dass sich ein Korrekturverlust bei einem Kleinkind durch die Remodellierung ohne operative Korrektur vollständig zurückbilden kann.

In einzelnen Fällen führt diese Strategie der sofortigen definitiven Versorgung zu einer operativen Versorgung mit bedeutenden Komplikationen wie verzögerter Knochenbruchheilung bis hin zu Pseudarthrosen ([Abb. 5]), Infektverläufen und Osteomyelitis, was bei einer konservativen Behandlung so gut wie nicht auftreten würde [13].

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Abb. 5a, b Siebenjähriger Junge nach offener Reposition und perkutaner K-Draht-Osteosynthese einer distalen Radiusfraktur. Nach 4 Monaten noch keine ausreichende knöcherne Konsolidierung und drohende Pseudarthrose.

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Therapiemethoden

An Therapieoptionen stehen konservative und operative Verfahren zur Verfügung. Die Behandlungsstrategie hängt vom Alter, Ausmaß der Frakturdislokation und der Stabilität, der Frakturlokalisation und dem bestehenden Weichteilschaden ab.

In den kommenden folgenden Beiträgen wird gesondert auf die jeweiligen Frakturen an den Extremitäten eingegangen. Von daher ist es nicht das Ziel, in diesem Beitrag spezielle Fragestellungen vorwegzunehmen.

Vorweggenommen werden soll, dass es in der Kinder- und Jugendtraumatologie in den letzten 20 Jahren zu einer massiven Erweiterung der operativen Indikationen gekommen ist. Insbesondere hat die elastische stabile intramedulläre Nagelung (ESIN) quasi zu einer „Revolution“ in der Versorgung von Schaftfrakturen geführt [2], [7], [9]. Allerdings hat diese Technik durch ihre sehr guten Ergebnisse auch dazu geführt, dass die Fähigkeiten der Kliniken zur konservativen Behandlung abgenommen haben. Die Grenzen und Komplikationsmöglichkeiten der ESIN sind zwischenzeitlich bekannt [3], [10], [12]. Unter anderem kam es zu einer Ausweitung der Operationsindikationen auf Frakturen, z. B. Oberschenkelschaftfrakturen ([Abb. 6]) bei Kleinkindern, die konservativ sehr gut behandelbar sind [4].

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Abb. 6a-d 3-jähriger Junge mit Oberschenkelspiralfraktur. Versorgung mittels Beckenbeingips für 3 Wochen. Nach 3 Wochen gute Kallusbildung mit Verkürzung um ca.1,5 cm. Bei der Verlaufskontrolle 14 Monate später zeigte sich ein um wenige Millimeter größeres Femur.

Im Allgemeinen werden undislozierte oder akzeptabel dislozierte Frakturen konservativ behandelt [6]. Zur lokalisations- und altersabhängig akzeptablen Dislokation sei auf die Literatur verwiesen [1], [6], [8], [14]. Akzeptabel ist die konservative Therapie dann, wenn eine verbliebene Dislokation durch das weitere Wachstum remodelliert werden kann und hieraus kein Bewegungsdefizit entsteht. Man muss sich aber bewusst darüber sein, dass gewisse Fehlstellungen zwar vollständig remodellieren, aber ein Bewegungsdefizit verbleibt, z. B. können Unterarmschaftfrakturen in einer Fehlstellung vollständig remodellieren, das Unterarmumwendbewegungsdefizit kann aber verbleiben.

Die konservative Therapie von Frakturen bedarf der gleichen Hingabe und des gleichen Aufwandes wie eine operative Therapie, um ebenfalls ein gutes Ergebnis zu erzielen. Von der Redression bis hin zum retendierenden Verband muss auch hier die Therapiekette angepasst werden.

Ist eine Reposition notwendig, muss durch eine redressierende Ruhigstellung versucht werden, eine Redislokation zu verhindern. Wenn dies allein durch eine Immobilisation nicht möglich ist, dann muss über eine operative Stabilisierung nachgedacht werden, hier kommt es wieder besonders auf das Alter an.

Folgende Osteosynthesen kommen zur Anwendung, die stark von der Frakturlokalisation abhängig sind: Bei dislozierten epiphysären Frakturen kommen offene oder geschlossene Repositionen zur Anwendung [1], [8]. Das Ziel bei Gelenkfrakturen sollte es sein, die Gelenkflächen stufenlos zu readaptieren. Die Gelenkflächenrekonstruktion kann durch Kirschner-Drähte oder Kompressionsschrauben durchgeführt werden. Platten eignen sich nur begrenzt dazu, sie würden zu einer Epiphyseodese führen. Plattenosteosynthesen können dann sinnvoll sein, wenn die Wachstumsfuge kurz vor dem Verschließen ist, z. B. bei einer intraartikulären Tuberositas-tibiae-Fraktur mit weit vorgeschrittenem Wachstumsfugenverschluss. Unter arthroskopischer Repositionskontrolle können auch Gelenkfrakturen stufenlos versorgt werden.

Metaphysäre Frakturen sind meist gut geschlossen reponierbar, aber häufig nicht redressierbar, sodass oft eine Fixation erforderlich wird. Diese kann mit Kirschner-Drähten oder Schrauben stabilisiert werden. Häufig bedarf es noch einer zusätzlichen Ruhigstellung. Eine intramedulläre Schienung kann hier ebenfalls erfolgreich sein, das Wirkungsprinzip entspricht jedoch dann nicht mehr der elastisch stabilen intramedullären Nagelung (ESIN). Plattenosteosynthesen im Bereich der Metaphyse bei Kindern sind eine Seltenheit und kommen eher bei Jugendlichen zur Anwendung. Diaphysäre Frakturen werden in Abhängigkeit vom gebrochenen Knochen sehr unterschiedlich versorgt. Die ESIN hat die Versorgung der Schaftfrakturen revolutionär verändert [2], [7], [9], [10]. Hier gibt es sehr gute Indikationen und auch solche, in denen diese Technik an ihre Grenzen gebracht wird und dann zu fraglichen Ergebnissen kommt [10]. Wir möchten hier die Versorgung nicht weiter vertiefen, dies wird in den folgenden Beiträgen noch spezieller beleuchtet werden. Plattenosteosynthesen werden nur in wenigen Fällen als durchgeschobene Platten, z. B. bei gelenknahen Frakturen bei Adoleszenten, angewendet. Der Einsatz von Verriegelungsnägeln wird im Wesentlichen bei diaphysären Frakturen bei Jugendlichen vor dem Wachstumsabschluss oder z. B. bei Kindern über 50 kg am Oberschenkel eingesetzt.

Postoperative Röntgenkontrollen sollten auf ein Minimum reduziert werden.

Die Metallentfernung sollte, insbesondere bei der ESIN, nicht zu früh durchgeführt werden, um nicht Refrakturen zu provozieren.


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Autorinnen/Autoren

Francisco F. Fernandez

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PD Dr. med., Ärztlicher Leiter der Kinder- und Jugendtraumatologie, Olgahospital/Klinikum Stuttgart

Oliver Eberhardt

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PD Dr. med., Oberarzt, Orthopädische Klinik, Olgahospital/Klinikum Stuttgart

Interessenkonflikt

Von Seiten der Autoren bestehen keine Interessenkonflikte.

  • Literatur

  • 1 Beaty JH, Kasser JR. eds. Rockwood and Wilkinsʼ Fractures in Children. 6th ed. Philadelphia: Lippincott Williams & Wilkins;
  • 2 Fernandez FF, Eberhardt O, Wirth T. [Elastic stable intramedullary nailing as alternative therapy for the management of paediatric humeral shaft fractures]. Z Orthop Unfall 2010; 148: 49-53
  • 3 Fernandez FF, Eberhardt O, Langendörfer M. et al. Nonunion of forearm shaft fractures in children after intramedullary nailing. J Pediatr Orthop B 2009; 18: 289-295
  • 4 Heffernan MJ, Gordon JE, Sabatini CS. et al. Treatment of femur fractures in young children: a multicenter comparison of flexible intramedullary nails to spica casting in young children aged 2 to 6 years. J Pediatr Orthop 2015; 35: 126-129
  • 5 Kemp AM, Dunstan F, Harrison S. et al. Patterns of skeletal fractures in child abuse: systematic review. BMJ 2008; 337: a1518 doi:10.1136/bmj.a1518
  • 6 Kraus R, Wessel L. The treatment of upper limb fractures in children and adolescents. Dtsch Arztebl Int 2010; 107: 903-910
  • 7 Ligier JN, Métaizeau JP, Prévot J. et al. Elastic stable intramedullary pinning of long bone shaft fractures in children. Z Kinderchir 1985; 40: 209-212
  • 8 Marzi I. Hrsg. Kindertraumatologie. 2. Aufl.. Berlin, Heidelberg: Springer; 2009
  • 9 Prévot J, Lascombes P, Ligier JN. [The ECMES (centro-medullary elastic stabilizing wiring) osteosynthesis method in limb fractures in children. Principle, application on the femur. Apropos of 250 fractures followed- up since 1979]. Chirurgie 1993; 119: 473-476
  • 10 Schmittenbecher PP. Complications and errors in use of intramedullary nailing in shaft fractures in childhood. Kongressbd Dtsch Ges Chir Kongr 2001; 118: 435-437
  • 11 Skellern CY, Wood DO, Murphy A. et al. Non-accidental fractures in infants: risk of further abuse. J Paediatr Child Health 2000; 36: 590-592
  • 12 Slongo T. Complications and failures of the ESIN technique. Injury 2005; 36 (Suppl. 01) A78-A85
  • 13 Subramanian P, Kantharuban S, Shilston S. et al. Complications of Kirschner-wire fixation in distal radius fractures. Tech Hand Up Extrem Surg 2012; 16: 120-123
  • 14 von Laer L, Kraus R, Linhart WE. Hrsg. Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter. 6. Aufl.. Stuttgart: Thieme; 2012

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Francisco F. Fernandez
Kinder- und Jugendtraumatologie
Olgahospital/Klinikum Stuttgart
Kriegsbergstraße 62
70174 Stuttgart
Phone: 07 11/27 87 30 17   

  • Literatur

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Abb. 1 Zehnjähriges Mädchen mit Bagatellstauchungstrauma und geringer Schwellung des Rückfußes. Radiologisch kein Hinweis für eine Kalkaneusfraktur. Im NMR-Bild extraartikuläre nicht dislozierte Kalkaneusfraktur.
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Abb. 2 Sechsjähriger Junge mit pathologischer subtrochantärer Femurfraktur ohne adäquates Trauma. Bis zu diesen Bruch keine Beschwerden an der Hüfte gehabt.
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Abb. 3 Grob dislozierte suprakondyläre Humerusfraktur Typ IV nach AO. Indikation zur Operation ist eindeutig gegeben, weitere Röntgenaufnahmen führen zu Beschwerden ohne Änderung der Indikation.
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Abb. 4 An den Enden der 4 langen Röhrenknochen ist je eine Epiphysenfuge. Der Anteil der einzelnen Fugen am Längenwachstum der einzelnen Röhrenknochen ist sehr unterschiedlich.
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Abb. 5a, b Siebenjähriger Junge nach offener Reposition und perkutaner K-Draht-Osteosynthese einer distalen Radiusfraktur. Nach 4 Monaten noch keine ausreichende knöcherne Konsolidierung und drohende Pseudarthrose.
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Abb. 6a-d 3-jähriger Junge mit Oberschenkelspiralfraktur. Versorgung mittels Beckenbeingips für 3 Wochen. Nach 3 Wochen gute Kallusbildung mit Verkürzung um ca.1,5 cm. Bei der Verlaufskontrolle 14 Monate später zeigte sich ein um wenige Millimeter größeres Femur.