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DOI: 10.1055/s-2008-1038335
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Medikamentöse Wurzelkanaleinlagen
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
28. März 2008 (online)
Einleitung
Definition
Als endodontische Medikamente werden chemische Substanzen bezeichnet, die zwischen zwei Behandlungssitzungen in den Wurzelkanal eingebracht werden [[1], [2]].
Ziel ist es, das Wurzelkanalsystem zu desinfizieren, da der Hauptgrund für periapikale Entzündungen eindeutig bakterielle Infektionen sind [[2], [3], [4], [5]]. Wie in einem klassischen Tierexperiment gezeigt werden konnte, entstehen in einer keimfreien Umgebung, selbst wenn die Pulpa freigelegt und nicht weiter versorgt wird, weder pulpale noch periapikale Entzündungen [[6]]. Daher muss das Hauptziel jeder endodontischen Therapie sein, diese Mikroorganismen aus dem Wurzelkanalsystem zu eliminieren [[3], [5]].
Merke: Die Desinfektion des Wurzelkanals nach Aufbereitung und vor Füllung ist eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Endodontie [[7]].
Bedingt durch die Komplexität des Wurzelkanalsystems (Abb. [1]) werden auch mit modernen rotierenden Nickel-Titan-Instrumenten nur etwa 50 % der Kanalwandoberflächen mechanisch bearbeitet [[8]]. Daher ist es unter klinischen Bedingungen mit einer mechanischen Aufbereitung und antibakteriellen Spülung lediglich möglich, 50 - 70 % (abhängig vom Spülprotokoll) der infizierten Kanalwandfläche bakterienfrei zu bekommen [[4]].
Abb. 1 Die Komplexität des Wurzelkanalsystems ist schon seit über 100 Jahren in der Zahnmedizin bekannt (mod. nach G. Preiswerk [[10]]).
Die sogenannte „Single-visit“-Behandlung, d. h. das chemo-mechanische Aufbereiten und Abfüllen in einer Behandlungssitzung, wird heute auch bei pulpa-avitalen Zähnen als akzeptables Vorgehen angesehen. Diese Methode kann klinisch gute Erfolge zeigen. Trotzdem gibt es aber Zähne, bei denen mehr als eine Sitzung nötig wird, um eine Wurzelkanalbehandlung erfolgreich abzuschließen [[9]].
Im Wurzelkanal können Mikroorganismen in
Dentintubuli, Kanalramifikationen, akzessorischen Kanälen, Anastomosen und apikalen Aufzeigungen
überleben.
Dort sind sie unter Umständen weder der mechanischen Aufbereitung noch einer chemischen Spülung zugänglich [[3], [4]] (Abb. [2]).
Abb. 2 Durch die Komplexität des Kanalsystems ist eine vollständige mechanische Aufbereitung häufig nicht möglich.
Merke: Um ein infiziertes Wurzelkanalsystem weitestgehend von Mikroorganismen zu befreien, ist insbesondere in pulpa-avitalen Zähnen die Anwendung von Wurzelkanalmedikamenten indiziert [[3]].
Verschiedene Studien konnten nachweisen, dass sich in präparierten aber leeren Wurzelkanälen verbliebene Bakterien schnell vermehren können und die Bakterienzahl zwischen zwei Behandlungen rapide ansteigt, wenn keine medikamentöse Einlage in den Wurzelkanal eingebracht wird [[3], [11]].
Um einen Wurzelkanal weitestgehend von Mikroorganismen zu befreien, reicht eine medikamentöse Wurzelkanaleinlage alleine nicht aus. In einen nicht suffizient präparierten und gespülten Wurzelkanal zeigt auch eine endodontische Medikation keine Wirkung. Die chemo-mechanische Aufbereitung spielt daher hinsichtlich der Elimination von Mikroorganismen eindeutig die größere Rolle [[7], [11]]. Medikamentöse Einlagen unterstützen lediglich die chemo-mechanische Aufbereitung. Für den Erfolg einer endodontischen Behandlung ist die suffiziente Aufbereitung und Spülung wichtiger als die Art des applizierten Medikaments [[9]].
Merke: Die Verwendung antimikrobiell wirksamer Substanzen als medikamentöse Einlage darf nicht dazu führen, dass die sorgfältige Präparation und Spülung der Wurzelkanäle unterlassen wird.
Wurzelkanalmedikamente sollten nur als ein Teil der Wurzelkanaldesinfektion im Rahmen einer antiseptischen Behandlung von infizierten Kanälen verstanden werden. Nur bei Gebrauch antibakteriell wirksamer Wurzelkanalspüllösungen zusätzlich zur endodontischen Medikation kann eine zuverlässige Desinfektion der Wurzelkanäle erreicht werden [[7], [11]].
Es ist grundsätzlich fraglich, ob in jedem Fall eine medikamentöse Einlage benötigt wird, wenn sich vitales, nicht infiziertes Gewebe im Wurzelkanal befand (wie beispielsweise bei einer Vitalexstirpation).
Merke: Nach einer Vitalexstirpation ist unter biologischen Aspekten eine medikamentöse Einlage nicht notwendig [[2], [7], [11]].
Entgegen der landläufigen Meinung haben Art und Anwendung von Wurzelkanalmedikamenten keinen signifikanten Einfluss auf postoperative Beschwerden. Nach einer suffizienten chemo-mechanischen Wurzelkanalaufbereitung macht es hinsichtlich der Beschwerden keinen signifikanten Unterschied, ob ein Medikament eingebracht, der Kanal nur mit isotoner Kochsalzlösung versorgt oder gar leer gelassen wird [[9]]. Auch das Vorkommen eines „flare-ups“, also des erneuten Auftretens einer Schmerzsymptomatik nach endodontischer Behandlung, hängt nicht mit dem verwendeten Medikament zusammen, sondern mit dem Ausgangsbefund, wie z. B. Vorhandensein einer apikalen Parodontitis [[11]].
Literatur
- 1 Schäfer E, Hickel R, Geurtsen W, Heidemann D, Löst C, Petschelt A, Raab W H-M. Offizielles Endodontologisches Lexikon - mit einem Anhang für Materialien und Instrumente - der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung. Endodontie. 2000; 9 129-160
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- 32 Schäfer E, Bössmann K. Antimicrobial efficacy of chloroxylenol and chlorhexidine in the treatment of infected root canals. Am J Dent. 2001; 14 233-237
PD Dr. Till Dammaschke
Westfälische Wilhelms-Universität
Poliklinik für Zahnerhaltung
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