Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P784
DOI: 10.1055/s-2007-988053

Quantifikation des Untergangs von Motoneuronen bei demyelinisierenden Neuropathien: Retrograde Fluoreszenzmarkierung des N. ischiadicus in vivo an Tiermodellen der HMSN (IZKF Münster, Projektnr. You3/016/06)

H Nattkämper 1, C Lohmann 1, P Young 1
  • 1Münster

Primär demyelinisierende hereditäre Neuropathien sind gekennzeichnet durch eine Demyelinisierung von Nervenfasern und einen sekundären axonalen Verlust im peripheren Nervensystem. In welchem Umfang es zu einem Rückgang in der Anzahl von Motoneuronen (MN) kommt, ist bislang weitgehend unbekannt.

Um die Dimension des sekundären axonalen Verlustes zu quantifizieren, wurden transgene Mausmodelle für demyelinisierende Neuropathien mit veränderter Gendosis für das periphere Myelin-Protein 22 (PMP22) eingesetzt. Mittels retrograder Fluoreszenzmarkierung des N. ischiadicus wurden die korrespondierenden MN im spinalen Vorderhorn identifiziert und quantifiziert. Dazu wurde in vivo ein Kristall des Fluoreszenzfarbstoffs DiI (DiIC18(3)) am proximalen Stumpf des transsektionierten N. ischiadicus platziert. Der Farbstoff diffundiert in die Plasmamembran der Nervenfasern und wurde, nachdem er in membranösen Vesikeln inkorporierte, retrograd zu den MN im Rückenmark (Segmente L1-L2) transportiert. Die MN-Anzahl wurde 7 Tage nach der DiI-Applikation in vivo in seriellen Querschnitten des Rückenmarks fluoreszenzmikroskopisch bestimmt.

Es wurden 3–4 Tiere pro Gruppe (PMP22-defiziente Mäuse (PMP22 k/o), PMP22-Überexprimierer (PMP22 tg), Wildtyp (wt)) eingesetzt. Die Resultate zeigen eine signifikante Abnahme von ca. 30% in der Anzahl detektierbarer MN am postnatalen Tag P60 für PMP22-tg Mäuse im Vergleich zum wt. Ein signifikante Änderung der MN-Anzahl für PMP22 k/o-Tiere (P60) im Vergleich zum wt konnte nicht bestätigt werden. Im wt und in PMP22 k/o-Tieren fällt ausserdem eine signifikante Abnahme der Anzahl von MN im Vergleich der Altersstufen P60 und P300 um ca. 35% auf.

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Überexpression von PMP22 bereits am postnatalen Tag P60 mit einem gravierenden Verlust von MN oder korrespondierender Axone einhergeht. Weiterhin nimmt altersbedingt die Anzahl von MN in wt- und PMP22 k/o-Mäusen von P60 nach P300 ab. Das Ausmass des MN-Untergangs bei PMP22 tg-Mäusen entspricht bei P60 in etwa der altersbedingten Verminderung bei P300 im wt. Überraschenderweise liegt bei PMP22 k/o-Mäusen, im Gegensatz zu PMP22 tg, kein nachweisbarer Untergang von MN im Vergleich zum wt vor.

Das Projekt wird gefördert durch das IZKF Münster (You3/016/06).