Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P775
DOI: 10.1055/s-2007-988044

Pseudoradikulärer und radikulärer Rückenschmerz – ein Krankheitskontinuum oder verschiedene Krankheitsentitäten? Antworten mittels quantitativer sensorischer Testung

R Rolke 1, R Freynhagen 1, R Baron 1, TR Tölle 1, A Rutjes 1, S Schu 1, RD Treede 1
  • 1Mainz, Düsseldorf, Kiel, München

Fragestellung: Wir verwendeten das QST-Protokoll des Deutschen Forschungsverbunds Neuropathischer Schmerz (DFNS), um zu erfassen, ob pseudoradikulärer Rückenschmerz mit einem subklinischen sensiblen Defizit über den distalen Extremitäten assoziiert ist.

Methode: Mittels QST untersuchten wir 15 Patienten mit pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung. Als Kontrollkollektiv dienten 16 nach Alter und Geschlecht ausgesuchte Probanden sowie 12 Patienten mit radikulärem Schmerz-Syndrom (L4-S1). Radikulärer Rückenschmerz wurde anhand klinischer Kriterien diagnostiziert (Schmerzausstrahlung bis unterhalb des Knies, motorisches, sensibles oder Reflexdefizit, positives Laségue-Zeichen).

Ergebnisse: Z-score QST-Profile zeigten eine selektive Minderung des Vibrationsempfindens und der taktilen Sensitivität für Berührung mit von Frey-Filamenten sowie der Kaltsensitivität im betroffenen Dermatom der radikulären Schmerzgruppe. Das kontralaterale Dermatom war ebenfalls aber weniger stark betroffen. Patienten mit pseudoradikulärem Schmerz zeigten ein ähnliches sensorisches Profil. Der Sensibilitätsverlust war jedoch weniger stark ausgeprägt. Dabei zeigte sich zwischen den Gruppen der pseudoradikulären und radikulären Schmerzpatienten für keinen der getesteten Parameter ein signifikanter Unterschied. Die Vibrationsschwelle war der sensitivste Parameter mit 73% abnormer Werte bei den radikulären und 47% bei den pseudoradikulären Patienten.

Schlussfolgerung: Diese Daten weisen auf eine hohe Sensitivität von QST bei der Erkennung eines Sensibilitätsverlusts bei radikulären Kompressions-Syndromen hin und unterstützen das Konzept einer neuropathischen Schmerzkomponente bei radikulärem Rückenschmerz. Im Gegensatz zu einigen zentralen Schmerzsyndromen bevorzugt dieser Sensibilitätsverlust die Funktion dick bemarkter Nervenfasern. Der subklinische Sensibilitätsverlust bei pseudoradikulärem Syndrom legt eine neuropathische Schmerzkomponente auch bei dieser Form chronischer Schmerzen nahe. Die fehlende räumliche Überschneidung von Schmerzausbreitung und Sensibilitätsverlust weist darauf hin, dass diese beiden Phänomene nicht kausal miteinander verknüpft sein müssen.

Unterstützt durch das BMBF (DFNS)